Wasser-Hausanschluss, ermäßigter USt-Satz: Die Verbindung des Wasser-Verteilungsnetzes mit der Anlage des Grundstückseigentümers (sog. Legen eines Hausanschlusses) durch ein Wasserversorgungsunternehmen gegen gesondert berechnetes Entgelt fällt unter den Begriff "Lieferungen von Wasser" i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 34 der Anlage zum UStG und ist deshalb mit dem ermäßigten Steuersatz zu versteuern, wenn die Anschlussleistung an den späteren Wasserbezieher erbracht wird. (zur Anwendung vgl. BMF-Schreiben vom 7.4.2009, IV B 8 - S 7100/07/10024, BStBl 2009 I S. 531 = SIS 09 11 98) - Urt.; BFH 8.10.2008, V R 61/03; SIS 08 41 75
I. Streitig ist, ob das Legen von
Hausanschlüssen zur Versorgung mit Wasser durch ein
Wasserversorgungsunternehmen eine Leistung ist, die mit dem
Regelsteuersatz oder mit dem ermäßigten Steuersatz zu
versteuern ist, wenn die Anschlussleistung an den späteren
Wasserbezieher erbracht wird.
Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) ist ein Zweckverband zur Trinkwasserversorgung und
Abwasserbeseitigung. Mitglieder sind mehrere Städte und Kreise
eines sächsischen Landkreises. Er beliefert Kunden mit
Wasser.
Ferner legt der Kläger auf Verlangen
von Grundstückseigentümern gegen Kostenerstattung
Hausanschlüsse, d.h. er verbindet sein Wasser-Verteilernetz
mit der jeweiligen Anlage des Grundstückseigentümers. Die
Hausanschlüsse bleiben im Eigentum des Klägers.
Der Kläger ist der Auffassung, auf
diese Umsätze - soweit sie an Grundstückseigentümer
ausgeführt werden, die zugleich Empfänger der
nachfolgenden Wasserlieferungen sind - sei (ebenfalls) der
ermäßigte Steuersatz von 7 % anzuwenden, der für
die Lieferung von Wasser gelte. Denn die Hausanschlüsse
hätten ausschließlich den Zweck, die Wasserlieferung
sicherzustellen.
Er meldete in der Umsatzsteuer-Voranmeldung
für das III. Kalendervierteljahr 2000 vom 17.11.2000 neben
Umsätzen zum Steuersatz von 7 v.H. in Höhe von ... DM
(netto) Umsätze zum Steuersatz von 16 v.H. in Höhe von
... DM (netto) aus der Errichtung von Hausanschlüssen
an.
Mit seinem gleichzeitig eingelegten
Einspruch beantragte der Kläger, auf diese Umsätze
(ebenfalls) den Steuersatz von 7 v.H. anzuwenden, der auch für
die Lieferung von Wasser gelte.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) wies den Einspruch durch Einspruchsentscheidung
vom 30.1.2001 mit der Begründung zurück, das Legen von
Hausanschlüssen sei als selbständige Hauptleistung
„Verschaffung der Möglichkeit zum Anschluss an das
Wasserversorgungsnetz“ anzusehen und mit dem Regelsteuersatz
zu versteuern.
Diese Auffassung wird - abweichend von der
bisherigen Praxis (vgl. Tz. 92 des Schreibens des
Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 27.12.1983, BStBl I
1983, 567, 581 = SIS 84 02 28) erstmals in dem BMF-Schreiben vom
4.7.2000 (BStBl I 2000, 1185 = SIS 00 09 91) vertreten (vgl. auch
Tz. 119 des BMF-Schreibens vom 5.8.2004, BStBl I 2004, 638, 676 =
SIS 04 30 50).
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
Es änderte die Umsatzsteuer-Voranmeldung für das III.
Kalendervierteljahr 2000 vom 17.11.2000 in der Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 30.1.2001 dahingehend ab, dass die
Umsatzsteuer um ... DM herabgesetzt wurde. Das FG führte zur
Begründung aus: Die von dem Kläger gegenüber den
jeweiligen Endabnehmern erbrachten Leistungen, nämlich die
Lieferung von Wasser und das Legen der Hausanschlüsse,
stellten insgesamt die einheitliche Leistung „Lieferung von
Wasser“ dar, für die sich nach § 12 Abs. 2 Nr. 1
des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) i.V.m. Nr. 34 der Anlage die
Umsatzsteuer auf 7 v.H. ermäßige. Es liege eine
einheitliche Leistung vor, da das Liefern von Wasser die
Hauptleistung und das Legen des Hausanschlusses eine
unselbständige Nebenleistung zu dieser Hauptleistung sei, die
das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teile.
Das Urteil ist u.a. in EFG 2004, 689 = SIS 03 51 37 veröffentlicht.
Gegen dieses Urteil hat das FA Revision
eingelegt.
Das BMF ist dem Revisionsverfahren auf
Aufforderung des Senats (Beschluss vom 18.1.2005 V R 61/03, BFHE
206, 496, UR 2005, 315 = SIS 05 16 31) beigetreten.
Durch Beschluss vom 3.11.2005 V R 61/03
(BFHE 212, 168, BStBl II 2006, 149 = SIS 06 03 68) hat der Senat
dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH)
folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
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„Fällt die Verbindung des
Wasser-Verteilungsnetzes mit der Anlage des
Grundstückseigentümers (sog. Hausanschluss) durch ein
Wasserversorgungsunternehmen gegen gesondert berechnetes Entgelt
unter den Begriff ‘Lieferung von Wasser’ i.S. der
Richtlinie 77/388/EWG (Anhang D Nr. 2 und Anhang H Kategorie
2)?“
|
Der EuGH hat mit Urteil vom 3.4.2008 Rs.
C-442/05, Zweckverband zur Trinkwasserversorgung und
Abwasserbeseitigung Thorgau-Westelbien (UR 2008, 432 = SIS 08 20 62, BFH/NV Beilage 2008, 212) geantwortet:
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„1. Art. 4 Abs. 5 und Anhang D Nr. 2
der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche
steuerpflichtige Bemessungsgrundlage sind dahin auszulegen, dass
unter den Begriff ‘Lieferungen von Wasser’ im Sinne
dieses Anhangs das Legen eines Hausanschlusses fällt, das wie
im Ausgangsverfahren in der Verlegung einer Leitung besteht, die
die Verbindung des Wasserverteilungsnetzes mit der Wasseranlage
eines Grundstücks ermöglicht, so dass eine Einrichtung
des öffentlichen Rechts, die im Rahmen der öffentlichen
Gewalt tätig wird, für diese Leistung als
Steuerpflichtiger gilt.
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2. Art. 12 Abs. 3 Buchst. a und Anhang H
Kategorie 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 sind dahin auszulegen,
dass unter den Begriff ‘Lieferungen von Wasser’ das
Legen eines Hausanschlusses fällt, das wie im
Ausgangsverfahren in der Verlegung einer Leitung besteht, die die
Verbindung des Wasserverteilungsnetzes mit der Wasseranlage eines
Grundstücks ermöglicht. Zudem können die
Mitgliedstaaten konkrete und spezifische Aspekte der
„Lieferungen von Wasser“ - wie das im Ausgangsverfahren
fragliche Legen eines Hausanschlusses - mit einem
ermäßigten Mehrwertsteuersatz belegen, vorausgesetzt,
sie beachten den Grundsatz der steuerlichen Neutralität, der
dem Gemeinsamen Mehrwertsteuersystem zugrunde liegt.“
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FA und BMF sind der Meinung, das
EuGH-Urteil stehe der von der Finanzverwaltung vertretenen
Auffassung, dass das Legen von Wasserleitungen einschließlich
Hauswasseranschlüssen mit dem vollen Steuersatz zu besteuern
sei (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 1185 = SIS 00 09 91 und in
BStBl I 2004, 638, 676 = SIS 04 30 50), nicht entgegen. Denn nach
dem EuGH-Urteil - das nicht auf das Vorliegen von Haupt- und
Nebenleistung abstelle - stehe den Mitgliedstaaten, solange die
Wettbewerbsneutralität gewahrt sei, ein Wahlrecht zu,
lediglich einzelne „Aspekte der Lieferungen von Wasser“
ermäßigt zu besteuern. Diese selektive Anwendung sei in
der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) dadurch erfolgt,
dass § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 34 der Anlage zum UStG
nur Lieferungen von Wasser erfasse, nicht aber sonstige Leistungen,
wie das Verschaffen der Anschlussmöglichkeit durch das Legen
des (im Eigentum des Klägers verbleibenden) Hausanschlusses,
auch wenn beide Umsätze unter den Begriff „Lieferungen
von Wasser“ i.S. des Anhangs H Kategorie 2 der Sechsten
Richtlinie des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) fielen.
Das BMF führt ergänzend aus,
selbst wenn die Hausanschlüsse - anders als im Streitfall -
geliefert würden, unterlägen (auch) diese Umsätze
nicht der Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 1
UStG i.V.m. Nr. 34 der Anlage zum UStG. Denn der Umfang der von
dieser Steuerermäßigung erfassten Gegenstände werde
- europarechtlich zulässig - durch den Verweis in Nr. 34 der
Anlage zum UStG auf den Zolltarif abgegrenzt. Da Kapitel 22 des
Zolltarifs ausschließlich Flüssigkeiten umfasse,
wäre der körperliche Gegenstand
„Hausanschluss“ in keinem Fall in die von Nr. 34 der
Anlage zum UStG in Bezug genommene Unterposition 2201 9000 des
Zolltarifs einzureihen; dies schließe eine Anwendung der
Steuerermäßigung auf das Legen eines Hausanschlusses
aus.
Dieses Ergebnis entspreche auch dem
historischen Willen des Gesetzgebers. Das UStG 1967 habe lediglich
eine Steuerermäßigung für Milch, Wasser und
bestimmte Milchmischgetränke enthalten. Dies mache deutlich,
dass der Gesetzgeber mit der Steuerermäßigung nach
§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 34 der Anlage zum UStG nur
reine Wasserlieferungen, nicht jedoch andere damit in Zusammenhang
stehende Leistungen habe begünstigen wollen.
Der Kläger tritt dem Vorbringen von FA
und BMF entgegen. Er meint, das EuGH-Urteil besage insbesondere,
dass unter den Begriff „Lieferungen von Wasser“ das
Legen eines Hausanschlusses falle und dies nur bedeuten könne,
dass das Legen von Hausanschlüssen durch ein
Wasser-Versorgungsunternehmen zwar umsatzsteuerpflichtig sei, aber
dem ermäßigten Steuersatz unterliege.
Das FA hat während des
Revisionsverfahrens den Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 2000
vom 13.12.2006 und sodann den geänderten
Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 2000 vom 13.6.2007
erlassen.
Das FA beantragt, unter Aufhebung des
angefochtenen Urteils die Klage gegen den
Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 2000 vom 13.6.2007 als
unbegründet abzuweisen.
Der Kläger beantragt, den
Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 2000 vom 13.6.2007 dahingehend
zu ändern, dass die Umsatzsteuer um ... DM (= ... EUR)
niedriger festgesetzt wird.
Das BMF hat keinen Antrag gestellt.
II. Die Revision des FA ist im Ergebnis
unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2
der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Sie führt zwar aus
verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der
Vorentscheidung, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
1. Das FG hat in dem angefochtenen Urteil die
als Steuerfestsetzung wirkende Umsatzsteuer-Voranmeldung für
das III. Kalendervierteljahr 2000 vom 17.11.2000 (§ 168 der
Abgabenordnung - AO - ) in der Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 30.1.2001 geändert.
a) An die Stelle dieser Steuerfestsetzung trat
während des Revisionsverfahrens gemäß § 68
Satz 1, § 121 Satz 1 FGO zunächst der
Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 2000 vom 13.12.2006 und sodann
der geänderte Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 2000 vom
13.6.2007 (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
23.8.2007 V R 10/05, BFHE 217, 332, BFH/NV 2007, 2217 = SIS 07 34 84).
Damit liegt dem FG-Urteil eine nicht mehr
existierende Steuerfestsetzung zugrunde mit der Folge, dass auch
das FG-Urteil keinen Bestand mehr haben kann (vgl. BFH-Urteile vom
28.8.2003 IV R 20/02, BFHE 203, 143, BStBl II 2004, 10 = SIS 03 42 92; vom 10.11.2004 XI R 30/04, BFHE 208, 194, BStBl II 2005, 274 =
SIS 05 13 14; vom 6.12.2007 V R 61/05, BFH/NV 2008, 907 = SIS 08 16 95, BStBl II 2008, 695 = SIS 08 16 95, unter II.1.).
b) Einer Zurückverweisung an das FG nach
§ 127 FGO bedarf es nicht.
Denn durch den Umsatzsteuer-Jahresbescheid
für 2000 vom 13.12.2006 in der Fassung des
Änderungsbescheides vom 13.6.2007 hat sich angesichts des vom
Kläger der Höhe nach beibehaltenen Antrags der bisherige
Streitstoff nicht verändert, wie die Beteiligten
übereinstimmend mitgeteilt haben. Es geht nach wie vor
ausschließlich um die Steuerermäßigung von
Umsätzen des Klägers, bei denen der Empfänger der
Hausanschlussleistung mit dem Empfänger der nachfolgenden
Wasserlieferung identisch ist.
Der erkennende Senat entscheidet deshalb
gemäß § 126 Abs. 2 FGO in der Sache selbst. Er
weist die Revision des FA mit der Maßgabe als
unbegründet zurück, dass unter Änderung des
Umsatzsteuerbescheids für 2007 vom 13.6.2007 die Umsatzsteuer
2000 entsprechend dem Antrag des Klägers um ... DM (= ... EUR)
niedriger festgesetzt wird.
2. Das FG ist (stillschweigend) davon
ausgegangen, dass der Kläger - als juristische Person des
öffentlichen Rechts (Zweckverband) - mit dem Legen der
Hausanschlüsse als Unternehmer tätig geworden ist.
Das ist zutreffend und ergibt sich nach
nationalem Recht aus § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG i.V.m. § 4
Abs. 4 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG - (vgl. den
Vorlagebeschluss des Senats in BFHE 212, 168, BStBl II 2006, 149 =
SIS 06 03 68, unter II.1. a) und gemeinschaftsrechtlich aus Art. 4
Abs. 5 Unterabs. 3 i.V.m. Anhang D Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG,
wie der EuGH in dem in dieser Sache ergangenen Urteil entschieden
hat (Leitsatz 1). Insoweit besteht unter den Beteiligten auch kein
Streit.
3. Das FG ist ferner zutreffend davon
ausgegangen, dass auf die streitigen Hausanschlussleistungen des
Klägers der ermäßigte Steuersatz anzuwenden
ist.
a) Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG in der im
Streitjahr 2000 geltenden Fassung ermäßigt sich die
Steuer auf 7 v.H. für die Lieferungen, die Einfuhr und den
innergemeinschaftlichen Erwerb der in der Anlage bezeichneten
Gegenstände.
Nr. 34 der Anlage zum UStG (jetzt: Anlage 2
zum UStG) lautet:
|
-
|
Trinkwasser, einschließlich
Quellwasser und Tafelwasser, das in zur Abgabe an den Verbraucher
bestimmten Fertigpackungen in den Verkehr gebracht wird,
|
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-
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Heilwasser und
|
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|
Wasserdampf (aus Unterposition 2201
9000)“.
|
§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 34 der
Anlage zum UStG geht zurück auf § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG
1967 i.V.m. Nr. 29 der Anlage zum UStG 1967, wonach für Wasser
generell der ermäßigte Steuersatz galt (vgl. dazu und
zur Entwicklung der Steuerermäßigung: BFH-Urteil vom
24.8.2006 V R 17/04, BFHE 215, 307, BStBl II 2007, 146 = SIS 06 47 39).
b) Die Steuerermäßigung nach §
12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 34 der Anlage zum UStG für die
„Lieferungen von Wasser“ steht im Einklang mit
Art. 12 Abs. 3 Buchst. a i.V.m. Anhang H Kategorie 2 der Richtlinie
77/388/EWG, wonach „Lieferungen von Wasser“ mit
einem ermäßigten Satz besteuert werden dürfen.
c) Der EuGH hat in dem im vorliegenden
Verfahren ergangenen Urteil entschieden, dass Art. 12 Abs. 3
Buchst. a und Anhang H Kategorie 2 der Richtlinie 77/388/EWG dahin
auszulegen sind, dass unter den Begriff „Lieferungen von
Wasser“ das Legen eines Hausanschlusses fällt, das
wie im Streitfall in der Verlegung einer Leitung besteht, die die
Verbindung des Wasserverteilungsnetzes mit der Wasseranlage eines
Grundstücks ermöglicht (Leitsatz 2, Satz 1).
aa) Zur Begründung hat der EuGH in Rdnr.
40 seines Urteils ausgeführt, da der Hausanschluss, wie sich
aus Rdnr. 34 des Urteils ergebe, für die Wasserversorgung der
Allgemeinheit unentbehrlich sei, falle er unter den Begriff
„Lieferungen von Wasser“ in Anhang H Kategorie 2
der Richtlinie 77/388/EWG. In
Rdnr. 34 des Urteils heißt es, es stehe
fest, dass ohne den Hausanschluss dem Eigentümer oder Bewohner
des Grundstücks kein Wasser bereitgestellt werden könnte;
der Anschluss sei also für die Wasserbereitstellung
unentbehrlich.
bb) Der EuGH verwendet somit zur
Begründung seiner Entscheidung nicht Begriffe wie
„Hauptleistung“ oder
„unselbständige Nebenleistung“, sondern
subsumiert das Legen des Hausanschlusses unter den Begriff
„Lieferungen von Wasser“. Davon gehen die
Beteiligten des vorliegenden Rechtstreits zu Recht
übereinstimmend aus (vgl. auch Wagner, UVR 2008, 189 f.).
cc) Da der nationale Gesetzgeber in § 12
Abs. 2 UStG i.V.m. Nr. 34 der Anlage zum UStG ebenfalls den Begriff
„Lieferungen von Wasser“ verwendet und dieser
Begriff gemeinschaftsrechtlich ausgelegt werden muss, fällt
das Legen eines Hausanschlusses somit unter den Begriff
„Lieferungen von Wasser“ im Sinne dieser
Vorschrift, so dass auf diese Leistung der ermäßigte
Steuersatz anzuwenden ist (zutreffend Tehler,
EU-Umsatzsteuer-Berater 2008, 38).
Ob - was das BMF geltend macht - dieses
Ergebnis dem historischen Willen des Gesetzgebers des UStG 1967
widerspricht, ist unerheblich. Im Übrigen wurde in der
überkommenen Rechtspraxis in der Bundesrepublik bis zum
BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 1185 = SIS 00 09 91 das Legen von
Hausanschlüssen als Nebenleistung zur
(steuerbegünstigten) Lieferung von Wasser angesehen (vgl.
BFH-Beschluss in BFHE 206, 496, UR 2005, 315 = SIS 05 16 31, unter
II. 2. b und c; BMF-Schreiben in BStBl I 1983, 567, 581 = SIS 84 02 28).
d) Allerdings hat der EuGH ferner entschieden,
die Mitgliedstaaten könnten konkrete und spezifische Aspekte
der „Lieferungen von Wasser“ - wie das im
Streitfall fragliche Legen eines Hausanschlusses - mit einem
ermäßigten Mehrwertsteuersatz belegen, vorausgesetzt,
sie beachteten den Grundsatz der steuerlichen Neutralität, der
dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem zugrunde liege (Leitsatz 2,
Satz 2). Diese Ausführungen rechtfertigen aber keine andere
Entscheidung des vorliegenden Streitfalls.
aa) Nimmt man diese Aussage des EuGH
wörtlich, kommt ihr im Streitfall (bereits) deshalb keine
Bedeutung zu, weil das FA das Legen eines Hausanschlusses nicht im
Sinne von Leitsatz 2 Satz 2 des EuGH-Urteils „mit einem
ermäßigten Mehrwertsteuersatz belegen“ will,
sondern - in Übereinstimung mit den BMF-Schreiben in BStBl I
2000, 1185 = SIS 00 09 91 und in BStBl I 2004, 638, 676 = SIS 04 30 50 - mit dem Regelsteuersatz. Im vorliegenden Streitfall geht es
mithin - gewissermaßen umgekehrt - darum, dass das Verlegen
der Hausanschlüsse vom FA mit dem Regelsteuersatz besteuert
worden ist, während die Wasserlieferungen mit dem
ermäßigten Steuersatz zu besteuern sind.
bb) Der Senat geht aber angesichts der vom
EuGH für diese Aussage gegebenen Begründung (Rdnrn. 41
bis 43 des Urteils) übereinstimmend mit den Beteiligten davon
aus, dass Leitsatz 2 Satz 2 des EuGH-Urteils - entgegen dessen
Wortlaut - in dem Sinne zu verstehen ist, dass die Mitgliedstaaten
das Legen eines Hausanschlusses von der grundsätzlichen
Steuerermäßigung für die „Lieferungen von
Wasser“ (Art. 12 Abs. 3 Buchst. a und Anhang H Kategorie
2 der Richtlinie 77/388/EWG, § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr.
34 der Anlage zum UStG) ausschließen dürfen.
Denn der EuGH hat u.a. ausgeführt, der
Wortlaut von Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG
zwinge nicht zu der Auslegung, dass der ermäßigte Satz
nur dann angewendet werden könne, wenn er sich auf alle
Aspekte der „Lieferungen von Wasser“ im Sinne
des Anhangs H der Richtlinie beziehe, so dass eine selektive
Anwendung des ermäßigten Satzes nicht ausgeschlossen
sei, sofern sie keine Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung nach sich
ziehe (Rdnr. 41). In dem dort vom EuGH in Bezug genommenen Urteil
vom 8.5.2003 Rs. C-384/01, Kommission/Frankreich (Slg. 2003,
I-4395, BFH/NV Beilage 2003, 161 = SIS 03 27 14) hatte der EuGH die
Rechtmäßigkeit der Anwendung eines ermäßigten
Steuersatzes auf Anschlussgrundgebühren für Gas- und
Elektrizitätslieferungen in Frankreich bejaht, während
die Lieferungen selbst dem Normalsatz unterlagen (vgl. Rdnrn. 4, 5
dieses EuGH-Urteils).
cc) Ein solcher Ausschluss des Legens eines
Hausanschlusses durch „die Mitgliedstaaten“ von
der für Wasserlieferungen geltenden
Steuerermäßigung (Art. 12 Abs. 3 Buchst. a und Anhang H
Kategorie 2 der Richtlinie 77/388/EWG, § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG
i.V.m. Nr. 34 der Anlage zum UStG) kann nur aufgrund einer
gesetzlichen Regelung erfolgen (zutreffend Tehler,
EU-Umsatzsteuer-Berater 2008, 38, 39).
Die BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 1185 = SIS 00 09 91 und in BStBl I 2004, 638, 676 = SIS 04 30 50 reichen
insoweit nicht aus. Sie enthalten lediglich Verwaltungsanweisungen,
durch die eine selektive Anwendung des Regelsteuersatzes nicht
angeordnet werden kann (vgl. Tehler, EU-Umsatzsteuer-Berater 2008,
38, 39 unter Hinweis auf das EuGH-Urteil vom 16.1.2003 Rs.
C-315/00, Rudolf Maierhofer (Slg. 2003, I-563, UR 2003, 86 = SIS 03 09 06). Der EuGH hat in diesem Urteil entschieden, in den
Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) enthaltene Verwaltungsanweisungen
hätten nur Weisungscharakter und stellten keine
Gesetzesbestimmungen dar; sie könnten daher keine weitere
Ausnahme i.S. von Art. 13 Teil B Buchst. b Abs. 2 der Richtlinie
77/388/EWG (Steuerfreiheit der Vermietung von Grundstücken)
einführen (Rdnr. 23). Dementsprechend können die
Verwaltungsanweisungen in den BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 1185 =
SIS 00 09 91 und in BStBl I 2004, 638, 676 = SIS 04 30 50 für
das Legen von Hausanschlüssen keine Ausnahme von der
grundsätzlich für die Lieferung von Wasser vorgesehene
Steuerermäßigung (Art. 12 Abs. 3 Buchst. a und Anhang H
Kategorie 2 der Richtlinie 77/388/EWG, § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG
i.V.m. Nr. 34 der Anlage zum UStG) begründen.
dd) Eine derartige gesetzliche
(Ausnahme-)Regelung kann - entgegen der Auffassung des BMF und des
FG - nicht daraus hergeleitet werden, dass die
Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m.
Nr. 34 der Anlage zum UStG nur „Lieferungen“
(sowie die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb) von
Wasser begünstigt, nicht aber „sonstige
Leistungen“, die der Kläger im Streitfall durch das
Legen der Hausanschlüsse erbracht habe.
Denn der EuGH hat, wie dargelegt, entschieden,
dass das Legen eines Hausanschlusses unter den Begriff
„Lieferungen von Wasser“ fällt; er hat also
eine (rein) begriffliche Zuordnung vorgenommen. Auf die Frage, ob
es sich dabei um eine Lieferung eines Gegenstandes oder um eine
sonstige Leistung (Dienstleistung) handelt, kommt es nach der
Rechtsauffassung des EuGH nicht an.
ee) Entgegen der Auffassung des BMF kann ein
gesetzlicher Ausschluss des Legens eines Hausanschlusses von der
Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m.
Nr. 34 der Anlage zum UStG auch nicht daraus hergeleitet werden,
dass Nr. 34 der Anlage zum UStG auf die Unterposition 2201 9000 des
Zolltarifs verweist, der in Kapitel 22 ausschließlich
Flüssigkeiten umfasst.
Nach der Rechtsprechung des Senats richtet
sich zwar die Reichweite einer Steuerermäßigung nach dem
Zolltarif, wenn in der Anlage zum UStG auf den Zolltarif verwiesen
wird (vgl. BFH-Urteile vom 28.6.2000 V R 63/99, BFH/NV 2001, 348 =
SIS 01 54 61; vom 9.2.2006 V R 49/04, BFHE 213, 88, BStBl II 2006,
694 = SIS 06 20 51, jeweils m.w.N.).
Nr. 34 der Anlage zum UStG nimmt aber von der
Steuerermäßigung für die „Lieferungen von
Wasser“ - worunter, wie ausgeführt, auch das
Verlegen von Hausanschlüssen fällt - lediglich bestimmte
Arten von Wasser aus („ausgenommen“) und
verweist hierzu auf die Unterposition 2201 9000 des Zolltarifs.
Diese Ausnahmen (Trinkwasser in Fertigpackungen, Heilwasser und
Wasserdampf) haben aber für den Streitfall keine
Bedeutung.