1
|
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) betreibt einen Handel mit Elektrogeräten und
eine Reparaturwerkstatt. Er machte nach den tatsächlichen
Feststellungen des Finanzgerichts (FG) seit dem Jahr 1999 von der
sog. „Kleinunternehmerregelung“ des § 19 des
Umsatzsteuergesetzes (UStG) Gebrauch. In den Jahren 2004 und 2005
(Streitjahre) führte er Umsätze mit einer
Bemessungsgrundlage in Höhe von 16.569 EUR (2004) bzw. 19.520
EUR (2005) aus.
|
|
|
|
|
2
|
Durch eine Kontrollmitteilung erhielt der
Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) Kenntnis
davon, dass der Kläger in den Streitjahren über die von
ihm erbrachten Reparaturleistungen mit Hilfe eines Quittungsblocks
„Quittungen“ ausgestellt hatte, in denen er in der
Zeile „Gesamt EUR“ einen Bruttobetrag eintrug. In der
Zeile „+ % MwSt./EUR“ ergänzte der Kläger
handschriftlich „inkl. 16“; einen Steuerbetrag trug er
dort allerdings nicht ein. Die Zeile „Netto EUR“ blieb
gänzlich unausgefüllt. Die Quittungen hatten danach
folgendes Erscheinungsbild:
|
|
|
|
|
|
Grafik
anzeigen
|
|
|
|
|
3
|
Nach Durchführung einer
Außenprüfung beim Kläger vertrat das FA die
Auffassung, dass der Kläger in den Rechnungen, soweit es sich
um Kleinbetragsrechnungen (§ 33 der
Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung - UStDV - ) gehandelt
habe, i.S. des § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG unberechtigt
Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen habe. Es setzte in den nach
§ 164 Abs. 2 der Abgabenordnung geänderten
Umsatzsteuerbescheiden für 2004 und 2005 vom 16.12.2009
insoweit Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG
fest.
|
|
|
|
|
4
|
Den Einspruch des Klägers, mit dem er
unter Hinweis auf das Urteil des Hessischen FG vom 25.6.2009 6 K
565/09 (EFG 2009, 1789 = SIS 09 31 31) vorbrachte, die bloße
Angabe des Steuersatzes und des Bruttobetrags (Entgelt und
Steuerbetrag in einer Summe) sei kein unberechtigter Steuerausweis
i.S. des § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG, wies das FA durch
Einspruchsentscheidung vom 13.7.2010 als unbegründet
zurück. Es verwies zur Begründung auf Abschn. 190d Abs. 1
Satz 5 der Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR; jetzt Abschn. 14c.2.
Abs. 1 Satz 5 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses - UStAE - ),
wonach bei Kleinbetragsrechnungen (§ 33 UStDV) der angegebene
Steuersatz die Wirkung des gesonderten Ausweises einer Steuer
habe.
|
|
|
|
|
5
|
Die Klage hatte Erfolg. Das FG vertrat die
Auffassung, der Kläger schulde die vom FA festgesetzte
Umsatzsteuer nicht gemäß § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG,
weil er in seinen Rechnungen keine Umsatzsteuer gesondert
ausgewiesen habe. Der Kläger habe keinen Geldbetrag genannt
und als Steuerbetrag gekennzeichnet. Allein die Angabe des
maßgeblichen Steuersatzes, mit dessen Hilfe der
Leistungsempfänger den Steuerbetrag gemäß § 35
Abs. 1 UStDV selbst errechnen und als Vorsteuer abziehen
könne, genüge hierfür nicht. Solle in derartigen
Fällen ein Missbrauch verhindert werden, sei eine dahingehende
ausdrückliche gesetzliche Regelung erforderlich. Das Urteil
des FG ist in EFG 2013, 1278 veröffentlicht.
|
|
|
|
|
6
|
Mit seiner Revision rügt das FA
Verletzung materiellen Rechts (§ 14c Abs. 2 Satz 1 UStG). Beim
Kleinunternehmer werde keine Umsatzsteuer erhoben und folgerichtig
dürfe er in seinen Rechnungen keine zum Vorsteuerabzug
berechtigende Umsatzsteuer ausweisen. Es reiche gemäß
§ 35 Abs. 1 UStDV für einen Vorsteuerabzug des
Leistungsempfängers aus Kleinbetragsrechnungen i.S. des §
33 UStDV aus, dass der Leistende, hier der Kläger, das Entgelt
und den Steuerbetrag in einer Summe angebe und der anzuwendende
Steuersatz (hier: 16 %) aufgeführt sei. Die
Leistungsempfänger müssten dann davon ausgehen, dass sie
den Vorsteuerabzug vornehmen dürfen. Um dies zu verhindern,
müsse auf die Kleinbetragsrechnungen des Klägers §
14c Abs. 2 Satz 1 UStG Anwendung finden.
|
|
|
|
|
7
|
Das FA beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
|
|
|
|
|
8
|
Der Kläger beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
|
|
|
|
|
9
|
Er hält die Vorentscheidung für
zutreffend und macht geltend, der Gesetzgeber habe den
Kleinunternehmern in § 19 Abs. 1 Satz 4 UStG nur den
gesonderten Steuerausweis, aber nicht die Ausstellung von
Kleinbetragsrechnungen untersagt. Auch die Finanzverwaltung gehe in
Abschn. 14c.2. Abs. 1 Satz 5 UStAE davon aus, dass in Fällen
der vorliegenden Art kein gesonderter Steuerausweis vorliege,
sondern schreibe der Angabe des Steuersatzes lediglich „die
Wirkung“ des gesonderten Ausweises zu. Dies sei nicht
geeignet, um die Voraussetzungen des § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG
zu begründen oder zu erweitern. Eine Auslegung der Vorschrift
über ihren Wortlaut hinaus sei nicht möglich; wenn das
UStG ein und denselben Ausdruck in § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8
UStG und § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG verwende, sei davon
auszugehen, dass die Begriffe gleich zu verstehen seien.
|
|
|
|
|
10
|
II. Die Revision ist begründet; sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der
Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ). Entgegen der Auffassung des FG liegen die Voraussetzungen
des § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG im Streitfall vor.
|
|
|
|
|
11
|
1. Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag
gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer
nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet nach
§ 14c Abs. 2 Satz 1 UStG den ausgewiesenen Betrag. Diese
Vorschrift gilt auch für einen Kleinunternehmer i.S. des
§ 19 UStG, also für einen Unternehmer, der die
Umsatzgrenzen des § 19 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStG nicht
überschritten hat und deshalb gemäß § 19 Abs. 1
Satz 1 UStG keine Umsatzsteuer zu entrichten braucht. Dies stellt
§ 19 Abs. 1 Satz 3 UStG - wonach § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG
(Nichterhebung der Umsatzsteuer) u.a. nicht für die nach
§ 14c Abs. 2 UStG geschuldete Steuer gilt - ausdrücklich
klar (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9.3.2009 XI B
87/08, juris = SIS 09 40 69) und ergibt sich auch aus der
Gesetzesbegründung zu § 14c Abs. 2 UStG (vgl. BRDrucks
630/03, 84). Ein Kleinunternehmer darf keine Umsatzsteuer gesondert
ausweisen (§ 19 Abs. 1 Satz 4 UStG).
|
|
|
|
|
12
|
a) Zweck des § 14c UStG als
Gefährdungstatbestand ist es, Missbrauch durch Ausstellung von
Rechnungen zu verhindern und der Gefährdung des
Umsatzsteueraufkommens durch ein Ungleichgewicht von Steuer und
Vorsteuerabzug zu begegnen (vgl. BFH-Urteil vom 17.2.2011 V R
39/09, BFHE 233, 94, BStBl II 2011, 734 = SIS 11 16 52, Rz 23)
sowie die unberechtigte Ausgabe von Abrechnungen mit gesondert
ausgewiesener Steuer zu verhindern, die eine Gefährdung des
Steueraufkommens dadurch herbeiführt, dass der Empfänger
der Abrechnung in den Stand versetzt wird, unberechtigt einen
Vorsteuerabzug vorzunehmen (vgl. bereits BFH-Urteile vom 8.12.1988
V R 28/84, BFHE 155, 427, BStBl II 1989, 250 = SIS 89 05 30, unter
II.2.; vom 28.1.1993 V R 75/88, BFHE 171, 94, BStBl II 1993, 357 =
SIS 93 10 25, unter II.1.a; vom 24.9.1998 V R 18/98, BFH/NV 1999,
525 = SIS 98 56 45). Derjenige, der mit einer Rechnung (§ 14
Abs. 4 UStG) oder einer anderen Urkunde das Umsatzsteueraufkommen
gefährdet oder schädigt, muss hierfür einstehen
(BFH-Urteil vom 7.4.2011 V R 44/09, BFHE 234, 430, BStBl II 2011,
954 = SIS 11 27 67).
|
|
|
|
|
13
|
b) § 14c UStG beruhte in den Streitjahren
unionsrechtlich auf Art. 21 Abs. 1 Buchst. d der Sechsten
Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung
der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die
Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG; jetzt Art. 203 der Richtlinie
2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame
Mehrwertsteuersystem), wonach jede Person, die die Mehrwertsteuer
in einer Rechnung ausweist, die Mehrwertsteuer schuldet. Auch damit
soll einer Gefährdung des Steueraufkommens entgegengewirkt
werden, die sich aus dem Recht auf Vorsteuerabzug ergeben kann
(vgl. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union vom
19.9.2000 C-454/98 - Schmeink & Cofreth und Strobel -, Slg.
2000, I-6973, BFH/NV Beilage 2001, 33 = SIS 00 12 77, Rz 57 und 61;
vom 6.11.2003 C-78/02 bis C-80/02 - Karageorgou u.a. -, Slg. 2003,
I-13295, BFH/NV Beilage 2004, 48 = SIS 04 01 41, Rz 50 und 53; vom
18.6.2009 C-566/07 - Stadeco BV -, Slg. 2009, I-5295, BFH/NV 2009,
1371 = SIS 09 26 03, Rz 28; vom 31.1.2013 C-643/11 - LVK -, UR
2013, 346, HFR 2013, 361 = SIS 13 07 81, m. Anm. Klenk; vom
11.4.2013 C-138/12 - Rusedespred OOD -, UR 2013, 432 = SIS 13 11 62, Mehrwertsteuerrecht - MwStR - 2013, 234, Rz 23 f.).
|
|
|
|
|
14
|
c) Führt ein Unternehmer eine Lieferung
oder sonstige Leistung aus, ist er nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr.
2 Satz 1 UStG berechtigt, eine Rechnung auszustellen; in den
Fällen des § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 Satz 2 UStG
ist er - von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen - sogar
verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der
Leistung eine Rechnung auszustellen. Dies gilt auch für
„Kleinunternehmer“ i.S. des § 19 UStG; denn
die Vorschrift des § 14 Abs. 2 UStG wird durch § 19 Abs.
1 Satz 4 UStG nicht ausgeschlossen.
|
|
|
|
|
15
|
d) Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 UStG
muss eine Rechnung u.a. den auf das Entgelt entfallenden
Steuerbetrag enthalten. Diese Vorschrift beruhte in den
Streitjahren auf Art. 22 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie
77/388/EWG, der bestimmte, dass eine Rechnung u.a. den zu zahlenden
Steuerbetrag enthalten muss, außer bei einer Anwendung einer
speziellen Regelung, bei der nach der Richtlinie 77/388/EWG eine
solche Angabe ausgeschlossen wird.
|
|
|
|
|
16
|
e) Allerdings wird das Bundesministerium der
Finanzen durch § 14 Abs. 6 UStG ermächtigt, durch
Rechtsverordnung u.a. zu bestimmen, in welchen Fällen und
unter welchen Voraussetzungen Rechnungen bestimmte Angaben nach
§ 14 Abs. 4 UStG nicht enthalten müssen (§ 14 Abs. 6
Nr. 3 UStG).
|
|
|
|
|
17
|
In Ausübung dieser Befugnis ist in §
33 Satz 1 Nr. 4 UStDV in der in den Streitjahren geltenden Fassung
für steuerpflichtige Lieferungen oder sonstige Leistungen u.a.
bestimmt, dass eine Rechnung, deren Gesamtbetrag 100 EUR (jetzt:
150 EUR) nicht übersteigt, mindestens das Entgelt und den
darauf entfallenden Steuerbetrag in einer Summe sowie den
anzuwendenden Steuersatz enthalten muss. Gleichzeitig wurde in
§ 15 Abs. 5 Nr. 1 UStG i.V.m. § 35 Abs. 1 UStDV bestimmt,
dass bei Rechnungen i.S. des § 33 UStDV der Unternehmer
(Leistungsempfänger) den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen
darf, wenn er den Rechnungsbetrag in Entgelt und Steuerbetrag
aufteilt.
|
|
|
|
|
18
|
Unionsrechtliche Ermächtigung zum Erlass
von § 14 Abs. 6 Nr. 3 i.V.m. § 33 Satz 1 Nr. 4 UStDV war
in den Streitjahren Art. 22 Abs. 9 Buchst. d der Richtlinie
77/388/EWG i.d.F. der Richtlinie 2001/115/EG des Rates vom
20.12.2001 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG mit dem Ziel
der Vereinfachung, Modernisierung und Harmonisierung der
mehrwertsteuerlichen Anforderungen an die Rechnungsstellung, der
bestimmte:
|
|
|
|
|
19
|
|
“d) ... die Mitgliedstaaten
(können) bei Rechnungen für in ihrem Hoheitsgebiet
bewirkte Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen
vorsehen, dass diese Rechnungen in folgenden Fällen bestimmte
Angaben nach Absatz 3 Buchstabe b) nicht enthalten müssen,
|
|
|
- wenn der Rechnungsbetrag geringfügig
ist
|
|
|
- ...
|
|
|
Diese Rechnungen müssen auf jeden Fall
die folgenden Angaben enthalten:
|
|
|
- das Ausstellungsdatum,
|
|
|
- die Identifizierung des
Steuerpflichtigen,
|
|
|
- die Identifizierung der Art der gelieferten
Gegenstände oder der erbrachten Dienstleistungen,
|
|
|
- den zu zahlenden Steuerbetrag oder die
Angaben zu dessen Berechnung.“
|
|
|
|
20
|
2. Nach diesen Grundsätzen liegen die
Voraussetzungen des § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG - entgegen der
Annahme des FG - vor. Denn unter Berücksichtigung von §
33 Satz 1 Nr. 4 und § 35 Abs. 1 UStDV sowie des Zwecks der
Vorschrift ist § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG dahingehend
auszulegen, dass bei Kleinbetragsrechnungen die Angabe des Entgelts
und des darauf entfallenden Steuerbetrags in einer Summe sowie des
anzuwendenden Steuersatzes als gesonderter Ausweis eines
Steuerbetrags i.S. des § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG anzusehen ist
(gl.A. Birkenfeld in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch,
§ 168 Rz 622 und § 165 Rz 211; Kraeusel in
Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 14 Rz 267; Stadie in
Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 14c Rz 94;
Hundt-Eßwein in Offerhaus/Söhn/Lange, § 14c UStG Rz
37; Abschn. 190d Abs. 1 Satz 5 UStR; Abschn. 14c.2. Abs. 1 Satz 5
UStAE; in diese Richtung deutend auch Wagner in Sölch/Ringleb,
Umsatzsteuer, § 14c Rz 157; ebenso Stadie, UStG, 2. Aufl.,
§ 14c Rz 29 zu § 14c Abs. 1; a.A. Bunjes/Korn, UStG, 11.
Aufl., § 14c Rz 6; Scharpenberg in Hartmann/Metzenmacher,
Umsatzsteuergesetz, § 14c Rz 74; Korn, MwStR 2013, 493).
|
|
|
|
|
21
|
a) Dem FG ist zunächst im Ausgangspunkt
darin beizupflichten, dass der Wortlaut des § 14c Abs. 2 Satz
1 UStG verlangt, dass der Unternehmer einen Steuerbetrag gesondert
ausweist, und dass § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 UStG dafür
spricht, darunter grundsätzlich den auf das Entgelt
entfallenden Steuerbetrag zu verstehen. Auch hat das FG zutreffend
erkannt, dass die von ihm vertretene Auslegung dazu führt,
dass die Gefahr besteht, dass Leistungsempfänger aus
Kleinbetragsrechnungen wegen § 35 Abs. 1 UStDV einen
Vorsteuerabzug vornehmen, dem keine Umsatzsteuerschuld des
Leistenden gegenübersteht.
|
|
|
|
|
22
|
b) Zu Unrecht ist das FG allerdings davon
ausgegangen, bei dieser Ausgangslage sei eine „über
den Wortlaut hinausgehende“ Auslegung des § 14c Abs.
2 Satz 1 UStG nicht möglich und zur Vermeidung von
Missbräuchen in Fällen der vorliegenden Art sei eine
dahingehende ausdrückliche gesetzliche Regelung erforderlich.
Das FG hat insoweit seine Wortlautauslegung nicht hinreichend
anhand anderer anerkannter Auslegungsmethoden
überprüft.
|
|
|
|
|
23
|
Bei der Auslegung einer Norm ist zu
berücksichtigen, dass die Wortlautauslegung nur eine von
mehreren anerkannten Auslegungsmethoden ist (vgl. BFH-Urteil vom
21.10.2010 IV R 23/08, BFHE 231, 544, BStBl II 2011, 277 = SIS 11 01 51). Maßgebend für die Interpretation eines Gesetzes
ist der in ihm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des
Gesetzgebers (vgl. z.B. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom
9.11.1988 1 BvR 243/86, BVerfGE 79, 106 = SIS 89 07 02, unter
B.II.1., m.w.N.). Der Feststellung dieses objektivierten Willens
dienen nicht nur die Auslegung aus dem Wortlaut der Norm
(grammatikalische Auslegung), sondern auch die Auslegung aus dem
Zusammenhang (systematische Auslegung; vgl. dazu BFH-Urteil vom
9.4.2008 II R 39/06, BFH/NV 2008, 1529 = SIS 08 32 19, m.w.N.), aus
dem die Vorschrift prägenden Regelungszweck (teleologische
Auslegung, vgl. BFH-Urteil vom 22.5.2003 IX R 23/01, BFH/NV 2003,
1551 = SIS 03 49 42, m.w.N.) sowie aus den Gesetzesmaterialien und
der Entstehungsgeschichte (historische Auslegung; vgl. dazu
BFH-Urteil vom 18.4.2012 X R 5/10, BFHE 237, 106, BFH/NV 2012, 1358
= SIS 12 16 99, Rz 27). Zur Erfassung des Inhalts einer Norm darf
sich der Richter verschiedener Auslegungsmethoden gleichzeitig und
nebeneinander bedienen (z.B. BFH-Urteil vom 1.12.1998 VII R 21/97,
BFHE 187, 177, BFH/NV 1999, 565 = SIS 99 04 83, m.w.N.).
|
|
|
|
|
24
|
c) Systematische und teleologische Auslegung
sprechen vorliegend eindeutig dafür, dass bei
Kleinbetragsrechnungen die Angabe des Entgelts und des darauf
entfallenden Steuerbetrags in einer Summe sowie des anzuwendenden
Steuersatzes wegen § 33 Satz 1 Nr. 4, § 35 Abs. 1 UStDV
einen gesonderten Ausweis eines Steuerbetrags i.S. des § 14c
Abs. 2 Satz 1 UStG darstellt, auch wenn in diesen Rechnungen kein
Steuerbetrag gesondert ausgewiesen wurde. Da - entgegen der
Auffassung des FG - die Wortlautgrenze durch eine solche Auslegung
nicht überschritten ist, ist ihr deshalb der Vorzug zu
geben.
|
|
|
|
|
25
|
aa) Zunächst spricht die systematische
Auslegung dafür, die vom Kläger gemachten Angaben als -
wegen § 19 Abs. 1 Satz 4 UStG unberechtigten - Steuerausweis
i.S. des § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG anzusehen. § 14 Abs. 6
Nr. 3 UStG i.V.m. § 33 Satz 1 Nr. 4 UStDV sind nämlich
Spezialvorschriften zu § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 UStG, die
dessen Regelung insoweit verdrängen. § 14 Abs. 6 Nr. 3
UStG i.V.m. § 33 Satz 1 Nr. 4 UStDV setzt aus
Vereinfachungsgründen bei Kleinbetragsrechnungen die Angaben
zur Berechnung des Steuerbetrags dem zu zahlenden Steuerbetrag
gleich und geht insoweit dem vom FG herangezogenen § 14 Abs. 4
Satz 1 Nr. 8 UStG vor.
|
|
|
|
|
26
|
Unternehmer, die zur Ausstellung von
Rechnungen und zum gesonderten Steuerausweis berechtigt sind,
dürfen bei Kleinbetragsrechnungen sowohl unionsrechtlich als
auch nach nationalem Recht aus Vereinfachungsgründen von
§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 UStG, Art. 22 Abs. 3 Buchst. b der
Richtlinie 77/388/EWG abweichen, ohne dass dem
Leistungsempfänger der Vorsteuerabzug verloren geht; denn
gemäß § 15 Abs. 5 Nr. 1 UStG i.V.m. § 35 Abs. 1
UStDV darf der Unternehmer, der die Leistung empfangen hat, den
Rechnungsbetrag in Entgelt und Steuerbetrag aufteilen. § 33
Satz 1 Nr. 4 UStDV verlagert mithin durch den Verzicht auf den
gesonderten Ausweis von Entgelt und Steuerbetrag lediglich die
Aufteilung auf den Leistungsempfänger (Wagner in
Sölch/Ringleb, a.a.O., § 14 Rz 426); Entgelt und
Steuerbetrag sind jedoch - durch die Angabe von Bruttobetrag und
Steuersatz - in der Rechnung - für den Leistungsempfänger
zulässigerweise aufteilbar - enthalten.
|
|
|
|
|
27
|
Deshalb greift auch der Einwand des Hessischen
FG (in EFG 2009, 1789 = SIS 09 31 31, unter 1.a dd), der
Kleinunternehmer könne bei anderer Beurteilung keine
Kleinbetragsrechnungen erteilen, nicht durch: Entbindet § 19
Abs. 1 Satz 4 UStG den Kleinunternehmer von dem Recht (und der
Pflicht) zum gesonderten Steuerausweis, gilt dies auch für die
an die Stelle des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 UStG tretenden
Vereinfachungsregelungen (hier: § 33 Satz 1 Nr. 4 UStDV), so
dass der Kleinunternehmer statt auf einen gesonderten Steuerausweis
auf die Angabe des anzuwendenden Steuersatzes verzichten (darf und)
muss. Eine Notwendigkeit, auf den Quittungen einen Steuersatz
(hier: 16 %) handschriftlich zu ergänzen, bestand deshalb
für den Kläger nicht.
|
|
|
|
|
28
|
bb) Nur diese Auslegung entspricht dem Zweck
der Vorschrift, einer Gefährdung des Steueraufkommens
entgegenzuwirken, die sich aus dem Recht auf Vorsteuerabzug ergeben
kann. Die unberechtigte Angabe der in § 33 Satz 1 Nr. 4 UStDV
genannten Daten in einer Rechnung gefährdet wegen § 35
Abs. 1 UStDV in gleicher Weise wie ein unberechtigter gesonderter
Steuerausweis das Steueraufkommen, weil einem vom
Leistungsempfänger geltend gemachten Vorsteuerabzug aus der
Kleinbetragsrechnung keine Steuerschuld des Leistenden
gegenübersteht. Der vom Leistungsempfänger
gemäß § 35 Abs. 1 UStDV errechnete Steuerbetrag wird
nach § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG vom Leistenden nicht erhoben,
ohne dass dies erkennbar wäre. Der in § 19 Abs. 1 Satz 4
UStG angeordnete Ausschluss der Kleinunternehmer von der
Berechtigung zum gesonderten Steuerausweis liefe folglich teilweise
leer, wenn seine Verletzung nicht durch § 14c Abs. 2 UStG
bewehrt wäre (vgl. dazu auch BFH-Beschluss vom 26.1.1978 V B
15/77, BFHE 124, 264, BStBl II 1978, 394 = SIS 78 02 22, zu §
14 Abs. 3, § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG a.F.).
|
|
|
|
|
29
|
3. Die Sache ist spruchreif.
|
|
|
|
|
30
|
Die vom Kläger ausgestellten Quittungen
enthalten alle für eine Kleinbetragsrechnung gemäß
§ 33 Satz 1 UStDV, Art. 22 Abs. 9 Buchst. d der Richtlinie
77/388/EWG erforderlichen Angaben: Sie enthalten den
Rechnungsaussteller, das Ausstellungsdatum und eine
Leistungsbeschreibung. Die Angabe des Leistungsempfängers ist
- abweichend von § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG - bei
Kleinbetragsrechnungen nach § 33 Satz 1 Nr. 1 UStDV nicht
erforderlich (Wagner in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 14 Rz
421). Die Angabe des Entgelts und der gesonderte Ausweis eines
Steuerbetrags sind - wie dargelegt - durch die vom Kläger
vorgenommene Angabe des Bruttobetrags und des Steuersatzes erfolgt.
Da der Kläger indes gemäß § 19 Abs. 1 Satz 4
UStG zum gesonderten Steuerausweis nicht berechtigt ist, liegt
darin ein unberechtigter Steuerausweis i.S. des § 14c Abs. 2
Satz 1 UStG.
|
|
|
|
|
|
|