Die Revision der Klägerinnen gegen das
Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 24.11.2020 - 6 K
3291/19 F = SIS 21 00 83 wird als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die
Klägerinnen zu tragen.
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I. Die Beteiligten streiten darüber,
ob in den Jahren 2014 bis 2016 (Streitjahre) zwischen den
Klägerinnen eine körperschaftsteuerrechtliche Organschaft
bestand.
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Die Klägerin und
Revisionsklägerin zu 1. (Klägerin zu 1.), eine GmbH, war
in den Streitjahren zu 79,8 % an der Klägerin und
Revisionsklägerin zu 2. (Klägerin zu 2.), ebenfalls eine
GmbH, beteiligt. Die übrigen Anteile hielten zu 10,2 % C und
zu 10 % D. Der Gesellschaftsvertrag der Klägerin zu 2.
enthielt unter anderem folgende Regelungen:
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„§ 7 Einschränkung der
Geschäftsführung
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Der oder die Geschäftsführer
haben in folgenden Fällen die vorherige Zustimmung der
Gesellschafterversammlung einzuholen:
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a)
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bei allen Rechtsgeschäften, die einen
einmaligen Aufwand von voraussichtlich mehr als DM 50.000,00
erfordern,
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b)
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bei Verträgen, deren Vollzug durch
Grundbucheintragung erfolgt,
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c)
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bei Darlehensaufnahmen und
Kreditgewährungen von mehr als DM 20.000,00.
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§ 8
Gesellschafterversammlung/Gesellschafterbeschlüsse
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[…]
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4. Die Gesellschafterversammlung ist
beschlussfähig, wenn die erschienenen Gesellschafter 100 % des
Stammkapitals vertreten. Kommt eine beschlussfähige
Gesellschafterversammlung nicht zustande, so ist eine neue
Versammlung einzuberufen, die dann ohne Rücksicht auf die
Höhe des vertretenen Stammkapitals beschlussfähig ist;
auf diesen Umstand ist bei der 2. Einberufung ausdrücklich
hinzuweisen.
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[…]
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6. Beschlüsse der Gesellschaft
bedürfen einer Mehrheit von 91 % aller in der
Gesellschafterversammlung anwesenden Stimmen, soweit nicht das
Gesetz oder die Satzung eine höhere Mehrheit
vorschreibt.
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[…]“
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Am 19.12.2013 schlossen die Klägerin
zu 1. als Organträgerin und die Klägerin zu 2. als
Organgesellschaft einen
„Gewinnabführungsvertrag“ (EAV),
dem sämtliche Gesellschafter der Klägerin zu 2. mit
notarieller Urkunde vom gleichen Tag zustimmten.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte
(Finanzamt - FA - ) erließ für die Streitjahre
zunächst Bescheide über die gesonderte und einheitliche
Feststellung des der Organträgerin zuzurechnenden Einkommens
und sonstiger damit im Zusammenhang stehender
Besteuerungsgrundlagen nach § 14 Abs. 5 des
Körperschaftsteuergesetzes in der für die Streitjahre
geltenden Fassung (KStG). Im Anschluss an eine
Außenprüfung hob das FA diese Bescheide auf und
behandelte die abgeführten Gewinne als verdeckte
Gewinnausschüttungen, da die Voraussetzungen einer
körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft mangels finanzieller
Eingliederung nicht erfüllt seien. Die Einsprüche beider
Klägerinnen blieben erfolglos.
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Die hiergegen gerichteten Klagen, die zur
gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden wurden, wies das
Finanzgericht (FG) Düsseldorf mit Urteil vom 24.11.2020 - 6 K
3291/19 F (EFG 2021, 228 = SIS 21 00 83) als unbegründet ab.
Zwar seien die Klagen zulässig, da die Klägerinnen als
Feststellungsbeteiligte klagebefugt seien und durch die Aufhebung
der Feststellungsbescheide nach § 14 Abs. 5 KStG auch
über das Nichtbestehen einer Organschaft entschieden worden
sei. Die Klagen seien jedoch unbegründet, da keine finanzielle
Eingliederung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG vorliege. Die
finanzielle Eingliederung setze unter entsprechender Anwendung der
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur
umsatzsteuerrechtlichen Organschaft voraus, dass der
Organträger seinen Willen in der Gesellschafterversammlung der
Organgesellschaft durchsetzen könne. Wenn - wie im Streitfall
- die Satzung der Organgesellschaft für Beschlüsse der
Gesellschafterversammlung generell eine qualifizierte Mehrheit
vorsehe, reiche hierfür eine einfache Mehrheit der Stimmrechte
nicht aus. Vielmehr hätte die Klägerin zu 1. über
eine entsprechend qualifizierte Mehrheit verfügen müssen.
Diese Voraussetzung liege nicht vor.
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Die Klägerinnen machen mit ihrer
Revision die Verletzung materiellen Rechts geltend und beantragen,
die Vorentscheidung sowie die Bescheide für 2014 bis 2016
über die Aufhebung der gesonderten und einheitlichen
Feststellung des dem Organträger zuzurechnenden Einkommens der
Organgesellschaft und damit zusammenhängender anderer
Besteuerungsgrundlagen nach § 14 Abs. 5 KStG
aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision der Klägerinnen ist
unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2
der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu Recht
entschieden, dass in den Streitjahren eine
körperschaftsteuerrechtliche Organschaft wegen fehlender
finanzieller Eingliederung nicht bestand.
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1. Das FG hat die Klagen gegen die Aufhebung
der Bescheide über die gesonderte und einheitliche
Feststellung nach § 14 Abs. 5 Satz 1 KStG zutreffend als
zulässig angesehen. Die Sachurteilsvoraussetzungen sind
erfüllt.
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a) Zutreffende Klageart ist die von den
Klägerinnen erhobene Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1
Variante 1 FGO). Denn die Klägerinnen begehren nicht den
erstmaligen Erlass eines positiven Feststellungsbescheids nach
§ 14 Abs. 5 Satz 1 KStG (vgl. hierzu Senatsurteil vom
11.07.2023 - I R 36/20, zur amtlichen Veröffentlichung
bestimmt), sondern die Aufhebung eines negativen
Feststellungsbescheids, mit dem das FA die ursprünglich
positiven Feststellungsbescheide aufgehoben hatte. Unter diesen
Umständen ist eine Anfechtungsklage zulässig (BFH-Urteil
vom 22.11.1994 - VIII R 63/93, BFHE 177, 28, BStBl II 1996, 93 =
SIS 95 13 12; Gräber/Teller, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl.,
§ 40 Rz 59; zur Wirkung der Aufhebung eines
Aufhebungsbescheids vgl. auch BFH-Urteil vom 03.07.2014 - III R
53/13, BFHE 246, 437, BStBl II 2015, 282 = SIS 14 29 71 und
BFH-Beschluss vom 09.12.2004 - VII R 16/03, BFHE 208, 37, BStBl II
2006, 346 = SIS 05 08 88).
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b) Die Klägerinnen sind zudem nach §
40 Abs. 2 FGO klagebefugt. Sowohl Organträgerin als auch
Organgesellschaft sind Feststellungsbeteiligte des Verfahrens nach
§ 14 Abs. 5 KStG, die von der Bindungswirkung der gesonderten
und einheitlichen Feststellung betroffen sind; als solche sind sie
klagebefugt.
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Die Rechtsprechung hat dies (auch) für
die Organgesellschaft bereits ausdrücklich erkannt (BFH-Urteil
vom 01.07.2020 - XI R 20/18, BFHE 269, 525, BStBl II 2021, 296 =
SIS 20 21 32, m.w.N., Verfassungsbeschwerde eingelegt, Aktenzeichen
des Bundesverfassungsgerichts 2 BvR 926/21; bestätigt durch
BFH-Urteil vom 18.08.2021 - XI R 43/20, BFHE 274, 124 = SIS 22 02 78). Im Streitfall kommt es auf den hierzu geführten
Meinungsstreit aber im Ergebnis nicht an, da sich die Klagen gegen
einen negativen Feststellungsbescheid richten, der zur Folge hat,
dass die Organgesellschaft (Klägerin zu 2.) ihr Einkommen
selbst versteuern muss. Unter diesen Umständen liegt in jedem
Fall eine Beschwer vor (einschränkend aber Brühl, DStR
2021, 313, 317 - der dortige Verweis auf das Senatsurteil vom
30.01.2013 - I R 35/11, BFHE 240, 304, BStBl II 2013, 560 = SIS 13 14 76 [zu Bescheiden über die Feststellung des Bestands des
steuerlichen Einlagekontos] könnte allerdings die Unterschiede
bei den Feststellungsbeteiligten nicht ausreichend
berücksichtigt haben). Aus § 352 der Abgabenordnung und
§ 48 FGO sind für den Streitfall keine
Einschränkungen erkennbar.
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2. Darüber hinaus hat das FG zu Recht
entschieden, dass die Klagen unbegründet sind. Zwar ist die
streitige Statusfrage des Bestehens oder Nichtbestehens einer
Organschaft Gegenstand des angefochtenen Bescheids über die
Aufhebung der gesonderten und einheitlichen Feststellung nach
§ 14 Abs. 5 Satz 1 KStG (vgl. hierzu Senatsurteile vom
11.07.2023 - I R 21/20 und vom 11.07.2023 - I R 36/20, jeweils zur
amtlichen Veröffentlichung bestimmt). Die Voraussetzungen
einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft lagen in den
Streitjahren aber nicht vor, so dass die ursprünglich
positiven Feststellungsbescheide aufzuheben waren.
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a) Verpflichtet sich eine Europäische
Gesellschaft, Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf
Aktien mit Geschäftsleitung im Inland und Sitz in einem Mitgliedstaat der
Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des
EWR-Abkommens (Organgesellschaft) durch einen
Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 Abs. 1 des
Aktiengesetzes (AktG), ihren ganzen Gewinn an ein einziges anderes
gewerbliches Unternehmen abzuführen, so ist das Einkommen der
Organgesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen dem Träger
des Unternehmens (Organträger) zuzurechnen (§ 14 Abs. 1
Satz 1 KStG). Unter anderem muss der Organträger an der
Organgesellschaft vom Beginn ihres Wirtschaftsjahres an
ununterbrochen in einem solchen Maße beteiligt sein, dass ihm
die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft zusteht
(finanzielle Eingliederung im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr.
1 Satz 1 KStG).
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Sofern sich - wie im Streitfall - eine andere
als die in § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG bezeichnete
Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland und Sitz in
einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem
Vertragsstaat des EWR-Abkommens (und damit auch eine
inländische GmbH wie die Klägerin zu 2.) wirksam
verpflichtet, ihren ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen im
Sinne des § 14 KStG abzuführen, so gelten nach § 17
(Abs. 1) Satz 1 KStG die §§ 14 bis 16 KStG entsprechend.
Darüber hinaus sind die zusätzlichen Voraussetzungen des
§ 17 (Abs. 1) Satz 2 (und Abs. 2) KStG zu
berücksichtigen.
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b) Das FG hat zu Recht entschieden, dass im
Streitfall die Voraussetzung der finanziellen Eingliederung nach
§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 17 (Abs. 1) Satz 1 KStG
nicht erfüllt war.
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aa) Für die finanzielle Eingliederung ist
auf die „Mehrheit der Stimmrechte“
abzustellen. Da es insofern auf die gesellschaftsrechtlichen
Regelungen ankommt (so zutreffend Herlinghaus, FR 2000, 1105,
1111), reicht grundsätzlich die einfache Mehrheit der
Stimmrechte aus (§ 133 Abs. 1 des Aktiengesetzes - AktG -,
§ 47 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit
beschränkter Haftung - GmbHG - ). Sofern dies nicht mit einem
Übergang des wirtschaftlichen Eigentums verbunden ist, wird
die erforderliche Stimmenmehrheit grundsätzlich auch nicht
durch schuldrechtliche Vereinbarungen über die Stimmrechte wie
Stimmbindungsverträge und Stimmrechtsvollmachten beeinflusst
(vgl. Senatsurteil vom 10.05.2017 - I R 51/15, BFHE 258, 351, BStBl
II 2018, 30 = SIS 17 16 40). Dies folgt insbesondere daraus, dass
nach dem Wortlaut des Gesetzes allein die Stimmrechte „aus
den Anteilen“ maßgebend sind (vgl. auch
Brandis/Heuermann/Krumm, § 14 KStG Rz 81a; Rode, FR 2021, 151,
153).
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bb) Sieht die Satzung der Organgesellschaft
für Beschlüsse der Gesellschafterversammlung eine
(höhere) qualifizierte Mehrheit vor, muss der Organträger
aber zumindest in denjenigen Fällen, in denen die
qualifizierte Mehrheit generell erforderlich ist, nicht nur
über eine einfache Mehrheit, sondern über eine
entsprechend qualifizierte Mehrheit der Stimmrechte verfügen,
um die Voraussetzung der finanziellen Eingliederung zu
erfüllen (BeckOK KStG/Ebber, § 14 Rz 330; Frotscher in
Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 14 KStG Rz 210;
Müller in Mössner/Oellerich/Valta,
Körperschaftsteuergesetz, 5. Aufl., § 14 Rz 163; Neumann
in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 14 Rz 131; ähnlich auch
Streck/Olbing, KStG, 10. Aufl., § 14 Rz 21 „für
allgemeine Beschlüsse“; a.A. Walter in
Bott/Walter, KStG § 14 Rz 274 [einfache Mehrheit
maßgebend, solange es Beschlüsse gibt, für die eine
einfache Mehrheit genügt]; Rödder, Jahrbuch der
Fachanwälte für Steuerrecht 2012/2013, 125, 126 [einfache
Mehrheit ohne Einschränkungen maßgebend]).
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(1) Zwar könnte der Wortlaut des §
14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG („Mehrheit der
Stimmrechte“) dafür sprechen,
entsprechend der gesellschaftsrechtlichen Grundnormen (§ 133
Abs. 1 AktG, § 47 Abs. 1 GmbHG) in jedem Fall eine einfache
Mehrheit der Stimmrechte ausreichen zu lassen. Nach der
Begründung des Gesetzentwurfs hat der Gesetzgeber aber bewusst
auf die Mehrheit der Stimmrechte und nicht auf die Mehrheit der
Anteile abgestellt, da es bei dem Kriterium der finanziellen
Eingliederung um eine kapitalmäßige Verflechtung
zwischen Organträger und Organgesellschaft gehe, die den
Organträger in die Lage versetze, tatsächlich das
Geschehen in der Organgesellschaft zu bestimmen (BT-Drucks. V/3882,
S. 2 f.).
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Vor diesem Hintergrund hat das FG zutreffend
die Rechtsprechung des BFH zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft
herangezogen. Dort setzt die finanzielle Eingliederung
grundsätzlich voraus, dass der Organträger in der Weise
an der Organgesellschaft beteiligt sein muss, dass er seinen Willen
in der Gesellschafterversammlung durch Mehrheitsbeschluss
durchsetzen kann (BFH-Urteile vom 22.11.2001 - V R 50/00, BFHE 197,
319, BStBl II 2002, 167 = SIS 02 04 42; vom 15.12.2016 - V R 14/16,
BFHE 256, 562, BStBl II 2017, 600 = SIS 17 03 81, m.w.N.). Auch der
Senat hat in dem Urteil vom 10.05.2017 - I R 51/15 (BFHE 258, 351,
BStBl II 2018, 30 = SIS 17 16 40) für die
körperschaftsteuerrechtliche Organschaft darauf abgestellt, ob
der Organträger durch die Stimmrechte seinen auf die
Organgesellschaft bezogenen Geschäftsleitungswillen
durchsetzen kann. Demnach sind auch von den Mehrheitserfordernissen
des § 133 Abs. 1 AktG und des § 47 Abs. 1 GmbHG
abweichende Satzungsbestimmungen zu berücksichtigen.
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Die neuere Rechtsprechung des BFH zur
umsatzsteuerrechtlichen Organschaft, wonach eine
Willensdurchsetzung auch bei nur 50 % der Stimmrechte möglich
sei (BFH-Urteil vom 18.01.2023 - XI R 29/22 (XI R 16/18), BFHE 279,
320 = SIS 23 04 64), beruht dagegen auf einer Gesamtbetrachtung von
finanzieller, organisatorischer und wirtschaftlicher Eingliederung,
die nicht auf die körperschaftsteuerrechtliche Organschaft
übertragbar ist.
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(2) Nach diesen Maßgaben fehlte der
Klägerin zu 1. die für eine finanzielle Eingliederung
erforderliche qualifizierte Stimmenmehrheit. Zwar hielt sie nach
den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) 79,8 %
der Anteile an der Klägerin zu 2., so dass ihr die einfache
Mehrheit der Stimmrechte zustand. Nach § 8 des
Gesellschaftsvertrags war für Beschlüsse der
Gesellschafterversammlung aber generell eine Mehrheit von 91 %
aller in der Gesellschafterversammlung anwesenden Stimmen
erforderlich. Über diese qualifizierte Mehrheit verfügte
die Klägerin zu 1. nicht.
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(3) Die von den Klägerinnen hiergegen
erhobenen Einwendungen haben keinen Erfolg.
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Insbesondere können sie sich nicht mit
Erfolg darauf berufen, dass die Maßgeblichkeit einer
qualifizierten Mehrheit dem Ziel der Steuervereinfachung durch
Verzicht auf die Voraussetzungen der organisatorischen und
wirtschaftlichen Eingliederung widerspreche und den
Beherrschungsgedanken der organisatorischen Eingliederung in die
finanzielle Eingliederung hineinlese. Hierfür ist
entscheidend, dass die finanzielle Eingliederung allein die
Möglichkeit der Gesellschafter zur Durchsetzung ihres
Geschäftsleitungswillens betrifft, während es bei der
organisatorischen Eingliederung um die Sicherstellung der
tatsächlichen Einflussnahme auf die Geschäftsführung
geht. Letzteres geht über die Durchsetzbarkeit des
Geschäftsleitungswillens durch Ausübung der
Gesellschafterrechte in der Gesellschafterversammlung hinaus, so
dass es nicht zu einer Wiedereinführung des Gedankens der
organisatorischen Eingliederung kommt, wenn im Rahmen der
finanziellen Eingliederung auf die qualifizierte Mehrheit der
Stimmrechte abgestellt wird.
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Auch der Verweis der Klägerinnen auf das
Aktienrecht führt zu keinem anderen Ergebnis. Insofern ist zu
berücksichtigen, dass § 17 Abs. 2 AktG für den Fall
der Mehrheitsbeteiligung eine Abhängigkeit lediglich vermutet.
Diese Vermutung kann unter anderem durch qualifizierte
Mehrheitserfordernisse in der Satzung widerlegt werden
(MüKoAktG/Bayer, 5. Aufl., § 17 Rz 99; Grigoleit, AktG,
2. Aufl., § 17 Rz 24; J. Vetter in K. Schmidt/Lutter, AktG, 4.
Aufl., § 17 Rz 54). Außerdem reicht es für die
Durchsetzbarkeit des Geschäftsleitungswillens bei der
Organgesellschaft nicht aus, (nur) denjenigen
Geschäftsführer abberufen zu können, der
gleichzeitig Minderheitsgesellschafter ist und damit der
Stimmrechtsbeschränkung des § 47 Abs. 4 GmbHG unterliegt.
Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie im Streitfall - zwei
Minderheitsgesellschafter vorhanden sind, deren Stimmen aufgrund
des qualifizierten Mehrheitserfordernisses jeweils allein
ausreichen, um einen Gesellschafterbeschluss zu verhindern. Denn
die Stimmrechtsbeschränkung des § 47 Abs. 4 GmbHG
betrifft lediglich die Stimmberechtigung des jeweils abzuberufenden
Gesellschafter-Geschäftsführers. Schließlich gelten
die gesellschaftsvertraglichen Regelungen zu den Stimmrechten der
Gesellschafter der Organgesellschaft - entgegen der Auffassung der
Klägerinnen - auch während der Laufzeit des EAV.
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cc) Da die Satzung der Klägerin zu 2.
für Beschlüsse der Gesellschafterversammlung generell
eine qualifizierte Mehrheit vorsieht, kann dahingestellt bleiben,
ob und in welchen Konstellationen für die finanzielle
Eingliederung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG auch dann die
qualifizierte Mehrheit der Stimmrechte erforderlich ist, wenn diese
nur für einen Teil der Beschlüsse der
Gesellschafterversammlung geregelt ist. Dies gilt insbesondere
für die Frage, ob die besondere Bedeutung von
Beschlüssen, die die Ergebnisabführung betreffen, aus
Gründen der Praktikabilität dazu führen kann, im
Zweifel allein auf die Mehrheitserfordernisse dieser
Beschlüsse abzustellen (so Brandis/Heuermann/Krumm, § 14
KStG Rz 81; Beinert/M. Marx in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft,
2. Aufl., Rz 12.6; Rode, FR 2021, 151, 152; Brühl/Weiss, Die
Unternehmensbesteuerung 2021, 198, 202; ähnlich auch
Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die
Körperschaftsteuer, § 14 KStG Rz 254
„insbesondere“), oder ob das Gesamtbild
der Verhältnisse maßgebend ist (so Brink in Schnitger/Fehrenbacher,
KStG, 2. Aufl., § 14 Rz 179; Frotscher in
Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 14 KStG Rz
210; Kolbe in Herrmann/Heuer/Raupach, § 14 KStG Rz 111).
Jedenfalls dürften satzungsmäßige qualifizierte
Mehrheitserfordernisse für außerordentliche
Beschlüsse (z.B. Satzungsänderungen oder Umwandlungen)
grundsätzlich keine Rolle spielen (vgl. auch Dötsch in
Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer,
§ 14 KStG Rz 254; Frotscher in Frotscher/Drüen,
KStG/GewStG/UmwStG, § 14 KStG Rz 210; Neumann in Gosch, KStG,
4. Aufl., § 14 Rz 131).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
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