Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil
des Thüringer Finanzgerichts vom 08.11.2017 - 3 K 337/17 = SIS 18 16 63 aufgehoben.
Die Sache wird an das Thüringer
Finanzgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die
Kosten des Verfahrens übertragen.
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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) ist eine Rechtsanwaltssozietät in der
Rechtsform einer GbR, bestehend aus fünf Partnern und zwischen
15 und 20 angestellten Rechtsanwälten. Die Angestellten sind
auf dem Kanzleibriefkopf unter Hinweis auf ihr
Anstellungsverhältnis aufgeführt.
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Gemäß Versicherungsschein der
... Versicherung hatte die Klägerin als Versicherungsnehmerin
für ihre „Tätigkeit als Rechtsanwalt“ eine
Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung mit einer
Versicherungssumme von 1 Mio. EUR pro Schadensfall abgeschlossen.
Als Zusatzklausel war der Wegfall der Deckelung des
Jahreshöchstbetrags vereinbart. Der Versicherungsschein
enthielt zudem eine Liste mit Namen der versicherten
Rechtsanwälte, nach der neben den Gesellschaftern der
Klägerin auch die angestellten Rechtsanwälte versichert
waren.
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Ob bzw. wie viele der angestellten
Rechtsanwälte im Streitzeitraum daneben eine eigene
Haftpflichtversicherung abgeschlossen hatten, ist nicht
bekannt.
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Im Rahmen einer bei der Klägerin
für den Zeitraum von Januar 2011 bis März 2015
(Streitzeitraum) durchgeführten
Lohnsteuer-Außenprüfung gelangte die Prüferin zu
der Auffassung, die Beiträge für die im Namen und auf
Rechnung der Klägerin abgeschlossene
Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung stellten für die
angestellten Rechtsanwälte Arbeitslohn dar, weil diese nach
§ 51 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) selbst zum
Abschluss der Versicherung verpflichtet seien und deshalb ein
überwiegend eigenbetriebliches Interesse der Klägerin als
Arbeitgeberin ausscheide.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) schloss sich dem an und erließ einen
Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige
Lohnabzugsbeträge. Der Einspruch blieb erfolglos.
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage aus
den in EFG 2018, 954 veröffentlichten Gründen
statt.
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Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts.
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Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und
die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Revision des FA ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Zurückverweisung der Rechtssache an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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1. Zu den Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit gehören gemäß §
19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) - neben
Gehältern und Löhnen - auch andere Bezüge und
Vorteile, die „für“ eine Beschäftigung
im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden,
unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob
es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt (§
19 Abs. 1 Satz 2 EStG). Diese Bezüge oder Vorteile gelten dann
als für eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch
das individuelle Dienstverhältnis veranlasst sind, ohne dass
ihnen eine Gegenleistung für eine konkrete (einzelne)
Dienstleistung des Arbeitnehmers zugrunde liegen muss. Eine
Veranlassung durch das individuelle Dienstverhältnis ist
vielmehr zu bejahen, wenn die Einnahmen dem Empfänger mit
Rücksicht auf das Dienstverhältnis zufließen und
sich als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit darstellen, wenn
sich die Leistung des Arbeitgebers also im weitesten Sinne als
Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der
individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (ständige
Rechtsprechung, z.B. Senatsurteile vom 07.05.2014 - VI R 73/12,
BFHE 245, 230, BStBl II 2014, 904 = SIS 14 18 26, Rz 15; vom
19.11.2015 - VI R 74/14, BFHE 252, 129, BStBl II 2016, 303 = SIS 16 01 45, Rz 10; vom 10.03.2016 - VI R 58/14, BFHE 253, 243, BStBl II
2016, 621 = SIS 16 11 17, Rz 16, und vom 04.07.2018 - VI R 16/17,
BFHE 261, 543, BStBl II 2019, 373 = SIS 18 13 71, Rz 11).
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Danach liegt steuerbarer Arbeitslohn in der
Regel auch dann vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer - wie im
Streitfall - Aufwendungen erstattet, die der Arbeitnehmer - wie
vorliegend - zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen
(§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) tätigt. Dahingehender Barlohn
(Werbungskostenersatz) ist nur in den gesetzlich vorgesehenen
Fällen wie z.B. § 3 Nr. 30 EStG steuerfrei (Senatsurteile
vom 28.03.2006 - VI R 24/03, BFHE 212, 556, BStBl II 2006, 473 =
SIS 06 20 68, Rz 13, und vom 12.04.2007 - VI R 53/04, BFHE 217,
551, BStBl II 2007, 536 = SIS 07 16 57, Rz 14).
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a) Vorteile, die sich bei objektiver
Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern
lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler
Zielsetzungen erweisen, sind dagegen nicht als Arbeitslohn
anzusehen. Vorteile besitzen danach keinen Arbeitslohncharakter,
wenn sie im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des
Arbeitgebers gewährt werden. Das ist der Fall, wenn sich aus
den Begleitumständen wie Anlass, Art und Höhe des
Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene
Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des
Vorteils und seiner besonderen Geeignetheit für den jeweils
verfolgten betrieblichen Zweck ergibt, dass diese Zielsetzung ganz
im Vordergrund steht und ein damit einhergehendes eigenes Interesse
des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen,
vernachlässigt werden kann (ständige Rechtsprechung, z.B.
Senatsurteile vom 14.11.2013 - VI R 36/12, BFHE 243, 520, BStBl II
2014, 278 = SIS 14 00 95, Rz 10, und in BFHE 253, 243, BStBl II
2016, 621 = SIS 16 11 17, Rz 17).
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b) Durch das individuelle
Dienstverhältnis veranlasste, zu Lohn führende
Zuwendungen erbringt der Arbeitgeber gegenüber seinen
Arbeitnehmern hiernach erst recht nicht, wenn er
ausschließlich gegenüber Dritten eigene Verpflichtungen
eingeht und eigene Ansprüche erwirbt, die keinen unmittelbaren
Zusammenhang zu seinen Arbeitnehmern und den mit ihnen
begründeten Dienstverhältnissen aufweisen. Daraus
für die Arbeitnehmer folgende etwaige Annehmlichkeiten sind
bloße Reflexwirkungen einer ausschließlich
eigenbetrieblichen Betätigung des Arbeitgebers, mit der er
andere betriebsfunktionale Zielsetzungen als die Entlohnung seiner
Arbeitnehmer verfolgt (Senatsurteile in BFHE 252, 129, BStBl II
2016, 303 = SIS 16 01 45, und vom 19.11.2015 - VI R 47/14, BFHE
252, 124, BStBl II 2016, 301 = SIS 16 01 44).
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2. Nach Maßgabe der vorgenannten
Rechtsgrundsätze hat der erkennende Senat die Übernahme
der Beiträge zu der Berufshaftpflichtversicherung einer
angestellten und auf dem Briefkopf der Sozietät ohne weitere
Kennzeichnung aufgeführten Rechtsanwältin durch den
Arbeitgeber als Arbeitslohn beurteilt (Urteil vom 26.07.2007 - VI R
64/06, BFHE 218, 370, BStBl II 2007, 892 = SIS 07 29 08). Denn ein
Rechtsanwalt ist gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 BRAO
gesetzlich verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung
abzuschließen. Ein Verstoß gegen diese Pflicht wird mit
der Nichtzulassung zum Beruf (§ 12 Abs. 2 BRAO) oder der
Entfernung aus diesem sanktioniert (§ 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO).
Der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung ist damit
unabdingbar für die Ausübung des Berufs eines
(angestellten) Rechtsanwalts. Kommt er der gesetzlichen
Verpflichtung nach, handelt er typischerweise im eigenen Interesse.
Nach der Rechtsprechung des Senats liegt die Übernahme der
Versicherungsbeiträge durch den Arbeitgeber folglich nicht in
dessen ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse, sondern
auch im wesentlichen Interesse des angestellten Rechtsanwalts
(zustimmend z.B. Diller, Anwaltsblatt - AnwBl - 2010, 269). Wegen
der möglichen Haftung als „Scheinsozius“
(dazu Diller, AnwBl 2010, 269, 270) gilt dies auch insoweit, als
die Versicherungssumme die Mindestversicherungssumme nach § 51
Abs. 4 BRAO übersteigt (Senatsurteil in BFHE 218, 370, BStBl
II 2007, 892 = SIS 07 29 08, unter II.2.).
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Andererseits hat der erkennende Senat
entschieden, dass der Erwerb eigenen
Haftpflichtversicherungsschutzes durch den Arbeitgeber - sowohl im
Fall einer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH als auch einer
Rechtsanwalt-GbR - zu keinem lohnsteuerrechtlich erheblichen
Vorteil bei den Arbeitnehmern führt (Urteile in BFHE 252, 129,
BStBl II 2016, 303 = SIS 16 01 45, und in BFHE 253, 243, BStBl II
2016, 621 = SIS 16 11 17).
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a) Im Fall der Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
lag dem zugrunde, dass der von der Gesellschaft erworbene
Versicherungsschutz der Deckung der sich aus ihrer
Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren für
Vermögensschäden i.S. der §§ 59j, 51 Abs. 1
Satz 1 BRAO diente. Deshalb versicherte die
Rechtsanwaltsgesellschaft mbH durch den Abschluss der
Berufshaftpflichtversicherung ihre eigene Berufstätigkeit und
wandte ihren Arbeitnehmern dadurch weder Geld noch einen geldwerten
Vorteil in Form des Versicherungsschutzes zu.
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b) Im Fall der Rechtsanwalts-GbR war
maßgebend, dass diese die
Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung im eigenen Namen und
auf eigene Rechnung abgeschlossen hatte und die Versicherung
hiernach der Deckung des mit dem Betrieb der Klägerin
verbundenen Haftungsrisikos, also dem eigenen Versicherungsschutz
der GbR und ihrer Gesellschafter, diente. Für eine etwaige
weitere Anwaltstätigkeit (z.B. eine freiberufliche
Tätigkeit) außerhalb der Tätigkeit für die GbR
hatten die angestellten Rechtsanwälte darüber hinaus im
eigenen Namen und auf eigene Rechnung
Vermögensschaden-Haftpflichtversicherungen in Höhe der
Mindestversicherungssumme abgeschlossen. Durch den Erwerb ihres
eigenen Versicherungsschutzes wandte die GbR den bei ihr
angestellten Rechtsanwälten daher keinen geldwerten Vorteil
zu.
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Bloße Reflexwirkungen der originär
eigenbetrieblichen Tätigkeit des Arbeitgebers führen -
wie oben dargelegt - nicht zu Arbeitslohn. Dies gilt auch, soweit
sich der Versicherungsschutz des Arbeitgebers auf die zu ihm in
einem Dienstverhältnis stehenden Personen erstreckt (hierzu
auch Senatsurteile in BFHE 253, 243, BStBl II 2016, 621 = SIS 16 11 17, Rz 22, und in BFHE 252, 124, BStBl II 2016, 301 = SIS 16 01 44,
Rz 16).
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3. Nach diesen Maßstäben hat das FG
zu Unrecht angenommen, allein die Mitversicherung der angestellten
Rechtsanwälte über die von der Klägerin
abgeschlossene Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung
schließe das Vorliegen eines lohnsteuerbaren geldwerten
Vorteils aus. Es hat im Rahmen der ihm obliegenden
Gesamtwürdigung (hierzu z.B. Senatsurteil in BFHE 218, 370,
BStBl II 2007, 892 = SIS 07 29 08) nicht alle maßgeblichen
Umstände berücksichtigt. Eine solche Gesamtwürdigung
des FG ist rechtsfehlerhaft; sie bindet den Senat dementsprechend
auch nicht gemäß § 118 Abs. 2 FGO (s. Senatsurteil
vom 12.07.2017 - VI R 59/15, BFHE 258, 444, BStBl II 2018, 461 =
SIS 17 16 43, Rz 38).
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a) Nach den bindenden Feststellungen des FG
(§ 118 Abs. 2 FGO) handelte es sich vorliegend um eine im
eigenen Namen und auf eigene Rechnung der Klägerin
abgeschlossene Versicherung, wobei sämtliche
Rechtsanwälte (Gesellschafter und angestellte
Rechtsanwälte) der Klägerin als versicherte Personen
einzeln genannt sind.
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aa) Für die Erfüllung der
Versicherungspflicht nach § 51 BRAO ist es unerheblich, ob der
einzelne Anwalt oder die Anwaltsgesellschaft versichert ist (Diller
in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl. 2019, § 51 Rz 26; v.
Rintelen in Beckmann/Matusche-Beckmann,
Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2015, § 26 Rz 292). Die
Versicherung der Berufsträgergesellschaft selbst
verstößt deshalb nicht gegen § 51 BRAO (Diller,
Berufshaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte: AVB-RSW,
2. Aufl. 2017, § 1 Rz 129). Es muss indes sichergestellt sein,
dass jeder in der Sozietät tätige Rechtsanwalt
Versicherungsschutz hat, gleichgültig, ob es sich um eigenen
Versicherungsschutz oder um abgeleiteten Versicherungsschutz
über eine Sozietätsdeckung handelt (Diller in
Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl. 2019, § 51 Rz 26). Die
durch Gesetz vorgeschriebene Pflichtversicherung kann hiernach also
auch in der Form bereitgestellt werden, dass sich die Gesellschaft
versichert, in der der Rechtsanwalt tätig ist. In diesem Fall
ist nicht erforderlich, dass der einzelne Rechtsanwalt sich
zusätzlich in Höhe der gesetzlich vorgeschriebenen
Mindestdeckung selbst durch eine getrennte Police versichert (a.A.
evtl. Dahns in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3.
Aufl. 2020, § 51 BRAO Rz 6). Allerdings genügt eine
Sozietätsdeckung der Versicherungspflicht des § 51 BRAO
nur dann, wenn der in der Sozietät tätige Rechtsanwalt
auch dann Versicherungsschutz genießt, falls er ausnahmsweise
außerhalb der Sozietät tätig wird (Diller in
Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl. 2019, § 51 Rz 26).
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bb) Der Versicherungsschutz der arbeitgebenden
Berufsträgergesellschaft begründet entsprechend dem
Grunde nach in Höhe der in § 51 Abs. 4 BRAO
vorgeschriebenen Mindestversicherungssumme einen geldwerten
Vorteil, wenn er zugleich den Versicherungsschutz für eine
Anwaltstätigkeit außerhalb der Sozietät abdeckt und
der angestellte Rechtsanwalt hierfür keine eigene Versicherung
vorhält. Denn in diesem Fall wird erst durch den
zusätzlichen (personenbezogenen und nicht auf die
Tätigkeit in der Sozietät beschränkten)
Versicherungsschutz das Erfordernis des § 51 BRAO
erfüllt. Insofern unterscheidet sich die Situation von dem
Senatsurteil in BFHE 252, 124, BStBl II 2016, 301 = SIS 16 01 44
zugrundeliegenden Sachverhalt. In jenem Fall waren die angestellten
Klinikärzte wegen der von der Klinik abgeschlossenen
Betriebshaftpflichtversicherung nicht verpflichtet, eigenen
personenbezogenen Haftpflichtversicherungsschutz zu erwerben. Etwas
anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung in BFHE 253,
243, BStBl II 2016, 621 = SIS 16 11 17. Denn dort stand fest, dass
die angestellten Rechtsanwälte für ihre Tätigkeit
außerhalb der Sozietät eigene
Berufshaftpflichtversicherungen abgeschlossen hatten.
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cc) Versicherungsrechtlich wird ein
angestellter Rechtsanwalt, auch wenn er auf dem Briefkopf als
solcher aufgeführt ist, wie ein Sozius i.S. des § 1 Abs.
2 Nr. 1 der Allgemeinen und Besonderen Versicherungsbedingungen
sowie Risikobeschreibungen zur
Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für
Rechtsanwälte und Patentanwälte, Steuerberater,
Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer (AVB-RSW)
behandelt und fällt damit unter die sogenannte
„Sozienklausel“ - hier in § 12 der als
Anlage zum Versicherungsschein beigefügten Allgemeinen
Bedingungen für die
Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von
Rechtsanwälten und Patentanwälten (AVB) - (Chab, AnwBl
2012, 190; ders., AnwBl 2012, 274; Diller,
Berufshaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte: AVB-RSW,
2. Aufl. 2017, § 12 Rz 16).
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Zivilrechtlich haftet der angestellte
Rechtsanwalt, der als solcher auf dem Briefkopf aufgeführt
ist, im Außenverhältnis für anwaltliche Fehler
hingegen nicht. Hierfür hat vielmehr die mandatierte
Anwaltssozietät einzustehen. Denn der angestellte Rechtsanwalt
handelt im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit für die
Anwaltssozietät als deren Erfüllungsgehilfe, so dass
diese für anwaltliche Pflichtverletzungen des angestellten
Rechtsanwalts gemäß § 278 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs haftet. Die persönliche Haftung der Gesellschafter
für die Verbindlichkeiten der Sozietät (§ 128 des
Handelsgesetzbuchs analog) trifft den angestellten Rechtsanwalt, da
er dieser nicht angehört, nicht. Deshalb ist die
Versicherungsdeckung der Sozietät für den angestellten
Anwalt insoweit nicht von eigenem Interesse, es sei denn, es
handelt sich um einen sogenannten
„Scheinsozius“, der den Mandanten gegenüber
bei jedem Haftungsfall der Sozietät nach
Rechtsscheingrundsätzen persönlich haftet (Diller, AnwBl
2010, 269, 270).
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Die Einbeziehung des angestellten und
zivilrechtlich nicht haftenden
„Briefkopfanwalts“ in den über die
Mindestversicherungssumme hinausgehenden Versicherungsschutz einer
Sozietät ist daher allein dem Umstand geschuldet, dass
für die Sozien im haftungsrechtlichen Sinn durch Anwendung der
Durchschnittsleistung (hier in § 12 Abs. 2 AVB) im
Versicherungsfall keine Unterdeckung entsteht. Insoweit besteht in
Bezug auf die Einbeziehung eines zivilrechtlich nicht haftenden
„Briefkopfanwalts“ in den Versicherungsschutz
ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse der Sozietät
an der versicherungsrechtlich benötigten
Höherversicherung und der hierdurch abgedeckten
Versicherungssumme. Soweit der angestellte Rechtsanwalt im Falle
einer Anwaltstätigkeit außerhalb der Sozietät von
der Höherversicherung profitieren könnte, handelt es sich
ebenfalls um einen bloßen Reflex der originär
eigenbetrieblichen Tätigkeit des Arbeitgebers.
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b) Nach dem unstreitigen Vortrag der
Klägerin erfüllte die von ihr abgeschlossene
Sozietätsversicherung im Hinblick auf die mitversicherten
angestellten Rechtsanwälte deren Versicherungspflicht nach
§ 51 BRAO, weil personenbezogen auch Tätigkeiten
außerhalb der Sozietät abgedeckt waren. Soweit die
angestellten Rechtsanwälte nicht über eine eigene
Berufshaftpflichtversicherung verfügten, sich diese eine -
für die Berufsausübung erforderliche - Versicherung durch
ihre Einbeziehung in die Sozietätsversicherung mithin
ersparten, stellt der Prämienanteil, soweit er auf die in
§ 51 Abs. 4 BRAO vorgeschriebene Mindestversicherungssumme
entfällt, Arbeitslohn dar.
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Da das FG weiter bindend festgestellt (§
118 Abs. 2 FGO) hat, dass die angestellten Rechtsanwälte als
solche auf dem Briefkopf ausgewiesen waren, kam eine
zivilrechtliche Haftung der angestellten Rechtsanwälte aus
Anwaltsvertrag (Scheinsozienhaftung) nicht in Betracht. Ihre
Einbeziehung in den von der Sozietät versicherungsrechtlich
benötigten über die Mindestversicherungssumme
hinausgehenden Versicherungsschutz erfolgte - wie oben dargelegt -
im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse der Klägerin.
Insoweit scheidet die Annahme von Arbeitslohn aus.
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c) Im zweiten Rechtsgang wird das FG
demzufolge zunächst aufzuklären haben, ob gegebenenfalls
einer der angestellten Rechtsanwälte trotz der den
Anforderungen von § 51 BRAO genügenden
Sozietätsversicherung gleichwohl über eine eigene
Berufshaftpflichtversicherung verfügte. In diesem Fall hat das
FG den Nachforderungsbescheid in Höhe des auf den betreffenden
Rechtsanwalt entfallenden Prämienanteils zu mindern. Soweit
dies nicht der Fall ist, hat das FG für die übrigen
angestellten Rechtsanwälte den Prämienanteil zu
ermitteln, der auf die in § 51 Abs. 4 BRAO vorgeschriebene
Mindestversicherungssumme entfällt.
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4. Die Übertragung der Kostenentscheidung
folgt aus § 143 Abs. 2 FGO.
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