Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil
des Finanzgerichts Hamburg vom 19.12.2017 - 2 K 277/16 = SIS 18 03 26 aufgehoben, soweit es der Klage der Klägerin stattgegeben
hat.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die
Klägerin zu tragen.
Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen werden nicht
erstattet.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 06.09.2016
wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.
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12
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Das FG verband die daraufhin erhobene Klage
der KG mit zwei weiteren Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung
und Entscheidung und lud u.a. die Beigeladenen zu 1. und zu 2. zu
dem Verfahren bei. Mit Urteil vom 19.12.2017 - 2 K 277/16 = SIS 18 03 26 gab es der Klage der KG statt und änderte den
Gewinnfeststellungs-Änderungsbescheid 2013 vom 19.07.2016
antragsgemäß dahin, dass für die Beigeladene zu 1.
keine Hinzurechnung des Unterschiedsbetrags in Höhe von
28.465,36 EUR erfolgt. Die Klagen der beiden anderen Kläger
wies es hingegen als unbegründet ab.
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13
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Zur Begründung des Urteils
hinsichtlich der Klage der KG führte das FG im Wesentlichen
aus:
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Die Beigeladene zu 1. sei durch die
Einbringung ihres Mitunternehmeranteils in die Beigeladene zu 2.
zwar i.S. von § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG aus der KG
ausgeschieden. Es liege aber kein auf sie entfallender Anteil an
den Unterschiedsbeträgen vor, der aufzulösen sei. Der
diesbezügliche Anteil sei mit Änderungsbescheid auf den
31.12.2006 über die gesonderte und einheitliche Feststellung
der Unterschiedsbeträge vom 02.04.2015 ihrem
Rechtsvorgänger, A, zugerechnet worden. Dieser Bescheid habe
als Grundlagenbescheid eine Bindungswirkung in Bezug auf die
personelle Zurechnung des Anteils an den Unterschiedsbeträgen.
Eine Zurechnung der streitgegenständlichen
Unterschiedsbeträge bei der Beigeladenen zu 1. sei nicht
erfolgt. Schon deshalb sei die gewinnerhöhende Auflösung
der Unterschiedsbeträge bei ihr rechtswidrig. Zudem habe die
Beigeladene zu 1. den Kommanditanteil an der KG mit Schenkungs- und
Abtretungsvertrag 2008 von A erworben. A sei damit i.S. von §
5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG als Gesellschafter und Mitunternehmer
schon damals aus der KG ausgeschieden. Die auf ihn entfallenden
Unterschiedsbeträge wären somit zum Zeitpunkt seines
Ausscheidens bei ihm gewinnerhöhend aufzulösen gewesen
und hätten deshalb nicht auf die Beigeladene zu 1.
übergehen können. Dass die Übertragung auf die
Beigeladene zu 1. aufgrund ihrer Unentgeltlichkeit
möglicherweise unter § 6 Abs. 3 EStG falle, ändere
daran nichts.
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14
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Gegen das FG-Urteil haben sowohl das FA als
auch die Kläger, deren Klagen das FG abgewiesen hat, Revision
eingelegt. Das vorliegende Verfahren betrifft nur die Revision des
FA. Das Verfahren der beiden anderen Kläger wurde abgetrennt
und zwischenzeitlich mit Urteil vom 28.11.2019 - IV R 28/19 (BFHE
266, 305 = SIS 20 00 97) entschieden. Der Senat entschied, dass der
Begriff des Ausscheidens in § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG
jedes Ausscheiden eines Gesellschafters umfasst, d.h. jeden Verlust
der (unmittelbaren) Mitunternehmerstellung, unabhängig davon,
ob der Gesellschafter unentgeltlich oder entgeltlich, im Wege der
Einzel- oder der Gesamtrechtsnachfolge ausscheidet. Diese
Rechtsgrundsätze hat der Senat zwischenzeitlich im Urteil vom
29.04.2020 - IV R 17/19 = SIS 20 12 95 bestätigt.
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15
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Bereits Ende 2016 hatte die KG ihre
Auflösung beschlossen. Während des Revisionsverfahrens
wurde sie vollbeendet, und es wurde mitgeteilt, dass ihre
Komplementärin, die X-GmbH - die Klägerin und
Revisionsbeklagte (Klägerin; dazu unter II.2.) -, die
restlichen gegenwärtigen und zukünftigen
Vermögensgegenstände und Schulden der KG, auch soweit sie
unbekannt sein sollten, übernommen habe. Prozessuale
Rechtsnachfolgerin der KG sei die Beigeladene zu 1., deren
Interessen die KG im Verfahren bislang vertreten habe.
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16
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Mit seiner Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts. Entgegen der Auffassung des FG sei
§ 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG nicht schon auf die Schenkung
und Abtretung des Kommanditanteils des A an die Beigeladene zu 1.
im Jahr 2008, sondern erst auf die Einbringung des Kommanditanteils
der Beigeladenen zu 1. in die Beigeladene zu 2. im Streitjahr 2013
anzuwenden. Dies ergebe sich zum einen aus der Bindungswirkung des
Gewinnfeststellungsbescheids 2008 in Verbindung mit dem besonderen
Verzeichnis 2008 und zudem daraus, dass der Begriff des
„Ausscheidens“ in § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG
nicht den Fall der schenkweisen Übertragung eines
Mitunternehmeranteils mit der steuerlichen Wirkung des § 6
Abs. 3 Satz 1 Alternative 3 EStG umfasse. Ein Ausscheiden i.S. des
§ 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG sei erst mit der Einbringung des
Anteils der Beigeladenen zu 1. in die Beigeladene zu 2. erfolgt,
allerdings nur in dem Umfang, in dem die Beigeladene zu 1. als
Einbringende als Gegenleistung für die Einbringung keine die
Höhe ihres Kapitalkontos widerspiegelnden Gesellschaftsrechte
erworben habe. Rechtsnachfolgerin der vollbeendeten KG sei die
Beigeladene zu 1.
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17
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Das FA beantragt
sinngemäß,
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das FG-Urteil, soweit es der Klage der
Klägerin stattgegeben hat, aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
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18
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Die Klägerin beantragt
sinngemäß, die Revision des FA
zurückzuweisen.
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Die Beigeladenen haben keinen Antrag
gestellt.
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20
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Die Beigeladene zu 1. hält die
Revision des FA für unbegründet.
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21
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Unter dem 18.03.2019 hat das FA einen
weiteren, den Streitfall nicht betreffenden Änderungsbescheid
erlassen.
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22
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II. Die Revision des FA ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung des angegriffenen Urteils, soweit es
der Klage der Klägerin stattgegeben hat, und zur Abweisung
dieser Klage als unzulässig (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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23
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Streitgegenstand ist die Auflösung und
Hinzurechnung von Unterschiedsbeträgen nach § 5a Abs. 4
Satz 3 Nr. 3 EStG als Teil des laufenden Gesamthandsgewinns (dazu
unter II.1.). Bezogen auf diesen Streitgegenstand ist infolge der
Vollbeendigung der KG nach Erhebung der Klage die X-GmbH
Klägerin und Revisionsbeklagte geworden (dazu unter II.2.).
Die Klage ist infolge der Vollbeendigung der KG während des
Revisionsverfahrens unzulässig geworden, so dass das FG-Urteil
im Umfang seiner Stattgabe aufzuheben und die Klage abzuweisen ist
(dazu unter II.3.).
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24
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1. Streitgegenstand ist die Auflösung und
Hinzurechnung von Unterschiedsbeträgen nach § 5a Abs. 4
Satz 3 Nr. 3 EStG. Nach dieser Vorschrift ist ein nach
Maßgabe des § 5a Abs. 4 Satz 1 EStG ermittelter und nach
Satz 2 gesondert und einheitlich festgestellter Unterschiedsbetrag
in dem Jahr des Ausscheidens eines Gesellschafters hinsichtlich des
auf ihn entfallenden Anteils aufzulösen und dem Gewinn
hinzuzurechnen. Bei diesem Betrag handelt es sich - ebenso wie bei
den Beträgen aus der Auflösung von
Unterschiedsbeträgen nach § 5a Abs. 4 Satz 3 Nrn. 1 und 2
EStG - um einen Teil des laufenden, nach § 4 Abs. 1, § 5
EStG ermittelten Gesamthandsgewinns. Er wird allerdings nicht nach
Quote verteilt, sondern dem Gewinnanteil desjenigen Mitunternehmers
anlässlich seines Ausscheidens aus der Gesellschaft
zugerechnet, für den im Feststellungsbescheid nach § 5a
Abs. 4 Satz 2 EStG entsprechende Anteile an
Unterschiedsbeträgen festgestellt wurden.
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25
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a) Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) kann ein Bescheid über die gesonderte
und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach
§§ 179, 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO eine
Vielzahl selbständiger und damit auch selbständig
anfechtbarer Feststellungen enthalten, die eigenständig in
Bestandskraft erwachsen. Solche selbständigen Feststellungen
sind insbesondere die Qualifikation der Einkünfte, das
Bestehen einer Mitunternehmerschaft und wer an ihr beteiligt ist,
die Höhe des laufenden Gesamthandsgewinns sowie dessen
Verteilung auf die Mitunternehmer und die Höhe eines
Sondergewinns bzw. einer Sondervergütung. Selbständig
anfechtbar ist auch die Feststellung eines Veräußerungs-
oder Aufgabegewinns der Gesamthand nach § 16 EStG sowie eines
Gewinns des einzelnen Mitunternehmers aus der
Veräußerung oder Aufgabe eines
Teil-/Mitunternehmeranteils nach § 16 EStG. Eine weitere
selbständig anfechtbare Besteuerungsgrundlage ist die
Qualifikation eines Gewinns als außerordentlich i.S. des
§ 34 EStG. Der in Feststellungsbescheiden häufig
angegebene „Gesamtgewinn“ bezeichnet lediglich
rechnerisch die Summe der verschiedenen Besteuerungsgrundlagen,
entfaltet aber keinerlei Rechtswirkungen (ständige
Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 23.01.2020 - IV R 48/16 = SIS 20 04 20, Rz 17, m.w.N.).
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26
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b) Durch die Feststellung des
Unterschiedsbetrags nach § 5a Abs. 4 Satz 2 EStG werden die
stillen Reserven aufgedeckt, die sich während der Zeit der
Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich bis zum
Zeitpunkt des Wechsels in die Gewinnermittlung nach der Tonnage
gebildet haben. Die Gewinnrealisierung wird lediglich auf die in
§ 5a Abs. 4 Satz 3 Nrn. 1 bis 3 EStG geregelten Zeitpunkte
verschoben. Rechtsfolge dieser Betrachtung ist zugleich, dass der
Betrag aus der Hinzurechnung des Unterschiedsbetrags nicht (schon)
der Gewinnermittlung nach der Tonnage, sondern (noch) der
Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich zuzurechnen
ist (z.B. BFH-Urteil vom 25.10.2018 - IV R 35/16, BFHE 263, 22 =
SIS 18 22 13, Rz 53). Bei den Beträgen, die aus der
Auflösung von Unterschiedsbeträgen nach § 5a Abs. 4
Satz 3 Nrn. 1 bis 3 EStG resultieren, handelt es sich also nicht um
Teile des Gewinns aus dem Betrieb von Handelsschiffen im
internationalen Verkehr i.S. des § 5a Abs. 1 EStG, sondern um
Teile des laufenden Gesamthandsgewinns (zur Selbständigkeit
dieser beiden Besteuerungsgrundlagen bereits BFH-Urteile vom
13.04.2017 - IV R 14/14, BFHE 257, 413 = SIS 17 10 22, Rz 24 ff.,
und vom 16.07.2020 - IV R 3/18, zur amtlichen Veröffentlichung
bestimmt). Beträge aus der Auflösung von
Unterschiedsbeträgen nach § 5a Abs. 4 Satz 3 Nrn. 1 bis 3
EStG werden nicht als solche selbständig festgestellt, sondern
sind ein (unselbständiger) Teil des laufenden
Gesamthandsgewinns.
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27
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c) Dieser Teil des laufenden
Gesamthandsgewinns, der aus der Auflösung von
Unterschiedsbeträgen nach § 5a Abs. 4 Satz 3 Nrn. 1 bis 3
EStG resultiert, wird nicht nach Quote verteilt, sondern nach
Maßgabe der in dieser Vorschrift genannten
Auflösungsgründe. Erfolgt eine Auflösung von
Unterschiedsbeträgen, wie im Streitfall, nach § 5a Abs. 4
Satz 3 Nr. 3 EStG, ist der aus der Auflösung resultierende
Betrag danach dem Gewinnanteil desjenigen Mitunternehmers
anlässlich seines Ausscheidens aus der Gesellschaft
hinzuzurechnen, für den im Feststellungsbescheid nach §
5a Abs. 4 Satz 2 EStG entsprechende Anteile an
Unterschiedsbeträgen festgestellt wurden. Dabei umfasst der
Begriff des Ausscheidens in § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG, wie
der Senat zwischenzeitlich wiederholt entschieden hat, jedes
Ausscheiden eines Gesellschafters, d.h. jeden Verlust der
(unmittelbaren) Mitunternehmerstellung, unabhängig davon, ob
der Gesellschafter unentgeltlich oder entgeltlich, im Wege der
Einzel- oder der Gesamtrechtsnachfolge ausscheidet (BFH-Urteile in
BFHE 266, 305 = SIS 20 00 97, und vom 29.04.2020 - IV R 17/19).
Danach scheidet auch derjenige i.S. des § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr.
3 EStG aus, der seinen Anteil unentgeltlich auf einen anderen
überträgt, sei es im Wege der Einzel- oder der
Gesamtrechtsnachfolge.
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28
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d) Wird - wie im Streitfall - geltend gemacht,
ein Unterschiedsbetrag sei nicht nach § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3
EStG aufzulösen, da die Voraussetzungen dieses
Auflösungsgrundes nicht gegeben seien, weil der
Gesellschafter, dessen Gewinnanteil der aufgelöste Betrag
hinzugerechnet wurde, nicht i.S. des § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3
EStG ausgeschieden sei, wird damit nicht die Gewinnverteilung als
selbständig festzustellende Besteuerungsgrundlage angegriffen,
sondern die (ebenfalls selbständig festzustellende) Höhe
des laufenden Gesamthandsgewinns.
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2. Bezogen auf diesen Streitgegenstand sind
aufgrund der Vollbeendigung der KG deren Beteiligtenstellung und
Prozessführungsbefugnis uneingeschränkt auf die
Klägerin, die X-GmbH, übergegangen. Sie ist prozessuale
Rechtsnachfolgerin der während des Revisionsverfahrens
vollbeendeten KG geworden (dazu unter II.2.a). Das Rubrum war
entsprechend zu ändern. Eine Verfahrensunterbrechung nach
§ 155 FGO i.V.m. § 239 Abs. 1 der Zivilprozessordnung
(ZPO) ist nicht eingetreten (dazu unter II.2.b).
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30
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a) Erlischt eine Personengesellschaft durch
Vollbeendigung, kann nach ständiger Rechtsprechung des BFH ein
Gewinnfeststellungsbescheid nur noch von den früheren
Gesellschaftern angefochten werden, deren Mitgliedschaft die Zeit
berührt, die der anzufechtende Gewinnfeststellungsbescheid
betrifft.
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31
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aa) Tritt die Vollbeendigung - wie im
Streitfall - während des Revisionsverfahrens ein, sind
grundsätzlich die durch den angefochtenen
Gewinnfeststellungsbescheid beschwerten Gesellschafter, die im
Streitzeitraum an der Personengesellschaft beteiligt waren, als
deren prozessuale Rechtsnachfolger anzusehen. Das
Prozessführungsrecht fällt auf die Gesellschafter
zurück, deren Interessen bislang insoweit von der
klagebefugten Gesellschaft im Prozess vertreten wurden (z.B.
BFH-Urteil vom 25.07.2019 - IV R 61/16, BFHE 265, 285 = SIS 19 14 00).
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32
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bb) Die prozessuale Rechtsnachfolge erstreckt
sich allerdings nicht auf solche Gesellschafter, die bereits vor
Klageerhebung aus der Gesellschaft ausgeschieden sind
(ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 17.10.2013 -
IV R 25/10 = SIS 14 00 29, Rz 20, und BFH-Urteil vom 28.10.2008 -
VIII R 71/06, juris = SIS 08 45 58, unter III.1.b). Dies folgt
insbesondere daraus, dass sich die Klagebefugnis der Gesellschaft
gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO nicht auf
ausgeschiedene Gesellschafter erstreckt, da diese keine
Möglichkeit der Einflussnahme auf die
Geschäftsführer der Gesellschaft mehr haben (z.B.
BFH-Urteil vom 26.10.1989 - IV R 23/89, BFHE 159, 15, BStBl
II 1990, 333 = SIS 90 06 45; BFH-Beschluss vom 19.06.1990 - VIII B
3/89, BFHE 161, 404, BStBl II 1990, 1068 = SIS 91 02 57; BFH-Urteil
vom 10.09.2020 - IV R 14/18 = SIS 20 20 53, zur amtlichen
Veröffentlichung bestimmt). Wenn die Gesellschaft somit in
gesetzlicher Prozessstandschaft nur für die aktuellen, nicht
aber auch für die bereits ausgeschiedenen Gesellschafter zur
Klageerhebung befugt ist, dann kann nach Erlöschen der
Gesellschaft das Prozessführungsrecht denknotwendig auch nur
auf solche Gesellschafter zurückfallen, deren Interessen
bislang von der klagebefugten Gesellschaft im Prozess vertreten
wurden. Ausgeschiedene Gesellschafter verfügen hingegen nach
§ 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO durchgehend über eine eigene
Klagebefugnis.
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33
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Darin zeigt sich, dass das Gesetz dem
ausgeschiedenen Gesellschafter eine besondere prozessuale Stellung
zuerkennt. Er ist befugt, aber nicht verpflichtet, unabhängig
von der Gesellschaft den ihn materiell beschwerenden
Gewinnfeststellungsbescheid anzufechten. Scheut er das Kostenrisiko
und nimmt von der Klageerhebung Abstand, wird er im Falle der
Nichtanfechtung des Bescheids überhaupt nicht Beteiligter
eines finanzgerichtlichen Verfahrens, im Falle der Anfechtung durch
die klagebefugte Gesellschaft „lediglich“
notwendig Beigeladener. Nimmt er auf das Verfahren keinen Einfluss
und stellt er, weil er die Erfolgsaussichten ungünstig
einschätzt, insbesondere auch keine Sachanträge, dann
können ihm keine Verfahrenskosten auferlegt werden (§ 135
Abs. 3 FGO). Aus dieser prozessualen Position kann der
ausgeschiedene Gesellschafter, der vom FG zu Recht notwendig
beigeladen wurde, nicht allein infolge eines von ihm in keiner
Weise beeinflussbaren gesellschaftsrechtlichen
Umstrukturierungsvorganges verdrängt werden. Der Beigeladene
ohne Kostenrisiko kann nicht ohne sein Zutun zum Kläger mit
Kostenrisiko gemacht werden. Allein der Umstand, dass der
Beigeladene früher Gesellschafter war und sich demnach die
„Zwangsvertretungsmacht“ des
geschäftsführenden Gesellschafters gemäß
§ 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO mit all ihren denkbaren negativen
prozessualen Folgen ursprünglich auch auf ihn als
„Vertretenen“ erstreckt hat, kann die Belastung
mit dem Kostenrisiko nach seinem Ausscheiden nicht (mehr)
legitimieren (BFH-Urteil vom 28.10.2008 - VIII R 71/06, juris = SIS 08 45 58, unter III.1.b).
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34
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cc) Ist Streitgegenstand des Verfahrens die
Höhe des laufenden Gesamthandsgewinns, sind prozessuale
Rechtsnachfolger grundsätzlich alle Gesellschafter - mit
Ausnahme der bereits bei Klageerhebung ausgeschiedenen
Gesellschafter -, auf die dieser Gewinn im Streitzeitraum verteilt
wurde.
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35
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Abweichendes gilt allerdings, wenn es, wie im
Streitfall, um einen Teil des laufenden Gesamthandsgewinns geht,
der nicht nach Quote verteilt, sondern nur einem bzw. einigen der
Gesellschafter zuzurechnen ist. Insoweit ist davon auszugehen, dass
die Gesellschaft nur im Interesse desjenigen bzw. derjenigen Klage
gegen die Höhe des laufenden Gesamthandsgewinns erhoben hat,
denen der streitige Teil des angegriffenen Gesamthandsgewinns
zugerechnet wurde. Das ist hier nur die Beigeladene zu 1. Denn der
Streitfall betrifft allein die Frage, ob anlässlich der
Einbringung des Kommanditanteils der Beigeladenen zu 1. in die
Beigeladene zu 2. nach § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG ein
anteiliger Unterschiedsbetrag aufgelöst und dem Gewinnanteil
der Beigeladenen zu 1. zugerechnet werden durfte.
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36
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dd) Wie bereits dargelegt, erstreckt sich die
prozessuale Rechtsnachfolge allerdings nicht auf solche
Gesellschafter, die bereits vor Klageerhebung aus der Gesellschaft
ausgeschieden sind. Daher ist (auch) die Beigeladene zu 1. - anders
als die Klägerin und das FA meinen - nicht prozessuale
Rechtsnachfolgerin der vollbeendeten KG geworden.
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37
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Auch in einem solchen Fall bedarf es aber
eines prozessualen Rechtsnachfolgers als Beteiligten des
Rechtsstreits, um diesen fortführen und beenden zu
können. Nach Ansicht des Senats ist dies im Streitfall die
X-GmbH.
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38
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(1) Der Streitfall ist hinsichtlich der Frage
der prozessualen Rechtsnachfolge vergleichbar mit dem Fall, dass
eine Personengesellschaft sich mit einer Klage gegen eine
Feststellung wendet, die allein einen ausgeschiedenen
Gesellschafter i.S. des § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO persönlich
betrifft.
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39
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Nach ständiger Rechtsprechung des BFH
steht der (noch nicht vollbeendeten) Personengesellschaft auch in
einem solchen Fall eine Klagebefugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 1
FGO zu. Denn die in § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO normierte
Klagebefugnis der Personengesellschaft beruht nicht nur auf dem
Gesellschaftsrecht, sondern schützt auch die eigene
steuerrechtliche Sphäre der Personengesellschaft und wird
zudem durch verfahrensökonomische Überlegungen
gestützt (dazu ausführlich BFH-Urteil vom 10.09.2020 - IV
R 14/18 = SIS 20 20 53, zur amtlichen Veröffentlichung
bestimmt). Wird die Gesellschaft während eines Klageverfahrens
vollbeendet, in dem sie sich nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO
zulässigerweise gegen eine Feststellung gewendet hat, die
ausschließlich einen ausgeschiedenen Gesellschafter
persönlich betrifft (wie z.B. die Feststellung eines
Veräußerungsgewinns eines infolge der
Veräußerung seines Mitunternehmeranteils ausgeschiedenen
Gesellschafters), stellt sich ebenfalls die Frage, wer prozessualer
Rechtsnachfolger der vollbeendeten Gesellschaft wird. Da die
Klagebefugnis in einem solchen Fall ausnahmsweise allein aus dem
Schutz der eigenen steuerrechtlichen Sphäre der Gesellschaft
folgt, kommen nach Ansicht des Senats als prozessuale
Rechtsnachfolger der während des finanzgerichtlichen
Verfahrens vollbeendeten Personengesellschaft nur
(veranlassungsbezogen) entweder derjenige in Betracht, der diese
Klage als deren Geschäftsführer in Kenntnis des Umstands
veranlasst, dass die Klagebefugnis ausschließlich aus dem
Schutz der eigenen steuerrechtlichen Sphäre der Gesellschaft
folgt, oder (haftungsbezogen) derjenige, der im Zeitpunkt ihrer
Vollbeendigung für die Schulden der Personengesellschaft
haftet. Dies muss ebenfalls gelten, wenn, wie im Streitfall,
Streitgegenstand zwar die Höhe des laufenden
Gesamthandsgewinns ist, insoweit aber allein ein Teil dieses
Gewinns streitig ist, der, sofern er vom FA zu Recht erfasst wurde,
unstreitig nur einem ausgeschiedenen Gesellschafter zuzurechnen
ist.
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40
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(2) Bezogen auf den Streitfall ist danach die
X-GmbH prozessuale Rechtsnachfolgerin der während des
Revisionsverfahrens durch Liquidation vollbeendeten KG geworden.
Dabei kann dahinstehen, ob für die Frage der prozessualen
Rechtsnachfolge in einem Fall, in dem sich, wie hier, die
Klagebefugnis der Personengesellschaft ausnahmsweise allein aus dem
Schutz ihrer eigenen steuerrechtlichen Sphäre ergibt, dem
veranlassungsbezogenen oder dem haftungsbezogenen Ansatz der Vorzug
zu geben ist. Denn im Streitfall hat die X-GmbH als (damalige)
Komplementärin und Geschäftsführerin der KG die
Klageerhebung der KG veranlasst, und sie war im Zeitpunkt der
Vollbeendigung der KG auch diejenige, die als Komplementärin
für die Schulden der KG persönlich haftete; darüber
hinaus hatte sie die Schulden der KG auch vertraglich
übernommen.
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41
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b) Der Eintritt des prozessualen
Rechtsnachfolgers ist verfahrensrechtlich wie ein Fall der
Gesamtrechtsnachfolge i.S. von § 155 FGO i.V.m. § 239 ZPO
zu beurteilen (z.B. BFH-Urteil vom 13.10.2016 - IV R 33/13, BFHE
255, 386, BStBl II 2018, 81 = SIS 16 27 99, Rz 18, m.w.N.).
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42
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aa) War eine Personengesellschaft, hier die
KG, durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten, greift
insoweit § 246 ZPO ein. Danach tritt in den Fällen des
§ 239 ZPO eine Unterbrechung des Verfahrens nicht ein, wenn
ein postulationsfähiger Prozessbevollmächtigter bestellt
war und dieser und der Prozessgegner keinen Antrag auf Aussetzung
des Verfahrens gemäß § 246 Abs. 1 ZPO stellen.
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43
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bb) Nach § 155 FGO i.V.m. § 86 ZPO
wird die Vollmacht durch den Wegfall des Vollmachtgebers nicht
aufgehoben. Die Vollmacht behält im Verhältnis zu den
Rechtsnachfolgern, die anstelle des Vollmachtgebers Kläger
geworden sind, ihre Wirkung (z.B. BFH-Beschluss vom 17.10.2013 - IV
R 25/10 = SIS 14 00 29, Rz 23; BFH-Urteil in BFHE 255, 386, BStBl
II 2018, 81 = SIS 16 27 99, Rz 18 ff., m.w.N.).
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44
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cc) Macht der Prozessbevollmächtigte von
der Aussetzungsmöglichkeit (§ 155 FGO i.V.m. § 246
Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO) keinen Gebrauch, so müssen die
prozessualen Rechtsnachfolger die Prozesshandlungen des
Prozessbevollmächtigten auch dann gegen sich gelten lassen,
wenn sie den Bevollmächtigten nicht selbst mit ihrer
Vertretung beauftragt haben (z.B. BFH-Urteil in BFHE 255, 386,
BStBl II 2018, 81 = SIS 16 27 99, Rz 21, m.w.N.).
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45
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dd) Danach war das Revisionsverfahren ohne
Unterbrechung allein mit der X-GmbH als prozessualer
Rechtsnachfolgerin der KG und damit als Klägerin und
Revisionsbeklagter fortzusetzen. Die KG war bereits vor dem FG
durch die im Revisionsverfahren auftretenden
Prozessbevollmächtigten vertreten. Die
Prozessbevollmächtigten haben die Aussetzung des
Revisionsverfahrens nicht beantragt.
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46
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3. Die Klage ist infolge der Vollbeendigung
der KG während des Revisionsverfahrens unzulässig
geworden. Das somit unrichtig gewordene FG-Urteil ist aufzuheben
und die Klage abzuweisen.
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a) Eine Revision ist begründet, wenn das
mit ihr angefochtene Urteil unrichtig ist oder durch eine noch im
Revisionsverfahren zu beachtende neue Tatsache unrichtig wird. Zu
diesen gehören Tatsachen, welche die vom Revisionsgericht in
jeder Lage zu prüfenden Prozessvoraussetzungen oder den
Fortgang des Verfahrens betreffen. Unrichtig wird die
Vorentscheidung danach u.a. dann, wenn in der Revisionsinstanz das
Rechtsschutzinteresse und damit eine Prozessvoraussetzung für
die Klage entfällt (z.B. Beschluss des Großen Senats des
BFH vom 05.03.1979 - GrS 3/78, BFHE 127, 155, BStBl II 1979, 378 =
SIS 79 01 84; BFH-Urteil vom 08.03.1996 - VIII R 92/89, BFH/NV
1996, 776; vgl. ferner BFH-Urteil vom 18.08.2015 - V R 39/14, BFHE
251, 125, BStBl II 2017, 755 = SIS 15 28 21).
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b) Folgt die Klagebefugnis der
Personengesellschaft ausnahmsweise allein aus dem Schutz ihrer
eigenen steuerrechtlichen Sphäre, entfällt das
Rechtsschutzbedürfnis für diese Klage, wenn die
Personengesellschaft vollbeendet wird. Denn mit der Vollbeendigung
besteht keine eigene steuerrechtliche Sphäre der
Personengesellschaft mehr, aus der sich schützenswerte
Rechtspositionen der Personengesellschaft ergeben könnten. Es
gibt kein Bedürfnis mehr für die Durchführung des
von der Personengesellschaft geführten Klageverfahrens. Damit
entfällt das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für
diese Klage.
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c) Ausgehend von den dargestellten
Rechtsgrundsätzen ist mit der Vollbeendigung der KG
während des Revisionsverfahrens das Rechtsschutzbedürfnis
für ihre Klage entfallen. Denn die Klagebefugnis der KG
beruhte im Streitfall allein auf dem Schutz ihrer eigenen
steuerrechtlichen Sphäre, die mit ihrer Vollbeendigung
ersatzlos weggefallen ist. Damit entfällt das
Rechtsschutzbedürfnis für die ursprünglich
zulässige Klage der KG. Das FG-Urteil, das der Klage der KG
stattgegeben hat, ist damit unrichtig geworden und aufzuheben. Die
Klage ist als unzulässig abzuweisen.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 1 und Abs. 3, § 139 Abs. 4 FGO.
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