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A. Die Beteiligten streiten
um die Höhe der gewerblichen Einkünfte der Klägerin
und Revisionsklägerin (Klägerin) im Jahr 2013
(Streitjahr) als Mitunternehmerin der ehemaligen C-GmbH & Co.
KG.
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2
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Die C-GmbH & Co. KG war eine
Schifffahrtsgesellschaft in der Rechtsform einer KG (nachfolgend
auch Schifffahrtsgesellschaft), die im Handelsregister des
Amtsgerichts X unter der Nr. HRA … eingetragen war. Die
Klägerin erwarb ihren Kommanditanteil an der
Schifffahrtsgesellschaft durch Schenkungen ihrer Eltern in den
Jahren 2003 und/oder 2007. Seitdem wurde der festgestellte
Unterschiedsbetrag im Sinne des § 5a Abs. 4 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) bei ihr als Rechtsnachfolgerin in
Höhe von 49.635,44 EUR fortgeführt. Am 25.04.2012
beschloss die Schifffahrtsgesellschaft ihre Liquidation. Ihre
Auflösung wurde am xx.xx.2013 in das Handelsregister
eingetragen. Im Jahr 2013 veräußerte die
Schifffahrtsgesellschaft das Seeschiff. Mit weiterem Eintrag in das
Handelsregister vom xx.xx.2021 wurde vermerkt, dass die Liquidation
beendet und die Firma erloschen sei.
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3
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Die Feststellungserklärung der
Schifffahrtsgesellschaft für das Jahr 2013 ging beim Beklagten
und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) am 15.01.2015 ein. In
dem für die Schifffahrtsgesellschaft unter Vorbehalt der
Nachprüfung ergangenen Bescheid über die gesonderte und
einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen
(Gewinnfeststellungsbescheid) für 2013 vom 20.03.2015 rechnete
das FA den laufenden Einkünften der Klägerin einen nach
§ 5a Abs. 4 Satz 3 EStG in der zu diesem Zeitpunkt geltenden
Fassung aufgelösten Unterschiedsbetrag im Sinne des § 5a
Abs. 4 Satz 1 EStG in Höhe von 49.635,44 EUR hinzu. Der
Gewinnfeststellungsbescheid 2013 wurde mehrfach - zuletzt mit
Bescheid vom 15.06.2016 - aus nicht streitbefangenen Gründen
geändert. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb jeweils
bestehen.
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4
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Mit Schreiben vom 20.12.2018 stellte die
Klägerin einen Antrag auf Änderung des
Gewinnfeststellungsbescheids 2013 mit dem Ziel, ihr den
aufgelösten Unterschiedsbetrag in Höhe von 49.635,44 EUR
nicht zuzurechnen. Zur Begründung führte sie aus, dass
der Unterschiedsbetrag ausweislich des Urteils des Finanzgerichts
(FG) Hamburg vom 19.12.2017 - 2 K 277/16 infolge der
unentgeltlichen Übertragungen bereits bei den Schenkern in
früheren Feststellungszeiträumen hätte
aufgelöst werden müssen.
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Das FA lehnte die beantragte Änderung
mit Bescheid vom 04.01.2019 ab, weil nach Rz 28 des Schreibens des
Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 12.06.2002 (BStBl I 2002,
614 = SIS 02 09 55) eine Auflösung des Unterschiedsbetrags bei
Schenkungen nicht stattfinde. Hiergegen legte die Klägerin
Einspruch ein. Das Einspruchsverfahren ruhte zunächst im
Hinblick auf beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängige
Verfahren.
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Am 08.04.2021 erhob die Klägerin eine
Untätigkeitsklage, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgte.
Sie begründete ihre Klage anfänglich mit den BFH-Urteilen
vom 28.11.2019 - IV R 28/19 (BFHE 266, 305, BStBl II 2023, 750 =
SIS 20 00 97) und vom 29.04.2020 - IV R 17/19 = SIS 20 12 95, nach denen auch das
unentgeltliche Ausscheiden eines Gesellschafters (Schenkers) aus
der Schifffahrtsgesellschaft zur Auflösung des
Unterschiedsbetrags beim Schenker und nicht zum Übergang des
Unterschiedsbetrags auf den Beschenkten führe. Nach
Inkrafttreten der Neuregelung in § 5a Abs. 4 Satz 5 und 6 EStG
durch das Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz vom
02.06.2021 (BGBl I 2021, 1259) - EStG n.F. - während des
Klageverfahrens führte die Klägerin mit Schriftsatz vom
10.08.2021 zur Begründung ergänzend aus, dass die in
§ 52 Abs. 10 Satz 4 EStG n.F. gesetzlich angeordnete
rückwirkende Geltung des § 5a Abs. 4 Satz 5 EStG n.F.
eine echte Rückwirkung begründe, die verfassungsrechtlich
nicht zu rechtfertigen sei.
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Noch im Klageverfahren wies das FA den
Einspruch mit Entscheidung vom 08.09.2021 als unbegründet
zurück. Zur Begründung führte es im Wesentlichen
aus, dass der Gesetzgeber durch das
Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz die Vorschrift des
§ 5a Abs. 4 EStG um die Sätze 5 und 6 ergänzt habe,
die nach § 52 Abs. 10 Satz 4 EStG n.F. rückwirkend und
damit auch für das Streitjahr anwendbar seien. Mit dieser
Neuregelung sei der seit 2019 vertretenen - der Verwaltungsmeinung
widersprechenden - Rechtsauffassung des BFH, wonach auch das
unentgeltliche Ausscheiden des Mitunternehmers nach § 5a Abs.
4 Satz 3 Nr. 3 EStG in der Fassung vor Änderung durch das
Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz (EStG a.F.) zur
Auflösung des Unterschiedsbetrags führe, der Boden
entzogen und die bisherige Verwaltungspraxis gesetzlich verankert
worden. Aus verfassungsrechtlicher Sicht handele es sich um eine
zulässige Rückwirkung, da durch die Neuregelung lediglich
eine Gesetzeslage festgeschrieben worden sei, die einer
langjährigen Verwaltungspraxis entsprochen habe.
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Das FG wies die Klage mit Urteil vom
27.04.2022 - 5 K 48/21 = SIS 22 13 77 ab.
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Zur Begründung führte es im
Wesentlichen aus, dass nach § 5a Abs. 4 Satz 5 und 6 EStG n.F.
der Unterschiedsbetrag auf die Klägerin als Rechtsnachfolgerin
übergegangen sei. Folgerichtig habe das FA den
Unterschiedsbetrag bei der Klägerin im Streitjahr wegen der
Veräußerung des Seeschiffs berücksichtigt. Die
Neuregelungen seien im Streitjahr anzuwenden, weil die in § 52
Abs. 10 Satz 4 EStG n.F. angeordnete rückwirkende Geltung
vorbezeichneter Vorschriften nicht gegen das verfassungsrechtliche
Rückwirkungsverbot verstoße. Es liege kein Fall einer
echten Rückwirkung vor. Denn der Gesetzgeber stelle mittels
§ 5a Abs. 4 Satz 5 bis 7, § 52 Abs. 10 Satz 4 EStG n.F.
lediglich sicher, dass die bestehende, über Jahrzehnte
geübte Verwaltungspraxis, die vom überwiegenden Teil der
Literatur gebilligt worden sei, formal in Gesetzesform gegossen
werde und für alle Wirtschaftsjahre nach dem 31.12.1998
anwendbar sei. Es sei dem Gesetzgeber nach Abwägung der
Interessen der Allgemeinheit und dem Vertrauen des Einzelnen in den
Fortbestand der Rechtslage nach dem Urteil des FG Hamburg vom
19.12.2017 - 2 K 277/16 = SIS 18 03 26 und der nachfolgenden Rechtsprechung des BFH nicht
verwehrt, eine Rechtslage rückwirkend festzuschreiben, die vor
dem Aufgreifen durch die Finanzrechtsprechung über nahezu 16
Jahre einer gefestigten und einheitlichen Rechtspraxis entsprochen
habe. Ein schützenswertes Vertrauen der Klägerin darauf,
dass die Unterschiedsbeträge nicht auf sie als
Rechtsnachfolgerin übergehen, habe nicht bestanden.
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10
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Die Klägerin macht mit ihrer Revision
die Verletzung von Bundesrecht geltend. Sie rügt nicht die
fehlerhafte Anwendung einfachen Gesetzesrechts, sondern einen
Verstoß gegen das verfassungsrechtliche
Vertrauensschutzgebot. Zur Begründung trägt sie - wie
bereits im Klageverfahren - vor, dass die in § 52 Abs. 10 Satz
4 EStG n.F. angeordnete rückwirkende Geltung des § 5a
Abs. 4 Satz 5 und 6 EStG n.F. verfassungswidrig sei.
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11
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Die Klägerin beantragt,
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das angefochtene FG-Urteil und die
Einspruchsentscheidung vom 08.09.2021 aufzuheben und den Bescheid
über die gesonderte und einheitliche Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen der C-GmbH & Co. KG für 2013 vom
15.06.2016 in Gestalt des Bescheids vom 04.01.2019 dahin zu
ändern, dass der ihr zugerechnete Anteil am Gesamthandsgewinn
um 49.635,44 EUR gemindert wird.
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Das FA beantragt,
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die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
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Das dem Verfahren beigetretene BMF hat
keinen Antrag gestellt, unterstützt jedoch mit seinem Vortrag
die vom FG und vom FA vertretene Rechtsauffassung, wonach die in
§ 52 Abs. 10 Satz 4 EStG n.F. angeordnete Rückwirkung
verfassungsgemäß sei. Die Rückwirkung sei aus zwei
Gründen geboten gewesen. Zum einen habe das Vertrauen des
Steuerpflichtigen darin geschützt werden müssen, dass
entsprechend der langjährig praktizierten
Verwaltungsauffassung unentgeltliche Übertragungen nach §
6 Abs. 3 EStG nicht zur Hinzurechnung des Unterschiedsbetrags
führen. Zum anderen sei die Rückanknüpfung zur
Verhinderung einer „Keinmalbesteuerung“
des Unterschiedsbetrags erforderlich gewesen.
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Verfassungsrechtlich bestünden keine
Zweifel an der Zulässigkeit der Rückwirkung. Dies ergebe
sich schon daraus, dass es sich bei der Neuregelung um ein
begünstigendes Gesetz handele, für welches das
Rückwirkungsverbot nicht gelte. Denn die Neuregelung lasse den
Übergang des Unterschiedsbetrags bei unentgeltlichen
Übertragungen nach § 6 Abs. 3 EStG zu. Dass der
Unterschiedsbetrag beim Rechtsnachfolger hinzugerechnet werde, sei
ein bloßer Reflex, der sich daraus ergebe, dass keine
Hinzurechnung beim Rechtsvorgänger erfolgt sei.
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Aber selbst wenn man von einer belastenden
Neuregelung ausgehe, sei - was auch das FG angenommen habe - eine
verfassungsrechtlich zulässige Rückwirkung gegeben.
Soweit bei Verkündung des Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetzes
noch kein Hinzurechnungstatbestand verwirklicht worden sei, liege
zweifelsfrei eine unechte Rückwirkung vor. Aber auch soweit -
wie im Streitfall - der Hinzurechnungstatbestand vor
Verkündung des Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetzes
verwirklicht worden sei, liege eine unechte Rückwirkung vor.
Die gesetzliche Änderung bewirke ausschließlich, dass
der Unterschiedsbetrag nicht beim Rechtsvorgänger
hinzugerechnet werde. Die sich daraus ergebende Hinzurechnung beim
Rechtsnachfolger sei lediglich eine Reflexwirkung, die keine echte
Rückwirkung begründe. Es lägen keine unmittelbaren
Auswirkungen auf eine bereits entstandene Steuerschuld vor. Im
Übrigen liege eine unechte Rückwirkung vor, weil der
Gesetzgeber mit der Neuregelung sichergestellt habe, dass die
bestehende, über Jahrzehnte geübte Verwaltungspraxis
formal in Gesetzesform gegossen werde.
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Schließlich wäre selbst dann,
wenn man in Einzelfällen eine echte Rückwirkung annehmen
wollte, diese verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Die einzige
Fallkonstellation, in der die Verfassungsmäßigkeit
diskutiert werden könne, betreffe diejenigen Fälle, in
denen beim Rechtsvorgänger bereits
Feststellungsverjährung eingetreten sei (demnach eine
begünstigende Regelung zu dessen Gunsten verfassungsrechtlich
nicht geboten sei) und gleichzeitig der Rechtsnachfolger vor
Verkündung des Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetzes
einen Hinzurechnungstatbestand verwirklicht habe. Ein besonders
schutzwürdiges Vertrauen gebe es aber auch in dieser
Konstellation nicht. Dies liege auf der Hand, wenn der
Hinzurechnungstatbestand - wie im Streitfall - vor dem BFH-Urteil
vom 28.11.2019 - IV R 28/19 (BFHE 266, 305, BStBl II 2023, 750 =
SIS 20 00 97) verwirklicht worden sei. Mit Blick auf die
jahrzehntelange Verwaltungspraxis habe es keinerlei Anhaltspunkte
für ein berechtigtes Vertrauen darauf gegeben, dass der
Unterschiedsbetrag nicht auf den Rechtsnachfolger übergehe.
Aber auch in Fällen, in denen der Hinzurechnungstatbestand
nach der genannten Entscheidung des BFH verwirklicht worden sei,
habe der Steuerpflichtige mit einer entsprechenden Reaktion des
Gesetzgebers rechnen müssen. Bei den in der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) anerkannten Fallgruppen, in
denen eine echte Rückwirkung wegen eines ausnahmsweise
fehlenden Vertrauens in eine bestehende Gesetzeslage zulässig
sei, handele es sich um keine abschließende Aufzählung.
So sei im Streitfall in die Abwägung einzubeziehen, dass das
fiskalische Allgemeininteresse eine Einmalbesteuerung des
Unterschiedsbetrags verlange. Zudem verstieße die
„Keinmalbesteuerung“ einzelner
Steuerpflichtiger gegen das Gebot der Gleichmäßigkeit
der Besteuerung und das Leistungsfähigkeitsprinzip. Diese
Gesichtspunkte seien jedenfalls gewichtiger als ein ganz schwach
ausgeprägtes Vertrauen des Rechtsnachfolgers in eine
„Keinmalbesteuerung“.
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B. Infolge der vom vorlegenden Senat
angenommenen Verfassungswidrigkeit des § 52 Abs. 10 Satz 4
EStG n.F. ist das Revisionsverfahren nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1
des Grundgesetzes (GG) i.V.m. § 80 Abs. 1 des
Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG) auszusetzen und eine
Entscheidung des BVerfG einzuholen. Nach Überzeugung des
vorlegenden Senats verstößt § 52 Abs. 10 Satz 4
EStG n.F. gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot
(Art. 20 Abs. 3 GG), soweit diese Vorschrift die rückwirkende
Anwendung des § 5a Abs. 4 Satz 5 und 6 EStG n.F. für
Wirtschaftsjahre anordnet, die nach dem 31.12.1998 beginnen.
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I. Rechtsentwicklung der maßgebenden
Gesetzesvorschriften
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§ 5a EStG wurde mit dem
Seeschiffahrtsanpassungsgesetz vom 09.09.1998 (BGBl I 1998, 2860) -
SchAnpG - in das Einkommensteuergesetz aufgenommen. Nach § 52
Abs. 6b EStG i.d.F. des SchAnpG ist § 5a Abs. 1 bis 3, 4a bis
6 EStG erstmals für das Wirtschaftsjahr anzuwenden, das nach
dem 31.12.1998 endet (Satz 1), § 5a Abs. 4 EStG erstmals
für das letzte Wirtschaftsjahr, das vor dem 01.01.1999 endet
(Satz 2). § 5a EStG ist eine Subventionsvorschrift. Die
erforderliche Genehmigung der Kommission der Europäischen
Gemeinschaften wurde am 21.12.1998 bekanntgemacht (BGBl I 1998,
4023; vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 17.12.2020 - IV R 14/20 (IV R
42/16) = SIS 21 06 66, Rz 44
f.).
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§ 5a EStG räumt dem
Steuerpflichtigen ein Wahlrecht ein, statt der Gewinnermittlung
gemäß § 4 Abs. 1, § 5 EStG
(Betriebsvermögensvergleich) eine pauschale Gewinnermittlung
nach der Tonnage durchzuführen. Es handelt sich nicht um eine
besondere Steuer, sondern um eine besondere Art der
Gewinnermittlung, die nur für den Betrieb von Handelsschiffen
im internationalen Verkehr vorgesehen ist. Die Folgen des
Übergangs von der Gewinnermittlung durch
Betriebsvermögensvergleich zur Gewinnermittlung nach der
Tonnage und umgekehrt sind insbesondere in § 5a Abs. 4 EStG
geregelt. Mit dieser Regelung hat sich der Gesetzgeber beim
Übergang zur Gewinnermittlung nach der Tonnage gegen eine
sofortige Besteuerung der stillen Reserven und für deren
aufgeschobene Besteuerung entschieden. Durch die Ermittlung und
Feststellung des Unterschiedsbetrags nach § 5a Abs. 4 Satz 1
und 2 EStG wird sichergestellt, dass die bis zum Wechsel der
Gewinnermittlungsart entstandenen stillen Reserven erfasst und
später - bei Vorliegen eines der in Satz 3 genannten
Hinzurechnungstatbestände - der Besteuerung unterworfen
werden.
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1. § 5a Abs. 4 EStG bis zur Änderung
durch das Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz
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§ 5a Abs. 4 EStG wurde bis zur
Änderung durch das Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz nur
einmal durch das Steuerbereinigungsgesetz 1999 vom 22.12.1999 (BGBl
I 1999, 2601) durch Neufassung seines Satzes 3 geändert. Zuvor
war das Ausscheiden eines Gesellschafters noch nicht in § 5a
Abs. 4 Satz 3 EStG als Hinzurechnungstatbestand geregelt (vgl. dazu
auch BFH-Urteil vom 28.11.2019 - IV R 28/19, BFHE 266, 305, BStBl
II 2023, 750 = SIS 20 00 97, Rz 34). § 5a Abs. 4 EStG hatte
unter Berücksichtigung der Änderung durch das
Steuerbereinigungsgesetz 1999 folgenden Wortlaut:
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„1Zum Schluß des
Wirtschaftsjahres, das der erstmaligen Anwendung des Absatzes 1
vorangeht (Übergangsjahr), ist für jedes Wirtschaftsgut,
das unmittelbar dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen
Verkehr dient, der Unterschiedsbetrag zwischen Buchwert und
Teilwert in ein besonderes Verzeichnis aufzunehmen. 2Der
Unterschiedsbetrag ist gesondert und bei Gesellschaften im Sinne
des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 einheitlich festzustellen.
3Der Unterschiedsbetrag nach Satz 1 ist dem Gewinn
hinzuzurechnen:
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1. in den dem letzten Jahr der Anwendung des
Absatzes 1 folgenden fünf Wirtschaftsjahren jeweils in
Höhe von mindestens einem Fünftel,
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2. in dem Jahr, in dem das Wirtschaftsgut aus
dem Betriebsvermögen ausscheidet oder in dem es nicht mehr
unmittelbar dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen
Verkehr dient,
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3. in dem Jahr des Ausscheidens eines
Gesellschafters hinsichtlich des auf ihn entfallenden Anteils.
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4Die Sätze 1 bis 3 sind
entsprechend anzuwenden, wenn der Steuerpflichtige
Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens dem Betrieb von
Handelsschiffen im internationalen Verkehr
zuführt.“
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2. Auffassung der Finanzverwaltung zu §
5a Abs. 4 Satz 3 EStG bis zur Änderung durch das Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz
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24
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Das BMF hat die Anwendung des § 5a EStG
für die Finanzverwaltung erstmals in seinem Schreiben vom
24.06.1999 (BStBl I 1999, 669 = SIS 99 15 40) geregelt. Dieses
BMF-Schreiben betraf noch § 5a Abs. 4 Satz 3 EStG in der
Fassung vor Änderung durch das Steuerbereinigungsgesetz 1999, das heißt
das Ausscheiden eines Gesellschafters war noch nicht als
Hinzurechnungstatbestand im Gesetz erfasst. Gleichwohl heißt
es dort in Rz 24:
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„Satz 3 Buchstabe b 1. Halbsatz gilt
entsprechend für den Fall, daß ein Gesellschafter im
Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG seinen Anteil an der
Personengesellschaft veräußert. Für die
verbleibenden Gesellschafter ändert sich der festgestellte
Unterschiedsbetrag nicht.“
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25
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Obwohl der Gesetzgeber in dem durch das
Steuerbereinigungsgesetz 1999 neu gefassten § 5a Abs. 4 Satz 3
EStG das Ausscheiden eines Gesellschafters in Nr. 3 als
Hinzurechnungstatbestand formuliert hatte, hieß es in dem zu
dieser Gesetzeslage ergangenen neuen BMF-Schreiben vom 12.06.2002
(BStBl I 2002, 614 = SIS 02 09 55) in Rz 28 wie folgt:
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„§ 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG gilt
für den Fall, dass ein Gesellschafter im Sinne des § 15
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG seinen Anteil an der Personengesellschaft
veräußert. Für die verbleibenden Gesellschafter
ändert sich der festgestellte Unterschiedsbetrag
nicht.“
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Mit BMF-Schreiben vom 31.10.2008 (BStBl I
2008, 956 = SIS 08 40 81) wurde die Rz 28, ohne dass sich die
Gesetzeslage geändert hatte, wie folgt gefasst:
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„§ 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG gilt
für den Fall, dass ein Gesellschafter im Sinne des § 15
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG seinen Anteil an der Personengesellschaft
veräußert. Für die verbleibenden Gesellschafter
ändert sich der festgestellte Unterschiedsbetrag nicht. In den
Fällen der Übertragung oder Einbringung zu Buchwerten
(z.B. § 6 Abs. 3 EStG und § 24 UmwStG) findet § 5a
Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG keine Anwendung.“
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3. Auffassung der Rechtsprechung zu § 5a
Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG bis zur Änderung durch das
Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz
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Die erste gerichtliche Entscheidung zu §
5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG erging durch das FG Hamburg. Es
entschied mit Urteil vom 19.12.2017 - 2 K 277/16 = SIS 18 03 26, dass jedes Ausscheiden eines
Gesellschafters zur Hinzurechnung des Unterschiedsbetrags (§
5a Abs. 4 Satz 1 und 2 EStG) nach § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3
EStG führe. Der Unterschiedsbetrag gehe bei steuerneutralen
Anteilsübertragungen zu Buchwerten (§ 6 Abs. 3 EStG,
§ 24 des Umwandlungssteuergesetzes - UmwStG - ) nicht auf den
Rechtsnachfolger des Gesellschafters über. Der BFH hat diese
Rechtsauffassung in dem hiergegen geführten Revisionsverfahren
mit Urteil vom 28.11.2019 - IV R 28/19 (BFHE 266, 305, BStBl II
2023, 750 = SIS 20 00 97) für zutreffend erachtet und in dem
Urteil vom 29.04.2020 - IV R 17/19 = SIS 20 12 95 bestätigt. Der BFH begründete dies damit,
dass der Begriff des Ausscheidens in § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3
EStG jedes Ausscheiden eines Gesellschafters, das heißt jeden
Verlust der (unmittelbaren) Mitunternehmerstellung umfasse,
unabhängig davon, ob der Gesellschafter unentgeltlich oder
entgeltlich, im Wege der Einzel- oder der Gesamtrechtsnachfolge
ausscheide. Damit komme es in diesen Fällen zu einer
Besteuerung der bereits bei Feststellung des Unterschiedsbetrags
aufgedeckten stillen Reserven.
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4. Reaktion des Gesetzgebers
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30
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a) Der Gesetzgeber hat durch das
Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz § 5a Abs. 4 Satz 3
Nr. 3 EStG geändert und dort die Sätze 4 bis 6
eingefügt; der bisherige Satz 4 wurde dadurch zu Satz 7.
§ 5a Abs. 4 EStG n.F. lautet:
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„1Zum Schluss des
Wirtschaftsjahres, das der erstmaligen Anwendung des Absatzes 1
vorangeht (Übergangsjahr), ist für jedes Wirtschaftsgut,
das unmittelbar dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen
Verkehr dient, der Unterschiedsbetrag zwischen Buchwert und
Teilwert in ein besonderes Verzeichnis aufzunehmen. 2Der
Unterschiedsbetrag ist gesondert und bei Gesellschaften im Sinne
des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 einheitlich festzustellen.
3Der Unterschiedsbetrag nach Satz 1 ist dem Gewinn
hinzuzurechnen:
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1. in den dem letzten Jahr der Anwendung des
Absatzes 1 folgenden fünf Wirtschaftsjahren jeweils in
Höhe von mindestens einem Fünftel,
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2. in dem Jahr, in dem das Wirtschaftsgut aus
dem Betriebsvermögen ausscheidet oder in dem es nicht mehr
unmittelbar dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen
Verkehr dient,
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3. in dem Jahr des Ausscheidens eines
Mitunternehmers hinsichtlich des auf ihn entfallenden
Unterschiedsbetrags; mindert sich die Beteiligung des
Mitunternehmers, ohne dass er aus der Mitunternehmerschaft
ausscheidet, erfolgt eine Hinzurechnung entsprechend der Minderung
der Beteiligung.
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4Satz 3 Nummer 3 gilt auch in den
Fällen der §§ 20 und 24 des
Umwandlungssteuergesetzes. 5Wird ein Betrieb,
Teilbetrieb oder Anteil eines Mitunternehmers an einem Betrieb auf
einen Rechtsnachfolger zum Buchwert nach § 6 Absatz 3
übertragen, geht der Unterschiedsbetrag insoweit auf den
Rechtsnachfolger über. 6§ 182 Absatz 2 der
Abgabenordnung gilt sinngemäß. 7Die
Sätze 1 bis 6 sind entsprechend anzuwenden, wenn der
Steuerpflichtige Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens
dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr
zuführt.“
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§ 5a Abs. 4 Satz 5 und 6 EStG n.F.
verankert die bisherige Verwaltungsauffassung, allerdings nur
für den Fall der unentgeltlichen Übertragung. Nach Satz 5
geht bei der Übertragung eines Betriebs, Teilbetriebs oder
Anteils eines Mitunternehmers an einem Betrieb zum Buchwert nach
§ 6 Abs. 3 EStG der Unterschiedsbetrag insoweit auf den
Rechtsnachfolger über. Zudem ist für den Fall der
unentgeltlichen Übertragung in Satz 6 mit der
sinngemäßen Geltung des § 182 Abs. 2 der
Abgabenordnung (AO) erstmals gesetzlich geregelt, dass die
Feststellung des Unterschiedsbetrags nach § 5a Abs. 4 Satz 2
EStG auch gegenüber dem Rechtsnachfolger Wirkung entfaltet.
Hingegen wird in § 5a Abs. 4 Satz 4 EStG n.F. jetzt
ausdrücklich - entgegen der bisherigen Verwaltungsauffassung
zu Buchwerteinbringungen - geregelt, dass die Fälle der
Übertragung (Einbringung) gemäß §§ 20, 24
UmwStG ein Ausscheiden im Sinne von § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3
EStG darstellen.
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32
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Die Ergänzung wurde vom Bundesrat auf
Vorschlag des Finanz- und des Wirtschaftsausschusses vorgenommen
(vgl. Empfehlungen der Ausschüsse vom 22.02.2021, BR-Drucks.
50/1/21, S. 5 ff.; Stellungnahme des Bundesrates vom 05.03.2021,
BR-Drucks. 50/21 (Beschluss), S. 5 ff.; Beschlussempfehlung und
Bericht des Finanzausschusses vom 22.04.2021, BT-Drucks. 19/28925,
S. 71 f., 74). Weder im Gesetzentwurf der Bundesregierung vom
22.01.2021 (BR-Drucks. 50/21) noch in dem der Bundesregierung vom
17.03.2021 (BT-Drucks. 19/27632) war eine Regelung zur
Änderung des § 5a EStG enthalten.
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33
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b) Nach § 52 Abs. 10 Satz 4 EStG n.F. ist
§ 5a Abs. 4 Satz 5 bis 7 EStG n.F. erstmals auf
Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem 31.12.1998 beginnen.
Hiermit wird für den Fall unentgeltlicher Übertragungen
rückwirkend die Rechtslage hergestellt, die vor den vorstehend
genannten BFH-Urteilen der Auffassung der Finanzverwaltung
entsprochen hat.
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34
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5. Die aktuelle Auffassung der
Finanzverwaltung zu § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG n.F.
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Mit BMF-Schreiben vom 10.07.2023 (BStBl I
2023, 1486 = SIS 23 12 64) hat die Finanzverwaltung die
Verwaltungsanweisung zu § 5a EStG neu gefasst und hierdurch
die unter B.I.2. genannten BMF-Schreiben ersetzt. In Rz 23
heißt es jetzt:
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„Der Begriff des Ausscheidens in §
5a Absatz 4 Satz 3 Nummer 3 EStG umfasst jedes Ausscheiden eines
Gesellschafters, d.h. jeden Verlust der (unmittelbaren)
Mitunternehmerstellung (BFH-Urteil vom 28.11.2019 - IV R 28/19,
BStBl II 2023 S. 750 = SIS 20 00 97). Die (anteilige)
Auflösung des Unterschiedsbetrags hat dabei im Rahmen der
Gewinnermittlung derjenigen Personengesellschaft zu erfolgen,
für die ursprünglich die Feststellung des
Unterschiedsbetrags nach § 5a Absatz 4 Satz 2 EStG
durchgeführt wurde. Für die verbleibenden Gesellschafter
ändert sich der festgestellte Unterschiedsbetrag nicht. Wird
ein Betrieb, Teilbetrieb oder Anteil eines Mitunternehmers an einem
Betrieb auf einen Rechtsnachfolger zum Buchwert nach § 6
Absatz 3 EStG übertragen, geht der Unterschiedsbetrag insoweit
auf den Rechtsnachfolger über (zur Anwendung siehe § 52
Absatz 10 Satz 4 EStG). Jede Reduzierung eines Anteils eines
Mitunternehmers an einem Betrieb, auch ohne vollständiges
Ausscheiden von Mitunternehmern aus der Gesellschaft, erfüllt
den Tatbestand des § 5a Absatz 4 Satz 3 Nummer 3 EStG mit der
Folge, dass der Unterschiedsbetrag im Zeitpunkt der Änderung
der Beteiligungsverhältnisse entsprechend der Reduzierung der
jeweiligen Beteiligung aufzulösen
ist.“
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36
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II. Anwendung des einfachen Gesetzesrechts
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37
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Bei Anwendung des einfachen Gesetzesrechts ist
die Revision der Klägerin unbegründet. Das FG hat die
gegen die Höhe des laufenden Gesamthandsgewinns gerichtete
Klage (dazu 1.) zu Recht als zulässig erachtet (dazu 2.) und
ohne Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens (dazu 3.)
diese Klage zutreffend in der Sache als unbegründet abgewiesen
(dazu 4.).
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38
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1. Gegenstand des Klageverfahrens - auch des
Revisionsverfahrens - ist die im Gewinnfeststellungsbescheid 2013
festgestellte Höhe des laufenden Gesamthandsgewinns, und zwar
der von dieser selbständig festzustellenden
Besteuerungsgrundlage mitumfasste und bei der Klägerin
mitunternehmerbezogen aufgelöste (hinzugerechnete)
Unterschiedsbetrag.
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39
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a) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH
kann ein Gewinnfeststellungsbescheid nach § 180 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 Buchst. a AO eine Vielzahl selbständiger und damit auch
selbständig anfechtbarer Feststellungen enthalten, die
eigenständig in Bestandskraft erwachsen können. Solche
selbständigen Feststellungen sind zum Beispiel die Höhe
des laufenden Gesamthandsgewinns sowie dessen Verteilung auf die
Mitunternehmer und die Höhe eines Sonderbetriebsgewinns
beziehungsweise einer Sondervergütung (z.B. BFH-Urteil vom
17.04.2019 - IV R 12/16, BFHE 264, 306, BStBl II 2019, 745 = SIS 19 11 44, Rz 19, m.w.N.). Keine selbständige
Besteuerungsgrundlage sind hingegen die Beträge aus der
Auflösung von Unterschiedsbeträgen nach § 5a Abs. 4
Satz 3 Nr. 1 bis 3 EStG (BFH-Urteil vom 01.10.2020 - IV R 4/18,
BFHE 271, 154 = SIS 21 03 44, Rz 26). Diese Beträge sind -
betreffen sie Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens -
Teil des laufenden Gesamthandsgewinns (BFH-Urteil vom 28.11.2019 -
IV R 28/19, BFHE 266, 305, BStBl II 2023, 750 = SIS 20 00 97, Rz
28). Diese verfahrensrechtliche Beurteilung gilt unabhängig
davon, ob die rückwirkende Geltung des § 5a Abs. 4 Satz 5
und 6 EStG n.F. verfassungswidrig ist oder nicht.
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40
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b) Danach ist im Streitfall die Höhe des
laufenden Gesamthandsgewinns, nicht die Gewinnverteilung als
ebenfalls selbständig festzustellende Besteuerungsgrundlage
angegriffen.
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41
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Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage
und Revision gegen die Auflösung und Hinzurechnung des
Unterschiedsbetrags in Höhe von 49.635,44 EUR nach § 5a
Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 EStG, weil ihrer Auffassung nach der
Unterschiedsbetrag bereits in früheren
Feststellungszeiträumen bei ihrem/ihren Rechtsvorgänger/n
(Schenker) hätte aufgelöst und besteuert werden
müssen. Auch wenn dieser Unterschiedsbetrag - wie hier - im
angegriffenen Gewinnfeststellungsbescheid als eigene
Rechengröße ausgewiesen ist, bleibt er Teil des
laufenden Gesamthandsgewinns. Damit ist die Höhe des laufenden
Gesamthandsgewinns, nicht die Gewinnverteilung angegriffen. Denn es
steht außer Frage, dass der Unterschiedsbetrag - sollte jener
bei der Klägerin aufzulösen sein - allein ihr zuzurechnen
wäre.
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42
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2. Die von der Klägerin erhobene
Anfechtungsklage ist zulässig.
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43
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Zu Recht ist das FG insbesondere davon
ausgegangen, dass die Klägerin infolge der bereits bei
Klageerhebung gegebenen zivilrechtlichen Vollbeendigung der
Schifffahrtsgesellschaft selbst klagebefugt war (ständige
Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 10.09.2020 - IV R 6/18, BFHE
270, 87, BStBl II 2021, 197 = SIS 20 20 54, Rz 20, m.w.N.).
Abgesehen davon ergibt sich die Klagebefugnis der Klägerin im
Streitfall auch daraus, dass ihr der
„Ablehnungsbescheid“ (inhaltlich ein
Änderungsbescheid) vom 04.01.2019 und die hierzu ergangene
Einspruchsentscheidung im Wege der Einzelbekanntgabe nach §
122 Abs. 1 AO bekanntgegeben wurden (zur insoweit vergleichbaren
Situation im Fall der Einzelbekanntgabe nach § 183 Abs. 2 AO
z.B. BFH-Urteil vom 05.06.2019 - IV R 17/16 = SIS 19 12 22, Rz 32).
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44
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3. Das FG hat im Ergebnis zu Recht keine
Beiladungen nach § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
vorgenommen.
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45
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Nach § 60 Abs. 3 FGO sind Dritte
notwendig beizuladen, die im Sinne von § 48 FGO klagebefugt
sind (z.B. BFH-Urteil vom 17.03.2021 - IV R 20/18, BFHE 272, 440,
BStBl II 2021, 904 = SIS 21 15 44, Rz 18, m.w.N.).
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46
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a) Die Schifffahrtsgesellschaft ist wegen
ihrer bereits vor Klageerhebung eingetretenen handelsrechtlichen
Vollbeendigung nicht beizuladen (z.B. BFH-Urteil vom 17.03.2021 -
IV R 20/18, BFHE 272, 440, BStBl II 2021, 904 = SIS 21 15 44, Rz
19, m.w.N.).
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47
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b) Ebenfalls zutreffend hat das FG von einer
Beiladung anderer ehemaliger Gesellschafter der
Schifffahrtsgesellschaft abgesehen.
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48
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aa) Die Vollbeendigung der
Personengesellschaft - hier der Schifffahrtsgesellschaft - hat zur
Folge, dass grundsätzlich alle ehemaligen Gesellschafter, die
nicht selbst Klage erhoben haben, beizuladen sind, soweit sie vom
Ausgang des Rechtsstreits im Sinne des § 40 Abs. 2 FGO selbst
betroffen sind (z.B. BFH-Urteil vom 30.03.2017 - IV R 3/15 =
SIS 17 11 96, Rz 31, m.w.N.).
Danach sind die anderen ehemaligen Gesellschafter, die im
Streitjahr an der Klägerin beteiligt waren, im Streitfall
nicht beizuladen, da sie vom Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits
unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt in ihren Rechten
betroffen sind. Denn es ist allein der dem Gewinn der Klägerin
nach § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 EStG hinzugerechnete
Unterschiedsbetrag streitig. Auch wenn dieser Betrag aus der
Auflösung des Unterschiedsbetrags Teil des laufenden
Gesamthandsgewinns ist, wird er nicht nach Quote verteilt
(BFH-Urteil vom 01.10.2020 - IV R 4/18, BFHE 271, 154 = SIS 21 03 44, Rz 24, 27). Denn dieser Betrag stammt aus der nach § 5a
Abs. 4 Satz 2 EStG mitunternehmerbezogen erfolgten Feststellung der
Unterschiedsbeträge (s. dazu BFH-Urteil vom 28.11.2019 - IV R
28/19, BFHE 266, 305, BStBl II 2023, 750 = SIS 20 00 97, Rz 26).
Von diesem mitunternehmerbezogenen Gewinnbestandteil können
andere Gesellschafter im Auflösungsjahr nicht betroffen
sein.
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49
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bb) Ebenso hat das FG im Ergebnis zu Recht
davon abgesehen, die Schenker des Mitunternehmeranteils (Eltern der
Klägerin) notwendig beizuladen. Diese Personen sind bereits
vor dem Streitjahr ausgeschieden. Danach bezieht sich der
verfahrensgegenständliche Gewinnfeststellungsbescheid 2013 auf
einen nicht ihre Mitgliedschaft betreffenden Feststellungszeitraum.
Sie können daher durch die Feststellungen dieses Bescheids von
vornherein nicht in ihren Rechten verletzt sein.
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50
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Eine andere Frage ist es, ob die Schenker des
Mitunternehmeranteils (spätestens vom FG, vgl. § 123 Abs.
1 Satz 2 FGO) nach § 174 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 4 AO auf
Antrag oder Veranlassung des FA hätten beigeladen werden
können oder müssen, um eine Korrektur der
Gewinnfeststellungsbescheide 2003 und 2007 ihnen als Dritten
gegenüber zu ermöglichen. Diese Norm enthält einen -
von den Voraussetzungen des § 60 FGO unabhängigen -
selbständigen Beiladungsgrund (z.B. BFH-Beschluss vom
17.10.1985 - IV B 62/85, BFH/NV 1987, 479). Nach Aktenlage ist eine
solche Beiladung jedoch vor dem FG nicht beantragt worden.
Abgesehen davon hätte eine solche Beiladung durch das FG auch
nicht mehr erfolgen dürfen, weil bereits vor einer
möglichen Beiladung durch das FG eindeutig
Feststellungsverjährung gegenüber den Eltern (Schenkern)
eingetreten war (z.B. BFH-Beschlüsse vom 22.09.1993 - II B
67/93, BFH/NV 1994, 216; vom 22.09.2016 - X B 42/16 = SIS 16 27 70, Rz 16). So lässt sich dem
FG-Urteil entnehmen, dass für den Feststellungszeitraum 2003
mit Ablauf des Jahres 2009 und für den Feststellungszeitraum
2007 mit Ablauf des Jahres 2013 Feststellungsverjährung
eingetreten war. Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen,
dass eine Korrektur der Bescheide gegenüber den Schenkern auch
nach § 176 Abs. 2 AO ausgeschlossen gewesen wäre.
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51
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4. Die Verfassungsmäßigkeit der in
§ 52 Abs. 10 Satz 4 EStG n.F. angeordneten rückwirkenden
Geltung des § 5a Abs. 4 Satz 5 und 6 EStG n.F. unterstellt,
hat das FG die auf Abänderung des Gewinnfeststellungsbescheids
gerichtete Klage auch zu Recht als unbegründet abgewiesen.
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52
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a) Gemäß § 121 Satz 1, §
100 Abs. 2 FGO kann ein Anspruch auf Änderung des
angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheids (hier: des
Änderungsbescheids vom 04.01.2019) nur dann bestehen, wenn
dieser Bescheid im Zeitpunkt der Entscheidung des FG
beziehungsweise des BFH rechtswidrig ist. Dabei kommt es auf die
Sach- und Rechtslage in dem Feststellungszeitraum an, der dem
angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheid zugrunde liegt. Das FG
und der BFH haben daher - so wie hier - während des
gerichtlichen Verfahrens eingetretene rückwirkende
Gesetzesänderungen zu beachten, soweit sie
verfassungsrechtlich zulässig sind (z.B. BFH-Urteil vom
30.06.2022 - IV R 42/19, BFHE 278, 42, BStBl II 2023, 118 = SIS 22 18 29, Rz 28, m.w.N.).
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53
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b) Es steht nicht in Streit, dass der
Unterschiedsbetrag im Sinne des § 5a Abs. 4 Satz 1 EStG bei
den Rechtsvorgängern der Klägerin nach § 5a Abs. 4
Satz 2 EStG in Höhe von 49.635,44 EUR gesondert und
einheitlich festgestellt worden ist. Ebenso ist nicht streitig,
dass bei Anwendung des § 5a Abs. 4 Satz 5 und 6 EStG n.F. der
Unterschiedsbetrag infolge der unentgeltlichen Übertragung(en)
auf die Klägerin als Rechtsnachfolgerin übergegangen ist.
Danach ist der mitunternehmerbezogen festgestellte
Unterschiedsbetrag im Streitjahr infolge der Veräußerung
des Seeschiffs nach § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 EStG
aufzulösen und allein dem Anteil der Klägerin am
laufenden Gesamthandsgewinn hinzuzurechnen. Der aufgelöste
Unterschiedsbetrag wäre selbst dann Teil des laufenden
Gesamthandsgewinns, wenn dies im zeitlichen Zusammenhang mit einer
Betriebsveräußerung/-aufgabe erfolgt sein sollte. Denn
der Gewinn aus der Hinzurechnung des Unterschiedsbetrags ist nicht
der Gewinnermittlung nach der Tonnage, sondern noch der
Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich zuzurechnen
(BFH-Urteile vom 25.10.2018 - IV R 35/16, BFHE 263, 22, BStBl II
2022, 412 = SIS 18 22 13, Rz 53; vom 28.11.2019 - IV R 28/19, BFHE
266, 305, BStBl II 2023, 750 = SIS 20 00 97, Rz 28; Barche in
Herrmann/Heuer/Raupach - HHR -, § 5a EStG Rz 70; vgl. auch FG
Hamburg, Urteil vom 15.12.2020 - 2 K 143/18).
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54
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III. Verfassungsrechtliche Beurteilung
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55
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Die in § 52 Abs. 10 Satz 4 EStG n.F.
angeordnete rückwirkende Geltung des § 5a Abs. 4 Satz 5
und 6 EStG n.F. ist nach Überzeugung des vorlegenden Senats
verfassungswidrig (gleicher Ansicht FG Hamburg, Vorlagebeschluss
vom 24.11.2022 - 6 K 68/21; HHR/Barche, § 5a EStG Rz 74;
kritisch zur Rückwirkung auch Schindler in Kirchhof/Seer,
EStG, 22. Aufl., § 5a Rz 27a; anderer Ansicht z.B.
Brandis/Heuermann/Hofmeister, § 5a EStG Rz 88). Diese Regelung
stellt für das Streitjahr 2013 sowohl in formaler als auch in
materiell-rechtlicher Hinsicht eine echte Rückwirkung
beziehungsweise Rückbewirkung von Rechtsfolgen dar (dazu 1.).
Diese ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt (dazu 2.). Die
vom FA und dem BMF angeführten Argumente führen zu keiner
abweichenden verfassungsrechtlichen Beurteilung (dazu 3.). Ebenso
ist eine verfassungskonforme Auslegung dahin, dass § 5a Abs. 4
Satz 5 und 6 EStG n.F. im Streitjahr nicht anwendbar ist, nicht
möglich (dazu 4.).
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56
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1. Die Regelung in § 52 Abs. 10 Satz 4
i.V.m. § 5a Abs. 4 Satz 5 und 6 EStG n.F. ist unter Anwendung
der verfassungsrechtlich geklärten Maßstäbe (dazu
a) sowohl in formaler Hinsicht (dazu b) als auch in
materiell-rechtlicher Hinsicht (dazu c) - entgegen der Auffassung
des FG - als Anwendungsfall einer echten Rückwirkung
beziehungsweise einer Rückbewirkung von Rechtsfolgen anzusehen
(ebenso FG Hamburg, Vorlagebeschluss vom 24.11.2022 - 6 K 68/21, Rz
102 ff.).
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57
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a) Im Steuerrecht liegt eine echte
Rückwirkung beziehungsweise eine Rückbewirkung von
Rechtsfolgen nur vor, wenn der Gesetzgeber eine bereits entstandene
Steuerschuld nachträglich abändert. Umgekehrt bedeutet
dies für den Bereich des Einkommensteuerrechts, dass die
Änderung von Normen mit Wirkung für den laufenden
Veranlagungszeitraum jedenfalls in formaler Hinsicht der Kategorie
der unechten Rückwirkung beziehungsweise der tatbestandlichen
Rückanknüpfung zuzuordnen ist; denn nach § 38 AO
i.V.m. § 36 Abs. 1 EStG entsteht die Einkommensteuer erst mit
dem Ablauf des Veranlagungszeitraums, das heißt des
Kalenderjahres (§ 25 Abs. 1 EStG; z.B. BVerfG-Beschluss vom
12.07.2023 - 2 BvR 482/14 = SIS 23 12 92, Rz 33, m.w.N.).
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58
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Die verfassungsrechtlichen Grundsätze des
Verbots von Gesetzen mit echter Rückwirkung beanspruchen
Geltung, wenn eine Regelung aus verfassungsrechtlicher Sicht
gegenüber der alten Rechtslage als konstitutive Änderung
zu behandeln ist. Ob eine rückwirkende Gesetzesänderung
gegenüber dem alten Recht deklaratorisch oder konstitutiv
wirkt, hängt vom Inhalt des alten und des neuen Rechts ab, der
- abgesehen von eindeutigen Gesetzesformulierungen - zumeist erst
durch Auslegung ermittelt werden muss. Die in der Begründung
eines Gesetzentwurfs vertretene Auffassung, die Vorschrift habe
lediglich klarstellenden Charakter, ist für die Gerichte nicht
verbindlich. Sie schränkt weder die Kontrollrechte und
-pflichten der Fachgerichte und des BVerfG ein, noch relativiert
sie die für sie maßgeblichen verfassungsrechtlichen
Maßstäbe (z.B. BVerfG-Beschluss vom 12.07.2023 - 2 BvR
482/14 = SIS 23 12 92, Rz 34,
m.w.N.). Eine rückwirkende Klärung der Rechtslage durch
den Gesetzgeber ist in jedem Fall als konstitutiv rückwirkende
Regelung anzusehen, wenn der Gesetzgeber damit nachträglich
einer höchstrichterlich geklärten Auslegung des Gesetzes
den Boden zu entziehen sucht. Der Gesetzgeber hat es für die
Vergangenheit grundsätzlich hinzunehmen, dass die Gerichte das
damals geltende Gesetzesrecht in den verfassungsrechtlichen Grenzen
richterlicher Gesetzesauslegung und Rechtsfortbildung verbindlich
auslegen. Entspricht diese Auslegung nicht oder nicht mehr dem
politischen Willen des Gesetzgebers, kann er das Gesetz für
die Zukunft ändern (BVerfG-Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvL
5/08, BVerfGE 135, 1 = SIS 14 07 79, Rz 55).
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59
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b) Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen
liegt im Streitfall in formaler Hinsicht eine echte
Rückwirkung beziehungsweise Rückbewirkung von
Rechtsfolgen vor.
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60
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§ 52 Abs. 10 Satz 4 EStG n.F. ordnet die
Geltung des § 5a Abs. 4 Satz 5 und 6 EStG n.F. erstmals
für Wirtschaftsjahre an, die nach dem 31.12.1998 beginnen.
Damit hat der Gesetzgeber die Neuregelung für
Veranlagungszeiträume für anwendbar erklärt, die im
Zeitpunkt der Gesetzesverkündung am 08.06.2021 bereits
abgeschlossen waren. In formaler Hinsicht ist daher im Streitfall
eine echte Rückwirkung gegeben. Denn die Neuregelung ist bei
der Klägerin im Rahmen der noch nicht bestandskräftigen
Gewinnfeststellung für das Jahr 2013 zu beachten. Der dann
ergehende Gewinnfeststellungsbescheid 2013 entfaltet als
Grundlagenbescheid Bindungswirkung für die Festsetzung der
Einkommensteuer der Klägerin für den Veranlagungszeitraum
2013 (vgl. § 171 Abs. 10, § 182 Abs. 1 AO).
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61
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c) Zudem liegt auch in materiell-rechtlicher
Hinsicht eine echte Rückwirkung beziehungsweise
Rückbewirkung von Rechtsfolgen vor, da die alte Rechtslage
durch § 5a Abs. 4 Satz 5 und 6 EStG n.F. konstitutiv
geändert wird.
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62
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Der BFH hat - beginnend Ende 2019 - mit seinen
Urteilen vom 28.11.2019 - IV R 28/19 (BFHE 266, 305, BStBl II 2023,
750 = SIS 20 00 97) und vom 29.04.2020 - IV R 17/19 = SIS 20 12 95 höchstrichterlich
entschieden, dass der Begriff des Ausscheidens in § 5a Abs. 4
Satz 3 Nr. 3 EStG a.F. jedes Ausscheiden eines Gesellschafters
umfasst, das heißt jeden Verlust der (unmittelbaren)
Mitunternehmerstellung, unabhängig davon, ob der
Gesellschafter unentgeltlich oder entgeltlich, im Wege der Einzel-
oder der Gesamtrechtsnachfolge ausscheidet. Der vorlegende Senat
hält an dieser Auslegung des § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3
EStG a.F. trotz der hierzu im Gesetzgebungsverfahren zu § 5a
Abs. 4 EStG n.F. enthaltenen Ausführungen des Gesetzgebers
(dazu BT-Drucks. 19/28925, S. 71 f., 74) fest. Soweit es dort
heißt, dass die in § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG a.F.
verwendete Formulierung „Ausscheidens eines
Gesellschafters“ mit Blick auf die im
Einkommensteuerrecht geltende sogenannte Fußstapfentheorie
(vgl. § 6 Abs. 3 EStG) nur als Umschreibung des Tatbestands
der „Veräußerung des
Mitunternehmeranteils“ gewertet werden
könne, hat der vorlegende Senat in seinem Urteil vom
28.11.2019 - IV R 28/19 (BFHE 266, 305, BStBl II 2023, 750 = SIS 20 00 97, Rz 47 ff.) auch diesen Gesichtspunkt umfassend
gewürdigt. Er kam insoweit zu dem Ergebnis, dass es gerade
keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Inhalts gebe, wonach eine
Aufdeckung und Besteuerung stiller Reserven beim
Rechtsvorgänger immer dann zu unterbleiben habe, wenn ihre
Besteuerung beim Rechtsnachfolger gesichert sei. Im Übrigen
handele es sich bei den festgestellten Unterschiedsbeträgen um
bereits aufgedeckte stille Reserven, die lediglich noch nicht
besteuert worden seien, nicht hingegen um noch nicht aufgedeckte
stille Reserven, die nach § 6 Abs. 3 EStG noch
übertragbar seien. Ganz abgesehen davon hat der vorlegende
Senat seine Rechtsauffassung in erster Linie mit einer
grammatikalischen, historischen und teleologischen Auslegung des
§ 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG a.F. begründet und sich
zudem auf das verfahrensrechtliche Verhältnis zwischen
Feststellungsbescheid nach § 5a Abs. 4 Satz 2 EStG und
Gewinnfeststellungsbescheid gestützt (BFH-Urteil vom
28.11.2019 - IV R 28/19, BFHE 266, 305, BStBl II 2023, 750 = SIS 20 00 97, Rz 32 ff.). Diese Rechtsauffassung ist im Fachschrifttum
überwiegend auf Zustimmung gestoßen (HHR/Barche, §
5a EStG Rz 74; Schindler in Kirchhof/Seer, EStG, 22. Aufl., §
5a Rz 27a; Weiland in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht,
Kommentar, § 5a Rz 148c; anderer Ansicht Kahl-Hinsch in
Lademann, EStG, § 5a EStG Rz 116). Es sind keine Gründe
erkennbar, die den vorlegenden Senat jetzt zu einer abweichenden
Beurteilung veranlassen könnten.
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63
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Wenn der Gesetzgeber nunmehr in § 5a Abs.
4 Satz 5 EStG n.F. ausdrücklich anordnet, dass der
Unterschiedsbetrag im Falle der unentgeltlichen Übertragung
des Mitunternehmeranteils nach § 6 Abs. 3 EStG auf den
Rechtsnachfolger übergeht, entzieht er hiermit der
vorbezeichneten höchstrichterlichen Gesetzesauslegung den
Boden. Wird diese konstitutive Änderung der Rechtslage - so
wie hier - auf zurückliegende
Feststellungs-/Veranlagungszeiträume erstreckt, liegt auch in
materiell-rechtlicher Hinsicht eine echte Rückwirkung
beziehungsweise Rückbewirkung von Rechtsfolgen vor.
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64
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Ebenso stellt § 5a Abs. 4 Satz 6 EStG
n.F. - entgegen der Äußerung im Gesetzgebungsverfahren
(vgl. dazu BT-Drucks. 19/28925, S. 72) - keine reine Klarstellung
dar. Vielmehr existierte in § 5a Abs. 4 EStG a.F. keine
gesetzliche Grundlage, die es ermöglicht hätte, den
für den unentgeltlich ausgeschiedenen Gesellschafter nach
§ 5a Abs. 4 Satz 2 EStG mitunternehmerbezogen festgestellten
Unterschiedsbetrag beim Rechtsnachfolger fortzuschreiben
beziehungsweise auf diesen zu übertragen (vgl. dazu BFH-Urteil
vom 28.11.2019 - IV R 28/19, BFHE 266, 305, BStBl II 2023, 750 =
SIS 20 00 97, Rz 42 ff.). Danach schafft § 5a Abs. 4 Satz 6
EStG n.F. für den neuen Satz 5 erstmals und konstitutiv die
Rechtsgrundlage dafür, dass eine gegenüber dem
Rechtsvorgänger erfolgte gesonderte und einheitliche
Feststellung des Unterschiedsbetrags nach § 5a Abs. 4 Satz 2
EStG auch gegenüber dem unentgeltlichen Rechtsnachfolger
wirkt.
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65
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2. Die in den Regelungen gemäß
§ 52 Abs. 10 Satz 4 und § 5a Abs. 4 Satz 5 und 6 EStG
n.F. liegende echte Rückwirkung beziehungsweise
Rückbewirkung von Rechtsfolgen ist nach Überzeugung des
vorlegenden Senats unter Anwendung der verfassungsrechtlich
geklärten Maßstäbe (dazu a) nicht gerechtfertigt
und daher verfassungswidrig (dazu b; ebenso FG Hamburg,
Vorlagebeschluss vom 24.11.2022 - 6 K 68/21 = SIS 23 03 61, Rz 107 ff.).
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66
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a) aa) Die im Rechtsstaatsprinzip und den
Grundrechten verankerten Prinzipien der Rechtssicherheit und des
Vertrauensschutzes stehen belastenden Gesetzen mit echter
Rückwirkung beziehungsweise Rückbewirkung von
Rechtsfolgen grundsätzlich entgegen. Das grundsätzliche
Verbot echt rückwirkender belastender Gesetze beruht auf den
Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Es
schützt das Vertrauen in die Verlässlichkeit und
Berechenbarkeit der unter der Geltung des Grundgesetzes
geschaffenen Rechtsordnung und der auf ihrer Grundlage erworbenen
Rechte. Wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolge eines der
Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich
belastend ändert, bedarf dies einer besonderen Rechtfertigung
vor dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten des Grundgesetzes.
Die Grundrechte wie auch das Rechtsstaatsprinzip garantieren im
Zusammenwirken die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als
wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über
den eigenen Lebensentwurf und damit als eine Grundbedingung
freiheitlicher Verfassungen. Es würde die Betroffenen in ihrer
Freiheit erheblich gefährden, dürfte die öffentliche
Gewalt an ihr Verhalten oder an sie betreffende Umstände ohne
Weiteres im Nachhinein belastendere Rechtsfolgen knüpfen, als
sie zum Zeitpunkt ihres rechtserheblichen Verhaltens galten (z.B.
BVerfG-Beschlüsse vom 17.12.2013 - 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1
= SIS 14 07 79, Rz 62 ff.; vom 25.03.2021 - 2 BvL 1/11, BVerfGE
157, 177 = SIS 21 07 84, Rz 51). Ausgehend hiervon sind Gesetze mit
echter Rückwirkung beziehungsweise mit Rückbewirkung von
Rechtsfolgen grundsätzlich verfassungsrechtlich
unzulässig (z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 07.07.2010 - 2 BvR
748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, BVerfGE 127, 61 = SIS 10 22 39, Rz 45, m.w.N.; vom 17.12.2013 - 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1 =
SIS 14 07 79, Rz 63, m.w.N.).
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bb) Von diesem grundsätzlichen Verbot echt
rückwirkender Gesetze bestehen jedoch Ausnahmen. Das
Rückwirkungsverbot findet im Grundsatz des Vertrauensschutzes
nicht nur seinen Grund, sondern auch seine Grenze. Es gilt nicht,
soweit sich kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts
bilden konnte oder ein Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage
sachlich nicht gerechtfertigt und daher nicht schutzwürdig
war. Bei den in der Rechtsprechung des BVerfG anerkannten, nicht
abschließend definierten Fallgruppen handelt es sich um
Typisierungen ausnahmsweise fehlenden Vertrauens in eine bestehende
Gesetzeslage. Für die Frage, ob mit einer rückwirkenden
Änderung der Rechtslage zu rechnen war, ist von Bedeutung, ob
die bisherige Regelung bei objektiver Betrachtung geeignet war, ein
Vertrauen der betroffenen Personengruppe auf ihren Fortbestand zu
begründen.
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Eine Ausnahme vom Grundsatz der
Unzulässigkeit echter Rückwirkungen ist gegeben, wenn die
Betroffenen schon im Zeitpunkt, auf den die Rückwirkung
bezogen wird, nicht auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung
vertrauen durften, sondern mit deren Änderung rechnen mussten.
Vertrauensschutz kommt insbesondere dann nicht in Betracht, wenn
die Rechtslage so unklar und verworren war, dass eine Klärung
erwartet werden musste, oder wenn das bisherige Recht in einem
Maße systemwidrig und unbillig war, dass ernsthafte Zweifel
an seiner Verfassungsmäßigkeit bestanden. Der
Vertrauensschutz muss ferner zurücktreten, wenn
überragende Belange des Gemeinwohls, die dem Prinzip der
Rechtssicherheit vorgehen, eine rückwirkende Beseitigung
erfordern, wenn der Bürger sich nicht auf den durch eine
ungültige Norm erzeugten Rechtsschein verlassen durfte oder
wenn durch die sachlich begründete rückwirkende
Gesetzesänderung kein oder nur ganz unerheblicher Schaden
verursacht wird (z.B. BVerfG-Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvL 5/08,
BVerfGE 135, 1 = SIS 14 07 79, Rz 64 f., m.w.N.). Schließlich
ist es dem Gesetzgeber unter dem Gesichtspunkt des
Vertrauensschutzes nicht von Verfassungs wegen verwehrt, eine
Rechtslage rückwirkend festzuschreiben, die vor der
Rechtsprechungsänderung einer gefestigten Rechtsprechung und
einheitlichen Rechtspraxis entsprochen hat (Wiederherstellung einer
einheitlichen Rechtsüberzeugung; BVerfG-Beschluss vom
15.10.2008 - 1 BvR 1138/06, Kammerentscheidungen des
Bundesverfassungsgerichts - BVerfGK - 14, 338, Rz 19, m.w.N.).
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cc) Allein die Auslegungsbedürftigkeit einer Norm
rechtfertigt jedoch nicht deren rückwirkende
Änderung; erst wenn die Auslegungsoffenheit ein Maß
erreicht, das zur Verworrenheit der Rechtslage führt, darf der
Gesetzgeber eine klärende Neuregelung auf die Vergangenheit
erstrecken.
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Den in der Rechtsprechung des BVerfG
anerkannten Fallgruppen zu den Ausnahmen vom Verbot echt
rückwirkender Gesetze ist sämtlich gemeinsam, dass
besondere Umstände ein grundsätzlich berechtigtes
Vertrauen in die bestehende Rechtslage erst gar nicht entstehen
lassen oder entstandenes Vertrauen wieder zerstören. Die
schlichte Auslegungsoffenheit und Auslegungsbedürftigkeit
einer Norm und die damit bestehende Unsicherheit über deren
Inhalt ist keine solche Besonderheit, die dieses grundsätzlich
berechtigte Vertrauen zerstören könnte. Anderenfalls
könnte sich insbesondere in den Anfangsjahren einer
gesetzlichen Regelung grundsätzlich nie ein
schutzwürdiges Vertrauen gegen rückwirkende
Änderungen entwickeln, solange sich keine gefestigte
Rechtsprechung hierzu herausgebildet hat. Sähe man jede
erkennbare Auslegungsproblematik als Entstehungshindernis für
verfassungsrechtlich schutzwürdiges Vertrauen an, stünde
es dem Gesetzgeber weitgehend frei, das geltende Recht immer schon
dann rückwirkend zu ändern, wenn es ihm opportun erscheint, etwa weil die
Rechtsprechung das geltende Recht in einer Weise auslegt, die nicht
seinen Vorstellungen und Erwartungen entspricht. In diesem Fall
kann der Gesetzgeber zwar stets die Initiative ergreifen und das
geltende Recht für die Zukunft in seinem Sinne
ändern, sofern er sich dabei an die Vorgaben des
Grundgesetzes hält. Einen
„Freibrief“ für rückwirkende
Gesetzesänderungen verschafft ihm eine schlicht
auslegungsbedürftige und insofern unklare Rechtslage hingegen
nicht. Eine so weitreichende Befugnis des Gesetzgebers zur
Normsetzung mit echter Rückwirkung würde das durch Art.
20 Abs. 3 GG geschützte Vertrauen in die geltende Rechtslage
weitgehend entwerten. Außerdem würde eine über
besondere Ausnahmefälle hinausgreifende Befugnis des
Gesetzgebers zur rückwirkenden Präzisierung von Normen,
die sich als auslegungsbedürftig erweisen, die vom Grundgesetz
der rechtsprechenden Gewalt vorbehaltene Befugnis zur verbindlichen
Auslegung von Gesetzen unterlaufen (vgl. zum Ganzen
BVerfG-Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1 = SIS 14 07 79, Rz 67 ff.).
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Da sich Auslegungsfragen gerade bei neuen
Normen häufig stellen, bestünde die Gefahr, dass auf
diese Weise schließlich das Regel-Ausnahme-Verhältnis
bei der echten Rückwirkung in dem Sinne in sein Gegenteil
verkehrt würde, dass auch sie nicht mehr grundsätzlich
unzulässig bliebe, sondern - ebenso wie die unechte
Rückwirkung - grundsätzlich zulässig wäre. Ein
solches Ergebnis wäre mit den verfassungsrechtlichen
Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit
nicht vereinbar (BVerfG-Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvL 5/08,
BVerfGE 135, 1 = SIS 14 07 79, Rz 71).
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b) Nach Überzeugung des vorlegenden
Senats liegt in Anwendung der vorstehend aufgezeigten
verfassungsrechtlichen Maßstäbe keine der in der
(bisherigen) Rechtsprechung des BVerfG anerkannten Ausnahmen von
diesem Verbot vor (ebenso FG Hamburg, Vorlagebeschluss vom
24.11.2022 - 6 K 68/21).
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aa) § 5a Abs. 4 Satz 5 und 6 EStG n.F.
wirkt sich für die Klägerin belastend aus.
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Die Neuregelung führt bei der
Klägerin zu einer Steuererhöhung. Sollte das FG hingegen
meinen, dass per Saldo ohnehin ein nicht belastendes
„Nullsummenspiel“ vorliege, weil die
Unterschiedsbeträge einmal - entweder bei dem
Rechtsvorgänger oder bei dem Rechtsnachfolger - besteuert
würden (Seiten 13 f. des FG-Urteils), könnte sich der
vorlegende Senat dem nicht anschließen. Bei der Prüfung
der Frage, ob eine belastende Regelung vorliegt, ist der einzelne
Steuerpflichtige in den Blick zu nehmen. Das einzelne Steuersubjekt
ist es, das vor belastenden rückwirkenden Gesetzen zu
schützen ist. Das Subjektsteuerprinzip gestattet es nicht, die
steuerrechtliche Belastung eines Steuerpflichtigen durch
günstige steuerrechtliche Folgen bei einem anderen
Steuerpflichtigen zu neutralisieren. Danach wird die Klägerin
durch die gesetzliche Neuregelung belastet. § 5a Abs. 4 Satz 5
und 6 EStG n.F. führt zu einer interpersonellen Verschiebung
der Steuerlast vom unentgeltlich ausgeschiedenen
Rechtsvorgänger auf den Rechtsnachfolger.
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bb) Von den bisher anerkannten Fallgruppen
zulässigerweise echt rückwirkender Gesetze kommen hier
diejenigen der Unklarheit und Verworrenheit der ursprünglichen
Gesetzeslage, ihrer Systemwidrigkeit und Unbilligkeit, des
Vorliegens von überragenden Belangen des Gemeinwohls und der
rückwirkenden Wiederherstellung einer einheitlichen
Rechtsüberzeugung in Betracht. Es liegt jedoch keine dieser
Fallgruppen vor (dazu (1) bis (4)). Auch ansonsten ist kein Grund
für die Rechtfertigung der echten Rückwirkung
beziehungsweise Rückbewirkung von Rechtsfolgen erkennbar (dazu
(5)).
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(1) Eine unklare und verworrene Rechtslage war
nicht gegeben.
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(1.1) Nach der Rechtsprechung des BVerfG
rechtfertigt allein die Auslegungsbedürftigkeit einer Norm -
wie vorstehend aufgezeigt - nicht deren rückwirkende
Änderung; erst wenn die Auslegungsoffenheit ein Maß
erreicht, das zur Verworrenheit der Rechtslage führt, darf der
Gesetzgeber eine klärende Neuregelung auf die Vergangenheit
erstrecken. Eine solche Verworrenheit liegt insbesondere dann vor,
wenn auch unter Berücksichtigung von Wortlaut, Systematik und
Normzweck völlig unverständlich ist, welche Bedeutung die
fragliche Norm haben soll (BVerfG-Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvL
5/08, BVerfGE 135, 1 = SIS 14 07 79, Rz 72).
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(1.2) Hieran fehlt es. Die Regelung des §
5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG a.F. hatte - wie bereits dargestellt
(dazu oben B.I.1.) - folgenden Wortlaut:
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„Der Unterschiedsbetrag nach Satz 1 ist
dem Gewinn hinzuzurechnen: …
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3. in dem Jahr des Ausscheidens eines
Gesellschafters hinsichtlich des auf ihn entfallenden
Anteils.“
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Diese Norm war zwar auslegungsbedürftig,
führte aber keineswegs zu einer verworrenen Rechtslage. Der
Wortlaut dieser Norm war klar formuliert. Es stand außer
Frage, dass die Formulierung „Ausscheidens eines
Gesellschafters“ nach dem Wortsinn nicht nur
entgeltliche, sondern auch unentgeltliche Vorgänge umfasst.
Hinzu kam, dass es keine verfahrensrechtliche Grundlage dafür
gab, die für den Rechtsvorgänger mitunternehmerbezogen
festgestellten Unterschiedsbeträge einem Rechtsnachfolger
zuzurechnen. Gleichwohl wurden systematische und teleologische
Gesichtspunkte für eine gegenteilige Auslegung vorgebracht.
Mit diesen Argumenten hat sich der vorlegende Senat in seinem
Urteil vom 28.11.2019 - IV R 28/19 (BFHE 266, 305, BStBl II 2023,
750 = SIS 20 00 97, Rz 32 ff.) umfassend auseinandergesetzt. Die
Auslegungsbedürftigkeit der Norm bedingte daher keinesfalls
eine verworrene Rechtslage. Sollte eine Verwirrung entstanden sein,
dann ist diese nicht durch § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG a.F.,
sondern durch die Interpretation dieser Norm durch die
Finanzverwaltung verursacht worden. Denn es war nur schwer
begründbar, weshalb das unentgeltliche Ausscheiden kein Fall
des „Ausscheidens eines Gesellschafters“
im Sinne dieser Norm sein sollte.
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(2) Das ursprüngliche einfache Recht war
auch nicht in einer Weise systemwidrig und unbillig, dass dies die
angeordnete echte Rückwirkung rechtfertigen könnte.
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Die vom BFH zu § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3
EStG a.F. vertretene Rechtsauffassung führte nicht zu einem
derart systemwidrigen und unbilligen Ergebnis, das ernsthafte
Zweifel an seiner Verfassungsmäßigkeit entstehen
ließ. Es ist nicht erkennbar, dass die Auslegung der Norm
durch den vorlegenden Senat im Interesse der Steuergerechtigkeit
ersetzt werden musste. Insbesondere bestand ohne die gesetzliche
Neuregelung in 2021 keine verfassungswidrige Regelungs- oder
Besteuerungslücke. Die Entscheidung des BFH, dass die
Unterschiedsbeträge nicht auf den Beschenkten oder Erben
übergehen, führt nicht zu geplanten oder ungeplanten
sogenannten weißen Einkünften. Denn nach der
Rechtsprechung des BFH ist die Besteuerung der bereits aufgedeckten
stillen Reserven beim Übertragenden bei dessen Ausscheiden,
das heißt im Zeitpunkt der Übertragung seines Anteils
vorzunehmen.
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(3) Die rückwirkende Anwendung der
Neuregelung ist nach Ansicht des vorlegenden Senats auch nicht
durch überragende Belange des Gemeinwohls gerechtfertigt.
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83
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Es ist zwar vorstellbar, dass sich bei
fehlender rückwirkender Geltung der Neuregelung
Steuerausfälle ergeben, weil bei den Übertragenden
(Rechtsvorgängern) der Unterschiedsbetrag gegebenenfalls nicht
nachträglich aufgelöst werden kann (zum Beispiel infolge
des Eingreifens des § 176 Abs. 2 AO oder eingetretener
Feststellungsverjährung). Dies allein reicht jedoch nicht aus,
zumal der Gesetzgeber die Höhe eventueller Steuerausfälle
noch nicht einmal beziffert hat. Im Übrigen kann die
bloße Absicht, Steuerausfälle zu vermeiden, nicht anders
bewertet werden als die Absicht, staatliche Mehreinkünfte zu
erzielen. Letztere ist für sich genommen grundsätzlich
noch kein den Vertrauensschutz betroffener Steuerpflichtiger
überwindendes Gemeinwohlinteresse. Anderenfalls würde der
Vertrauensschutz gegenüber rückwirkenden
Verschärfungen des Steuerrechts praktisch leerlaufen
(BVerfG-Beschluss vom 07.07.2010 - 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2
BvR 1738/05, BVerfGE 127, 61 = SIS 10 22 39, Rz 59; anders bei
Kosten in einer Größenordnung der durch die
Wiedervereinigung angefallenen Lasten, vgl. BVerfG-Beschluss vom
05.02.2002 - 2 BvR 305/93, 2 BvR 348/93, BVerfGE 105, 17 = SIS 02 09 34, Rz 82).
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(4) Nach Überzeugung des vorlegenden
Senats ist auch nicht die Fallgruppe gegeben, wonach der
Gesetzgeber mit der hier zu beurteilenden Neuregelung
zulässigerweise eine Rechtslage rückwirkend
festgeschrieben hat, die vor einer Rechtsprechungsänderung
einer gefestigten Rechtsprechung und einheitlichen Rechtspraxis
entsprochen hat.
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(4.1) Soweit ersichtlich, waren die bisher vom
BVerfG zu dieser Ausnahme entschiedenen Fälle entweder dadurch
gekennzeichnet, dass ein Oberster Gerichtshof des Bundes durch eine
Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung geändert hat, die
vor dieser die Rechtslage ändernden Entscheidung einer
gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung und
einheitlichen Rechtspraxis entsprochen hat (z.B.
BVerfG-Beschlüsse vom 23.01.1990 - 1 BvL 4/87, 1 BvL 5/87, 1
BvL 6/87, 1 BvL 7/87, BVerfGE 81, 228 = SIS 90 09 55, Rz 8, zum
Abzugsverbot für Geldbußen; vom 15.10.2008 - 1 BvR
1138/06, BVerfGK 14, 338, Rz 3, 19, zur
Mehrmütterorganschaft), oder dass ein Oberster Gerichtshof des
Bundes anders entschieden hat, als es bisher der
„übereinstimmenden“ Auffassung der
Verwaltung und der Rechtsprechung der Instanzgerichte entsprochen
hat (BVerfG-Beschlüsse vom 21.07.2010 - 1 BvL 11/06, 1 BvL
12/06, 1 BvL 13/06, 1 BvR 2530/05, BVerfGE 126, 369, Rz 12 f., 77,
80, zum Fremdrentenrecht; vom 02.05.2012 - 2 BvL 5/10, BVerfGE 131,
20, Rz 30 f., 79, zum Dienstrechtsneuordnungsgesetz). Die
bisherigen Fälle waren daher dadurch gekennzeichnet, dass es
vor der die Rechtslage ändernden Entscheidung des Obersten
Gerichtshofs des Bundes eine hiervon abweichende Rechtsprechung und
einheitliche Rechtspraxis (einheitliche
„Rechtsüberzeugung“) gab. Diese
einheitliche „Rechtsüberzeugung“
ist der Grund dafür, dass sich beim Steuerpflichtigen -
jedenfalls für den Zeitraum bis zum Ergehen der abweichenden
höchstrichterlichen Entscheidung - ein Vertrauen in den
Fortbestand der geänderten Rechtslage nicht bilden kann. So
hat auch jüngst der vorlegende Senat gerade unter
Rückgriff auf diese Fallgruppe die in § 52 Abs. 23 Satz 1
EStG i.d.F. des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung
der Elektromobilität und zur Änderung weiterer
steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019 (BGBl I 2019, 2451) -
WElektroMobFördG - angeordnete rückwirkende Geltung des
§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Alternative 1 EStG i.d.F. des
WElektroMobFördG als verfassungsgemäß beurteilt
(BFH-Urteil vom 30.06.2022 - IV R 42/19, BFHE 278, 42, BStBl II
2023, 118 = SIS 22 18 29, Rz 66 ff.; Verfassungsbeschwerde
eingelegt, Aktenzeichen des BVerfG 2 BvR 2113/22).
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(4.2) Im Streitfall ist zwar eine
ähnliche, aber in einem wesentlichen Punkt doch abweichende
Situation gegeben. Ähnlich ist sie insoweit, als es über
einen langen Zeitraum eine einheitliche Verwaltungspraxis gegeben
hat, die inhaltlich mit § 5a Abs. 4 Satz 5 und 6 EStG n.F.
übereinstimmt.
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Dementsprechend wird in der Stellungnahme des
Bundesrates vom 05.03.2021 (BR-Drucks. 50/21 (Beschluss), S. 9) und
in der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Finanzausschusses
vom 22.04.2021 (BT-Drucks. 19/28925, S. 74) bezüglich des
§ 52 Abs. 10 Satz 4 EStG n.F. darauf hingewiesen, dass mit
§ 5a Abs. 4 Satz 5 bis 7 EStG n.F. inhaltlich die bestehende
Verwaltungspraxis entsprechend Rz 28 des BMF-Schreibens vom
12.06.2002 (BStBl I 2002, 614 = SIS 02 09 55) i.d.F. des
BMF-Schreibens vom 31.10.2008 (BStBl I 2008, 956 = SIS 08 40 81)
festgeschrieben werde. Diese Rechtsansicht der Verwaltung wurde
auch mehrheitlich im Fachschrifttum geteilt (vgl. Schmidt/Seeger,
EStG, 36. Aufl., § 5a Rz 24; Weiland in Littmann/Bitz/Pust,
Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, 112. Erg.-Lfg., Stand 10/2015,
§ 5a Rz 148; Kahl-Hinsch in Lademann, EStG, Nachtrag 224,
Stand 11/2016, § 5a EStG Rz 116; Hennrichs/Kuntschik in
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, 180. Aktualisierung, Stand
10/2007, § 5a Rz E 27; Dißars in Frotscher/Geurts, EStG,
188. Lfg., Stand 8/2015, § 5a Rz 75, 75a; HHR/Voß, Lfg.
248, Stand 10/2011, § 5a EStG Rz 76; Gosch in Kirchhof, EStG,
16. Aufl., § 5a Rz 21; zum Fachschrifttum vgl. auch BFH-Urteil
vom 28.11.2019 - IV R 28/19, BFHE 266, 305, BStBl II 2023, 750 =
SIS 20 00 97, Rz 31). Ebenso wird in den vorbezeichneten
Gesetzesmaterialien zutreffend ausgeführt, dass § 5a Abs.
4 Satz 6 EStG n.F. - in Umsetzung der bisherigen Verwaltungspraxis
- sicherstelle, dass der festgestellte Unterschiedsbetrag auf den
Rechtsnachfolger übergehe (BR-Drucks. 50/21 (Beschluss), S. 9;
BT-Drucks. 19/28925, S. 74).
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Ein wesentlicher, aus verfassungsrechtlicher
Sicht erheblicher Unterschied besteht aber darin, dass die
Auffassung der Finanzverwaltung zu keinem Zeitpunkt von den
Instanzgerichten oder dem BFH geteilt wurde. Soweit ersichtlich,
hat die Finanzgerichtsbarkeit erstmals mit dem Urteil des 2. Senats
des FG Hamburg vom 19.12.2017 - 2 K 277/16 über die
Streitfrage - und zwar abweichend von der Verwaltungsauffassung -
entschieden. Der 6. Senat des FG Hamburg hat sich in einem zum
vorläufigen Rechtsschutz ergangenen Beschluss vom 10.12.2019 -
6 V 278/19 der Rechtsprechung des 2. Senats des FG Hamburg
angeschlossen. Der IV. Senat des BFH hat diese Rechtsfrage erstmals
mit Urteil vom 28.11.2019 - IV R 28/19 (BFHE 266, 305, BStBl II
2023, 750 = SIS 20 00 97) im Sinne der vom FG Hamburg vertretenen
Rechtsauffassung höchstrichterlich geklärt und
anschließend in seinem Urteil vom 29.04.2020 - IV R 17/19 =
SIS 20 12 95 bestätigt. Auch
der I. Senat des BFH hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen
(Urteil vom 21.02.2022 - I R 13/19 = SIS 22 15 13, Rz 16).
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Nach Auffassung des vorlegenden Senats kann
eine - das Vertrauen des Bürgers in die Geltung eines Gesetzes
zerstörende - einheitliche
„Rechtsüberzeugung“ nicht gegeben
sein, solange die in Rede stehende Verwaltungspraxis keine
Zustimmung durch die Rechtsprechung erfahren hat. Erst recht liegt
keine einheitliche
„Rechtsüberzeugung“ vor, wenn die
zuständige Fachgerichtsbarkeit - so wie hier - einheitlich
eine von der Verwaltungspraxis abweichende Rechtsauffassung
vertritt. Dies liegt darin begründet, dass nach dem
Grundgesetz zur verbindlichen Auslegung einer Norm letztlich allein
die - gemäß Art. 92 GG den Richtern anvertraute -
rechtsprechende Gewalt berufen ist (BVerfG-Beschluss vom 17.12.2013
- 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1 = SIS 14 07 79, Rz 70, m.w.N.). Es
reicht daher nicht aus, dass die Finanzverwaltung eine auf
Bund-Länder-Ebene abgestimmte Verwaltungsauffassung vertritt.
Verwaltungsvorschriften sind von vornherein nicht geeignet,
bezüglich des Inhalts einer Norm eine einheitliche
„Rechtsüberzeugung“ zu
begründen. Verwaltungsvorschriften stehen stets unter dem
Vorbehalt einer abweichenden Auslegung der Norm durch die
Rechtsprechung, der es allein obliegt, zu entscheiden, ob die
Auslegung der Rechtsnorm durch die Finanzverwaltung im Einzelfall
Bestand hat (z.B. BFH-Urteil vom 28.11.2019 - IV R 28/19, BFHE 266,
305, BStBl II 2023, 750 = SIS 20 00 97, Rz 53, m.w.N.).
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Verwaltungsvorschriften sind im Gefüge
der Gewaltenteilung zwischen Judikative und Exekutive
grundsätzlich nicht Maßstab richterlicher Kontrolle des
Verwaltungshandelns, sondern deren Gegenstand
(BVerfG-Beschlüsse vom 31.05.1988 - 1 BvR 520/83, BVerfGE 78,
214 = SIS 88 22 02, Rz 37; vom 31.05.2011 - 1 BvR 857/07, BVerfGE
129, 1 = SIS 11 23 01, Rz 71). Es geht deshalb nach Auffassung des
vorlegenden Senats zu weit, den Vertrauensschutz des
Steuerpflichtigen gegenüber rückwirkenden Steuergesetzen
schon dann entfallen zu lassen, wenn lediglich eine
Verwaltungsvorschrift existierte, die eine dem rückwirkend
anzuwendenden Gesetz entsprechende Rechtsauffassung der Exekutive
zum Ausdruck gebracht hat.
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(4.3) Es ist auch nicht möglich, die zu
§ 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG a.F. für den Fall des
unentgeltlichen Ausscheidens ergangene höchstrichterliche
Rechtsprechung als eine in Fachkreisen unerwartete und
überraschende Auslegung der Gesetzesvorschrift zu bezeichnen.
So ist bereits das erste mit dieser Fragestellung befasste FG der
Verwaltungsauffassung entgegengetreten. Zudem sind die hierzu
ergangenen BFH-Urteile überwiegend auf Zustimmung im
Fachschrifttum gestoßen (dazu bereits B.III.1.c). Abgesehen
davon kann eine Auslegung, die vom Wortlaut der zu
interpretierenden Norm gedeckt ist, für den Rechtsanwender
nicht überraschend sein. In diesem Zusammenhang bleibt auch zu
berücksichtigen, dass - wie bereits dargelegt (dazu B.III.2.b
bb (1)) - bis zur Neuregelung in § 5a Abs. 4 Satz 6 EStG n.F.
auch keine gesetzliche Grundlage für die verfahrensrechtliche
Fortschreibung beziehungsweise Übertragung des beim
Rechtsvorgänger nach § 5a Abs. 4 Satz 2 EStG
mitunternehmerbezogen festgestellten Unterschiedsbetrags bei einem
beziehungsweise auf einen Rechtsnachfolger bestanden hat. Danach
war die von der Finanzverwaltung vorgenommene Auslegung des §
5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG a.F. von Anfang an angreifbar.
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Umgekehrt ist es eher überraschend, dass
der Gesetzgeber, der in der Begründung des Gesetzentwurfs der
Neuregelung darauf hinweist, dass die Ansicht der Finanzverwaltung,
die nun in das Gesetz übernommen werde, ihren Grund für
den Übergang der für den Rechtsvorgänger
festgestellten Unterschiedsbeträge auf den Rechtsnachfolger im
Falle von dessen unentgeltlichem Ausscheiden in der im
Einkommensteuerrecht geltenden sogenannten Fußstapfentheorie
(Buchwertfortführung) finde, die Rz 28 des BMF-Schreibens vom
31.10.2008 (BStBl I 2008, 956 = SIS 08 40 81) gerade nicht in
vollem Umfang wiederhergestellt hat. Denn anders als die Schenkung
oder der Erbfall wird die Übertragung in den Fällen der
§§ 20, 24 UmwStG gerade nicht rückwirkend so
geregelt, wie es die Rz 28 des vorbezeichneten BMF-Schreibens seit
2008 vorsah. Hier entschied sich der Gesetzgeber dafür, die
Rechtsprechung des BFH in das Gesetz zu übernehmen, obwohl
auch in diesen Fällen Buchwerteinbringungen möglich
sind.
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93
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(5) Nach Überzeugung des vorlegenden
Senats sind auch keine sonstigen Gründe ersichtlich, welche
die echte Rückwirkung beziehungsweise Rückbewirkung von
Rechtsfolgen rechtfertigen könnten.
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(5.1) Der Umstand, dass § 5a EStG im
Grundsatz eine Subventionsvorschrift ist, ist im Streitfall schon
deshalb unerheblich, weil vorliegend nicht der Subventionscharakter
der Vorschrift in Rede steht. Denn der hier streitige Gewinn aus
der Hinzurechnung des Unterschiedsbetrags ist nicht der
Gewinnermittlung nach der Tonnage, sondern noch der
(regulären) Gewinnermittlung durch
Betriebsvermögensvergleich zuzurechnen.
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(5.2) Ebenso lässt sich die
Rückwirkung auch nicht damit rechtfertigen, dass sich bei
Steuerpflichtigen, welche die Beteiligung an einer den Gewinn nach
§ 5a EStG ermittelnden Schifffahrtsgesellschaft unentgeltlich
erworben haben, jedenfalls nach Änderung der Rz 28 durch das
BMF-Schreiben vom 31.10.2008 (BStBl I 2008, 956 = SIS 08 40 81;
dazu oben B.I.2.) und der hiermit im Einklang stehenden
herrschenden Meinung im Fachschrifttum kein Vertrauen darauf habe
bilden können, dass sie die Unterschiedsbeträge nicht
versteuern müssen. In diesem Zusammenhang ist auch
unerheblich, ob im Streitfall die Klägerin selbst konkret
schutzbedürftig ist. Denn aus der Sicht des vorlegenden Senats
kommt es verfassungsrechtlich nicht auf ein durch
Verwaltungsanweisungen zerstörtes Vertrauen in eine konkrete
Handhabung der Gesetze an, sondern auf das Vertrauen in die
Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der unter der Geltung des
Grundgesetzes geschaffenen Rechtslage und der auf ihrer Grundlage
erworbenen Rechte (BVerfG-Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvL 5/08,
BVerfGE 135, 1 = SIS 14 07 79, Rz 63, m.w.N.). Dieses Vertrauen
umfasst bei einer - wie hier - auslegungsbedürftigen
Neuregelung auch das Vertrauen der Bürger darauf, die
gerichtliche Klärung der Auslegungsfrage abwarten zu
dürfen, um dann von Anfang an in den Genuss der für
richtig erkannten Rechtslage zu kommen. Danach ist es unerheblich,
dass sich die Klägerin erst nach Ergehen des Urteils des FG
Hamburg vom 19.12.2017 - 2 K 277/16 gegen die erfolgte
Auflösung und Hinzurechnung des Unterschiedsbetrags zur Wehr
gesetzt hat. Der Steuerpflichtige darf frei darüber
entscheiden, ob und wann er sich gegen eine ihn belastende
Steuerfestsetzung beziehungsweise Feststellung wenden will. Es kann
ihm aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zum Nachteil gereichen,
dass er erst Rechtsschutz in Anspruch nimmt, nachdem Fachgerichte
die Rechtsfrage abweichend von der Verwaltungsauffassung
günstig für ihn entschieden haben.
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(5.3) Wollte man dies anders sehen,
könnte die Finanzverwaltung die Gesetzesauslegung durch
Verwaltungsvorschriften, welche die Gerichte gerade nicht binden,
stark vorprägen. Denn der Gesetzgeber könnte in einem
derartigen Fall das Gesetz mit echter Rückwirkung im Sinne der
Rechtsauffassung der Finanzverwaltung ändern. Damit würde
die den Gerichten nach Art. 92 GG anvertraute rechtsprechende
Gewalt inhaltlich nachhaltig beschnitten werden.
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3. Die vom FA und dem BMF im
Revisionsverfahren angeführten Argumente sind ebenfalls nicht
geeignet, die in § 52 Abs. 10 Satz 4 EStG n.F. angeordnete
rückwirkende Geltung des § 5a Abs. 4 Satz 5 und 6 EStG
n.F. verfassungsrechtlich zu rechtfertigen.
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a) Die Ausführungen des FA
überzeugen nicht.
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aa) Insbesondere führt der vom FA
angeführte - im einstweiligen Rechtsschutz zur
verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der rückwirkenden
Einführung von § 7 Satz 3 des Gewerbesteuergesetzes
i.d.F. des WElektroMobFördG (GewStG n.F.) ergangene -
BFH-Beschluss vom 15.04.2020 - IV B 9/20 (AdV) = SIS 20 07 34 zu keiner abweichenden
verfassungsrechtlichen Beurteilung.
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Zum einen ist der vorlegende Senat in dem hier
zu entscheidenden Revisionsverfahren nicht gehalten, sich eine
Überzeugung zur Verfassungsmäßigkeit der
rückwirkenden Geltung des § 7 Satz 3 GewStG n.F. zu
bilden (zu dessen rückwirkender Geltung s. § 36 Abs. 3
GewStG n.F.). Zum anderen sind die Ausgangssituationen nicht
miteinander vergleichbar. Denn im Fall des § 7 Satz 3 GewStG
n.F. gab es, worauf der BFH in Rz 35 seines Beschlusses vom
15.04.2020 - IV B 9/20 (AdV) = SIS 20 07 34 auch hingewiesen hat, bereits eine
höchstrichterliche Rechtsprechung, von welcher der BFH durch
seine Urteile vom 25.10.2018 - IV R 40/16 = SIS 18 22 63 und IV R 41/16 = SIS 18 22 64 abgewichen ist. Im Fall des
§ 5a Abs. 4 Satz 5 und 6 EStG n.F. existierte hingegen - wie
dargelegt - gerade keine Rechtsprechung der Instanzgerichte oder
des BFH, von welcher der BFH später abgewichen ist.
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bb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus
dem BFH-Beschluss vom 04.02.2009 - VI B 142/08 (BFH/NV 2009, 716 =
SIS 09 12 30). Dieser Beschluss betrifft - wie den dort unter Rz 2
zitierten BFH-Entscheidungen zu entnehmen ist - eine gänzlich
andere Fragestellung. Er nimmt dazu Stellung, ob die
Finanzbehörde durch ein bestimmtes früheres Verhalten
über den einfachgesetzlichen (ungeschriebenen) Grundsatz von
Treu und Glauben an jenes Verhalten gebunden sein kann. Dies ist
nach der Rechtsprechung zu verneinen, wenn die Steuerfestsetzung
unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erfolgt. Im Streitfall ist
hingegen die verfassungsrechtliche Frage zu beurteilen, ob der
Gesetzgeber daran gehindert ist, die streitentscheidenden Normen
mit echter Rückwirkung beziehungsweise Rückbewirkung von
Rechtsfolgen in Kraft zu setzen.
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b) Ebenso vermögen die vom BMF
angeführten Argumente nicht zu überzeugen.
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aa) Entgegen der Auffassung des BMF liegt in
der Neuregelung keine rein begünstigende Regelung. Zutreffend
ist zwar, dass sich diese Neuregelung für den
Rechtsvorgänger im Grundsatz begünstigend auswirkt. Es
wurde aber bereits dargelegt, dass diese Regelung den
Rechtsnachfolger belastet und eine die steuerlichen Auswirkungen
bei verschiedenen Steuerpflichtigen saldierende Betrachtung nach
dem im Einkommensteuerrecht geltenden Subjektsteuerprinzip nicht
zulässig ist (dazu bereits B.III.2.b aa). Danach sind bei der
verfassungsrechtlichen Prüfung die Auswirkungen beim einzelnen
Steuerpflichtigen in den Blick zu nehmen. Es kann auch nicht
angenommen werden, dass der Rechtsnachfolger nur reflexartig von
der Neuregelung berührt wird. Vielmehr liegt eine bewusste
Entscheidung des Gesetzgebers vor, den Unterschiedsbetrag erst beim
Rechtsnachfolger zu besteuern.
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Im Übrigen ist die begünstigende
Wirkung der Neuregelung bei Rechtsvorgängern mit bereits
bestandskräftigen Gewinnfeststellungsbescheiden zu
relativieren. Denn solche Rechtsvorgänger wären auch beim
Fortbestand der alten Rechtslage gegen eine Korrektur ihrer
bestandskräftigen Bescheide nach § 176 Abs. 2 AO (i.V.m.
§ 181 Abs. 1 Satz 1 AO) geschützt.
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bb) Ebenso kann sich der vorlegende Senat
nicht der Auffassung anschließen, wonach nur eine unechte
Rückwirkung beziehungsweise tatbestandliche
Rückanknüpfung gegeben sei. Die Gesetzesänderung
betrifft das Streitjahr 2013, einen Veranlagungszeitraum, der im
Zeitpunkt der Gesetzesverkündung am 08.06.2021 längst
abgeschlossen war. Danach bestehen in formaler Hinsicht keine
Zweifel am Vorliegen einer echten Rückwirkung beziehungsweise
einer Rückbewirkung von Rechtsfolgen. Ebenso wurde bereits
dargelegt, dass diese Rückwirkung auch konstitutive Wirkung
besitzt (dazu bereits B.III.1.c).
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cc) Das BMF weist zwar zu Recht darauf hin,
dass es sich bei den in der Rechtsprechung des BVerfG anerkannten
Fallgruppen, in denen eine echte Rückwirkung beziehungsweise
eine Rückbewirkung von Rechtsfolgen wegen eines ausnahmsweise
fehlenden Vertrauens in eine bestehende Gesetzeslage zulässig
sei, um keine abschließende Aufzählung handelt. Die vom
BMF angeführten Interessen - das fiskalische
Allgemeininteresse an einer Einmalbesteuerung des
Unterschiedsbetrags sowie das Gebot der Gleichmäßigkeit
der Besteuerung und das Leistungsfähigkeitsprinzip -
vermögen aber nach Überzeugung des vorlegenden Senats die
im Streitfall gegebene echte Rückwirkung nicht zu
rechtfertigen.
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So ist nach der Rechtsprechung des BVerfG die
beabsichtigte Schließung von Besteuerungslücken (schon)
nicht ausreichend, um eine (unechte) Rückwirkung zu
rechtfertigen (z.B. BVerfG-Beschluss vom 07.07.2010 - 2 BvL 14/02,
2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BVerfGE 127, 1 = SIS 10 22 45, Rz 74).
Gleiches gilt für den Gesichtspunkt des allgemeinen
Finanzbedarfs des Fiskus (z.B. BVerfG-Beschluss vom 07.07.2010 - 2
BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BVerfGE 127, 1 = SIS 10 22 45,
Rz 75 f.). Im Streitfall kommt hinzu, dass keine
Besteuerungslücke gegeben war. Diese ist erst dadurch
entstanden, dass es die Finanzverwaltung unterlassen hat, den
Unterschiedsbetrag beim unentgeltlich ausgeschiedenen
Rechtsvorgänger nach § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG a.F.
bei dessen Ausscheiden zu besteuern. Zudem können die dadurch
gegebenenfalls ausgelösten Gleichheitsprobleme und
Verstöße gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip keine
rückwirkende Gesetzesänderung rechtfertigen. Denn es war
keine rückwirkend reparaturbedürftige - verworrene -
Gesetzeslage gegeben.
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4. Eine die Verfassungswidrigkeit vermeidende
verfassungskonforme Auslegung des § 52 Abs. 10 Satz 4 EStG
n.F. ist nicht möglich.
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Eine verfassungskonforme Auslegung scheidet
aus, wenn sie dem Wortlaut der auszulegenden Norm sowie dem klar
erkennbaren Willen des Gesetzgebers widerspricht (z.B. BFH-Urteil
vom 08.12.2021 - I R 30/19, BFHE 275, 331, BStBl II 2022, 763 = SIS 22 08 66, Rz 17, m.w.N.).
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Danach ist es im Streitfall nicht
möglich, die Regelung in § 52 Abs. 10 Satz 4 EStG n.F.
verfassungskonform dahin auszulegen, dass § 5a Abs. 4 Satz 5
und 6 EStG n.F. im Streitjahr (noch) nicht anzuwenden ist. Eine
solche Auslegung würde dem Wortlaut des § 52 Abs. 10 Satz
4 EStG n.F. und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers
widersprechen. Denn der Gesetzgeber wollte durch diese Neuregelung
gerade erreichen, dass die Rechtsprechung des BFH, wonach der
Unterschiedsbetrag bei unentgeltlichen Übertragungen eines
Anteils beim Übertragenden und nicht bei dessen
Rechtsnachfolger hinzugerechnet werden muss, auch für die
Vergangenheit ausgeschlossen wird (vgl. BRDrucks 50/21 (Beschluss),
S. 6 ff.).
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IV. Abschließend weist der vorlegende
Senat - wie bereits das FG Hamburg in seinem Vorlagebeschluss vom
24.11.2022 - 6 K 68/21 = SIS 23 03 61 (Rz 139) - auf Folgendes hin:
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Neben der hier in Rede stehenden Neuregelung
hat der Gesetzgeber jüngst auch die Vorschrift des § 5a
Abs. 6 EStG durch das Gesetz zur weiteren steuerlichen
Förderung der Elektromobilität und zur Änderung
weiterer steuerlicher Vorschriften durch Ergänzung um einen
neuen Satz 2 geändert. Auch diese Neuregelung war eine
Reaktion des Gesetzgebers auf eine Rechtsprechung des BFH, mit der
der Rechtsauffassung des vorlegenden Senats die Grundlage entzogen
wurde. Allerdings hat der Gesetzgeber § 5a Abs. 6 Satz 2 EStG
i.d.F. des WElektroMobFördG gerade nicht mit Rückwirkung,
sondern gemäß § 52 Abs. 10 Satz 5 EStG i.d.F. des
WElektroMobFördG mit Wirkung für die Zukunft in Kraft
gesetzt (anwendbar für Wirtschaftsjahre, die nach dem
31.12.2018 beginnen). Auch diese Gesetzesänderung diente nach
den Gesetzesmaterialien der Festschreibung der bisherigen
langjährigen Verwaltungsauffassung (Empfehlungen der
Ausschüsse vom 10.09.2019, BRDrucks 356/1/19, S. 4). Aus Sicht
des vorlegenden Senats ist ein Grund für diese
unterschiedlichen Vorgehensweisen bei Bestimmung der zeitlichen
Anwendbarkeit der gesetzlichen Neuregelungen nicht ersichtlich. In
beiden Fällen hat es zu den Auslegungsfragen vor der
jeweiligen Gesetzesänderung keine Rechtsprechung gegeben. Der
Grund für die unterschiedlichen Vorgehensweisen kann
jedenfalls nicht allein darin liegen, dass vor Änderung des
§ 5a Abs. 4 EStG eine veröffentlichte, vor Änderung
des § 5a Abs. 6 EStG wohl nur eine nicht veröffentlichte
Verwaltungsauffassung existiert hat.
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V. Entscheidungserheblichkeit der
Vorlagefrage
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Für die Entscheidung des vorlegenden
Senats kommt es auf die Gültigkeit des § 52 Abs. 10 Satz
4 EStG n.F. an (Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG, § 80 Abs. 2 Satz 1
BVerfGG). Abhängig von der Verfassungsmäßigkeit
dieser Vorschrift kommt es zu einer unterschiedlichen Entscheidung
über die Revision der Klägerin. Ist die Vorschrift
verfassungsgemäß, ist die Revision der Klägerin als
unbegründet zurückzuweisen (s. dazu B.II.). Ist die
rückwirkende Geltung des § 5a Abs. 4 Satz 5 und 6 EStG
n.F. hingegen verfassungswidrig, ist die Revision der Klägerin
begründet. In diesem Fall hätte der Unterschiedsbetrag in
früheren Feststellungszeiträumen bei den
Rechtsvorgängern aufgelöst und hinzugerechnet werden
müssen.
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VI. Entscheidung des vorlegenden Senats
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Nach alledem ist der vorlegende Senat davon
überzeugt, dass § 52 Abs. 10 Satz 4 EStG n.F. gegen das
verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot (Art. 20 Abs. 3 GG)
verstößt, soweit diese Vorschrift die rückwirkende
Anwendung des § 5a Abs. 4 Satz 5 und 6 EStG n.F. für
Wirtschaftsjahre anordnet, die nach dem 31.12.1998 beginnen. In
Anbetracht dessen ist das Revisionsverfahren nach Art. 100 Abs. 1
Satz 1 GG auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG
einzuholen.
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