6
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Mit Bescheid für 1999 über die
gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen
vom 6.8.2003 stellte das FA Einkünfte der Klägerin aus
Gewerbebetrieb in Höhe von 13.765,75 DM fest. Eine
Hinzurechnung der Unterschiedsbeträge lehnte das FA unter
Hinweis auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF)
vom 24.6.1999 IV C 2 - S 1900 - 65/99 (BStBl I 1999, 669 = SIS 99 15 40, Tz. 25) ab.
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Mit ihrem Einspruch machte die
Klägerin geltend, dass nach der für das Streitjahr
geltenden Gesetzesfassung der Unterschiedsbetrag
„spätestens“ zu den nach § 5a Abs. 4 Satz 3
EStG a.F. genannten Zeitpunkten dem Gewinn hinzuzurechnen sei. Die
Formulierung „spätestens“ schließe die
Möglichkeit der Hinzurechnung zu einem früheren Zeitpunkt
ausdrücklich mit ein. Das vom FA zitierte BMF-Schreiben
verstoße daher gegen den eindeutigen Wortlaut der
gesetzlichen Bestimmung.
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Der Einspruch der Klägerin hatte
keinen Erfolg. In seiner Einspruchsentscheidung vom 10.8.2005
vertrat das FA die Auffassung, die Tonnagebesteuerung sei mit dem
im Mai 1998 verabschiedeten SchAnpG eingeführt worden, und
zwar erstmals für nach dem 31.12.1998 endende
Wirtschaftsjahre. Dabei sei dem Gesetzgeber hinsichtlich des Wortes
„spätestens“ in § 5a Abs. 4 Satz 3 EStG a.F.
offenkundig ein redaktionelles Versehen unterlaufen, das dem BMF
zufolge im Vorgriff auf eine gesetzliche Bereinigung schon im
Streitjahr nicht zu beachten gewesen sei. Dementsprechend sei das
Wort „spätestens“ in § 5a Abs. 4 Satz 3 EStG
in der Fassung des Gesetzes zur Bereinigung von steuerlichen
Vorschriften (Steuerbereinigungsgesetz - StBereinG - 1999) vom
22.12.1999 (BGBl I 1999, 2601) gestrichen worden. Der Klägerin
stehe somit kein Wahlrecht in Bezug auf den Zeitpunkt der
Hinzurechnung der Unterschiedsbeträge zu.
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Mit ihrer Klage vertrat die Klägerin
die Auffassung, die Entstehungsgeschichte der Gesetzesvorschrift
liefere keine Anhaltspunkte für das von der Finanzverwaltung
behauptete redaktionelle Versehen im Hinblick auf das Wort
„spätestens“ in der bis einschließlich 1999
geltenden Gesetzesfassung. Damit stehe dem Steuerpflichtigen ein
Wahlrecht zu, den Unterschiedsbetrag zu einem beliebigen Zeitpunkt
aufzulösen und den hieraus entstehenden Gewinn entsprechend zu
versteuern. Dabei seien die Gründe für die von der
Klägerin begehrte (vorzeitige) Auflösung des
Unterschiedsbetrags unschwer zu erkennen. Durch die
Einschränkungen des Gesetzgebers beim Verlustabzug ab dem
Veranlagungszeitraum 1999 hätten die Gesellschafter der
Klägerin eine Mindestbesteuerung hinnehmen müssen, obwohl
die im Unterschiedsbetrag eingefrorenen stillen Reserven des
Anlagevermögens letztlich nur ein Äquivalent der in den
Vorjahren zugewiesenen Verluste aus der Abschreibung des
Seeschiffes darstellten. Diese auch systematisch nicht zu
rechtfertigende Übermaßbesteuerung lasse sich nur durch
eine frühere Auflösung der Unterschiedsbeträge
vermeiden.
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Das FA berief sich erneut auf das
BMF-Schreiben in BStBl I 1999, 669 = SIS 99 15 40 (Tz. 25) und
wandte ein, dass der Gesetzgeber in § 5a Abs. 4 Satz 3 Buchst.
a EStG a.F. durch das Wort „mindestens“ bereits ein
Wahlrecht zugunsten des Steuerpflichtigen geschaffen habe, auf die
ratierliche Auflösung des Unterschiedsbetrags zu verzichten.
Dem Steuerpflichtigen durch die Formulierung
„spätestens“ eine weitere
Gestaltungsmöglichkeit zu eröffnen, wäre in
Anbetracht des ohnehin schon bestehenden Wahlrechts sinnwidrig.
Dies habe der Gesetzgeber erkannt und als offensichtliches
redaktionelles Versehen entsprechend korrigiert.
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt
und rechnete die gesondert und einheitlich festgestellten
Unterschiedsbeträge in Höhe von 2.464.930,00 DM dem
Gewinn 1999 der Klägerin hinzu. Zur Begründung
führte das FG u.a. aus, die Klägerin sei i.S. des §
40 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beschwert, denn ein
Steuerpflichtiger könne auch durch eine zu niedrige
Gewinnfeststellung beschwert sein, wenn nach seinem Vortrag mit
einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass sich die
aus seiner Sicht zu niedrige Festsetzung in späteren
Veranlagungszeiträumen zu seinen Ungunsten auswirken wird.
Auch seien die gesondert und einheitlich festgestellten
Unterschiedsbeträge wie beantragt dem Gewinn der Klägerin
hinzuzurechnen. Wenn es im einführenden Halbsatz des § 5a
Abs. 4 Satz 3 EStG a.F. heiße, dass
„spätestens“ bei Eintritt eines der beiden in der
Vorschrift genannten Ereignisse der Unterschiedsbetrag dem Gewinn
hinzuzurechnen sei, so schließe dies begrifflich die
Möglichkeit einer früheren Hinzurechnung - vor Eintritt
eines der beiden Ereignisse - zwingend mit ein. Jedes andere
Verständnis verstieße gegen den klaren und insoweit
unmissverständlichen Wortlaut der gesetzlichen Regelung. Ein
Widerspruch oder eine Sinnwidrigkeit zwischen dem Wort
„spätestens“ im einführenden Halbsatz des
§ 5a Abs. 4 Satz 3 EStG a.F. und der Formulierung
„jeweils in Höhe von mindestens einem
Fünftel“ in § 5a Abs. 4 Satz 3 Buchst. a EStG a.F.
bestehe nicht. Denn die (zwingende) ratierliche, über
fünf Jahre gestreckte Hinzurechnung des Unterschiedsbetrags
nach § 5a Abs. 4 Satz 3 Buchst. a EStG a.F. komme nur dann in
Betracht, wenn der Steuerpflichtige nicht (freiwillig) einen
früheren Hinzurechnungszeitpunkt gewählt habe. Nur
für den Fall, dass dieser von seinem Wahlrecht nach § 5a
Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 1 EStG a.F. keinen Gebrauch gemacht habe,
gestatte ihm Satz 3 Buchst. a der Vorschrift eine Streckung der
Hinzurechnung über fünf Jahre. Es handele sich um zwei
alternative Rechtsfolgen, die sich hinsichtlich ihres jeweiligen
Regelungsgehalts nicht berührten. Sinn und Zweck des § 5a
Abs. 4 Satz 3 EStG a.F. bestätigten dieses Auslegungsergebnis,
denn Ziel der Vorschrift sei es, die steuerliche Erfassung der
stillen Reserven, die sich vor dem Übergang zur
Gewinnermittlung nach der Handelsschiffstonnage angesammelt haben,
sicherzustellen. Dieses Ziel werde auch erreicht, wenn dem
Steuerpflichtigen gestattet werde, den Unterschiedsbetrag dem
Gewinn zu einem früheren als den in Satz 3 Buchst. a und b der
Vorschrift genannten Zeitpunkten hinzuzurechnen. Schließlich
sei auch aus den Gesetzesmaterialien zu § 5a EStG a.F. kein
anderes Ergebnis abzuleiten. Die mit dem StBereinG 1999
vorgenommene Streichung des Wortes „spätestens“
gelte erstmals für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.1999
enden, und sei deshalb für den Streitfall nicht
maßgeblich.
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Mit seiner Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts und macht im Wesentlichen geltend,
dass das FG dem Wort „spätestens“ in § 5a
Abs. 4 Satz 3 EStG a.F. zu Unrecht eine eigenständige
Bedeutung beimesse und daraus ein selbstständiges Wahlrecht
ableite, was der Klägerin eine zeitlich zu frühe
Hinzurechnung des Unterschiedsbetrags ermögliche. Das FG
verkenne, das der Gesetzgeber in den Buchst. a und b der Vorschrift
nur zwei Hinzurechnungsereignisse normiert habe. § 5a Abs. 4
Satz 3 Halbsatz 1 EStG a.F. sei zwingend im Zusammenhang mit den
nachfolgenden Buchst. a und b zu sehen. In Verbindung mit Buchst. a
ergebe das Wort „spätestens“ keinen Sinn, da dort
das Wort „mindestens“ bereits - wie sich auch aus
BRDrucks 475/99 ergebe - ein Wahlrecht vorsehe. Für den
Übergang zur Tonnagebesteuerung sei keine Versteuerung der
stillen Reserven erforderlich. Bei dem Wort
„spätestens“ handele es sich um ein
offensichtliches Redaktionsversehen.
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Das FA beantragt, das vorinstanzliche
Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Sie trägt im Wesentlichen vor, das FG
habe zutreffend keinen systemwidrigen Widerspruch zwischen dem Wort
„spätestens“ im einführenden Halbsatz des
§ 5a Abs. 4 Satz 3 EStG a.F. und der anschließenden
Formulierung der Vorschrift erkannt. Es handele sich um alternative
Wahlrechte, die sich nicht widersprächen. Eine vom FA
angenommene systemwidrige Besteuerung aufgrund der von der
Klägerin vorgenommenen freiwilligen Auflösung von stillen
Reserven sei nicht erkennbar. Auch die Gesetzesbegründung
enthalte keine Hinweise auf Unklarheiten im Gesetz, die einer
uneingeschränkten Anwendung der Vorschrift entsprechend ihrem
Wortlaut entgegenstehen könnten. Der Gesetzeswortlaut
eröffne ein Wahlrecht zur vorzeitigen Auflösung des
Unterschiedsbetrags.
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II. Die Revision des FA ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidung und
zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).
Entgegen der Ansicht der Vorinstanz eröffnete das Wort
„spätestens“ im einführenden Halbsatz
des § 5a Abs. 4 Satz 3 EStG a.F. kein Recht des
Steuerpflichtigen, das Jahr der Hinzurechnung eines
Unterschiedsbetrags i.S. des Satzes 1 der Vorschrift frei - im
Streitfall bereits im Wirtschaftsjahr der erstmaligen Anwendung des
§ 5a Abs. 1 EStG a.F. - zu wählen. Auch ein teilweiser
Ansatz der streitbefangenen Unterschiedsbeträge im Streitjahr
scheidet aus, denn eine Hinzurechnung nach § 5a Abs. 4 Satz 3
Buchst. a EStG a.F. ist erst nach einem Übergang zur
regulären Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 oder § 5
EStG, nicht hingegen in der Zeit der Anwendung der (pauschalen)
Gewinnermittlung nach § 5a Abs. 1 EStG zulässig; die
Voraussetzungen von Buchst. b der Vorschrift sind weder vorgetragen
worden noch sonst ersichtlich. Deshalb hat das FA zu Recht eine
Hinzurechnung der streitbefangenen Unterschiedsbeträge
abgelehnt.
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1. a) § 5a Abs. 1 EStG a.F. lässt
anstelle der Ermittlung des Gewinns nach § 4 Abs. 1 oder
§ 5 EStG auf unwiderruflichen Antrag des Steuerpflichtigen
unter weiteren Voraussetzungen die (pauschale) Ermittlung des
Gewinns, soweit er auf den Betrieb von Handelsschiffen im
internationalen Verkehr entfällt, nach der in seinem Betrieb
geführten Tonnage zu. Nach § 5a Abs. 4 Satz 1 EStG a.F.
ist zum Schluss des Wirtschaftsjahres, das der erstmaligen
Anwendung des § 5a Abs. 1 EStG a.F. vorangeht
(Übergangsjahr), für jedes Wirtschaftsgut, das
unmittelbar dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen
Verkehr dient, der Unterschiedsbetrag zwischen Buchwert und
Teilwert in ein besonderes Verzeichnis aufzunehmen. Nach § 5a
Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. ist der Unterschiedsbetrag gesondert und
bei Gesellschaften i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG
einheitlich festzustellen. Nach Satz 3 Buchst. a der Regelung ist
der Unterschiedsbetrag nach Satz 1 dem Gewinn spätestens in
den dem letzten Jahr der Anwendung des § 5a Abs. 1 EStG a.F.
folgenden fünf Wirtschaftsjahren jeweils in Höhe von
mindestens einem Fünftel hinzuzurechnen. In gleicher Weise ist
nach Satz 3 Buchst. b der Norm eine Hinzurechnung vorzunehmen in
dem Jahr, in dem das Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen
ausscheidet oder in dem es nicht mehr unmittelbar dem Betrieb von
Handelsschiffen im internationalen Verkehr dient. Wie auch zwischen
den Beteiligten im Ergebnis unstreitig ist, bestimmt § 5a Abs.
4 Satz 3 Buchst. a EStG a.F. jedenfalls bei isolierter Lesart ohne
seinen einführenden Halbsatz, dass eine Hinzurechnung der
Unterschiedsbeträge, welche die bis zum Übergang zur sog.
Tonnagebesteuerung nach § 5a Abs. 1 EStG aufgelaufenen stillen
Reserven widerspiegeln, (erst) beim - umgekehrten - Übergang
zur regulären Gewinnermittlung nach Maßgabe des in der
Vorschrift genannten, zum Teil nach Wahl des Steuerpflichtigen
anzuwendenden Verteilungsmodus gewinnwirksam vorzunehmen ist
(näher zu den Folgen des Wechsels der Gewinnermittlungsart
z.B. Gosch in Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 5a Rz 21).
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b) § 5a EStG a.F. wurde durch Art. 6 Nr.
1 SchAnpG eingefügt. Nach § 52 Abs. 6b EStG i.d.F. von
Art. 6 Nr. 4 Buchst. a SchAnpG war § 5a Abs. 1 bis 3, 4a bis 6
EStG a.F. erstmals für das Wirtschaftsjahr anzuwenden, das
nach dem 31.12.1998 endet. § 5a Abs. 4 EStG a.F. war erstmals
für das letzte Wirtschaftsjahr anzuwenden, das vor dem
1.1.1999 endet.
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In der als „Entwurf eines Gesetzes
zur Anpassung der Schiffssicherheitsanforderungen in der Seefahrt
an den internationalen Standard
(Schiffssicherheitsanpassungsgesetz)“ bezeichneten
Regierungsvorlage zum SchAnpG war - wie das FG zutreffend
ausgeführt hat - § 5a EStG a.F. nicht enthalten (vgl.
BRDrucks 873/97 und BTDrucks 13/9722). Den Vorschlag der
Einfügung der Vorschrift enthielt erstmals die
Beschlussempfehlung und der Bericht des Ausschusses für
Verkehr des Deutschen Bundestags vom 31.3.1998 (BTDrucks 13/10271);
die Einführung einer Tonnagesteuer sollte der Neubestimmung
der Steuerpolitik für die Seeschifffahrt im europäischen
Wirtschaftsraum entsprechen und der Sicherung des eigenen Standorts
dienen (vgl. im Einzelnen BTDrucks 13/10271, S. 8). Die
Entwurfsfassung des § 5a Abs. 4 EStG sah u.a. vor, in der
Bilanz zum Schluss des Wirtschaftsjahres, das der erstmaligen
Anwendung des Abs. 1 vorangeht (Übergangsjahr), die
Wirtschaftsgüter des Steuerpflichtigen, die unmittelbar dem
Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr dienen, mit
dem Teilwert anzusetzen (Satz 1). Bis zur Höhe des
Unterschiedsbetrags zwischen dem Buchwert und dem Teilwert sollte
eine den Gewinn mindernde Rücklage gebildet werden können
(Satz 3). § 5a Abs. 4 Satz 5 EStG der Entwurfsfassung war wie
folgt formuliert: „Die Rücklage ist spätestens
in den dem letzten Jahr der Anwendung des Absatzes 1 folgenden
fünf Wirtschaftsjahren jeweils in Höhe von mindestens
einem Fünftel gewinnerhöhend aufzulösen.“
Satz 6 der Entwurfsfassung enthielt eine Regelung u.a. für den
Fall des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts i.S. von Satz 1 aus dem
Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen. Eine Begründung
des Wortlauts der empfohlenen Gesetzesfassung im Einzelnen
enthält der genannte Bericht indes nicht.
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Der Bundesrat verlangte unter Anrufung des
Vermittlungsausschusses Änderungen des § 5a EStG,
darunter auch eine andere Fassung des hier in Rede stehenden Abs. 4
der Vorschrift (BTDrucks 13/10710); dabei entsprach der
vorgeschlagene Wortlaut des § 5a Abs. 4 Satz 3 EStG bereits
der späteren, im hier zu entscheidenden Streitfall
anzuwendenden Gesetzesfassung. Zur Begründung (BTDrucks
13/10710, S. 3) wurde nur allgemein ausgeführt, dass mit der
dem Bundesrat vorliegenden Formulierung gewichtige steuerrechtliche
Probleme nicht systemgerecht gelöst würden, die
insbesondere durch das Konkurrenzverhältnis zwischen den
allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften und den speziellen
Regelungen für die Gewinnermittlung nach der Nettotonnage und
durch die Wechselmöglichkeiten zwischen diesen Alternativen
entstünden. Darüber hinaus eröffne die Regelung
unbeabsichtigte Mitnahmeeffekte und dem Förderungszweck
zuwiderlaufende Gestaltungen von neuen Steuersparmodellen. Um die
Tonnagesteuer-Vorschriften steuerlich anwendbar zu machen, sei eine
Reihe steuersystematischer Änderungen erforderlich. Im
Übrigen müssten fehlende Anwendungsregelungen
eingefügt und missverständliche Formulierungen
klargestellt oder redaktionell verbessert werden. Die - nicht
begründete - Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses
(BTDrucks 13/10875) war schließlich Grundlage der
verabschiedeten Gesetzesfassung.
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c) Mit dem bereits erwähnten Schreiben in
BStBl I 1999, 669 = SIS 99 15 40 nahm das BMF u.a. zu den
einkommensteuerlichen Vorschriften des SchAnpG Stellung. In Tz. 25
des Schreibens führte das BMF zum Zeitpunkt der Hinzurechnung
nach § 5a Abs. 4 Satz 3 EStG a.F. aus, das Wort
„spätestens“ sei im Vorgriff auf eine
gesetzliche Bereinigung als offenkundiges redaktionelles Versehen
nicht zu beachten.
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d) Durch Art. 1 Nr. 5 Buchst. a StBereinG 1999
wurde § 5a Abs. 4 Satz 3 EStG neu gefasst. Nach § 52 Abs.
15 Satz 5 EStG i.d.F. von Art. 1 Nr. 40 Buchst. h Doppelbuchst. bb
StBereinG 1999 ist § 5a Abs. 4 EStG in der Fassung dieses
Gesetzes erstmals in dem Wirtschaftsjahr anzuwenden, das nach dem
31.12.1999 endet. Seither ist der Unterschiedsbetrag nach § 5a
Abs. 4 Satz 1 EStG dem Gewinn hinzuzurechnen: 1. in den dem letzten
Jahr der Anwendung des Absatzes 1 folgenden fünf
Wirtschaftsjahren jeweils in Höhe von mindestens einem
Fünftel, 2. in dem Jahr, in dem das Wirtschaftsgut aus dem
Betriebsvermögen ausscheidet oder in dem es nicht mehr
unmittelbar dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen
Verkehr dient, 3. in dem Jahr des Ausscheidens eines
Gesellschafters hinsichtlich des auf ihn entfallenden Anteils. Zur
Begründung ist in den (auch) insoweit gleich lautenden
Gesetzentwürfen der Bundesregierung (BRDrucks 475/99, S. 57)
und der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im
Deutschen Bundestag (BTDrucks 14/1514, S. 29) ausgeführt, bei
der Streichung des Wortes „spätestens“ im
Einleitungssatz (des § 5a Abs. 4 Satz 3 EStG a.F.) handele es
sich um die Bereinigung eines Redaktionsversehens. In der
Besteuerungsregelung nach Nr. 1 (der vorgeschlagenen Neufassung der
Vorschrift) sei durch das Wort „mindestens“
schon ein Wahlrecht zum Verzicht auf die Streckung der
Auflösung des Unterschiedsbetrags enthalten. Nr. 2 (der
vorgeschlagenen Neufassung) knüpfe an den Tatbestand des
Ausscheidens des Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen an.
Es wäre systemwidrig, eine Besteuerung vor Erfüllung der
tatbestandlichen gesetzlichen Voraussetzung durchzuführen. Im
weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens wurde die
Begründung der Neufassung des § 5a Abs. 4 Satz 3 EStG -
soweit ersichtlich - nicht weiter vertieft.
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2. Maßgebend für die Interpretation
eines Gesetzes ist der in ihm zum Ausdruck kommende objektivierte
Wille des Gesetzgebers (vgl. z.B. Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 9.11.1988 1 BvR 243/86,
BVerfGE 79, 106 = SIS 89 07 02, unter B.II.1 der Gründe,
m.w.N.; Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 1.12.1998 VII R
21/97, BFHE 187, 177 = SIS 99 04 83, unter II.2.a der Gründe).
Der Feststellung des zum Ausdruck gekommenen objektivierten Willens
des Gesetzgebers dienen die Auslegung aus dem Wortlaut der Norm
(grammatikalische Auslegung), aus dem Zusammenhang (systematische
Auslegung), aus ihrem Zweck (teleologische Auslegung) sowie aus den
Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte (historische
Auslegung); zur Erfassung des Inhalts einer Norm darf sich der
Richter dieser verschiedenen Auslegungsmethoden gleichzeitig und
nebeneinander bedienen (z.B. BFH-Urteil in BFHE 187, 177 = SIS 99 04 83, m.w.N.). Insbesondere bei der Auslegung einer Norm aus ihrem
Wortlaut ist zu berücksichtigen, dass diese nur eine von
mehreren anerkannten Auslegungsmethoden ist, zu denen - wie
ausgeführt - auch die systematische Auslegung zählt. Nach
Letzterer ist darauf abzustellen, dass einzelne Rechtssätze,
die der Gesetzgeber in einen sachlichen Zusammenhang gebracht hat,
grundsätzlich so zu interpretieren sind, dass sie logisch
miteinander vereinbar sind; Ziel jeder Auslegung ist danach die
Feststellung des Inhalts einer Norm, wie er sich aus dem Wortlaut
und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist
(vgl. BFH-Urteil vom 9.4.2008 II R 39/06, BFH/NV 2008, 1529 = SIS 08 32 19, m.w.N.). Gegen seinen Wortlaut ist die Auslegung eines
Gesetzes allerdings nur ausnahmsweise möglich, wenn
nämlich die wortgetreue Auslegung zu einem sinnwidrigen
Ergebnis führt, das vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt sein
kann (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 1.8.1974 IV R 120/70, BFHE 113,
357, BStBl II 1975, 12 = SIS 75 00 07; vom 7.4.1992 VIII R 79/88,
BFHE 168, 111, BStBl II 1992, 786 = SIS 92 19 04; vom 17.2.1994
VIII R 30/92, BFHE 175, 226, BStBl II 1994, 938 = SIS 94 22 43; vom
17.1.1995 IX R 37/91, BFHE 177, 58, BStBl II 1995, 410 = SIS 95 10 06; vom 12.8.1997 VII R 107/96, BFHE 184, 198, BStBl II 1998, 131 =
SIS 98 03 77; vom 17.5.2006 X R 43/03, BFHE 213, 494, BStBl II
2006, 868 = SIS 06 27 06; vom 17.6.2010 VI R 50/09, BFHE 230, 150 =
SIS 10 23 35; Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung,
Finanzgerichtsordnung, § 4 AO Rz 380) oder wenn sonst
anerkannte Auslegungsmethoden dies verlangen (z.B. BFH-Beschluss
vom 4.2.1999 VII R 112/97, BFHE 188, 5, BStBl II 1999, 430 = SIS 99 12 33, hinsichtlich der verfassungskonformen Auslegung).
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3. Unter Berücksichtigung der zuvor
dargestellten Entwicklungsgeschichte des § 5a Abs. 4 Satz 3
EStG und unter Anwendung der benannten Auslegungsmethoden kann
§ 5a Abs. 4 Satz 3 EStG a.F. nicht dahin ausgelegt werden,
dass das im einführenden Halbsatz der Vorschrift enthaltene
Wort „spätestens“ ungeachtet der
Verwirklichung der in den nachfolgenden Buchst. a und b bestimmten
Tatbestandsmerkmale ein (besonderes) Wahlrecht auf Hinzurechnung
eines Unterschiedsbetrags i.S. von Satz 1 der Norm - im Streitfall
bereits im ersten Wirtschaftsjahr der Gewinnermittlung nach §
5a Abs. 1 EStG - gewährte.
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a) Bereits die beschriebene historische
Entwicklung des § 5a Abs. 4 Satz 3 EStG deutet darauf hin,
dass ein solches Wahlrecht nicht dem objektivierten Willen des
Gesetzgebers entsprach, auch wenn nicht jede
„Fehlleistung“ des Gesetzgebers die Annahme
rechtfertigt, dass dessen objektivierter Wille dem
tatsächlichen oder nachträglich behaupteten Willen des
historischen Gesetzgebers entspricht. Denn der Gesetzgeber hat
ausweislich der zitierten Gesetzesmaterialien ausdrücklich
einen nach eigenem Verständnis „redaktionellen
Fehler“ korrigiert, indem im Zuge einer Neufassung des
Gesetzeswortlauts auch das Wort
„spätestens“ entfallen ist. Dabei ist diese
Begründung des StBereinG 1999 schon ungeachtet der
nachfolgenden Ausführungen sachlich nachvollziehbar, soweit
der ursprüngliche Gesetzestext - wie es im Ergebnis auch die
Beteiligten sehen - zu Zweifeln hinsichtlich seiner Auslegung
Anlass gibt.
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26
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b) Jedenfalls ergibt sich die Versagung des
von der Klägerin geltend gemachten Wahlrechts aus einer
Auslegung des § 5a Abs. 4 Satz 3 EStG a.F., bei der
entsprechend den zuvor genannten Maßstäben sowohl auf
den Wortlaut als auch auf den Sinnzusammenhang abgestellt wird, in
den die Norm hineingestellt ist. Danach kann das im
einführenden Halbsatz der Vorschrift enthaltene Wort
„spätestens“ nur in einem Sinne ausgelegt
werden, dass es mit den nachfolgenden, in den Buchst. a und b der
Regelung enthaltenen Rechtssätzen logisch vereinbar ist. Eine
solche Vereinbarkeit ergibt sich dann, wenn mit dem Wort
„spätestens“ kein gesondertes, von den
Tatbeständen der Buchst. a und b losgelöstes Wahlrecht
bestimmt ist, sondern lediglich eine zeitliche Rangfolge zwischen
diesen beiden Tatbeständen. Abhängig davon, welcher
Tatbestand für ein Wirtschaftsgut, für das ein
Unterschiedsbetrag gesondert festgestellt worden ist, zuerst
verwirklicht wird, bestimmt sich die Rechtsfolge hinsichtlich einer
Besteuerung der in diesem Wirtschaftgut verkörperten, vor dem
Wechsel zur Gewinnermittlung nach § 5a EStG entstandenen
stillen Reserven. Die Rechtsfolge der (gewinnwirksamen)
Hinzurechnung des Unterschiedsbetrags ergibt sich danach entweder
nach Buchst. b u.a. (schon) bei Ausscheiden des Wirtschaftsguts,
für das ein Unterschiedsbetrag gesondert festgestellt worden
ist, aus dem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen, oder
gemäß Buchst. a (spätestens) nach Rückkehr zur
regulären Gewinnermittlung, wobei dem Steuerpflichtigen ein
gewisser Gestaltungsspielraum eingeräumt ist (Hinzurechnung in
den dem letzten Jahr der Gewinnermittlung nach § 5a EStG
folgenden fünf Wirtschaftsjahren „jeweils in
Höhe von mindestens einem Fünftel“).
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Bei einer derartigen Auslegung des Wortes
„spätestens“ handelt es sich (noch) nicht
um eine restriktiv zu handhabende Auslegung gegen den Wortsinn,
denn diesem Tatbestandsmerkmal kommt insoweit ein eigener Gehalt
zu. Deshalb braucht der erkennende Senat nicht zu entscheiden, ob -
wofür im Streitfall Einiges spricht - auch eine Auslegung des
§ 5a Abs. 4 Satz 3 EStG a.F. gegen seinen Wortlaut
zulässig wäre, soweit ein allein dem Wort
„spätestens“ im Sinne der Klägerin zu
entnehmendes Wahlrecht zu einem offenkundig sinnwidrigen Ergebnis
führte.
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c) Dieses Ergebnis deckt sich auch mit dem
Gesetzeszweck, wenn man diesbezüglich darauf abstellt, dass
§ 5a Abs. 4 Satz 3 Buchst. a EStG a.F. den - umgekehrten -
Übergang von der sog. Tonnagebesteuerung zur regulären
Gewinnermittlung betrifft und die Besteuerung vor dem Wechsel zur
Gewinnermittlung nach § 5a Abs. 1 EStG entstandener stiller
Reserven sicherstellen soll, während Buchst. b der Regelung
u.a. eine (sofortige) Besteuerung stiller Reserven
gewährleisten soll, wenn ein Wirtschaftsgut bereits vor der
Rückkehr des Steuerpflichtigen zur regulären
Gewinnermittlung aus dessen Betriebsvermögen ausscheidet. Auch
insoweit kann das Wort „spätestens“ als -
wenn auch vermeintlich missglückte - Anordnung einer
zeitlichen Rangfolge der Tatbestände der Buchst. a und b
ausgelegt werden.
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29
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Im Übrigen bedarf § 5a Abs. 4 Satz 3
EStG a.F. auch bei einem Verständnis des § 5a EStG als im
Hinblick auf die Gesetzesbegründung offenkundige Subventions-
und Lenkungsnorm keiner weiter gehenden Auslegung in dem von der
Klägerin gewünschten Sinne. Denn der Gesetzgeber ist
grundsätzlich - d.h. ungeachtet hier nicht im Streit stehender
gleichheitsrechtlicher Anforderungen an steuerliche Lenkungsnormen
(vgl. z.B. BVerfG-Beschluss vom 21.6.2006 2 BvL 2/99, BVerfGE 116,
164 = SIS 06 33 60, unter C.I.3.b der Gründe; BVerfG-Urteil
vom 9.12.2008 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08,
BVerfGE 122, 210 = SIS 08 43 42, unter C.I.2.b aa der Gründe)
- frei, die Reichweite einer steuerlichen Subvention bzw. Lenkung
zu bestimmen. Deshalb ist er auch nicht gehalten, die
Vergünstigungen des § 5a EStG auf anderweitige
Steuerbegünstigungen derart abzustimmen, dass die dem
Steuerpflichtigen verschafften Vorteile jeweils
uneingeschränkt erhalten bleiben. Daher verhilft der
Klägerin auch ihr Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen dem
Unterschiedsbetrag i.S. von § 5a Abs. 4 Satz 1 EStG a.F. und
den zuvor auf das betreffende Wirtschaftsgut in Anspruch genommenen
Sonderabschreibungen nicht zum Erfolg.
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