WP-, StB-Gesellschaften, Übernahme von Kammerbeiträgen, Arbeitslohn: Obwohl die Anerkennung einer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft voraussetzt, dass die Geschäftsführer Wirtschaftsprüfer bzw. Steuerberater sind, führt die Übernahme der Beiträge zu den Berufskammern durch den Arbeitgeber zu Arbeitslohn. Der Arbeitgeber handelt nicht im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse. - Urt.; BFH 17.1.2008, VI R 26/06; SIS 08 12 05
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine
Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, die in
der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung
(GmbH) betrieben wird. Im Rahmen einer
Lohnsteuer-Außenprüfung für die Jahre 1997 bis 2000
wurde festgestellt, dass die Klägerin
Pflichtkammerbeiträge für ihre angestellten Steuerberater
und Wirtschaftsprüfer sowie Geschäftsführer
unversteuert übernommen hatte. Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ), der darin die Zuwendung
steuerpflichtigen Arbeitslohns sah, nahm die Klägerin in
Haftung. Den dagegen erfolglos erhobenen Einspruch beschränkte
die Klägerin auf die Versteuerung der übernommenen
Kammerbeiträge für ihre
Geschäftsführer.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit
den in EFG 2006, 1159 = SIS 06 27 74 veröffentlichten
Gründen ab.
Mit der Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Die Klägerin beantragt, unter
Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung den
Haftungsbescheid insoweit aufzuheben, als dort eine
Nachversteuerung der Kammerbeiträge der
Geschäftsführer der Klägerin zu Grunde gelegt
wird.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG ist von zutreffenden
rechtlichen Erwägungen ausgegangen. Seine tatsächliche
Würdigung ist möglich; sie verstößt nicht
gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze.
1. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) gehören u.a. Bezüge und
Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen
oder privaten Dienst gewährt werden, zu den Einkünften
aus nichtselbständiger Arbeit. Dem Tatbestandsmerkmal
„für“ ist nach ständiger
Rechtsprechung zu entnehmen, dass ein dem Arbeitnehmer vom
Arbeitgeber zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter für das
Zurverfügungstellen der Arbeitskraft haben muss, um als
Arbeitslohn angesehen zu werden. Dagegen sind solche Vorteile kein
Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller
Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als
notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung
erweisen.
Ein Vorteil wird dann aus ganz
überwiegend eigenbetrieblichem Interesse gewährt, wenn im
Rahmen einer Gesamtwürdigung aus den Begleitumständen zu
schließen ist, dass der jeweils verfolgte betriebliche Zweck
im Vordergrund steht. In diesem Fall des „ganz
überwiegend“ eigenbetrieblichen Interesses kann ein
damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den
betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden. Die
danach erforderliche Gesamtwürdigung hat insbesondere Anlass,
Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten,
freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder
Zwang zur Annahme des Vorteils und seine besondere Geeignetheit
für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck zu
berücksichtigen. Tritt das Interesse des Arbeitnehmers
gegenüber dem des Arbeitgebers in den Hintergrund, kann eine
Lohnzuwendung zu verneinen sein. Ist aber - neben dem
eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers - ein nicht
unerhebliches Interesse des Arbeitnehmers gegeben, so liegt die
Vorteilsgewährung nicht im ganz überwiegend
eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers und führt zur
Lohnzuwendung (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11.4.2006
VI R 60/02, BFHE 212, 574, BStBl II 2006, 691 = SIS 06 30 05,
m.w.N.; vom 26.7.2007 VI R 64/06, BStBl II 2007, 892 = SIS 07 29 08).
2. Nach diesen Grundsätzen hat das FG
eine Gesamtwürdigung vorgenommen. Es ist dabei zu dem Ergebnis
gekommen, dass die Übernahme der Kammerbeiträge durch die
Klägerin auch im eigenen Interesse der angestellten
Geschäftsführer erfolgt und deshalb Arbeitslohn
anzunehmen sei. Die Gesamtwürdigung, die revisionsrechtlich
nur begrenzt überprüfbar ist (vgl. dazu
BFH-Beschlüsse vom 10.2.2005 VI B 113/04, BFHE 209, 211, BStBl
II 2005, 488 = SIS 05 17 03; vom 10.11.2005 VI B 75/05, BFH/NV
2006, 530 = SIS 06 11 71; BFH-Urteil vom 12.4.2007 VI R 77/04,
BFH/NV 2007, 1643 = SIS 07 27 47; Gräber/Ruban,
Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 118 Rz 30; Seer in
Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 118 FGO
Rz 87, m.w.N.), ist möglich; sie lässt keinen
Rechtsfehler erkennen.
a) Wie das FG zu Recht ausgeführt hat,
sind Wirtschaftsprüfer und Steuerberater gesetzlich
verpflichtet, Mitglied in der jeweiligen Berufskammer zu sein
(§ 58 Abs. 1 der Wirtschaftsprüferordnung - WPO - ;
§ 73 Abs. 1 des Steuerberatungsgesetzes - StBerG - ). Die
Pflichtmitgliedschaft, die unabhängig davon besteht, ob der
Wirtschaftsprüfer bzw. Steuerberater nach der Bestellung
selbständig oder als Angestellter tätig wird,
schließt die Pflicht zur Zahlung von Beiträgen an die
Berufskammern ein (§ 61 Abs. 1 WPO; § 79 Abs. 1 StBerG).
Die Mitgliedschaft in der Berufskammer ist unabdingbar für die
Ausübung des Berufs eines Wirtschaftsprüfers bzw.
Steuerberaters. Die Zahlung der Kammerbeiträge durch den
Arbeitgeber liegt damit in besonderer Weise im eigenen Interesse
des Arbeitnehmers (vgl. dazu Senatsentscheidung in BStBl II 2007,
892 = SIS 07 29 08).
b) Das eigene Interesse der Arbeitnehmer an
der Übernahme der Kammerbeiträge ist auch dann zu
bejahen, wenn diese als angestellte Geschäftsführer einer
Wirtschaftsprüfungs- und/oder Steuerberatungsgesellschaft
tätig sind.
Zwar ist Voraussetzung für die
Anerkennung einer solchen Gesellschaft, dass die Mitglieder des
Vorstandes, die Geschäftsführer oder die
persönlichen Gesellschafter Wirtschaftsprüfer oder
Steuerberater sind (§ 28 Abs. 1 WPO; § 50 Abs. 1 StBerG).
Für Doppelgesellschaften mit beschränkter Haftung, die,
wie im Fall der Klägerin, sowohl die Voraussetzungen der WPO
als auch des StBerG erfüllen, bedeutet dies, dass
Geschäftsführer nur Personen sein können, die eine
Doppelqualifikation als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater
haben (Gehre/von Borstel, Kommentar zum StBerG, 5. Aufl., § 50
Rz 14). Daraus folgt jedoch entgegen der Auffassung der
Klägerin nicht, dass in diesen Fällen das vom FG zu Recht
bejahte betriebliche Interesse an der Kammermitgliedschaft eines
Wirtschaftsprüfers bzw. Steuerberaters und der damit
verbundenen Zahlung der Beiträge das persönliche
Interesse des Angestellten überlagerte.
Das FG führt zutreffend aus, dass nur ein
bereits bestellter Wirtschaftsprüfer bzw. Steuerberater zum
Geschäftsführer einer GmbH berufen werden und diese
Bestellung auch während seiner
Geschäftsführertätigkeit nicht aufgeben darf, selbst
wenn er ansonsten keine eigene berufliche Niederlassung
unterhält. Das bedeutet, dass die Zwangsmitgliedschaft in den
Berufskammern zwingende Voraussetzung für die Ausübung
des Geschäftsführeramtes und damit für die
Berufsausübung insgesamt ist. Deshalb kann der Auffassung der
Klägerin, dass ab Beginn der Tätigkeit als
Geschäftsführer seine Mitgliedschaft in der Berufskammer
nur noch im ausschließlichen Interesse der GmbH bestehe,
nicht gefolgt werden. Ohne die weiterbestehende Mitgliedschaft
könnte der Arbeitnehmer sein Amt als Geschäftsführer
nicht ausüben. Aus denselben Erwägungen teilt der Senat
auch nicht die Ansicht der Klägerin, dass die Organstellung
der Geschäftsführer ihre Arbeitnehmerfunktion
überlagere und die Zahlung der Kammerbeiträge nur der
Organstellung geschuldet sei.