2. Unterliegen entgeltliche Leistungen
zwischen diesen Personen jedenfalls dann dem Anwendungsbereich der
Mehrwertsteuer, wenn der Leistungsempfänger nicht (oder nur
teilweise) zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, da ansonsten die
Gefahr von Steuerverlusten besteht?
II. Das Revisionsverfahren wird bis zur
Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union
ausgesetzt.
1
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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) ist eine Stiftung öffentlichen Rechts. Sie ist
Trägerin einer Universität, die auch einen Bereich
Universitätsmedizin unterhält. Die Klägerin erbringt
als Steuerpflichtige im Sinne (i.S.) von Art. 4 Abs. 1 der Sechsten
Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung
der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die
Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche
steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (Richtlinie 77/388/EWG) im
Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit Dienstleistungen gegen
Entgelt i.S. von Art. 2 Nr. 1 dieser Richtlinie. Soweit die
entgeltlichen Dienstleistungen auf den Krankenhausbetrieb
entfallen, sind sie entsprechend Art. 13 Teil A Buchst. b der
Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei. Zugleich nimmt die Klägerin
als juristische Person des öffentlichen Rechts (Einrichtung
des öffentlichen Rechts) hoheitliche Aufgaben wahr, für
die sie gemäß Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG
nicht als Steuerpflichtige gilt.
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Die Klägerin ist entsprechend einer
verbindlichen Auskunft, die der Beklagte und Revisionskläger
(Finanzamt - FA - ) gemäß § 89 Abs. 2 der
Abgabenordnung (AO) erteilt hat, nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des
Umsatzsteuergesetzes (UStG) Organträgerin der U-GmbH.
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3
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Die U-GmbH erbrachte im Rahmen ihrer
wirtschaftlichen Tätigkeit i.S. von Art. 4 Abs. 1 der
Richtlinie 77/388/EWG für die Klägerin gegen Entgelt
Reinigungs-, Hygiene- und Wäschereileistungen sowie
Patiententransportdienstleistungen. Die Reinigungsleistungen
erbrachte die U-GmbH in den Räumen der Klägerin. Sie
umfassten den gesamten Gebäudekomplex des Bereichs
Universitätsmedizin, zu dem neben Patientenzimmern, Fluren,
Operationssälen auch Hörsäle und Labore
gehören. Während der eigentliche Krankenhausbereich der
Versorgung der Patienten diente und damit dem wirtschaftlichen
Tätigkeitsbereich der Klägerin zuzuordnen war, in dem sie
als Steuerpflichtige handelt, wurden die Hörsäle, Labore
und andere Räume für die Ausbildung der Studierenden und
damit für den hoheitlichen Bereich der Klägerin genutzt,
für den sie nicht als Steuerpflichtige gilt. Der Anteil des
hoheitlichen Bereichs der zu reinigenden Fläche betrug 7,6 %
der Gesamtfläche. Die U-GmbH erhielt für ihre
Dienstleistungen von der Klägerin im Jahr 2005 (Streitjahr)
eine Vergütung von insgesamt … EUR.
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4
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Im Anschluss an eine
Außenprüfung ging das FA in einem geänderten
Umsatzsteuerbescheid 2005 vom 03.11.2015 davon aus, dass es sich
bei den Betrieben der Klägerin um ein einheitliches
Unternehmen handelt, für das nur eine
Umsatzsteuererklärung abzugeben und dementsprechend nur ein
Umsatzsteuerbescheid zu erteilen sei. Das FA sah dabei die von der
U-GmbH für die Klägerin erbrachten Reinigungsleistungen
als Umsätze an, die innerhalb der zwischen der Klägerin
und der U-GmbH bestehenden Organschaft erbracht und damit
nichtsteuerbar waren. Soweit jedoch die Reinigungsleistungen
für den Hoheitsbereich der Klägerin erfolgten, dienten
sie einer unternehmensfremden Tätigkeit und lösten eine
unentgeltliche Wertabgabe gemäß § 3 Abs. 9a Nr. 2
UStG (Art. 6 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG) bei der
Klägerin aus. Demgemäß ging das FA unter
Berücksichtigung des auf den Hoheitsbereich entfallenden
Flächenanteils von 7,6 % davon aus, dass von der
Gesamtvergütung für die von der U-GmbH an die
Klägerin erbrachten Reinigungsleistungen ein Teilbetrag in
Höhe von … EUR auf die Reinigung der hoheitlich
genutzten Flächen entfiel. Abzüglich eines
Gewinnzuschlags, den das FA mit … EUR bezifferte, errechnete
es eine Bemessungsgrundlage für die unentgeltliche Wertabgabe
in Höhe von … EUR und damit eine um … EUR
höhere Umsatzsteuer. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb
ohne Erfolg.
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Demgegenüber gab das Finanzgericht
(FG) mit seinem in EFG 2020, 881 = SIS 19 22 31 veröffentlichten Urteil der Klage statt. Nach
seinem Urteil liegt eine Organschaft vor, die zur Zusammenfassung
von Klägerin als Organträgerin und U-GmbH als
Organgesellschaft zu einem Unternehmen führt. Diese
Organschaft erstrecke sich auch auf den Hoheitsbereich der
Klägerin. Die Voraussetzungen einer unentgeltlichen Wertabgabe
nach § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG lägen aber nicht vor.
Hiergegen wendet sich das FA mit seiner Revision.
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6
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Der Senat hat im Revisionsverfahren das
Verfahren ausgesetzt und mit Beschluss vom 07.05.2020 - V R 40/19
(Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFHE - 270, 166
= SIS 20 06 63; im Folgenden:
erstes Vorabentscheidungsersuchen) zwei Fragen dem Gerichtshof der
Europäischen Union (EuGH) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Hierauf hat der EuGH mit seinem Urteil Finanzamt T vom 01.12.2022 -
C-269/20 (EU:C:2022:944 = SIS 22 20 92) wie folgt geantwortet:
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„1. Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der
[Richtlinie 77/388/EWG] ist dahin auszulegen, dass er es einem
Mitgliedstaat nicht verwehrt, zum einzigen Steuerpflichtigen einer
Gruppe von Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch
gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische
Beziehungen eng miteinander verbunden sind, den Organträger
dieser Gruppe zu bestimmen, wenn dieser in der Lage ist, seinen
Willen bei den anderen Mitgliedern dieser Gruppe durchzusetzen, und
unter der Voraussetzung, dass diese Bestimmung nicht zur Gefahr von
Steuerverlusten führt.
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2. Das Unionsrecht ist dahin auszulegen,
dass im Fall einer Einheit, die die einzige Steuerpflichtige einer
Gruppe von Personen ist, die zwar rechtlich unabhängig, aber
durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und
organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, und
die zum einen wirtschaftliche Tätigkeiten ausübt,
für die sie der Steuer unterliegt, und zum anderen
Tätigkeiten im Rahmen der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben,
für die sie gemäß Art. 4 Abs. 5 der [Richtlinie
77/388/EWG] nicht als mehrwertsteuerpflichtig gilt, die Erbringung
einer Dienstleistung im Zusammenhang mit dieser hoheitlichen
Tätigkeit durch ein Mitglied dieser Gruppe nicht
gemäß Art. 6 Abs. 2 Buchst. b dieser Richtlinie
besteuert werden darf.“
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7
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Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur
Stellungnahme. Die Klägerin sieht sich durch das EuGH-Urteil
Finanzamt T (EU:C:2022:944 = SIS 22 20 92) in ihrer Rechtsauffassung bestätigt. Sie weist
zudem darauf hin, dass eine richtlinienkonforme Auslegung des
nationalen Rechts in der Weise, dass Leistungen der
Organgesellschaft an den Organträger steuerbar seien,
ausgeschlossen sei. Das FA wendet sich gegen die Ausführungen
des EuGH zur Entnahmebesteuerung.
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8
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II. Der Senat legt dem EuGH die in dem Tenor
bezeichneten Fragen zur Auslegung des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der
Richtlinie 77/388/EWG vor und setzt das Verfahren bis zur
Entscheidung durch den EuGH aus.
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1. Rechtlicher Rahmen
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a) Unionsrecht
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Art. 2 der Richtlinie 77/388/EWG
bestimmte:
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„Der Mehrwertsteuer
unterliegen:
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1. Lieferungen von Gegenständen und
Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland
gegen Entgelt ausführt; ...“
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12
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Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG sah vor:
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„(1) Als Steuerpflichtiger gilt, wer
eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten
selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt,
gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem
Ergebnis.
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...
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(4) Der in Absatz 1 verwendete Begriff
‘selbständig’ schließt
die Lohn- und Gehaltsempfänger und sonstige Personen von der
Besteuerung aus, soweit sie an ihren Arbeitgeber durch einen
Arbeitsvertrag oder ein sonstiges Rechtsverhältnis gebunden
sind, das hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und des
Arbeitsentgelts sowie der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers ein
Verhältnis der Unterordnung schafft.
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Vorbehaltlich der Konsultation nach Artikel
29 steht es jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige
Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch
gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische
Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen
Steuerpflichtigen zu behandeln. ...“
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13
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Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie
77/388/EWG regelte:
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„Unbeschadet sonstiger
Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den
Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und
einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur
Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und
etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:
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...
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b) die Krankenhausbehandlung und die
ärztliche Heilbehandlung sowie die mit ihnen eng verbundenen
Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts
... durchgeführt beziehungsweise bewirkt werden;
...“
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Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG sah
vor:
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„Soweit die Gegenstände und
Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze
verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm
geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:
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a) die geschuldete oder entrichtete
Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die
ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder
geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden,
...“
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b) Nationales Recht
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§ 2 Abs. 2 UStG bestimmt:
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„Die gewerbliche oder berufliche
Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt,
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1. soweit natürliche Personen, einzeln
oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind,
dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet
sind,
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2. wenn eine juristische Person nach dem
Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell,
wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des
Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen
der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland
gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Diese
Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln.
...“
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§ 4 UStG regelte:
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„Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1
fallenden Umsätzen sind steuerfrei:
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...
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16. die mit dem Betrieb der
Krankenhäuser ... eng verbundenen Umsätze, wenn
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a) diese Einrichtungen von juristischen
Personen des öffentlichen Rechts betrieben werden
...“
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§ 15 Abs. 2 UStG sieht vor:
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„Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen
ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den
innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie für
die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung
folgender Umsätze verwendet:
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1. steuerfreie Umsätze;
...“
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19
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2. Erforderlichkeit eines zweiten
Vorabentscheidungsersuchens
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a) Erstes und zweites
Vorabentscheidungsersuchen
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21
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Das zweite Vorabentscheidungsersuchen in
diesem Rechtsstreit bezieht sich auf entgeltliche Leistungen
zwischen den Personen, die i.S. von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der
Richtlinie 77/388/EWG eng miteinander verbunden sind und damit auf
Umsätze zwischen Mitgliedern einer Mehrwertsteuergruppe
(sogenannte Innenumsätze). Zu entscheiden ist, ob derartige
Innenumsätze dem Anwendungsbereich der Steuer i.S. von Art. 2
Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG unterliegen und sie daher steuerbar
sind oder ob sie dem Anwendungsbereich nicht unterliegen und sie
daher als nicht steuerbar anzusehen sind.
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22
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Durch das erste Vorabentscheidungsersuchen war
zu klären, ob die nationale Regelung zur Organschaft
überhaupt unionsrechtskonform ist und ob es zu einer
Entnahmebesteuerung kommt. Dabei hatte der Senat zugrunde gelegt,
dass Innenumsätze nicht dem Anwendungsbereich der
Mehrwertsteuer unterliegen und daher nicht steuerbar sind. Dies
entsprach seiner ständigen Rechtsprechung (vergleiche - vgl. -
zum Beispiel - z.B. - Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
17.07.1952 - V 17/52 S, BFHE 56, 604, Bundessteuerblatt - BStBl -
III 1952, 234 = SIS 52 01 32), an der er bis zuletzt festgehalten
hat (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 15.12.2016 - V R 14/16, BFHE 256,
562, BStBl II 2017, 600 = SIS 17 03 81, Randziffer - Rz - 17).
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23
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Auf dieser Grundlage war durch das erste
Vorabentscheidungsersuchen zu klären, ob die nationale
Regelung zur Organschaft überhaupt unionsrechtskonform ist und
ob es zu einer Entnahmebesteuerung kommt. Nachdem der EuGH diese
Fragen in seinem Urteil Finanzamt T (EU:C:2022:944 = SIS 22 20 92) geklärt hat und der Senat
im Hinblick auf dieses Urteil davon ausgeht, dass die nationale
Regelung zur Organschaft dem Grunde nach unionsrechtskonform ist
und es im Streitfall zu keiner Entnahmebesteuerung kommt, stellen
sich aber aufgrund der EuGH-Urteile Norddeutsche Gesellschaft
für Diakonie vom 01.12.2022 - C-141/20 (EU:C:2022:943 =
SIS 22 20 90) und Finanzamt T
(EU:C:2022:944 = SIS 22 20 92)
nunmehr die jetzigen Vorlagefragen, mit denen für den
Streitfall zu klären ist, ob Innenumsätze entgegen der
ständigen BFH-Rechtsprechung dem Anwendungsbereich der
Mehrwertsteuer unterliegen und damit steuerbar sind.
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24
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Danach bezieht sich das zweite
Vorabentscheidungsersuchen auf andere Fragen als das erste
Vorabentscheidungsersuchen (vgl. zu den Voraussetzungen eines
erneuten Vorabentscheidungsersuchens in derselben Rechtssache
EuGH-Urteil Consorzio Italian Management e Catania Multiservizi vom
06.10.2021 - C-561/19, EU:C:2021:799, Antwort, Rz 33, 38 und
41).
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b) Zur ersten Vorlagefrage
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26
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Zweifel daran, ob die Zusammenfassung mehrerer
Personen zu einem Steuerpflichtigen nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2
der Richtlinie 77/388/EWG dazu führt, dass entgeltliche
Leistungen zwischen diesen Personen nicht dem Anwendungsbereich der
Mehrwertsteuer nach Art. 2 Nr. 1 dieser Richtlinie unterliegen,
ergeben sich aus dem EuGH-Urteil Norddeutsche Gesellschaft für
Diakonie (EU:C:2022:943 = SIS 22 20 90).
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27
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Ausgehend von der Feststellung, dass i.S. von
Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG „eine Leistung nur
dann steuerbar [ist], wenn zwischen dem Leistenden und dem
Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis
besteht“ (EuGH-Urteil Norddeutsche
Gesellschaft für Diakonie, EU:C:2022:943 = SIS 22 20 90, Rz 77), ist zur
„Klärung der Frage, ob ein solches
Rechtsverhältnis zwischen einem Mitglied einer
Mehrwertsteuergruppe und den anderen Mitgliedern dieser Gruppe
einschließlich ihres Organträgers besteht, so dass die
von diesem Mitglied erbrachten Leistungen der Mehrwertsteuer
unterliegen, ... zu untersuchen, ob dieses Mitglied einer
selbständigen Wirtschaftstätigkeit
nachgeht“ (EuGH-Urteil Norddeutsche
Gesellschaft für Diakonie, EU:C:2022:943 = SIS 22 20 90, Rz 78). Ist daher für den
konkreten Streitfall zu bejahen, dass das Mitglied einer
selbständigen Wirtschaftstätigkeit nachgeht (EuGH-Urteil
Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie, EU:C:2022:943, Rz 79),
ergibt sich aus Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG
nicht, dass ein Mitglied, das nicht der Organträger ist,
aufgrund seiner bloßen Zugehörigkeit zu der Gruppe keine
selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeiten ausübt
(EuGH-Urteil Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie,
EU:C:2022:943 = SIS 22 20 90, Rz
80). Dem entspricht es, dass der EuGH für den Streitfall von
einer gegen Entgelt erbrachten Leistung der U-GmbH ausgegangen ist
(EuGH-Urteil Finanzamt T, EU:C:2022:944 = SIS 22 20 92, Rz 60 f.).
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28
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Die vorstehende Betrachtung spricht zwar
für die Steuerbarkeit der Leistungen, die ein Gruppenmitglied
an ein anderes Gruppenmitglied erbringt, beantwortet aber die erste
Vorlagefrage gleichwohl nicht eindeutig, was eine Entscheidung des
EuGH hierzu erforderlich macht.
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29
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c) Zur zweiten Vorlagefrage
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30
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Die Zweifel, ob entgeltliche Leistungen
zwischen den nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie
77/388/EWG verbundenen Personen jedenfalls dann dem
Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer unterliegen, wenn der
Leistungsempfänger nicht (oder nur teilweise) zum
Vorsteuerabzug berechtigt ist, da ansonsten die Gefahr von
Steuerverlusten besteht, ergeben sich daraus, dass der EuGH
für die Bestimmung des Organträgers zum einzigen
Steuerpflichtigen der in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 dieser
Richtlinie genannten Gruppe voraussetzt, dass diese Bestimmung
nicht zur Gefahr von Steuerverlusten führt (EuGH-Urteil
Finanzamt T, EU:C:2022:944 = SIS 22 20 92, erste Antwort). Dabei weist der EuGH darauf hin, dass
sich die Erklärungspflicht des Organträgers auf die
Leistungen erstreckt, die von allen Mitgliedern und an alle
Mitglieder der Mehrwertsteuergruppe erbracht werden (EuGH-Urteil
Finanzamt T, EU:C:2022:944 = SIS 22 20 92, Rz 51). Dies kann sich auch auf die Leistungen beziehen,
die von einem Mitglied an ein anderes Mitglied der
Mehrwertsteuergruppe erbracht werden. Damit stellt sich die Frage,
ob die bisher vom BFH angenommene Nichtsteuerbarkeit derartiger
Innenumsätze zu einer Gefahr von Steuerverlusten führt,
zu denen es nach dem EuGH-Urteil Finanzamt T (EU:C:2022:944) nicht
kommen darf.
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Für die Frage, ob eine Gefahr von
Steuerverlusten gegeben ist, können zwei Steueransprüche
miteinander zu vergleichen sein, die sich auf die Rechtslage ohne
und mit Organschaft entsprechend Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der
Richtlinie 77/388/EWG beziehen. Dabei kann es zur Gefahr von
Steuerverlusten führen, wenn das Gruppenmitglied, das
Empfänger des Innenumsatzes ist, nicht zum (vollen)
Vorsteuerabzug berechtigt ist.
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32
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Denn in dem ersten Fall der
Vergleichsbetrachtung (keine Organschaft/keine Nichtsteuerbarkeit
von Innenumsätzen) entsteht ein Steueranspruch, der zu keinem
Vorsteuerabzug führt. Demgegenüber unterbleibt im zweiten
Fall der Vergleichsbetrachtung (Organschaft mit Nichtsteuerbarkeit
der Innenumsätze) von vornherein die Entstehung eines
Steueranspruchs.
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33
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Die Gefahr von Steuerverlusten wird auch nicht
durch die Haftung der Organgesellschaft nach § 73 AO für
die Steuern des Organträgers gebannt. Sind Innenumsätze
nicht steuerbar, scheidet eine Haftung bereits mangels
Steuerentstehung aus.
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3. Keine Klärung durch die bisherige
Rechtsprechung
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Die Vorlagefragen sind nicht als geklärt
anzusehen.
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a) Unterschiedliche Auffassungen der
Generalanwälte
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Mehrere Generalanwälte haben in ihren
Schlussanträgen unterschiedliche Auffassungen zu der Frage
vertreten, ob Innenumsätze zwischen den Gruppenmitgliedern dem
Anwendungsbereich der Steuer unterliegen und damit steuerbar
sind.
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So sollen einerseits entgeltliche
Umsätze, die zwischen den einzelnen Mitgliedern einer
Mehrwertsteuergruppe bewirkt werden, als Insichgeschäfte der
Gruppe gelten und demzufolge mehrwertsteuerrechtlich nicht existent
sein (Schlussanträge des Generalanwalts Jääskinen in
den Rechtssachen Kommission/Irland vom 27.11.2012 - C-85/11,
EU:C:2012:753, Rz 42, und Kommission/Schweden vom 27.11.2012 -
C-480/10, EU:C:2012:751, Rz 40; Schlussanträge des
Generalanwalts Mengozzi in den Rechtssachen Larentia + Minerva und
Marenave Schiffahrt vom 26.03.2015 - C-108/14 und C-109/14,
EU:C:2015:212, Rz 49). Sie böten keinen Anlass für die
Erhebung oder Verrechnung von Mehrwertsteuer (Schlussanträge
des Generalanwalts van Gerven in der Rechtssache Polysar
Investments Netherlands vom 24.04.1991 - C-60/90, EU:C:1991:171, Rz
9).
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39
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Andererseits sollen die Innenumsätze
zwischen den Gruppenmitgliedern dem Anwendungsbereich der Steuer
unterliegen und damit steuerbar sein (Schlussanträge der
Generalanwältin Medina in der Rechtssache Finanzamt T vom
27.01.2022 - C-269/20, EU:C:2022:60, Rz 36 f., und in der
Rechtssache Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie vom
13.01.2022 - C-141/20, EU:C:2022:11, Rz 64 und 73 mit
Berechnungsbeispiel).
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40
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b) EuGH-Rechtsprechung
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41
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Aus der bisherigen Rechtsprechung des EuGH
ergibt sich keine eindeutige Antwort zur Steuerbarkeit von
Innenumsätzen. Der EuGH hat zwar bisher unter Hinweis auf die
Erwägungen der Kommission entschieden, dass der
Unionsgesetzgeber durch den Erlass von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2
der Richtlinie 77/388/EWG den Mitgliedstaaten ermöglichen
wollte, aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung oder zur
Verhinderung bestimmter Missbräuche die Eigenschaft des
Steuerpflichtigen nicht systematisch an das Merkmal der rein
rechtlichen Selbständigkeit zu knüpfen (EuGH-Urteile
Kommission/Schweden vom 25.04.2013 - C-480/10, EU:C:2013:263 =
SIS 13 20 10, Rz 37, und Larentia
+ Minerva und Marenave Schiffahrt vom 16.07.2015 - C-108/14 und
C-109/14, EU:C:2015:496 = SIS 15 18 50, Rz 40). Allerdings war er mit der Frage, ob Umsätze
zwischen den Gruppenmitgliedern dem Anwendungsbereich der Steuer
unterliegen, noch nicht in entscheidungserheblicher Weise befasst
(vgl. EuGH-Urteile Ampliscientifica und Amplifin vom 22.05.2008 -
C-162/07, EU:C:2008:301 = SIS 08 27 52; Kommission/Irland vom 09.04.2013 - C-85/11,
EU:C:2013:217 = SIS 13 17 65;
Kommission/Schweden, EU:C:2013:263 = SIS 13 20 10; Skandia America (USA), filial Sverige, vom
17.09.2014 - C-7/13, EU:C:2014:2225 = SIS 14 27 90; Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt,
EU:C:2015:496 = SIS 15 18 50;
Kaplan International Colleges UK vom 18.11.2020 - C-77/19,
EU:C:2020:934 = SIS 20 19 58;
Danske Bank vom 11.03.2021 - C-812/19, EU:C:2021:196 = SIS 21 04 45; Finanzamt für
Körperschaften Berlin vom 15.04.2021 - C-868/19, EU:C:2021:285
= SIS 21 05 99).
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42
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4. Beurteilung durch das vorlegende
Gericht
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43
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Bei der Auslegung einer unionsrechtlichen
Vorschrift sind nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Kontext
und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der
sie gehört, verfolgt werden. Ferner folgt aus den
Anforderungen sowohl der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts
als auch des Gleichheitsgrundsatzes, dass die Begriffe einer
unionsrechtlichen Bestimmung, die für die Ermittlung ihres
Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht
der Mitgliedstaaten verweisen, in der Regel in der gesamten
Europäischen Union eine autonome und einheitliche Auslegung
erhalten müssen (EuGH-Urteil Finanzamt T, EU:C:2022:944 =
SIS 22 20 92, Rz 35 f.). Auf
dieser Grundlage spricht einiges dafür, dass Innenumsätze
- anders als bisher vom BFH angenommen - dem Anwendungsbereich der
Mehrwertsteuer unterliegen und damit steuerbar sind.
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44
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a) Wortlaut
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45
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Nach dem Wortlaut von Art. 2 Nr. 1 der
Richtlinie 77/388/EWG ist für die Steuerbarkeit des Umsatzes
nicht danach zu unterscheiden, ob das Mitglied einer Gruppe i.S.
von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG eine
entgeltliche Leistung an einen Dritten, der nicht der Gruppe
angehört (Außenumsätze), oder an ein anderes
Gruppenmitglied (Innenumsätze) erbringt. Dies spricht für
eine Steuerbarkeit der Innenumsätze.
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46
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Die in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der
Richtlinie 77/388/EWG angeordnete Rechtsfolge der Zusammenfassung
zu einem Steuerpflichtigen lässt demgegenüber
gleichermaßen die Annahme einer Steuerbarkeit wie auch die
einer Nichtsteuerbarkeit zu.
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47
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b) Entstehungsgeschichte
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48
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aa) Frühere Regelungen des
Unionsrechts
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Der Wortlaut des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der
Richtlinie 77/388/EWG beruht auf Anhang A Nr. 2 zu Art. 4 der
Zweiten Richtlinie 67/228/EWG des Rates vom 11.04.1967 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
die Umsatzsteuern - Struktur und Anwendungsmodalitäten des
gemeinsamen Mehrwertsteuersystems. Dieser gestattete es den
Mitgliedstaaten, „Personen, die zwar rechtlich
unabhängig, aber durch finanzielle, wirtschaftliche und
organisatorische Beziehungen untereinander verbunden sind, nicht
getrennt als mehrere Steuerpflichtige, sondern zusammen als einen
Steuerpflichtigen zu behandeln“. Art. 4
Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG führte dies auf
der Grundlage eines redaktionell geänderten Wortlauts fort
(EuGH-Urteil Kommission/Irland, EU:C:2013:217 = SIS 13 17 65, Rz 39) und stellte es den
Mitgliedstaaten frei, die durch die vorstehenden Beziehungen
verbundenen Personen „zusammen als einen Steuerpflichtigen
zu behandeln“.
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bb) Zweck der Ermächtigung
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Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie
77/388/EWG ermöglichte damit den Mitgliedstaaten, Regelungen
wie die des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG, der schon vor der
Harmonisierung im nationalen Recht bestand, weiter beizubehalten.
So ging die nationale Rechtsprechung auf dieser Grundlage -
weiterhin - davon aus, dass Innenumsätze nicht steuerbar waren
(z.B. BFH-Urteile vom 18.12.1996 - XI R 25/94, BFHE 182, 392, BStBl
II 1997, 441 = SIS 97 11 56, unter II.1.; vom 03.04.2003 - V R
63/01, BFHE 202, 79, BStBl II 2004, 434 = SIS 03 29 16, unter
II.1.; in BFHE 256, 562, BStBl II 2017, 600 = SIS 17 03 81, Rz 17,
und vom 18.09.2019 - XI R 39/17, Sammlung amtlich nicht
veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV
- 2020, 246 = SIS 20 00 45, Rz
26).
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cc) Entfallen des Sachgrundes für die
Nichtsteuerbarkeit
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Allerdings war der ursprüngliche Zweck
der nationalen Organschaftsregelung bereits durch die
Einführung des neuen Systems mit Vorsteuerabzug im nationalen
Recht seit 1968 entfallen und könnte damit auch im Hinblick
auf den Wortlaut der Vorschrift die Nichtsteuerbarkeit der
Innenumsätze nicht mehr rechtfertigen.
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Die Annahme der Nichtsteuerbarkeit der
Innenumsätze beruhte auf der Bedeutung, die der Organschaft
nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG vor der Einführung des
Vorsteuerabzugs durch die Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern zukam. Damals war
Kernstück der im nationalen Recht geregelten Organschaft die
Nichtsteuerbarkeit der Innenumsätze zwischen dem
Organträger und den Organgesellschaften und zwischen den
Organgesellschaften, um eine Steuerkumulation zu vermeiden (vgl.
BFH-Urteil in BFHE 56, 604, BStBl III 1952, 234 = SIS 52 01 32).
Ohne Organschaft führte das bis 31.12.1967 geltende nationale
Umsatzsteuergesetz zu einer solchen Steuerkumulation, da
grundsätzlich jeder Umsatz in jeder Wirtschaftsstufe von der
Steuer erfasst wurde, ohne dass ein Recht auf Vorsteuerabzug
gegeben war (Allphasen-Bruttobesteuerung ohne Recht auf
Vorsteuerabzug).
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c) Kontext
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Nach dem Kontext der Art. 2 Nr. 1 und Art. 4
Abs. 1 und Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG erbringen
Mitglieder ihre Innenumsätze im Rahmen einer
selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit (siehe - s. -
oben II.2.b), so dass die Steuerbarkeit zu bejahen ist. Zudem ist
Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG in Verbindung
mit - i.V.m. - deren Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 dahin auszulegen,
dass er es einem Mitgliedstaat nicht gestattet, Einheiten im Wege
der Typisierung als nicht selbständig anzusehen, wenn sie
finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in den
Organträger einer Mehrwertsteuergruppe eingegliedert sind
(EuGH-Urteil Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie,
EU:C:2022:943 = SIS 22 20 90, Rz
81).
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d) Regelungsziele
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Eine Nichtsteuerbarkeit der Innenumsätze
dürften die mit Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie
77/388/EWG verfolgten Ziele nicht erfordern. Diese Ziele sieht der
EuGH darin, „die Eigenschaft des Steuerpflichtigen nicht
systematisch an das Merkmal der ‘rein rechtlichen
Selbständigkeit’ zu knüpfen, und zwar aus
Gründen der Verwaltungsvereinfachung oder zur Verhinderung
bestimmter Missbräuche, wie z.B. der Aufspaltung eines
Unternehmens zwischen mehreren Steuerpflichtigen, um in den Genuss
einer Sonderregelung zu gelangen“
(EuGH-Urteil Finanzamt T, EU:C:2022:944 = SIS 22 20 92, Rz 43).
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aa) Verwaltungsvereinfachung
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(1) Verfahrensrechtliche
Vereinfachung
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Bei der Verwaltung, die durch Art. 4 Abs. 4
Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG vereinfacht werden soll, geht
es aus der Sicht des Senats um die Verwaltung des sich nach der
Richtlinie ergebenden Steueranspruchs. Verwaltungsvereinfachung
zielt daher in erster Linie auf das Besteuerungsverfahren ab.
Dieses vereinfacht sich dadurch, dass aufgrund der Gruppenbildung
nicht mehr mehrere Steuererklärungen abzugeben sind, da diese
zu einer Steuererklärung zusammengefasst werden. Eine in
diesem Sinne verfahrensrechtliche Verwaltungsvereinfachung hat
keinen Einfluss auf den sich nach dem materiellen Recht ergebenden
Steueranspruch. Sie führt daher dazu, dass Innenumsätze
zwischen den nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie
77/388/EWG miteinander verbundenen Personen weiterhin dem
Anwendungsbereich der Steuer unterliegen. Sie sind dann, wie die
Generalanwältin Medina in ihren Schlussanträgen in den
Rechtssachen Finanzamt T (EU:C:2022:60) und Norddeutsche
Gesellschaft für Diakonie (EU:C:2022:11) ausführlich
dargelegt hat (s. oben II.3.a), erklärungspflichtig und
führen zu einer Steuerschuld, falls für die Leistung
keine Steuerbefreiung besteht.
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(2) Materiell-rechtliche
Vereinfachung?
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Verwaltungsvereinfachung kann sich aber auch
auf das materielle Recht beziehen, indem Innenumsätze zwischen
den Gruppenmitgliedern als nicht mehr dem Anwendungsbereich der
Steuer unterliegend angesehen werden und auf dieser Grundlage die
Erklärungspflicht entfällt. Dies kann dann als
nachvollziehbar erscheinen, wenn das den Innenumsatz empfangende
Gruppenmitglied zum Vorsteuerabzug berechtigt ist und sich
Steuerschuld und Vorsteuerabzugsrecht im Ergebnis saldieren.
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Demgegenüber führt eine allgemeine
Nichtsteuerbarkeit von Innenumsätzen, die auch dann eingreift,
wenn das den Innenumsatz empfangende Gruppenmitglied nicht zum
Vorsteuerabzug berechtigt ist, zu den bereits beschriebenen
Steuerverlusten (s. oben II.2.c) und im Ergebnis nicht zu einer
Verwaltungsvereinfachung, sondern zu einer Nichtbesteuerung.
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Damit stellt sich die vom EuGH zu
beantwortende Frage, ob eine Verwaltungsvereinfachung zu
Steuerverlusten führen darf. Derartigen Steuerverlusten kann
durchaus erhebliches Gewicht zukommen, da die Organschaft im
Hinblick auf die Nichtsteuerbarkeit von Innenumsätzen gerade
für Steuerpflichtige, denen aufgrund einer Steuerfreiheit nach
Art. 13 der Richtlinie 77/388/EWG kein Recht auf Vorsteuerabzug
zusteht (Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen,
Versicherungsgesellschaften oder Banken), als Gestaltungsmittel
angesehen wird, um das Entstehen einer nichtabziehbaren Vorsteuer
zu vermeiden (Grune/Mönckedieck, UR 2012, 541; Heintzen, DStR
1999, 1799).
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Dabei ist auch fraglich, ob für die
Nichtsteuerbarkeit von Innenumsätzen danach zu unterscheiden
ist, ob für den Empfänger des Innenumsatzes das Recht auf
Vorsteuerabzug besteht. Eine derartige Differenzierung könnte
dem Ziel der Verwaltungsvereinfachung widersprechen. Denn zur
Verwaltungsvereinfachung müsste dann geprüft werden, ob
aufgrund eines dem Empfänger zustehenden Rechts auf
Vorsteuerabzug von einer Nichtsteuerbarkeit des Innenumsatzes
auszugehen ist. Es stellt sich jedenfalls aus der Sicht des Senats
nicht als Vereinfachung dar, zur Bestimmung der Nichtsteuerbarkeit
eines Innenumsatzes über die vielfältigen und häufig
nur schwierig zu beantwortenden Fragen zum Abzugsrecht nach Art. 17
der Richtlinie 77/388/EWG entscheiden zu müssen. Der Senat
verweist hierzu, ohne einzelne Entscheidungen herauszugreifen, auf
die umfangreiche Rechtsprechung des EuGH zu dieser Bestimmung.
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Schließlich kann eine Nichtsteuerbarkeit
von Innenumsätzen aufgrund der bloßen Ermächtigung
in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu einer
unterschiedlichen Anwendung des Unionsrechts in den Mitgliedstaaten
führen, da nur einzelne Mitgliedstaaten diese
Ermächtigung ausgeübt haben. Dies kann in einzelnen
Branchen, wie z.B. dem Bank- oder Finanzbereich, zu steuerrechtlich
verursachten Wettbewerbsverzerrungen führen.
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bb) Verhinderung einer künstlichen
Aufspaltung
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Das Ziel der Verhinderung bestimmter
Missbräuche, wie z.B. der Aufspaltung eines Unternehmens
zwischen mehreren Steuerpflichtigen, um in den Genuss einer
Sonderregelung zu gelangen, rechtfertigt keine Nichtsteuerbarkeit
von Innenumsätzen. Sieht man in der Aufspaltung eines
Unternehmens, um z.B. die Sonderregelung für Kleinunternehmen
nach Art. 24 der Richtlinie 77/388/EWG mehrfach in Anspruch zu
nehmen, einen Missbrauch, wird damit einer Nichtbesteuerung von
Umsätzen entgegengewirkt. Damit kommt es gerade zu einer
Besteuerung von Umsätzen. Derartige Überlegungen
können demgemäß eine Nichtbesteuerung von
Innenumsätzen nicht begründen.
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Im Gegenteil könnte der allgemeine
Missbrauchsbegriff (vgl. z.B. EuGH-Urteile Halifax und andere -
u.a. - vom 21.02.2006 - C-255/02, EU:C:2006:121 = SIS 06 12 87, Rz 74 ff.; Cussens u.a. vom
22.11.2017 - C-251/16, EU:C:2017:881 = SIS 17 21 67, Rz 53 und 70; siehe auch
EuGH-Urteil T Danmark und Y Denmark vom 26.02.2019 - C-116/16 und
C-117/16, EU:C:2019:135 = SIS 19 01 85, Rz 97) sogar dafür angeführt werden, dass eine
Steuerbarkeit von Innenumsätzen jedenfalls dann vorliegt, wenn
entgeltliche Leistungen an nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte
Gruppenmitglieder ausgeführt werden sollen. Es geht dann um
die Erlangung eines
„Steuervorteils“ in dem Sinne,
dass die Entstehung einer nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden
Steuer vermieden wird. Ein derartiger
„Steuervorteil“ läuft Art.
17 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zuwider, da diese Regelung den
Vorsteuerabzug an besteuerte Ausgangsumsätze knüpft,
woran es bei der Anwendung von Art. 13 der Richtlinie 77/388/EWG
jedoch gerade fehlt.
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5. Entscheidungserheblichkeit
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a) Steuerbarkeit von
Innenumsätzen
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aa) Richtlinienkonforme Auslegung des
nationalen Rechts
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Sind Innenumsätze steuerbar, ist das
nationale Recht entgegen der Auffassung der Klägerin
richtlinienkonform auslegbar. Da die Nichtsteuerbarkeit der
Innenumsätze nach nationalem Recht aus dem bisherigen
Verständnis des Begriffs „nicht
selbständig“ folgte, der für
beide Nummern des § 2 Abs. 2 UStG übereinstimmend
ausgelegt wurde, wäre der Begriff in § 2 Abs. 2 Nr. 2
UStG normspezifisch und damit eigenständig gegenüber
§ 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG im Sinne des Unionsrechts auszulegen.
Die Unselbständigkeit i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG
würde dann dazu führen, dass der Organträger alle
Umsätze der Organgesellschaften zu erklären und zu
versteuern hat, wobei sich dies entsprechend der Sichtweise der
Generalanwältin Medina in den Rechtssachen Finanzamt T
(EU:C:2022:60, Rz 36 f.) und Norddeutsche Gesellschaft für
Diakonie (EU:C:2022:11, Rz 64 und 73) auch auf die
Innenumsätze erstrecken würde.
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Dem stehen § 2 Abs. 2 Nr. 2 Sätze 2
und 3 UStG nicht entgegen. Zwar sind danach die Wirkungen der
Organschaft auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen
Unternehmensteilen beschränkt und sind diese Unternehmensteile
als ein Unternehmen zu behandeln. Diese Regelungen dienen jedoch
nur dazu, den Anwendungsbereich der Organschaft auf das Inland zu
beschränken (BTDrucks 10/4513, Seite 29). Sie führen
nicht dazu, die Nichtsteuerbarkeit von Innenumsätzen
eigenständig zu begründen, was sich schon daraus ergibt,
dass von der Nichtsteuerbarkeit bereits vor der Schaffung dieser
Regelungen ausgegangen wurde (s. oben II.4.b).
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bb) Folgen für die Entscheidung im
Streitfall
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Sind Innenumsätze steuerbar, hätte
die Revision des FA Erfolg. Zwar hätte die Klägerin
aufgrund der durch das EuGH-Urteil Finanzamt T (EU:C:2022:944 =
SIS 22 20 92) gewonnenen
Erkenntnisse keine Entnahmebesteuerung vorzunehmen.
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Der Senat ist aber nach dem Grundsatz der
sogenannten Vollrevision (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 12.05.2022 - V R
19/20, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2023,
101 = SIS 22 18 88, Rz 11) nach nationalem Recht verpflichtet, die
Entscheidung der Vorinstanz materiell-rechtlich in vollem Umfang
und damit ohne Einschränkung auf die von den Beteiligten
vorgebrachten Streitpunkte zu überprüfen. Daher ist
aufgrund der nunmehr entstandenen Zweifel auch zu prüfen, ob
Innenumsätze steuerbar oder nichtsteuerbar sind.
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Die Frage ist im Streitfall
entscheidungserheblich. Denn die U-GmbH ist im Streitfall einer
selbständigen Wirtschaftstätigkeit nachgegangen (vgl.
auch EuGH-Urteil Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie,
EU:C:2022:943 = SIS 22 20 90, Rz
79), so dass die Voraussetzungen für eine Steuerbarkeit
vorliegen. Ist diese Steuerbarkeit auch unter Berücksichtigung
von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu bejahen,
was durch die beiden Vorlagefragen geklärt werden soll,
hätte die Klägerin, die von der U-GmbH an sie gegen
Entgelt erbrachten Leistungen als einzige Steuerpflichtige der
Gruppe zu versteuern, ohne dass ihr ein Recht auf Vorsteuerabzug
aus diesem Leistungsbezug zusteht. Die Klage wäre daher
abzuweisen. Im Hinblick auf das sogenannte Verböserungsverbot
hat sie dabei allerdings die Leistungen der U-GmbH nur im Umfang
des streitigen Steuerbetrags zu versteuern, wie er sich aus der vom
FA ursprünglich angenommenen Entnahmebesteuerung ergibt. Eine
weitergehende Besteuerung zu Lasten der Klägerin kommt im
gerichtlichen Verfahren danach nicht in Betracht.
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b) Nichtsteuerbarkeit von
Innenumsätzen
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Sind Innenumsätze demgegenüber
entsprechend der bisherigen Beurteilung im nationalen Recht nicht
steuerbar, hätte das FG der Klage zu Recht stattgegeben. Die
Revision des FA wäre als unbegründet
zurückzuweisen.
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6. Zum Rechtsgrund der Vorlage
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Die Vorlage beruht auf Art. 267 des Vertrages
über die Arbeitsweise der Europäischen Union.
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7. Zur Verfahrensaussetzung
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Die Aussetzung des Verfahrens beruht auf
§ 121 Satz 1 i.V.m. § 74 der Finanzgerichtsordnung.
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