Angestellter Rechtsanwalt, DAV-Beiträge: Die Übernahme der Beiträge für die Mitgliedschaft einer angestellten Rechtsanwältin im Deutschen Anwaltverein führt zu Arbeitslohn, wenn der Arbeitgeber nicht im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse handelt. - Urt.; BFH 12.2.2009, VI R 32/08; SIS 09 10 14
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft
bürgerlichen Rechts, zu der sich die Rechtsanwälte X und
Y in Z zusammengeschlossen haben. Für die angestellte
Rechtsanwältin B entrichtete die Klägerin in den Jahren
2004 bis 2006 Beiträge an die Rechtsanwaltskammer in Höhe
von jährlich 198 EUR und an den Deutschen Anwaltverein in
Höhe von 225 EUR (2004), 265 EUR (2005) und 169 EUR
(2006).
Bei einer
Lohnsteuer-Außenprüfung stellte der Prüfer fest,
dass die Klägerin die Beiträge nicht als Arbeitslohn
beurteilt und daher keinen Lohnsteuerabzug vorgenommen hatte.
Aufgrund dieser Feststellungen erließ der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) am 23.10.2006
gegenüber der Klägerin einen Haftungsbescheid über
Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag in Höhe von insgesamt
559,14 EUR.
Mit ihrer nach erfolglosem
Einspruchsverfahren erhobenen Klage machte die Klägerin
geltend, sie habe die Beiträge im eigenbetrieblichen Interesse
entrichtet.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit
den in EFG 2008, 1551 = SIS 08 33 77 veröffentlichten
Gründen ab.
Mit ihrer Revision wendet sich die
Klägerin gegen die Behandlung der Beiträge zum Deutschen
Anwaltverein als Arbeitslohn und rügt die Verletzung
materiellen Rechts.
Die Klägerin beantragt
sinngemäß, das vorinstanzliche Urteil und den
Haftungsbescheid vom 23.10.2006 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 23.5.2007 dahingehend zu ändern,
dass bei der Bemessung der Haftungssumme Beiträge zum
Deutschen Anwaltverein in Höhe von 225 EUR für 2004, 265
EUR für 2005 und 169 EUR für 2006 nicht als Arbeitslohn
berücksichtigt werden.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision der Klägerin ist
unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu
Recht entschieden, dass die streitbefangenen Beiträge zum
Deutschen Anwaltverein zu Arbeitslohn führen und deshalb der
angefochtene Haftungsbescheid auch hinsichtlich der auf diese
Beiträge entfallenden Lohnsteuer (zuzüglich Annexsteuern)
rechtmäßig ist.
1. Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) haftet der Arbeitgeber für die
Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder
Lohnzahlung vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers
einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG
abzuführen hat. Hiervon ist im Streitfall - auch nach
übereinstimmender Auffassung der Beteiligten - auszugehen.
Insbesondere steht die Ermessensentscheidung des FA, die
Klägerin in Haftung zu nehmen, zu Recht außer Streit,
nachdem sich die Klägerin nach den Feststellungen des FG mit
der Übernahme der Lohnsteuer einverstanden erklärt
hat.
2. Die Übernahme der Beiträge
für die Mitgliedschaft der von der Klägerin angestellten
Rechtsanwältin im Deutschen Anwaltverein führt zu
Arbeitslohn.
a) Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG
gehören u.a. Bezüge und Vorteile, die für eine
Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst
gewährt werden, zu den Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit. Dem Tatbestandsmerkmal
„für“ ist nach ständiger
Rechtsprechung zu entnehmen, dass ein dem Arbeitnehmer vom
Arbeitgeber zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter für das
Zurverfügungstellen der Arbeitskraft haben muss, um als
Arbeitslohn angesehen zu werden. Dagegen sind solche Vorteile kein
Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller
Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als
notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung
erweisen.
Ein Vorteil wird dann aus ganz
überwiegend eigenbetrieblichem Interesse gewährt, wenn im
Rahmen einer Gesamtwürdigung aus den Begleitumständen zu
schließen ist, dass der jeweils verfolgte betriebliche Zweck
im Vordergrund steht. In diesem Fall des „ganz
überwiegend“ eigenbetrieblichen Interesses kann ein
damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den
betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden. Die
danach erforderliche Gesamtwürdigung hat insbesondere Anlass,
Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten,
freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder
Zwang zur Annahme des Vorteils und seine besondere Geeignetheit
für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck zu
berücksichtigen. Tritt das Interesse des Arbeitnehmers
gegenüber dem des Arbeitgebers in den Hintergrund, kann eine
Lohnzuwendung zu verneinen sein. Ist aber - neben dem
eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers - ein nicht
unerhebliches Interesse des Arbeitnehmers gegeben, so liegt die
Vorteilsgewährung nicht im ganz überwiegend
eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers und führt zur
Lohnzuwendung (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11.4.2006
VI R 60/02, BFHE 212, 574, BStBl II 2006, 691 = SIS 06 30 05,
m.w.N.; vom 26.7.2007 VI R 64/06, BFHE 218, 370, BStBl II 2007, 892
= SIS 07 29 08; vom 17.1.2008 VI R 26/06, BFHE 220, 266, BStBl II
2008, 378 = SIS 08 12 05).
b) Nach diesen Grundsätzen hat das FG
eine Gesamtwürdigung vorgenommen. Es ist dabei zu dem Ergebnis
gekommen, dass die Übernahme der Beiträge zum Deutschen
Anwaltverein durch die Klägerin auch im eigenen Interesse der
angestellten Rechtsanwältin erfolgt und deshalb Arbeitslohn
anzunehmen sei. Die Gesamtwürdigung, die revisionsrechtlich
nur begrenzt überprüfbar ist (vgl. z.B.
BFH-Beschlüsse vom 10.2.2005 VI B 113/04, BFHE 209, 211, BStBl
II 2005, 488 = SIS 05 17 03; vom 10.11.2005 VI B 75/05, BFH/NV
2006, 530 = SIS 06 11 71; BFH-Urteil vom 12.4.2007 VI R 77/04,
BFH/NV 2007, 1643 = SIS 07 27 47; Gräber/Ruban,
Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 118 Rz 30; Seer in Tipke/
Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 118 FGO Rz 87,
m.w.N.), ist möglich; sie lässt keinen Rechtsfehler
erkennen.
Nach den von der Klägerin nicht mit
zulässigen und begründeten Verfahrensrügen
angegriffenen Feststellungen des FG bietet der Deutsche
Anwaltverein seinen Mitgliedern die Förderung und Initiierung
des für die Berufsausübung notwendigen Erfahrungs- und
Informationsaustausches zwischen den Kollegen durch aktuelle
Informationen über verschiedene Werbemaßnahmen und
Services bis hin zu einem Stellenmarkt und eigenem Rechtsschutz.
Darüber hinaus kommen Mitglieder in den Genuss von Rabatten
und Sonderkonditionen bei zahlreichen Kooperationspartnern wie
Autoherstellern, Hotelketten sowie Bürotechnik- und
Telekommunikationsanbietern. Die Satzung nennt als Zweck des
Vereins die Wahrung, Pflege und Förderung aller beruflichen
und wirtschaftlichen Interessen der Rechtsanwaltschaft und des
Anwaltsnotariats, insbesondere durch die Förderung von
Rechtspflege und Gesetzgebung, der Aus- und Fortbildung sowie die
Pflege des Gemeinsinnes und des wissenschaftlichen Geistes der
Rechtsanwaltschaft. Ziel des Vereins ist die Zusammenfassung aller
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Deutschland und
aller deutschen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte im
Ausland. Nachvollziehbar ist das FG davon ausgegangen, dass diese
Feststellungen für ein eigenes Interesse der B an der von der
Klägerin finanzierten Mitgliedschaft sprechen.
Zugleich hat das FG den Vortrag der
Klägerin als wahr unterstellt, dass durch die Mitgliedschaft
der angestellten Rechtsanwältin die Zahl der Mandate
erhöht und der Bezug kostenloser, für die Tätigkeit
der Klägerin notwendiger Zeitschriften ermöglicht worden
sei und die Kosten der Fortbildung reduziert worden seien. Wenn das
FG gleichwohl zu dem Schluss gekommen ist, dass das Interesse der B
an der Mitgliedschaft im Deutschen Anwaltverein nicht völlig
in den Hintergrund getreten sei, ist diese Würdigung
jedenfalls möglich. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden
ist, wenn sich das FG zur Begründung dieser Auffassung zum
einen darauf gestützt hat, dass für einen Rechtsanwalt,
insbesondere auch einen Fachanwalt, die Erweiterung des Fachwissens
unerlässlich sei und er nur so am Arbeitsmarkt bzw. als
Teilhaber oder Inhaber einer Kanzlei bestehen könne. Das FG
durfte deshalb auch davon ausgehen, dass Erhaltung und Steigerung
der beruflichen Fähigkeiten der B deren weiteres berufliches
Fortkommen gefördert haben. Zugleich hat das FG auch das
eigenbetriebliche Interesse der Klägerin an der Teilnahme der
B an den Fortbildungsveranstaltungen des Deutschen Anwaltvereins,
verbunden mit der Möglichkeit, Kontakte zu Berufskollegen
anzubahnen und aufrecht zu erhalten, erwogen; den Erwerb von
Fortbildungsbescheinigungen und die Mitgliedschaft in verschiedenen
Arbeitsgemeinschaften des Deutschen Anwaltvereins hat das FG als
vorteilhaft auch für die Erfüllung der Pflichten aus der
Tätigkeit als Arbeitnehmerin der Klägerin gesehen. Die
vom FG auf dieser Grundlage vorgenommene Gewichtung, nach der das
Eigeninteresse der B gleichwohl so schwer wiege, dass es nicht
neben dem Interesse der Klägerin in den Hintergrund trete, ist
jedenfalls möglich und lässt keinen Rechtsfehler
erkennen. Die vom FG herausgearbeiteten eigenbetrieblichen
Interessen der Klägerin an der Übernahme der
streitbefangenen Beiträge treten gegenüber dem
offenkundigen eigenen Interesse der angestellten
Rechtsanwältin an der Mitgliedschaft im Deutschen Anwaltverein
jedenfalls nicht evident hervor. Die vom FG angestellte
Gesamtwürdigung ist daher aus revisionsgerichtlicher Sicht
nicht zu beanstanden.
Die Vorentscheidung entspricht auch in ihren
Grundannahmen den Urteilen des erkennenden Senats in BFHE 218, 370,
BStBl II 2007, 892 = SIS 07 29 08 (Übernahme der Beiträge
zur Berufshaftpflichtversicherung einer Rechtsanwältin durch
den Arbeitgeber als Arbeitslohn) und in BFHE 220, 266, BStBl II
2008, 378 = SIS 08 12 05 (Übernahme der Beiträge zu den
Berufskammern durch den Arbeitgeber für
Geschäftsführer einer Wirtschaftsprüfungs- und
Steuerberatungsgesellschaft als Arbeitslohn). In jenen Fällen
war das eigenbetriebliche Interesse des Arbeitgebers an der
Übernahme der Beiträge jeweils noch stärker
ausgeprägt als in dem hier zu würdigenden Fall.
Gleichwohl hat der Senat auch dort jeweils Arbeitslohn mit der
Begründung angenommen, dass das eigenbetriebliche Interesse
gegenüber dem Interesse des Arbeitnehmers an der
Übernahme der Beiträge in den Hintergrund getreten sei.
Erst recht führt die Übernahme von Beiträgen durch
den Arbeitgeber zu Arbeitslohn, wenn das eigenbetriebliche
Interesse an der Übernahme - wie hier - von vergleichsweise
geringerem Gewicht ist.