Bußgeld, Arbeitslohn: 1. Übernimmt ein Arbeitgeber nicht aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse die Zahlung einer Geldbuße und einer Geldauflage, die gegen einen bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer wegen Verstößen gegen das Lebensmittelrecht verhängt worden sind, so handelt es sich hierbei um Arbeitslohn. - 2. Ein Vorteil wird dann aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse gewährt, wenn im Rahmen einer Gesamtwürdigung aus den Begleitumständen zu schließen ist, dass der jeweils verfolgte betriebliche Zweck im Vordergrund steht (Bestätigung der Rechtsprechung). - 3. Geldbußen i.S. von § 17 OWiG können nicht als Werbungskosten abgezogen werden (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 1 EStG i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG). - 4. Der Werbungskostenabzug von Geldauflagen i.S. des § 153 a StPO scheidet nach § 12 Nr. 4 EStG aus, soweit die Auflagen nicht lediglich der Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens dienen. - Urt.; BFH 22.7.2008, VI R 47/06; SIS 08 41 76
I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) sind im Streitjahr (1997) zusammen zur
Einkommensteuer veranlagte Ehegatten. Der Kläger war im
Streitjahr Gesellschafter und einer der Geschäftsführer
der B GmbH (GmbH). An der GmbH waren der Kläger und ein
weiterer Gesellschafter-Geschäftsführer zu jeweils 20 %
sowie die Firma A Ltd., später C Ltd., (Ltd.) zu 60 %
beteiligt. Angestellte Geschäftsführer der Ltd. waren
drei weitere Personen.
Mit Bußgeldbescheid vom 16.1.1996
setzte die Kreisverwaltung B gegen den Kläger eine
Geldbuße nach § 17 des Gesetzes über
Ordnungswidrigkeiten (OWiG) in Höhe von 10.000 DM
zuzüglich Verfahrenskosten, insgesamt einen Betrag in
Höhe von 17.008 DM, fest. Die Kreisverwaltung legte dem
Kläger zur Last, als Verantwortlicher der GmbH unter
Verstoß gegen lebensmittelrechtliche Bestimmungen Produkte in
Verkehr gebracht zu haben.
Im Zuge eines weiteren Vorgangs stellte das
Amtsgericht B ein Strafverfahren gegen den Kläger nach §
153a Abs. 2 der Strafprozessordnung in ihrer im Streitjahr
gültigen Fassung (StPO) mit Beschluss vom 7.7.1997
vorläufig ein und erteilte dem Kläger die Auflage, ab dem
1.8.1997 eine „Geldbuße“ in Höhe von 62.000
DM in näher bestimmten Raten an die Staatskasse zu zahlen. In
dem Strafverfahren wurde dem Kläger zur Last gelegt, als
Geschäftsführer der GmbH gegen lebensmittelrechtliche
Bestimmungen verstoßen zu haben.
Geldbuße und –auflage in
Höhe von insgesamt 79.008 DM wurden im Streitjahr von der GmbH
gezahlt, ohne die Zahlungen als steuerpflichtigen Arbeitslohn des
Klägers zu behandeln.
Nachdem der Beklagte und Revisionsbeklagte
(das Finanzamt - FA - ) aufgrund der Prüfungsmitteilung eines
anderen FA hiervon Kenntnis erlangt hatte, erließ er am
25.6.2002 einen geänderten Einkommensteuerbescheid 1997, in
dem er die Zahlungen der GmbH in Höhe von 79.008 DM den
Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit
hinzurechnete. Der dagegen gerichtete Einspruch der Kläger
hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit
den in EFG 2006, 202 = SIS 06 06 48 veröffentlichten
Gründen ab.
Mit der Revision rügen die Kläger
die Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragen sinngemäß, das
angefochtene Urteil und den geänderten Einkommensteuerbescheid
1997 vom 25.6.2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom
13.1.2003 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und nach
§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückzuweisen.
1. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die
Zahlung der Geldbuße und -auflage durch die Arbeitgeberin des
Klägers bei diesem zu Arbeitslohn führt. Es ist dabei von
zutreffenden rechtlichen Erwägungen ausgegangen. Seine
tatsächliche Würdigung ist möglich; sie
verstößt nicht gegen Denkgesetze und
Erfahrungssätze.
a) Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) gehören u.a. Bezüge und
Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen
oder privaten Dienst gewährt werden, zu den Einkünften
aus nichtselbständiger Arbeit. Dem Tatbestandsmerkmal
„für“ ist nach ständiger
Rechtsprechung zu entnehmen, dass ein dem Arbeitnehmer vom
Arbeitgeber zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter für das
Zurverfügungstellen der Arbeitskraft haben muss, um als
Arbeitslohn angesehen zu werden. Dagegen sind solche Vorteile kein
Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller
Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als
notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung
erweisen.
Ein Vorteil wird dann aus ganz
überwiegend eigenbetrieblichem Interesse gewährt, wenn im
Rahmen einer Gesamtwürdigung aus den Begleitumständen der
Zuwendung zu schließen ist, dass der jeweils verfolgte
betriebliche Zweck im Vordergrund steht. In diesem Fall des
„ganz überwiegend“ eigenbetrieblichen
Interesses kann ein damit einhergehendes eigenes Interesse des
Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen,
vernachlässigt werden. Die danach erforderliche
Gesamtwürdigung hat insbesondere Anlass, Art und Höhe des
Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene
Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des
Vorteils und seine besondere Geeignetheit für den jeweils
verfolgten betrieblichen Zweck zu berücksichtigen. Tritt das
Interesse des Arbeitnehmers gegenüber dem des Arbeitgebers in
den Hintergrund, kann eine Lohnzuwendung zu verneinen sein. Ist
aber - neben dem eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers -
ein nicht unerhebliches Interesse des Arbeitnehmers gegeben, so
liegt die Vorteilsgewährung nicht im ganz überwiegend
eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers und führt zur
Lohnzuwendung (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11.4.2006
VI R 60/02, BFHE 212, 574, BStBl II 2006, 691 = SIS 06 30 05,
m.w.N.; vom 26.7.2007 VI R 64/06, BFHE 218, 370, BStBl II 2007, 892
= SIS 07 29 08; vom 17.1.2008 VI R 26/06, BStBl II 2008, 378 = SIS 08 12 05).
b) Nach diesen Maßstäben ist das
angefochtene FG-Urteil revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
aa) Das FG ist - wie zwischen den Beteiligten
auch nicht streitig - zutreffend davon ausgegangen, dass der
Kläger als angestellter Geschäftsführer der GmbH im
Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
(§§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG)
bezogen hat und dass er durch die Übernahme der gegen ihn
verhängten Geldbuße und -auflage einen geldwerten
Vorteil erlangt hat, der ihm im Streitjahr zugeflossen ist.
bb) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden
ist aber auch die Würdigung der Vorinstanz, dass der dem
Kläger zugeflossene Vorteil i.S. von § 19 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 EStG „für die Beschäftigung“ bei
der GmbH gewährt worden ist. Die Gesamtwürdigung des FG,
die revisionsrechtlich nur begrenzt überprüfbar ist (z.B.
BFH-Urteil vom 12.4.2007 VI R 77/04, BFH/NV 2007, 1643 = SIS 07 27 47; BFH-Urteil in BStBl II 2008, 378 = SIS 08 12 05; jeweils
m.w.N.), folgt den genannten Grundsätzen; sie ist möglich
und lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
Zwar hat das FG (auch) darauf abgestellt, dass
der Kläger die ihm zur Last gelegten Taten in Ausübung
seiner Geschäftsführertätigkeit für die GmbH
begangen habe. Allein dies begründet noch nicht den Schluss,
dass die Übernahme der hierfür verhängten
Geldbuße bzw. -auflage nur im eigenen Interesse des
Klägers gestanden hat. Vielmehr vermag der Umstand, dass ein
Arbeitnehmer die ihm zur Last gelegten Taten im Rahmen seiner
Geschäftsführertätigkeit für den Arbeitgeber
begangen hat, grundsätzlich auch ein eigenbetriebliches
Interesse des Arbeitgebers an der Übernahme einer gegen den
Arbeitnehmer verhängten Geldbuße bzw. -auflage zu
begründen. Die Kläger weisen insoweit zu Recht darauf
hin, dass betriebliche Gesichtspunkte für eine finanzielle
Entlastung des Geschäftsführers sprechen können. Das
FG ist jedoch zutreffend auch davon ausgegangen, dass eine
Wechselwirkung zwischen der Intensität des eigenbetrieblichen
Interesses des Arbeitgebers und dem Ausmaß der Bereicherung
bzw. Entlastung des Arbeitnehmers besteht. Je höher aus der
Sicht des Arbeitnehmers die Bereicherung anzusetzen ist, desto
geringer zählt das aus der Sicht des Arbeitgebers vorhandene
eigenbetriebliche Interesse (BFH-Urteil in BFHE 212, 574, BStBl II
2006, 691 = SIS 06 30 05). Das FG hat insoweit den Verdienst des
Klägers mit der Höhe der Geldbuße und -auflage
abgewogen und hieraus auf ein erhebliches wirtschaftliches
Interesse des Klägers an der Übernahme der
Geldbeträge geschlossen; diese Würdigung ist nicht nur
möglich, sondern auch nachvollziehbar. Demgegenüber hat
das FG ein - von ihm schließlich zugunsten der Kläger
unterstelltes - eigenbetriebliches Interesse der GmbH als
nachrangig angesehen. Auch diese Würdigung ist möglich
und entspricht den genannten Grundsätzen.
Im Übrigen vermag der
sinngemäße Einwand der Kläger im
Revisionsverfahren, die Übernahme der Geldbuße und
-auflage habe den Kläger als Geschäftsführer der
GmbH aus Gründen der Gewinnmaximierung auch weiterhin zu einer
großzügigen Handhabung lebensmittelrechtlicher
Vorschriften veranlassen sollen, jedenfalls im Streitfall kein
überwiegend eigenbetriebliches Interesse der Arbeitgeberin des
Klägers zu begründen. Vielmehr durfte das FG bei seinen
Erwägungen auch davon ausgehen, dass es im Interesse der
Arbeitgeberin des Klägers sein würde, bei der
Führung der Geschäfte die Bestimmungen des
Lebensmittelrechts zu beachten und einzuhalten.
2. Auch der Umstand, dass das FG keinen
Werbungskostenabzug geprüft hat, verhilft der Revision nicht
zum Erfolg. Zwar kann die als Arbeitslohn zu erfassende
Übernahme der Geldbuße und -auflage im Rahmen der
Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers nur dann zu einer
Steuererhöhung führen, wenn und soweit die Begleichung
der dem Arbeitnehmer auferlegten Geldbuße bzw. -auflage nicht
zum Werbungskostenabzug berechtigt hätte (vgl. BFH-Urteil vom
24.5.2007 VI R 73/05, BFHE 218, 180, BStBl II 2007, 766 = SIS 07 21 05, unter II.2). Ein derartiger „fiktiver“
Werbungskostenabzug (vgl. Bergkemper, jurisPR-SteuerR 31/2007, Anm.
3, unter C) kommt im Streitfall jedoch nicht in Betracht. Selbst
wenn Geldbuße und -auflage die Folge schuldhafter Handlungen
sind, die im Rahmen der beruflichen Aufgabenerfüllung des
Klägers als Geschäftsführer liegen (vgl. dazu
BFH-Urteil vom 18.10.2007 VI R 42/04, BFHE 219, 197, BStBl II 2008,
223 = SIS 08 02 15, unter B.II.1), und damit als durch den Beruf
des Klägers veranlasst (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) anzusehen
sind, bleibt den Klägern der Werbungskostenabzug versagt.
a) Der Abzug der von der Kreisverwaltung
festgesetzten Geldbuße ist ausgeschlossen nach § 4 Abs.
5 Satz 1 Nr. 8 Satz 1 EStG, der gemäß § 9 Abs. 5
EStG auf Werbungskosten sinngemäße Anwendung findet.
Danach sind u.a. die von einer Behörde der Bundesrepublik
Deutschland festgesetzten Geldbußen nicht als Werbungskosten
abziehbar. Zu den Geldbußen gehören alle Sanktionen, die
nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland so bezeichnet sind
(vgl. Crezelius in Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 4 Rz 204). Die
von der Kreisverwaltung verhängten Sanktionen werden in §
17 OWiG ausdrücklich als „Geldbuße“
benannt.
b) Dem Abzug der vom Amtsgericht festgesetzten
Geldauflage steht im Streitfall die Vorschrift des § 12 Nr. 4
EStG entgegen. Danach dürfen u.a. auch Leistungen zur
Erfüllung von Auflagen weder bei den einzelnen Einkunftsarten
noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, soweit
die Auflagen nicht lediglich der Wiedergutmachung des durch die Tat
verursachten Schadens dienen. Auf der Grundlage der vom FG
getroffenen Feststellungen kann der erkennende Senat selbst
entscheiden, dass es sich bei den Zahlungen, die aufgrund des
Beschlusses des Amtsgerichts an die Staatskasse geleistet worden
sind, um eine Geldauflage i.S. des § 153a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
StPO und nicht um Zahlungen zur Wiedergutmachung des durch die Tat
verursachten Schadens (§ 153a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO; §
12 Nr. 4 EStG) gehandelt hat. Denn für die Entscheidung,
welchen Charakter die Zahlungen gehabt haben, kommt es auf den
Inhalt des Gerichtsbeschlusses des Amtsgerichts und die objektiven
Gegebenheiten an (vgl. BFH-Beschluss vom 28.1.2005 VIII B 117/03,
BFH/NV 2005, 1110 = SIS 05 26 23). Nach den Feststellungen des FG
hat das Amtsgericht seine Auflage ausdrücklich als
„Geldbuße“ bezeichnet. Schon hieraus
folgt, dass die Beziehung zur Person des Klägers als
Täter für die Auflage bestimmend war und nicht lediglich
die Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens.
Außerdem hat sich das Amtsgericht nach den Feststellungen der
Vorinstanz bei der Bemessung der Auflage am Verdienst des
Klägers orientiert. Die Auflage nach § 153a Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 StPO wird ebenso wie die Geldstrafe nach dem Nettoeinkommen
des Täters bemessen (näher dazu BFH-Urteil vom 22.7.1986
VIII R 93/85, BFHE 147, 346, BStBl II 1986, 845 = SIS 86 21 11).