Angestellte Rechtsanwältin, Berufshaftpflichtversicherung: Die Übernahme der Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung einer angestellten Rechtsanwältin durch den Arbeitgeber führt zu Arbeitslohn, weil diese gemäß § 51 BRAO zum Abschluss der Versicherung verpflichtet ist und deshalb ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers ausscheidet. - Urt.; BFH 26.7.2007, VI R 64/06; SIS 07 29 08
I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte
Eheleute. Die Klägerin bezieht als angestellte
Rechtsanwältin Einkünfte aus nichtselbstständiger
Arbeit. Zur Abdeckung von Vermögensschäden schloss sie
eine Haftpflichtversicherung für Rechtsanwälte ab. Die
Versicherungssumme pro Versicherungsfall beläuft sich auf
2.000.000 DM. Vertragsbestandteil sind die Allgemeinen
Versicherungsbedingungen für die
Vermögensschäden-Haftpflichtversicherung von
Rechtsanwälten und Patentanwälten (ABG-A). Die
Versicherungsbeiträge, die sich in den Streitjahren 1998 bis
2000 auf je 2.970 DM beliefen, trug der Arbeitgeber der
Klägerin, ohne sie der Lohnsteuer zu unterwerfen.
Die Klägerin erklärte in den
Streitjahren bei den Einkünften aus nichtselbstständiger
Arbeit Einnahmen in Höhe von 70.892 DM (1998), 73.232 DM
(1999) und 76.612 DM (2000). Der Beklagte und Revisionsbeklagte
(das Finanzamt - FA - ) behandelte die vom Arbeitgeber getragenen
Versicherungsbeiträge als zusätzlichen Arbeitslohn und
erhöhte die Einnahmen entsprechend. Andererseits ließ
das FA anstelle des Arbeitnehmer-Pauschbetrags Werbungskosten in
Höhe der Versicherungsbeiträge zum Abzug zu.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit
den in EFG 2007, 771 = SIS 07 13 57 veröffentlichten
Gründen ab.
Mit der Revision rügen die Kläger
die Verletzung materiellen Rechts.
Die Kläger beantragen
sinngemäß, die Vorentscheidung und die
Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide
1998 bis 2000 dahingehend abzuändern, dass die Beiträge
zur Berufshaftpflichtversicherung nicht als Arbeitslohn erfasst
werden.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG ist von zutreffenden
rechtlichen Erwägungen ausgegangen. Seine tatsächliche
Würdigung ist möglich; sie verstößt nicht
gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze.
1. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) gehören u.a. Bezüge und
Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen
oder privaten Dienst gewährt werden, zu den Einkünften
aus nichtselbstständiger Arbeit. Dem Tatbestandsmerkmal
„für“ ist nach ständiger
Rechtsprechung zu entnehmen, dass ein dem Arbeitnehmer vom
Arbeitgeber zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter für das
Zurverfügungstellen der Arbeitskraft haben muss, um als
Arbeitslohn angesehen zu werden. Dagegen sind solche Vorteile kein
Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller
Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als
notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung
erweisen. Ein Vorteil wird dann aus ganz überwiegend
eigenbetrieblichem Interesse gewährt, wenn im Rahmen einer
Gesamtwürdigung aus den Begleitumständen zu
schließen ist, dass der jeweils verfolgte betriebliche Zweck
im Vordergrund steht. In diesem Fall des „ganz
überwiegend“ eigenbetrieblichen Interesses kann ein
damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den
betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden. Die
danach erforderliche Gesamtwürdigung hat insbesondere Anlass,
Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten,
freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder
Zwang zur Annahme des Vorteils und seine besondere Geeignetheit
für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck zu
berücksichtigen. Tritt das Interesse des Arbeitnehmers
gegenüber dem des Arbeitgebers in den Hintergrund, kann eine
Lohnzuwendung zu verneinen sein. Ist aber - neben dem
eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers - ein nicht
unerhebliches Interesse des Arbeitnehmers gegeben, so liegt die
Vorteilsgewährung nicht im ganz überwiegend
eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers und führt zur
Lohnzuwendung (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11.4.2006 VI
R 60/02, BFHE 212, 574, BStBl II 2006, 691 = SIS 06 30 05,
m.w.N.).
2. Nach diesen Grundsätzen hat das FG
eine Gesamtwürdigung vorgenommen. Es ist dabei zu dem Ergebnis
gekommen, dass die Übernahme der Beiträge zur
Berufshaftpflichtversicherung der Klägerin durch den
Arbeitgeber auch im eigenen Interesse der Klägerin erfolgte
und deshalb Arbeitslohn anzunehmen sei. Die Gesamtwürdigung,
die revisionsrechtlich nur begrenzt überprüfbar ist (vgl.
dazu BFH-Beschlüsse vom 10.2.2005 VI B 113/04, BFHE 209, 211,
BStBl II 2005, 488 = SIS 05 17 03; vom 10.11.2005 VI B 75/05,
BFH/NV 2006, 530 = SIS 06 11 71; Urteil vom 12.4.2007 VI R 77/04 =
SIS 07 27 47, nicht veröffentlicht; Gräber/Ruban,
Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 118 Rz 30; Seer in Tipke/
Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 118 FGO Rz 87,
m.w.N.), ist möglich; sie lässt keinen Rechtsfehler
erkennen.
Wie das FG zu Recht ausgeführt hat, ist
der Anwalt gemäß § 51 der
Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) gesetzlich verpflichtet, eine
Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen. Ein
Verstoß gegen diese Pflicht wird mit der Nichtzulassung zum
Beruf (§ 12 Abs. 2 BRAO) oder der Entfernung aus diesem
sanktioniert (§ 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO). Der Abschluss einer
Berufshaftpflichtversicherung ist damit unabdingbar für die
Ausübung des Berufs eines (angestellten) Rechtsanwalts. Kommt
er der gesetzlichen Verpflichtung nach, handelt er in typischer
Weise im eigenen Interesse. Soweit der Arbeitgeber eines
angestellten Rechtsanwalts im Hinblick auf die Haftungsrisiken
aller weiteren Sozien ein Interesse an einer die Mindestsumme von
(in den Streitjahren) 500.000 DM (vgl. § 51 Abs. 4 BRAO)
übersteigenden Versicherungssumme hat, wie die Kläger
geltend machen, hat dies nicht zur Folge, dass das Interesse des
einzelnen Arbeitnehmers am Abschluss der
Berufshaftpflichtversicherung als unerheblich zu qualifizieren
wäre. Im Übrigen weist die Vorentscheidung zu Recht
darauf hin, dass wegen dieses erweiterten Haftungsrisikos im Fall
einer Sozietät eine höhere Versicherungssumme im
Interesse jedes einzelnen Sozius liegt.