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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt eine internationale
Spedition. Sie hatte Bußgelder, die gegen ihre Fahrer wegen
Überschreitung von Lenkzeiten und der Nichteinhaltung von
Ruhezeiten festgesetzt worden waren, für ihre Fahrer bezahlt,
ohne dafür Lohnsteuer einzubehalten.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) erließ daraufhin im Anschluss an eine
Lohnsteuer-Außenprüfung einen Nachforderungsbescheid,
nachdem die Klägerin beantragt hatte, die insoweit streitigen
Beträge nach § 40 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes
(EStG) nach Durchschnittssätzen zu versteuern.
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Die gegen den Nachforderungsbescheid
erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) mit den in EFG 2012, 518
= SIS 12 05 08 veröffentlichten Gründen
abgewiesen.
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Die Klägerin wendet sich dagegen mit
der Revision und rügt die Verletzung materiellen
Rechts.
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Sie beantragt, das Urteil des FG Köln
vom 22.9.2011 und die Einspruchsentscheidung des FA vom 25.2.2010
insgesamt sowie den Haftungs- und Nachforderungsbescheid über
Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom
27.1.2009 insoweit aufzuheben, als diese einen Betrag von 5.274,41
EUR übersteigen.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet. Sie ist
nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung
zurückzuweisen.
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1. Das FG hat zutreffend entschieden, dass die
Zahlung der gegen die Arbeitnehmer der Klägerin
verhängten Bußgelder durch die Klägerin bei deren
Arbeitnehmern zu Arbeitslohn führt.
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a) Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG
gehören u.a. Bezüge und Vorteile, die für eine
Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst
gewährt werden, zu den Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit. Dem Tatbestandsmerkmal
„für“ ist nach ständiger
Rechtsprechung zu entnehmen, dass ein dem Arbeitnehmer vom
Arbeitgeber zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter für das
Zurverfügungstellen der Arbeitskraft haben muss, um als
Arbeitslohn angesehen zu werden. Dagegen sind u.a. solche Vorteile
kein Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller
Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als
notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung
erweisen.
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b) Der erkennende Senat bejaht in
ständiger Rechtsprechung ein solches ganz überwiegend
eigenbetriebliches Interesse, wenn im Rahmen einer im Wesentlichen
den Finanzgerichten als Tatsacheninstanz obliegenden
Gesamtwürdigung aus den Begleitumständen der Zuwendung zu
schließen ist, dass der jeweils verfolgte betriebliche Zweck
im Vordergrund steht. In diesem Fall des „ganz
überwiegend“ eigenbetrieblichen Interesses kann ein
damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den
betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden. Die
danach erforderliche Gesamtwürdigung hat insbesondere Anlass,
Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten,
freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder
Zwang zur Annahme des Vorteils und seine besondere Geeignetheit
für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck zu
berücksichtigen. Tritt das Interesse des Arbeitnehmers
gegenüber dem des Arbeitgebers in den Hintergrund, kann eine
Lohnzuwendung zu verneinen sein. Ist aber - neben dem
eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers - ein nicht
unerhebliches Interesse des Arbeitnehmers gegeben, so liegt die
Vorteilsgewährung nicht im ganz überwiegend
eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers und führt zur
Lohnzuwendung (vgl. Senatsurteile vom 11.4.2006 VI R 60/02, BFHE
212, 574, BStBl II 2006, 691 = SIS 06 30 05, m.w.N.; vom 26.7.2007
VI R 64/06, BFHE 218, 370, BStBl II 2007, 892 = SIS 07 29 08; vom
17.1.2008 VI R 26/06, BFHE 220, 266, BStBl II 2008, 378 = SIS 08 12 05; insgesamt dazu Krüger, DStR 2013, 2029).
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2. Das hier mit der Revision angefochtene
FG-Urteil entspricht diesen vorgenannten Rechtsgrundsätzen. Es
ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden; dies gilt insbesondere
für die Würdigung der Vorinstanz, dass die Übernahme
der Bußgeldzahlungen durch die Klägerin als
Arbeitgeberin nicht in deren ganz überwiegend
eigenbetrieblichem Interesse erfolgte. Die revisionsrechtlich nur
begrenzt überprüfbare Gesamtwürdigung (vgl. dazu
Senatsbeschlüsse vom 10.2.2005 VI B 113/04, BFHE 209, 211,
BStBl II 2005, 488 = SIS 05 17 03; vom 10.11.2005 VI B 75/05,
BFH/NV 2006, 530 = SIS 06 11 71; Senatsurteil vom 12.4.2007 VI R
77/04, BFH/NV 2007, 1643 = SIS 07 27 47; Gräber/Ruban,
Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 118 Rz 30; Seer in
Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 118 FGO
Rz 87, m.w.N.) lässt keinen Rechtsfehler erkennen; sie ist
nicht nur möglich, sondern naheliegend.
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a) Zu solchen notwendigen Begleiterscheinungen
betriebsfunktionaler Zielsetzungen zählen gegen die
Rechtsordnung verstoßende, mit Bußgeldern belegte
rechtswidrige Weisungen des Arbeitgebers nicht. Der Senat hält
an seiner im Urteil vom 7.7.2004 VI R 29/00 (BFHE 208, 104, BStBl
II 2005, 367 = SIS 05 13 48) vertretenen Auffassung, dass die
Übernahme von Verwarnungsgeldern wegen Verletzung des
Halteverbots im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse
des Arbeitgebers liegen kann, nicht weiter fest. Er
berücksichtigt die insoweit dazu geäußerte Kritik
(vgl. Blümich/Thürmer, § 19 EStG Rz 280
„Verwarnungsgelder“; Breinersdorfer, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 19 Rz B 361; Eisgruber
in Kirchhof, EStG, 12. Aufl., § 19 Rz 66; insgesamt dazu Fellmeth, FR 2012, 1064).
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Für den erkennenden Senat ist danach
insbesondere entscheidend, dass ungeachtet der Frage, ob der
Arbeitgeber ein solches rechtswidriges Verhalten angewiesen hat und
anweisen darf, jedenfalls auf einem solchen rechtswidrigen Tun der
Betrieb auch nicht teilweise gründen kann und daher insoweit
keine beachtlichen betriebsfunktionalen Gründe vorliegen
können.
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b) Dementsprechend hat das FG das
eigenbetriebliche Interesse der Klägerin zu Recht im
Wesentlichen damit verneint, dass es nicht darauf gerichtet sein
könne, generell die Fahrer anzuweisen, Lenk- und Ruhezeiten zu
überschreiten, so dass dementsprechende Weisungen des
Arbeitgebers unbeachtlich seien. Weiter hat es im Rahmen der
Gesamtwürdigung zu Recht ebenfalls berücksichtigt, dass
es angesichts der gegen einzelne Fahrer verhängten
Bußgeldbescheide über rund 2.950 EUR und 3.640 EUR nicht
nur gelegentliche und geringfügige Verstöße
waren.
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