Überlassung hochwertiger Kleidung an Arbeitnehmer: Die kostenlose oder verbilligte Überlassung von qualitativ und preislich hochwertigen Bekleidungsstücken durch den Arbeitgeber an die Mitglieder seiner Geschäftsleitung stellt steuerpflichtigen Arbeitslohn dar. Der Entlohnungscharakter der Zuwendung kann nicht mit einem überwiegend eigenbetrieblichen Interesse widerlegt werden, weil das Tragen der vom Arbeitgeber hergestellten Kleidungsstücke neben Repräsentationszwecken auch der Werbung dienen würde. - Urt.; BFH 11.4.2006, VI R 60/02; SIS 06 30 05
I. Streitig ist, ob ein geldwerter Vorteil
gegeben ist, wenn ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern hochwertige
Kleidungsstücke zur Verfügung stellt.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) vertreibt in der Rechtsform einer
Kapitalgesellschaft hochwertige Bekleidungsartikel unter dem
Markennamen „X“. Sie stellt den Mitgliedern der
Geschäftsleitung und deren Ehefrauen jährlich ein
bestimmtes Kontingent ihrer jeweils neuesten Bekleidungskollektion
zur Verfügung. Die Überlassung der Kleidung ist durch
eine sog. Kleiderordnung insbesondere zum betroffenen
Personenkreis, zum Umfang der jeweils zustehenden Kontingente und
zur Lohnsteuertragung näher geregelt. Die Präambel der
Kleiderordnung lautet wie folgt:
„Die Mitglieder der
Geschäftsleitung müssen X nach außen hin
repräsentieren. Dabei geht es nicht um die Frage, dass
X-Produkte getragen werden, sondern dass die neuesten X-Produkte
gezeigt werden können. Deshalb soll eine Regelung getroffen
werden, die dieser Anforderung Rechnung trägt.“
Die Klägerin versteuerte die ihren
Arbeitnehmern im Rahmen der Kleiderordnung zur Verfügung
gestellten Firmenprodukte auf der Grundlage des
Händlereinkaufspreises als geldwerten Vorteil.
Nach einer
Lohnsteuer-Außenprüfung vertrat der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) die Auffassung,
Bewertungsmaßstab für die Sachbezüge durch
Kleidungsüberlassung sei § 8 Abs. 3 des
Einkommensteuergesetzes (EStG); es ging von dem um 4 v.H.
geminderten Endpreis aus und ermittelte dementsprechend im
angefochtenen Lohnsteuer-Haftungsbescheid die jeweils
nachzuversteuernden Beträge.
Das Finanzgericht (FG) gab der nach
erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage aus den in EFG
2002, 1040 = SIS 02 85 28 veröffentlichten Gründen statt
und ließ die Revision zu.
Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das angefochtene
Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
aus den Gründen des angefochtenen Urteils als unbegründet
zurückzuweisen.
II. Die Revision des FA ist begründet.
Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen
(§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
a) Steuerpflichtiger Arbeitslohn ist dadurch
gekennzeichnet, dass dem Arbeitnehmer Einnahmen (Bezüge oder
geldwerte Vorteile) zufließen, die
„für“ seine Arbeitsleistung gewährt
werden (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Diesem Tatbestandsmerkmal ist
nach ständiger Rechtsprechung zu entnehmen, dass ein dem
Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendeter Vorteil
Entlohnungscharakter für das Zurverfügungstellen der
Arbeitskraft haben muss, um als Arbeitslohn angesehen zu werden.
Dagegen sind solche Vorteile kein Arbeitslohn, die sich bei
objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung,
sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung
betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen. Ein Vorteil wird dann
aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse
gewährt, wenn im Rahmen einer Gesamtwürdigung aus den
Begleitumständen zu schließen ist, dass der jeweils
verfolgte betriebliche Zweck ganz im Vordergrund steht. In diesem
Fall des „ganz überwiegend“
eigenbetrieblichen Interesses kann ein damit einhergehendes eigenes
Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen,
vernachlässigt werden. Die danach erforderliche
Gesamtwürdigung hat insbesondere Anlass, Art und Höhe des
Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene
Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des
Vorteils und seine besondere Geeignetheit für den jeweils
verfolgten betrieblichen Zweck zu berücksichtigen
(ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zuletzt Urteil vom
18.8.2005 VI R 32/03, BFHE 210, 420, BStBl II 2006, 30 = SIS 05 44 58, mit Hinweis auf Senatsentscheidungen vom 7.7.2004 VI R 29/00,
BFHE 208, 104, BStBl II 2005, 367 = SIS 05 13 48; vom 30.5.2001 VI
R 177/99, BFHE 195, 373, BStBl II 2001, 671 = SIS 01 12 11; vom
25.5.2000 VI R 195/98 BFHE 192, 299 BStBl II 2000, 690 = SIS 00 13 01).
Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen der
Intensität des eigenbetrieblichen Interesses des Arbeitgebers
und dem Ausmaß der Bereicherung des Arbeitnehmers. Je
höher aus der Sicht des Arbeitnehmers die Bereicherung
anzusetzen ist, desto geringer zählt das aus der Sicht des
Arbeitgebers vorhandene eigenbetriebliche Interesse (Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11.3.1988 VI R 106/84, BFHE 153, 324,
BStBl II 1988, 726 = SIS 88 17 05). Tritt das Interesse des
Arbeitnehmers gegenüber dem des Arbeitgebers in den
Hintergrund, kann eine Lohnzuwendung zu verneinen sein. Ist aber -
neben dem eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers - ein nicht
unerhebliches Interesse des Arbeitnehmers gegeben, so liegt die
Vorteilsgewährung nicht im ganz überwiegend
eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers und führt zur
Lohnzuwendung (BFH-Urteil vom 2.2.1990 VI R 15/86, BFHE 159, 513,
BStBl II 1990, 472 = SIS 90 10 40). Entgegen der Auffassung des FG
ist es daher nicht unerheblich, wenn sich der dem Arbeitnehmer
zugewandte Vorteil als außergewöhnlich hoch erweist.
b) Danach stellt die verbilligte
Überlassung von qualitativ und preislich hochwertigen
Bekleidungsstücken - vom Arbeitgeber selbst als
„Edelmarke“ bezeichnet - steuerpflichtigen
Arbeitslohn dar. Dem Rabattvorteil kann ein Entlohnungscharakter
auch nicht mit der Begründung abgesprochen werden, dass durch
das Tragen der Kleidung eine Werbewirkung verbunden sei und dadurch
insbesondere auch die Glaubwürdigkeit der eigenen Marke
gewährleistet werden solle (BFH-Urteil vom 4.6.1993 VI R
95/92, BFHE 171, 74, BStBl II 1993, 687 = SIS 93 16 59, unter 2. a
bb der Gründe). Dieser Umstand tritt gegenüber den
für die Entlohnung sprechenden Umständen, hochwertige und
teuere Kleidung einer „Edelmarke“ verbilligt
erwerben und tragen zu können, in den Hintergrund.
c) Auch der Einwand der Klägerin, dass
die Mitglieder der Geschäftsleitung durch die firmeneigene
Kleiderordnung verpflichtet seien, die überlassene Kleidung zu
tragen, ist im Ergebnis nicht geeignet, im Rahmen der
Gesamtwürdigung ein ganz überwiegend eigenbetriebliches
Interesse der Klägerin an der Kleidungsüberlassung zu
begründen. Soweit damit auf den Gesichtspunkt der
aufgedrängten Bereicherung verwiesen wird, weist der Senat
darauf hin, dass in derartigen Fällen eine Lohnzuwendung nur
ausgeschlossen sein kann, wenn das eigene Interesse des
Arbeitnehmers an dem „aufgedrängten“
Vorteil in den Hintergrund tritt (s. auch BFH-Urteil vom 20.9.1985
VI R 120/82, BFHE 144, 435, BStBl II 1985, 718 = SIS 85 24 26).
d) Die Vorentscheidung entspricht nicht den
vorstehenden Grundsätzen; sie war daher aufzuheben und die
Klage abzuweisen.