Geschäftsveräußerung im Ganzen, Voraussetzungen: 1. Die nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG setzt voraus, dass die übertragenen Vermögensgegenstände die Fortsetzung einer bisher durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit ermöglichen. Eine Geschäftsveräußerung liegt auch dann vor, wenn der Erwerber den von ihm erworbenen Geschäftsbetrieb in seinem Zuschnitt ändert oder modernisiert. - 2. Die Übertragung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen und die Möglichkeit zur Unternehmensfortführung ohne großen finanziellen Aufwand ist keine eigenständige Voraussetzung für die Nichtsteuerbarkeit, sondern im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen, aus der sich ergibt, ob das übertragene Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht (Fortführung von BFH-Urteil vom 28.11.2002 V R 3/01, BFHE 200 S. 160, BStBl 2004 II S. 665 = SIS 03 10 92). - Urt.; BFH 23.8.2007, V R 14/05; SIS 08 05 56
I. Streitig ist das Vorliegen einer
Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 Abs. 1
a des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG).
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine
Landwirtschaftskammer (Körperschaft des öffentlichen
Rechts). Sie ist die Vertreterin der Landwirtschaft und Fischerei
in einem Bundesland und unterhielt als rechtlich
unselbständige Organisationseinheit eine landwirtschaftliche
Forschungs- und Untersuchungsanstalt/Institut für
Tiergesundheit und Lebensmittelqualität (Institut). Aufgabe
des Instituts war die Untersuchungs- und Beratungstätigkeit
für die landwirtschaftliche Praxis. Die Klägerin
führte mit dem Institut Untersuchungen auf privatrechtlicher
Grundlage gegenüber Dritten durch und nahm hoheitliche
Untersuchungsaufgaben wahr. Im Einzelnen war das Institut in den
Bereichen Agrikulturchemie, Lebensmittelchemie, Tiergesundheit und
Lebensmittelqualität tätig.
Das Institut bezog Leistungen von der
LD-GmbH, einer Tochtergesellschaft der Klägerin, in den
Bereichen Qualitätsmanagement und operative Verwaltung (EDV,
Buchhaltung, Mahnwesen, Vertriebsmanagement und Probeentnahmen
sowie Einkauf, Materialbewirtschaftung und Lager).
Die Klägerin verkaufte mit Vertrag vom
21.6.2001 das Institut an die Holding GmbH. Ausweislich der
Präambel des Kaufvertrages vom 21.6.2006 bezweckte die Holding
GmbH mit dem Erwerb des Instituts insbesondere die Erweiterung von
Marktanteilen, die Verstärkung der regionalen Präsenz,
die Ausweitung des eigenen Dienstleistungsangebots, die
Privatisierung landwirtschaftlicher Dienst- und Analytikleistungen
sowie die Realisierung wirtschaftlicher Synergien durch die
Integration des Instituts in die Unternehmensgruppe der Holding
GmbH. Nach der Präambel beabsichtigte die Holding GmbH weiter,
die Zukunft des Instituts am bisherigen Standort langfristig
sicherzustellen und in einzelnen Bereichen auszubauen. Mit Ausnahme
rein beratender oder verwaltungstechnischer Hoheitsaufgaben sollten
die bisherigen Leistungen des Instituts Dritten unverändert
angeboten werden. Dem Institut sollten moderne,
privatwirtschaftliche Strukturen, insbesondere in den Bereichen
Marketing und Vertrieb, Innere Verwaltung, Controlling,
EDV-gestützte Organisation und Führung verschafft werden.
Die Modernisierung der inneren Strukturen sollte die
Wirtschaftlichkeit des Instituts verbessern.
Die Holding GmbH beabsichtigte nach der
Präambel das Institut nicht selbst, sondern über eine
noch zu gründende Gesellschaft zu erwerben.
Nach dem Vertrag wurden insbesondere das
Sachanlagevermögen, die immateriellen Vermögenswerte, das
Vorratsvermögen, der Firmenwert (eingespielte
Betriebsorganisation, Kundenkartei, Know-how, Marke des Instituts)
sowie der Forderungs- und der Kassenbestand übertragen
(§§ 3 bis 8 des Kaufvertrages). Nicht übertragen
wurde das Institutsgrundstück, das die Klägerin für
eine Laufzeit von acht Jahren mit einer Verlängerungsoption
von fünf Jahren aufgrund eines gesonderten Mietvertrages an
die Erwerberin vermietete. Der Kaufvertrag vom 21.6.2001 sah
darüber hinaus den Übergang der durch das Institut
abgeschlossenen Verträge vor, soweit diese nicht das
Institutsgrundstück betrafen. Die Vertragsparteien gingen
weiter von einem Übergang der Arbeitsverhältnisse des
beim Institut beschäftigten Personals aus. Die Käuferin
verpflichtete sich im Kaufvertrag ausdrücklich, den
Laborstandort dauerhaft zu sichern und die beim Institut
bestehenden Beschäftigungsverhältnisse fortzuführen.
Sie verpflichtete sich weiter, als Erfüllungsgehilfin der
Verkäuferin die dem Institut bisher obliegenden Aufgaben im
hoheitlichen Bereich insoweit zu übernehmen, als die
Aufwandserstattungen der Kostendeckung genügen. Im
Übrigen sah der Kaufvertrag vor, dass die Käuferin auch
die Geschäftsanteile an der LD-GmbH erwirbt. Der Kaufpreis
für den Erwerb des Instituts sollte sich auf 16 Mio. DM
belaufen.
Aufgrund einer Ergänzungsvereinbarung
vom 27.9.2001 vereinbarten die Parteien des Kaufvertrages, dass die
Geschäftsanteile an der LD-GmbH nicht übertragen werden
und auch die mit der LD-GmbH abgeschlossenen Verträge nicht
auf die Erwerberin übergehen sollten, sondern
schnellstmöglich zu beenden seien. Im Übrigen
ermäßigte sich der Kaufpreis auf 11,5 Mio. DM. Das
Institut wurde im Dezember 2001 übertragen. Weitere
Feststellungen zur Übertragung traf das Finanzgericht (FG)
nicht.
In ihrer Umsatzsteuervoranmeldung für
Dezember 2001 behandelte die Klägerin die Übertragung des
Instituts zunächst als steuerpflichtigen Umsatz. Sie
beantragte demgegenüber im März 2002 die Änderung
dieser Voranmeldung, da es sich um eine
Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1 a UStG
gehandelt habe.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) lehnte den Antrag durch Bescheid vom 13.6.2002
ab. Hiergegen legte die Klägerin am 21.6.2002 Einspruch ein,
der durch Einspruchsentscheidung vom 19.7.2002 als unbegründet
zurückgewiesen wurde. Hiergegen erhob die Klägerin Klage
zum FG.
Nach Klageerhebung erging am 31.10.2002 der
Umsatzsteuerjahresbescheid für das Jahr 2001 (Streitjahr).
Dieser Bescheid wurde gemäß § 68 Satz 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Klageverfahrens.
Mit Beschluss vom 19.2.2003 lud das FG die
A-GmbH (Beigeladene) zum Verfahren gemäß § 60 Abs.
1 FGO bei. Die Beiladung erfolgte im Hinblick auf die zwischen der
Klägerin und der Beigeladenen bestehende Streitfrage, ob der
Verkauf des Instituts umsatzsteuerpflichtig und die Klägerin
verpflichtet ist, den im Kaufvertrag ausgewiesenen Kaufpreis in ein
steuerpflichtiges Entgelt und einen Steuerbetrag aufzuteilen und
hierüber eine Rechnung zu erteilen. Die Beigeladene und die
Holding GmbH gehören derselben Unternehmensgruppe an.
Das FG wies die Klage mit der
Begründung ab, dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 a
UStG nicht gegeben seien. Die Klägerin habe weder ein
Unternehmen noch einen in der Gliederung des Unternehmens gesondert
geführten Betrieb übertragen. Es seien nicht alle
wesentlichen Gegenstände des Unternehmens an die Beigeladene
veräußert worden. Nach dem unwidersprochenem Vortrag der
Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung sei ein
zertifiziertes Qualitätsmanagement für die Tätigkeit
des Instituts unbedingt erforderlich gewesen. Zwar habe das
Qualitätsmanagement nicht zum eigenen Unternehmensbereich des
Instituts gehört, da es in die LD-GmbH ausgegliedert gewesen
sei. Im Fall der Ausgliederung eines wesentlichen
Unternehmensbereiches läge eine
Geschäftsveräußerung aber nur vor, wenn der
Erwerber in die Verträge mit dem ausgegliederten Unternehmen
eintrete. Zwar hätten die Verträge mit der LD-GmbH nach
den ursprünglichen Vereinbarungen auf die Beigeladene
übergehen sollen. Aufgrund der Ergänzungsvereinbarung vom
27.9.2001 seien demgegenüber die Verträge mit der LD-GmbH
gekündigt worden, was zur Liquidation der LD-GmbH geführt
habe. Infolgedessen sei das für das Institut wesentliche
Qualitätsmanagement nicht auf die Beigeladene übertragen
worden. Eine Fortführung des Bereichs Lebensmitteluntersuchung
sei für die Beigeladene nur möglich, weil sie über
ein eigenes zertifiziertes Qualitätsmanagement verfügte.
Ein anderer Erwerber hätte demgegenüber die
Tätigkeit im Bereich Lebensmitteluntersuchung nicht
fortführen können oder hätte für ein
zertifiziertes Qualitätsmanagement zumindest
größere finanzielle Aufwendungen gehabt.
Das Urteil ist in EFG 2005, 643 = SIS 05 14 61 abgedruckt.
Mit der Revision rügt die
Klägerin sinngemäß Verletzung von § 79 FGO,
das Vorliegen eines Überraschungsurteils sowie Verletzung von
§ 1 Abs. 1 a UStG.
Während des Revisionsverfahrens
änderte das FA den Umsatzsteuerjahresbescheid 2001 am
23.2.2005 aus anderen Gründen. Dieser Bescheid wurde
gemäß § 68 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO
Gegenstand des Revisionsverfahrens.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des
FG vom 9.12.2004 4 K 220/02 aufzuheben und den
Umsatzsteuerjahresbescheid für 2001 vom 31.10.2002 in der
Fassung des Änderungsbescheids vom 23.2.2005 dahingehend zu
ändern, dass die Umsatzsteuer auf 701.422,93 EUR
ermäßigt und die Veräußerung des Instituts
als nicht steuerbare Geschäftsveräußerung behandelt
wird.
Hilfsweise beantragt die Klägerin, nur
die Veräußerung der Wirtschaftsgüter, die zum
Unternehmensvermögen gehörten, der Umsatzsteuer zu
unterwerfen.
Im Einzelnen trägt sie vor, dass die
Beteiligung an der LD-GmbH keine wesentliche Betriebsgrundlage
gewesen sei. Im Übrigen habe die Beigeladene das
Qualitätsmanagement im Zusammenhang mit der Liquidation der
LD-GmbH zumindest faktisch übernommen. Da die Beigeladene ein
eigenes Qualitätsmanagement unterhalten hat, habe die
Tätigkeit der LD-GmbH für sie keine Rolle
gespielt.
Das FA und die Beigeladene beantragen, die
Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision der Klägerin ist
begründet. Sie führt nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
FGO zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie zur
Zurückverweisung der Sache an das FG. Entgegen der Auffassung
der Vorinstanz steht der Annahme einer
Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1 a Satz 1
UStG nicht entgegen, dass der Erwerber das Unternehmen nicht mit
allen Vertragsbeziehungen (insbesondere betreffend
Qualitätsmanagement) übernahm. Die vorhandenen
Feststellungen reichen aber nicht aus, um abschließend zu
entscheiden. Der während des Revisionsverfahrens ergangene
Änderungsbescheid für das Streitjahr wirkt sich insoweit
nicht aus, da die Änderungen die Streitpunkte nicht betreffen
(vgl. § 127 FGO).
1. Nach § 1 Abs. 1 a UStG 1999
unterliegen Umsätze im Rahmen einer
Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer
für dessen Unternehmen nicht der Umsatzsteuer. Die Vorschrift
setzt voraus, dass ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines
Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich
oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft
eingebracht wird.
a) § 1 Abs. 1 a UStG dient der Umsetzung
von Art. 5 Abs. 8 und Art. 6 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie des
Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie
77/388/EWG) in nationales Recht und ist richtlinienkonform
auszulegen (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
18.1.2005 V R 53/02, BFHE 208, 491, BFH/NV 2005, 810 = SIS 05 17 51).
Art. 5 Abs. 8 und Art. 6 Abs. 5 der Richtlinie
77/388/EWG lautet:
„Die Mitgliedstaaten können die
Übertragung des Gesamtvermögens oder eines
Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich oder durch
Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt, so behandeln, als ob
keine Lieferung von Gegenständen vorliegt, und den
Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des
Übertragenden ansehen. Die Mitgliedstaaten treffen
gegebenenfalls die erforderlichen Maßnahmen, um
Wettbewerbsverzerrungen für den Fall zu vermeiden, daß
der Begünstigte nicht voll steuerpflichtig ist.“
Gemäß Art. 6 Abs. 5 gilt Art. 5
Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG „unter den gleichen
Voraussetzungen für Dienstleistungen“.
Die in diesen Bestimmungen verwendeten
Begriffe sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der
Europäischen Gemeinschaften (EuGH) autonome Begriffe des
Gemeinschaftsrechts, die eine in den Mitgliedstaaten
unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems verhindern
sollen (Urteil vom 27.11.2003 C-497/01, Zita Modes, Slg. 2003,
I-14393, BFH/NV Beilage 2004, 128 = SIS 04 01 39 Randnr. 32). Dabei
bezweckt Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG nach der
Rechtsprechung des EuGH, die Übertragung von Unternehmen oder
Unternehmensteilen zu erleichtern und zu vereinfachen. Im Hinblick
auf diesen Zweck erfasst Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG
die Übertragung der Geschäftsbetriebe und der
selbständigen Unternehmensteile, die jeweils materielle und
immaterielle Bestandteile umfassen, die zusammengenommen ein
Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine
selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt
werden kann (EuGH-Urteil Zita Modes in Slg. 2003, I-14393, BFH/NV
Beilage 2004, 128 = SIS 04 01 39 Randnr. 39 f.). Der Erwerber muss
darüber hinaus die Absicht haben, den übertragenen
Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben. Nicht
begünstigt ist die sofortige Abwicklung der übernommenen
Geschäftstätigkeit (EuGH-Urteil Zita Modes in Slg. 2003,
I-14393, BFH/NV Beilage 2004, 128 = SIS 04 01 39 Randnr. 44).
b) Wie sich bereits aus den Begriffen des
Gesamtvermögens und des Teilvermögens ergibt, die die
Richtlinie gleichrangig verwendet, kommt es für die
Unternehmensfortführung nach Art. 5 Abs. 8 und Art. 6 Abs. 5
der Richtlinie 77/388/EWG nicht darauf an, dass der
Steuerpflichtige sein gesamtes Unternehmensvermögen auf den
Erwerber überträgt. Im Hinblick auf die nach der
EuGH-Rechtsprechung maßgebliche Absicht des Erwerbers, den
übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu
betreiben, ist vielmehr entscheidend, ob die übertragenen
Vermögensgegenstände die Fortsetzung einer bisher durch
den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit
ermöglichen. Hiermit übereinstimmend ist es nach der
Rechtsprechung des Senats maßgeblich, ob die
übertragenen Vermögensgegenstände ein hinreichendes
Ganzes bilden, um die Ausübung einer wirtschaftlichen
Tätigkeit zu ermöglichen. Dabei ist im Rahmen einer
Gesamtwürdigung die Art der übertragenen
Vermögensgegenstände und der Grad der
Übereinstimmung oder Ähnlichkeit zwischen den vor und
nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten zu
berücksichtigen (BFH-Urteil vom 28.11.2002 V R 3/01, BFHE 200,
160, BStBl II 2004, 665 = SIS 03 10 92).
§ 1 Abs. 1 a UStG setzt nicht voraus,
dass der Erwerber das Unternehmen unverändert
weiterführt. Der vom EuGH bei der Auslegung betonte
Vereinfachungszweck greift vielmehr auch dann ein, wenn der
Erwerber den von ihm erworbenen Geschäftsbetrieb aus z.B.
betriebswirtschaftlichen oder kaufmännischen Gründen in
seinem Zuschnitt ändert oder modernisiert. Die Wesentlichkeit
einzelner Betriebsgrundlagen und die Möglichkeit zur
Unternehmensfortführung ohne großen finanziellen Aufwand
(Senatsurteil vom 4.7.2002 V R 10/01, BFHE 199, 66, BStBl II 2004,
662 = SIS 03 01 75) stellen in diesem Zusammenhang keine
eigenständigen Voraussetzungen für die Nichtsteuerbarkeit
dar, sondern sind im Rahmen der Gesamtwürdigung zu
berücksichtigen, aus der sich ergibt, ob das übertragene
Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes die
Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht
(BFHE 200, 160, BStBl II 2004, 665 = SIS 03 10 92). Hieran fehlt es
z.B., wenn nur der Warenbestand verkauft wird (EuGH-Urteil Zita
Modes in Slg. 2003, I-14393, BFH/NV Beilage 2004, 128 = SIS 04 01 39 Randnr. 44).
2. Die vom FG zur Auslegung des § 1 Abs.
1 a UStG angewendeten Kriterien zur Auslegung des § 1 Abs. 1 a
UStG entsprechen nicht den vorstehenden Grundsätzen. Das
Urteil war daher aufzuheben.
a) Die Klägerin handelte bei der
Institutsübertragung als Unternehmer nach § 2 Abs. 3 Satz
1 UStG, da sie mit dem Institut entgeltliche Leistungen erbrachte
und zwischen den Beteiligten das Vorliegen eines Betriebs
gewerblicher Art unstreitig ist. Die Veräußerung des
dieser Leistungstätigkeit dienenden Unternehmensvermögens
erfolgte im Rahmen des Unternehmens der Klägerin (vgl. BFH vom
1.7.2004 V R 64/02, BFH/NV 2005, 252 = SIS 05 08 18 zu
Grundstückslieferungen einer juristischen Person des
öffentlichen Rechts). Ob das Unternehmensvermögen
darüber hinaus auch für hoheitliche Zwecke verwendet
wurde und insoweit unentgeltliche Wertabgaben nach § 3 Abs. 9a
UStG im Zeitraum bis zur Institutsveräußerung vorlagen,
ist unerheblich.
b) Das FG hat das Vorliegen einer
Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1 a UStG zu
Unrecht allein mit der Begründung abgelehnt, es seien nicht
alle wesentlichen Betriebsgrundlagen auf den Erwerber
übergegangen. Vielmehr kommt es darauf an, ob die
übertragenen Vermögensgegenstände ein hinreichendes
Ganzes bilden, mit dem eine wirtschaftliche Tätigkeit
fortgeführt werden kann.
Die danach erforderlichen Feststellungen und
deren Gesamtwürdigung kann der Senat nicht vornehmen. Die
Sache ist an das FG zurückzuverweisen, das diese
Würdigung vorzunehmen hat. Dabei wird das FG zu
berücksichtigen haben, dass nach dem Kaufvertrag vom 21.6.2001
für die Erwerberin die Verpflichtung bestand, den
Laborstandort dauerhaft zu sichern und dass die Holding GmbH nach
der Präambel des Vertrages eine Reihe von Zielen verfolgte,
die sich nur bei einer Fortführung der Institutstätigkeit
erreichen ließen. Dies gilt insbesondere für die
Verstärkung der regionalen Präsenz, die Ausweitung des
eigenen Dienstleistungsangebots, die Privatisierung
landwirtschaftlicher Dienst- und Analytikleistungen sowie die
Realisierung wirtschaftlicher Synergien durch die Integration des
Instituts in die Unternehmensgruppe der Holding GmbH. Aufgrund
dieser Zielsetzungen erwarb die Beigeladene im Übrigen auch
den durch die bisherige Institutstätigkeit geschaffenen
Firmenwert (eingespielte Betriebsorganisation, Kundenkartei,
Know-how, Marke des Instituts).
Entgegen der Auffassung des FG steht der
Beurteilung als Geschäftsveräußerung nicht schon
entgegen, dass der Erwerber aus Gründen einer mit der
Unternehmensfortführung angestrebten Effizienzsteigerung weder
(zusätzlich) die Anteile der LD-GmbH erwarb noch die mit
dieser bestehenden Verträge über den Bezug bestimmte
Leistungen übernahm. Der Annahme einer
Geschäftsveräußerung steht nicht entgegen, dass der
Erwerber für die Fortführung erforderliche Leistungen
oder Lieferungen nicht von den bisherigen Vertragspartnern des
Veräußerers bezieht. Im Hinblick auf die nach der
EuGH-Rechtsprechung maßgeblichen Erwerbersicht ist insoweit
auch zu berücksichtigen, ob die Unternehmensgruppe, der die
Beigeladene angehört, über ein eigenes
Qualitätsmanagement verfügte und das Institut auf die
Ressourcen der Erwerberunternehmensgruppe zurückgreifen
konnte.
c) Wie das FG zutreffend ausführt, war es
im Hinblick auf die langfristige Vermietung des
Institutsgrundstücks schließlich nicht erforderlich, das
Grundstück auf den Erwerber dinglich zu übertragen. Die
vereinbarte Grundmietzeit von acht Jahren reichte nach den
Grundsätzen des Senatsurteils in BFHE 200, 160, BStBl II 2004,
665 = SIS 03 10 92 für eine langfristige
Nutzungsüberlassung durch Vermietung aus, ohne dass es dabei
auf die Ausübung von Verlängerungsoptionen ankommt.
3. Im zweiten Rechtsgang sind auch
Feststellungen zur Person des Institutserwerbers zu treffen. Denn
es ist entscheidungserheblich, ob in der Person des Erwerbers die
Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 a UStG vorliegen
(Unternehmereigenschaft und Fortführungsabsicht).
Leistungsempfänger ist nach der
ständigen Rechtsprechung des BFH grundsätzlich derjenige,
der aus dem der Leistung zugrunde liegenden Schuldverhältnis
als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (vgl. BFH-Urteile
vom 24.8.2006 V R 16/05, BFHE 215, 311, BStBl II 2007, 340 = SIS 06 47 38; vom 16.5.1995 XI R 50/93, BFH/NV 1996, 185; vom 23.11.2000 V
R 49/00, BFHE 193, 170, BStBl II 2001, 266 = SIS 01 02 99).
Vertragspartei des ursprünglichen Kaufvertrags vom 21.6.2001
war die Holding GmbH. Zwar sah dieser Vertrag vor, dass das
Institut durch eine noch zu gründende GmbH übernommen
werden sollte. Die Holding GmbH handelte jedoch auch bei Abschluss
der Ergänzungsvereinbarung vom 27.9.2001 noch als
Käuferin. Auch wenn die Klägerin bereits im Kaufvertrag
vom 21.6.2001 einer Übertragung der sich aus dem Kaufvertrag
ergebenden Rechte und Pflichten durch die Käuferin auf die
noch zu gründende Gesellschaft zustimmte, hat das FG aber
nicht festgestellt, ob diese Übertragung auch tatsächlich
- wie erforderlich - bis zum Zeitpunkt der Institutsübergabe
im Dezember 2001 als maßgeblichen Leistungszeitpunkt erfolgt
ist. Es ist nicht ersichtlich, welche Rechtsposition der vom FG
beigeladenen A-GmbH im Streitfall zukommt.
Sollte es an einer wirksamen und rechtzeitigen
Übertragung der Rechtspositionen aus dem Kaufvertrag fehlen,
wäre die Holding GmbH als Erwerber anzusehen, so dass eine
nicht steuerbare Geschäftsveräußerung nur dann
vorläge, wenn die Holding GmbH Unternehmer gemäß
§ 2 UStG ist. War die Holding GmbH beim Erwerb unternehmerisch
tätig, wäre weiter zu prüfen, ob bei ihr auch die
nach der EuGH-Rechtsprechung maßgebliche
Fortführungsabsicht vorlag, da sie das Institut nicht selbst,
sondern durch die Beigeladene betreiben wollte.