Milchmischgetränke, USt-Satz: Sog. "Milchersatzprodukte" pflanzlichen Ursprungs sind keine Milch- oder Milchmischgetränke i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1999, Nrn. 4 oder 35 der Anlage (jetzt: Anlage 2) zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 UStG 1999. - Urt.; BFH 9.2.2006, V R 49/04; SIS 06 20 51
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig,
ob Lieferungen von sog. „Milchersatzprodukten“ dem
ermäßigten Steuersatz unterliegen.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin), eine GmbH, führte im Streitjahr (2002)
Lieferungen von Milchersatzprodukten pflanzlichen Ursprungs aus.
Bei den Milchersatzprodukten handelt es sich um aus Soja, Reis oder
Hafer gewonnene Flüssigkeiten, die im allgemeinen Handel
erhältlich sind. Sie sind ebenso wie Milch tierischen
Ursprungs zum direkten Verzehr als Getränk, zur Zubereitung
anderer Lebensmittel, für Nachspeisen oder als Beigabe
für Kaffee und Tee verwendbar. Aufgrund der
übereinstimmenden Eigenschaften werden Milch und
Milchersatzprodukte in Kochrezepten gleichermaßen für
die Zubereitung von Speisen empfohlen. Die pflanzlichen
Milchersatzprodukte verfügen über den gleichen
Eiweißgehalt wie tierische Milchprodukte sowie über
vergleichbare Mengen an Kohlehydraten, Mineralstoffen, Fetten und
Calcium. Sie ähneln auch in ihrer Beschaffenheit und ihrem
Aussehen tierischen Milchprodukten.
Die Milchersatzprodukte der Klägerin
werden als Substitut für trinkbare Tiermilch eingesetzt, z.B.
von Verbrauchern, die an einer Überempfindlichkeit gegen
Milchzucker (Lactose) leiden und deshalb keine tierische Milch
verzehren können. Dies trifft auf ca. 15 % der erwachsenen
Bevölkerung in Deutschland zu. Darüber hinaus ersetzen
pflanzliche Milchersatzprodukte Kuhmilch im Fall einer
Kuhmilcheiweißallergie, von der ca. 2 % der deutschen
Bevölkerung betroffen sind. Die Milchersatzprodukte ersetzen
aufgrund ihrer Cholesterinfreiheit und ihres günstigen
Fettsäureprofils Milch tierischen Ursprungs auch bei
Verbrauchern, die an Fettstoffwechselstörungen leiden. Sie
sind überdies - ebenso wie Milch tierischen Ursprungs - zur
Prävention vor Osteoporose geeignet.
Die Klägerin erklärte u.a. in
ihrer Umsatzsteuervoranmeldung für das zweite Quartal des
Jahres 2002 die Lieferungen der Milchersatzprodukte unter Berufung
auf § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Nr. 35 der Anlage (jetzt: Anlage
2) zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG
1999) mit dem ermäßigten Steuersatz. Dem folgte der
Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) nach
Durchführung einer Außenprüfung nicht, sondern
erließ einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO
1977) geänderten Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für
das zweite Quartal 2002, in dem es die Lieferung der
Milchersatzprodukte mit dem Regelsteuersatz (§ 12 Abs. 1 UStG
1999) besteuerte. Pflanzliche Milchersatzprodukte seien keine
Milchmischgetränke i.S. der Nr. 35 der Anlage zu § 12
Abs. 2 Nr. 1 UStG 1999. Nur Milchmischgetränke mit einem
Anteil an Milch oder Milcherzeugnissen von mindestens 75 % des
Fertigerzeugnisses seien begünstigt. Nach der unverbindlichen
Zolltarifauskunft der Zolltechnischen Prüfungs- und
Lehranstalt (ZPLA) ... seien pflanzliche Milchersatzprodukte zwar
Getränke, die von der Pos. 2202 der Kombinierten Nomenklatur
(KN) in der für das Streitjahr geltenden Fassung vom 6.8.2001
(Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - Nr. L
279, 1) erfasst würden, die aber keine Erzeugnisse oder
Milchfette im Sinne der Pos. 0401 bis 0404 KN enthielten. Der
Einspruch hatte keinen Erfolg.
Hiergegen erhob die Klägerin Klage.
Das FA erließ während des Klageverfahrens den
Umsatzsteuerjahresbescheid für das Jahr 2002 (Streitjahr) und
änderte ihn später. Diese Bescheide wurden jeweils
gemäß § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
Gegenstand des Klageverfahrens.
Die Klage, mit der die Klägerin
geltend machte, es sei rechtswidrig, die Lieferung pflanzlicher
Milchersatzprodukte nicht mit dem ermäßigten Steuersatz,
sondern mit dem Regelsteuersatz zu besteuern, hatte Erfolg. Das
Finanzgericht (FG) vertrat in seinem in EFG 2005, 316 = SIS 05 01 65 veröffentlichten Urteil die Auffassung, der
ermäßigte Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2
Nr. 1 i.V.m. Nr. 4 und Nr. 35 der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1
und 2 UStG 1999 sei auch auf pflanzliche Milchersatzprodukte
anzuwenden. Die Vorschrift sei insoweit unter Berücksichtigung
des Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3 i.V.m. Anhang H Nr. 1 der
Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
- Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige
Bemessungsgrundlage (Richtlinie 77/388/EWG) und des Gebots der
Neutralität der Mehrwertsteuer richtlinienkonform auszulegen.
Da Milch und Milchersatzprodukte gleichartige Produkte seien, die
unmittelbar miteinander im Wettbewerb stünden, sei auch auf
pflanzliche Milchersatzprodukte der ermäßigte Steuersatz
anzuwenden.
Mit seiner Revision rügt das FA
Verletzung materiellen Rechts (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Nr. 35
der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG 1999, Pos. 2202
KN). Es meint, bei der Auslegung der Anlage zum UStG 1999 komme es
allein auf die zolltariflichen Vorschriften und Begriffe
an.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen. Hilfsweise beantragt sie,
das Verfahren auszusetzen und eine Vorabentscheidung des
Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zu der
Frage einzuholen, ob ein Mitgliedstaat, der von dem Recht Gebrauch
macht, auf Leistungen einer bestimmten Kategorie des Anhangs H
einen ermäßigten Satz anzuwenden, innerhalb der
Kategorie weiter differenzieren darf.
Sie verteidigt die angefochtene
Vorentscheidung. Der Begriff „Milchmischgetränke“
sei umsatzsteuerrechtlich auszulegen; insoweit liege keine
Bezugnahme auf die KN vor, weil die KN den Begriff
„Milchmischgetränke“ nicht kenne. Der Begriff
knüpfe außerdem nicht an das Vorliegen von Milch i.S.
des Kap. 4 KN an. Soweit das FA einen Wettbewerb zwischen Milch und
Milchersatzprodukten verneine, verstoße dies gegen § 118
Abs. 2 FGO. Überdies übersehe das FA, dass auch Personen,
die nicht zwingend aus gesundheitlichen Gründen auf
Milchersatzprodukte angewiesen seien, pflanzliche
Milchersatzprodukte tierischen Milchprodukten
vorzögen.
Außerdem sei ein Mitgliedstaat, der
sich für die Steuerermäßigung einer Leistung aus
einer Kategorie des Anhangs H entscheide, gemeinschaftsrechtlich
nicht befugt, weitere Differenzierungen vorzunehmen. Deutschland
müsse daher - wie andere Mitgliedstaaten - sämtliche
nichtalkoholischen Getränke ermäßigt besteuern;
für die Differenzierung in Nr. 4, 34 und 35 der Anlage zu
§ 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG 1999 gebe es keine
gemeinschaftsrechtliche Grundlage.
II. Die Revision des FA ist begründet;
sie führt nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO zur
Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Das FG
ist unzutreffend davon ausgegangen, dass die Lieferungen der sog.
„Milchersatzprodukte“ der Klägerin nach
§ 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Nr. 4 oder 35 der Anlage zu § 12
Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG 1999 dem ermäßigten Steuersatz
unterliegen. Die Milchersatzprodukte sind weder Milch noch
Milchmischgetränke.
1. Die Zuständigkeit des erkennenden
Senats in dieser Revisionssache ergibt sich aus Teil A, V. Senat,
des Geschäftsverteilungsplans des Bundesfinanzhofs für
das Jahr 2005 (BStBl II 2005, 112, 113). Die vorrangige
Zuständigkeit des VII. Senats nach Teil A, VII. Senat, Nr. 5
des Geschäftsverteilungsplans greift nicht ein, weil im
Streitfall nicht nur streitig ist, welcher Nummer der KN die von
der Klägerin gelieferten Milchersatzprodukte zuzuordnen sind.
Werden in der Anlage zum Umsatzsteuergesetz bestimmte
Gegenstände einer Position der KN von der Anwendung des
ermäßigten Steuersatzes ausgenommen und ist streitig, ob
eine solche Ausnahme vorliegt, handelt es sich nicht nur um eine
Frage der Auslegung der KN, sondern auch des Umsatzsteuergesetzes
(vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28.1.1999 V R 88/97,
BFH/NV 1999, 1252 = SIS 99 50 85, unter II.1.; vom 14.1.1997 VII R
47/96, BFHE 182, 466, BStBl II 1997, 481 = SIS 97 14 38, unter
II.2. b).
2. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1999
ermäßigt sich die Umsatzsteuer auf 7 % u.a. für
Lieferungen der in der Anlage (jetzt: Anlage 2) zu § 12 Abs. 2
Nr. 1 und 2 UStG 1999 bezeichneten Gegenstände.
a) Nr. 4, 31, 33 und 35 dieser Anlage nennen,
soweit hier von Interesse, als dem ermäßigten Steuersatz
unterliegende Gegenstände:
Lfd.Nr.
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Warenbezeichnung
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Zolltarif
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(Kapitel,
Position, Unterposition)
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4
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Milch und Milcherzeugnisse; ...
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aus Kap. 4
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31
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Zubereitungen aus Getreide, Mehl, Stärke
oder Milch; ...
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Kap. 19
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33
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Verschiedene Lebensmittelzubereitungen
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Kap. 21
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35
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Milchmischgetränke mit einem Anteil an
Milch oder
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Milcherzeugnissen (z.B. Molke) von mindestens
75 %
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des Fertigerzeugnisses
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aus Pos. 2202
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Demgegenüber ist die Lieferung von
anderen Getränken als Milch, Milchmischgetränken und
reinem Wasser stets mit dem allgemeinen Steuersatz zu besteuern
(BFH-Urteil vom 5.11.1998 V R 20/98, BFHE 187, 340, BStBl II 1999,
326 = SIS 99 06 42, unter II.).
b) Die Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG
1999 verweist zur Abgrenzung auf den Gemeinsamen Zolltarif (GZT)
der Europäischen Gemeinschaft (EG), dem die KN des
Harmonisierten Systems (HS) zur Bezeichnung und Codierung der Waren
zu Grunde liegt (BFH-Urteil vom 28.6.2000 V R 63/99, BFH/NV 2001,
348 = SIS 01 54 61, m.w.N.). Dazu gibt es Erläuterungen, die
für das HS vom Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete
des Zollwesens - heute Weltzollorganisation - sowie für die KN
von der Europäischen Kommission ausgearbeitet wurden und ein
wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für
die Auslegung der einzelnen Positionen darstellen (vgl. EuGH-Urteil
vom 7.10.2004 Rs. C-379/02, Imexpo Trading A/S, BFH/NV 2005,
Beilage 1, 30 = SIS 05 02 19 RandNr. 16; BFH-Urteil vom 3.2.2004
VII R 33/03, BFH/NV 2004, 849 = SIS 04 29 97, unter II.2. a,
jeweils m.w.N.).
Pos. 0401 bis 0404, 1901, 2106 und 2202 KN
lauten auszugsweise wie folgt:
KN-Code
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Warenbezeichnung
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0401
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Milch und Rahm, weder eingedickt noch mit
Zusatz von Zucker oder anderen Süßmitteln:
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0402
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Milch und Rahm, eingedickt oder mit Zusatz von
Zucker oder anderen Süßmitteln:
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0403
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Buttermilch, saure Milch und saurer Rahm,
Joghurt, Kefir und andere fermentierte oder gesäuerte Milch
(einschließlich Rahm), auch eingedickt oder aromatisiert,
auch mit Zusatz von Zucker, anderen Süßmitteln,
Früchten, Nüssen oder Kakao:
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0404
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Molke, auch eingedickt oder mit Zusatz von
Zucker oder anderen Süßmitteln; Erzeugnisse, die aus
natürlichen Milchbestandteilen bestehen, auch mit Zusatz von
Zucker oder anderen Süßmitteln, anderweit weder genannt
noch inbegriffen:
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1901
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Malzextrakt; Lebensmittelzubereitungen aus
Mehl, Grütze, Grieß, Stärke oder Malzextrakt, ohne
Gehalt an Kakao oder mit einem Gehalt an Kakao, berechnet als
vollständig entfetteter Kakao, von weniger als 40 GHT,
anderweit weder genannt noch inbegriffen; Lebensmittelzubereitungen
aus Waren der Pos. 0401 bis 0404, ohne Gehalt an Kakao oder mit
einem Gehalt an Kakao, berechnet als vollständig entfetteter
Kakao, von weniger als 5 GHT, anderweit weder genannt noch
inbegriffen:
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2106
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Lebensmittelzubereitungen, anderweit weder
genannt noch inbegriffen:
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2202
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Wasser, einschließlich Mineralwasser und
kohlensäurehaltiges Wasser, mit Zusatz von Zucker, anderen
Süßmitteln oder Aromastoffen, und andere nicht
alkoholhaltige Getränke, ausgenommen Frucht- und
Gemüsesäfte der Pos. 2009:
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2202 10 00
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Wasser, einschließlich Mineralwasser und
kohlensäurehaltiges Wasser, mit Zusatz von Zucker, anderen
Süßmitteln oder Aromastoffen
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2202 90
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andere:
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2202 90 10
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keine Erzeugnisse der Pos. 0401 bis 0404 und
keine Fette aus Erzeugnissen der Pos. 0401 bis 0404 enthaltend
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andere, mit einem Gehalt an Fetten aus
Erzeugnissen der Pos. 0401 bis 0404 von:
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2202 90 91
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weniger als 0,2 GHT
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2202 90 95
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0,2 oder mehr, jedoch weniger als 2 GHT
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2202 90 99
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2 GHT oder mehr
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c) Bei der Auslegung der Nrn. 4 und 35 der
Anlage zum UStG 1999 ist zu berücksichtigen, dass es sich
dabei („aus Kapitel 4“ oder „aus
Position 2002“) um sog. Expositionen (vgl. dazu
Birkenfeld, Das Große Umsatzsteuerhandbuch, § 141 Rz. 61
ff.; Weymüller in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuergesetz,
§ 12 Rz. 18 ff.) handelt, die nicht vollumfänglich auf
eine Position der KN Bezug nehmen. In Expositionen verwendete
Rechtsbegriffe sind grundsätzlich umsatzsteuerrechtlich
auszulegen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 1252 = SIS 99 50 85,
unter II.1.). Dies gilt allerdings nur, soweit eine Exposition
eigenständige Begriffe verwendet, die zolltariflich ohne
Belang sind (vgl. BFH-Urteil in BFHE 182, 466, BStBl II 1997, 481 =
SIS 97 14 38, unter II.2. b); verwendet die Exposition hingegen
Begriffe der KN, sind diese nach den Regeln der KN auszulegen (vgl.
BFH-Urteil vom 20.2.1990 VII R 172/84, BFHE 160, 342, BStBl II
1990, 760 = SIS 90 15 29, unter II. zur Exposition in Nr. 45 der
Anlage; Weymüller in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 12 Rz.
21; a.A. Friedrich, UR 2002, 12). Nach der Rechtsprechung des
Senats ist es lediglich eine Frage der Gesetzestechnik, ob das
Gesetz ausdrücklich auf Unterpositionen der KN verweist oder
eine Exposition aus einer Position der KN vornimmt; dies hat keine
Auswirkung auf die inhaltliche Tragweite der Vorschrift (vgl.
BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 348 = SIS 01 54 61, unter II.2. und
3.).
Aus diesem Grund ist - entgegen der Auffassung
des FA - der Begriff „Milchmischgetränk“
umsatzsteuerrechtlich auszulegen, weil er der KN fremd ist,
während die Begriffe „Milch“ und
„Erzeugnisse“ in Kap. 4 und in Pos. 2202 KN
verwendet werden und deshalb - entgegen der Auffassung der
Klägerin - zolltariflich auszulegen sind.
3. Die von der Klägerin aus Soja, Reis
oder Hafer hergestellten Getränke, die das FG als
„Milchersatzprodukte“ bezeichnet hat,
gehören nach diesen Grundsätzen nicht zu den nach §
12 Abs. 2 UStG 1999 i.V.m. Nr. 4, 31 oder 33 der Anlage zu §
12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG 1999 begünstigten
Gegenständen.
a) Waren pflanzlichen Ursprungs sind keine
Milch. Denn nach der - wie unter II.2. c dargestellt - insoweit
maßgeblichen zolltariflichen Auslegung ist Milch i.S. der Nr.
4 der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG 1999 i.V.m. Kap.
4 KN das „Gemelk“ eines oder mehrerer Tiere
(vgl. EuGH-Urteil vom 25.5.1989 Rs. 40/88, Slg. 1989, I-1395
RandNr. 20, zu Pos. 0402 KN; s. auch Art. 1 Abs. 1, Abs. 2 Buchst.
a der Verordnung Nr. 2587/97 des Rates vom 18.12.1997 zur
Festlegung ergänzender Vorschriften für die gemeinsame
Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse hinsichtlich
Konsummilch, ABlEG Nr. L 351, 13). Dies wird durch die
Überschrift des Abschn. I der KN bestätigt, die als
Hinweis für die Einreihung heranzuziehen ist (Nr. 1 der
Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der KN): Danach
handelt es sich bei den Waren des Abschn. I, zu dem Kap. 4
gehört, um Waren tierischen Ursprungs (vgl. auch Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 5.8.2004, BStBl I 2004,
638, 645 = SIS 04 30 50 Tz. 31).
b) Auch die Anwendung der Nr. 31 oder 33 der
Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG 1999 scheidet aus (vgl.
BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 638 = SIS 04 30 50 Tz. 111, 116 f.).
Denn eine Einreihung in die allein in Betracht kommenden Pos. 1901
KN oder 2106 KN setzt jeweils voraus, dass eine
Lebensmittelzubereitung „anderweit weder genannt noch
inbegriffen“ ist. Die Waren der Klägerin sind jedoch
Getränke i.S. der Pos. 2202 KN, auf die Nr. 35 der Anlage zu
§ 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG 1999 Bezug nimmt.
aa) In die Pos. 2202 KN sind u.a.
„andere nichtalkoholische Getränke, ausgenommen
Frucht- und Gemüsesäfte der Position 2009“
einzureihen. Der Begriff der „anderen
Getränke“ i.S. der Pos. 2202 KN ist ein
Gattungsbegriff und umfasst alle Flüssigkeiten, die zum
menschlichen Genuss geeignet und bestimmt sind, soweit sie nicht
von einer anderen spezifischen Einteilung erfasst werden (vgl.
EuGH-Urteil vom 26.3.1981 Rs. 114/80, Ritter, Slg. 1981, 895, HFR
1981, 344; BFH-Urteil vom 11.3.2004 VII R 20/01, BFH/NV 2004, 1305
= SIS 04 33 27).
bb) Bei den hier zu beurteilenden Waren
handelt es sich um Getränke in diesem Sinne: Sie sind nach den
tatsächlichen Feststellungen des FG, die mit
Verfahrensrügen nicht angegriffen sind und den Senat nach
§ 118 Abs. 2 FGO binden, Flüssigkeiten, die zum
menschlichen Genuss geeignet und bestimmt sind.
cc) Die hier zu beurteilenden
Milchersatzprodukte werden auch nicht von einer anderen
spezifischen Einteilung der KN erfasst. Sie sind insbesondere wegen
der herstellungsbedingten Verdünnung mit Wasser keine Frucht-
oder Gemüsesäfte (Pos. 2009 KN). Denn verdünnte
Erzeugnisse haben den Charakter von Getränken i.S. der Pos.
2202 (Erläuterungen zum HS, 2009/2 Tz. 19.0; s. auch
zusätzliche Anm. 5 Buchst. b zu Kap. 20 KN).
dd) Soweit die Klägerin geltend macht,
nach der Verordnung 936/1999 der Kommission vom 27.4.1999 (ABlEG
Nr. L 117, 9) sei „coconut milk“ eine sonstige
Lebensmittelzubereitung (Unterpos. 2106 90 92 KN), so dass für
die Milchersatzprodukte der Klägerin Gleiches gelten
müsse, greift dieser Einwand nicht durch. Getränke, die
zum Kochen zubereitet und deshalb zum Trinken ungeeignet geworden
sind, sind nämlich nicht in Kap. 22 einzureihen
(Erläuterungen zum HS, 22/1 Tz. 08.5). Dies ist bei
„coconut milk“ - anders als bei den Produkten
der Klägerin - der Fall, weil nach der Verordnung Nr. 1486/93
vom 16.6.1993 (ABlEG Nr. L 147, 8) „coconut
milk“ zur Verwendung in der Küche bei der
Zubereitung von Süßspeisen, Saucen usw. bestimmt
ist.
4. Die von der Klägerin vertriebenen
Getränke sind auch keine begünstigten
Milchmischgetränke i.S. der Nr. 35 der Anlage zu § 12
Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG 1999, weil sie keinen Anteil an Milch oder
Milcherzeugnissen von mindestens 75 % des Fertigerzeugnisses
enthalten (gl.A. Husmann in Rau/Dürrwächter/ Flick/Geist,
Umsatzsteuergesetz, § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Anm. 581;
BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 638 = SIS 04 30 50, 677 Tz. 122,
unter 2.). Denn sie werden aus Soja, Reis oder Hafer hergestellt
und enthalten nach den Ausführungen unter II.3. a weder Milch
noch Milcherzeugnisse tierischen Ursprungs. Sie sind deshalb in
Unterpos. 2202 90 10 KN einzureihen.
Diese Auslegung hält der Senat für
gemeinschaftsrechtlich zweifelsfrei. Sie deckt sich im Übrigen
mit mehreren verbindlichen Zolltarifauskünften des
Königreichs Spanien vom 18.7.2005 (ES-ADUANAS-2005-000188,
000190, 000191, 000192 und 000194, unter
http://europa.eu.int/comm/taxation-customs/dds/de/ ebticau.htm
abrufbar). Danach sind Getränke auf Basis von Wasser und Soja
in Unterpos. 2202 9010 KN einzureihen.
5. Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen,
dass der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer eine
andere Auslegung der Nr. 35 der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1
und 2 UStG 1999 gebietet. Die Vorentscheidung war deshalb
aufzuheben.
a) § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1999 und Nr. 35
der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG 1999 beruhen auf
§ 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3 und Anhang H Nr. 1 der
Richtlinie 77/388/EWG. Nach Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3
der Richtlinie 77/388/EWG dürfen die Mitgliedstaaten unter
weiteren, im Streitfall vorliegenden Voraussetzungen auf die in
Anhang H genannten Kategorien einen ermäßigten
Steuersatz anwenden. Anhang H Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG
lautet:
|
„Verzeichnis der Gegenstände und
Dienstleistungen, auf die ermäßigte MWSt-Sätze
angewandt werden können
|
|
|
|
Bei der Übertragung der nachstehenden
Kategorien von Gegenständen in ihre einzelstaatlichen
Rechtsvorschriften können die Mitgliedstaaten den genauen
Geltungsbereich der betreffenden Kategorien anhand der
Kombinierten Nomenklatur abgrenzen:
|
|
|
|
Nr. 1
|
Nahrungs- und Futtermittel
(einschließlich Getränke, alkoholische Getränke
jedoch ausgenommen) ...“
|
b) Bei der Ausübung dieser
Zuständigkeit müssen die Mitgliedstaaten den Grundsatz
der steuerlichen Neutralität beachten. Wie aus der
Rechtsprechung des EuGH hervorgeht, verbietet es dieser Grundsatz
insbesondere, gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb
stehende Waren oder Dienstleistungen hinsichtlich der
Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln. Auf solche Waren oder
Dienstleistungen ist daher ein einheitlicher Steuersatz anzuwenden
(vgl. EuGH-Urteil vom 23.10.2003 Rs. C-109/02,
Kommission/Deutschland, Slg. 2003, I-12691 = SIS 04 01 30, BStBl II
2004, 482 RandNr. 20, 25, m.w.N.).
c) Nach diesen Maßstäben gebietet
der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer nicht,
Milchersatzprodukte der hier zu beurteilenden Art
umsatzsteuerrechtlich wie Milchmischgetränke zu behandeln.
Denn Milchmischgetränke und Milchersatzprodukte sind nach der
KN, anhand derer die Mitgliedstaaten ihre
Steuerermäßigungen ausdrücklich abgrenzen
dürfen, nicht gleichartig, weil sie in unterschiedliche
Unterpositionen einzureihen sind; darum müssen sie auch
umsatzsteuerrechtlich nicht gleich behandelt werden.
Soweit das FG eine Gleichartigkeit von
Milchersatzprodukten und Milch aus deren identischen
Anwendungsbereich abgeleitet hat, darf hierauf im Streitfall nicht
abgestellt werden: Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH wie
auch des BFH (z.B. EuGH-Urteil vom 7.2.2002 Rs. C-276/00, Turbon
International, Slg. 2002, I-1389, HFR 2002, 457 = SIS 02 05 67
RandNr. 21, m.w.N.; BFH-Urteile vom 14.11.2000 VII R 83/99, BFH/NV
2001, 499 = SIS 01 58 98; vom 8.1.2003 VII R 11/02, BFHE 201, 352,
UR 2003, 350 = SIS 03 21 74) ist das entscheidende Kriterium
für die Einordnung von Waren in die KN in deren objektiven
Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der
Positionen und Unterpositionen und in den Anmerkungen zu den
Abschnitten oder Kapiteln der KN festgelegt sind. Auf den
Verwendungszweck einer Ware darf nur dann abgestellt werden, wenn
im Wortlaut der Position oder in den Erläuterungen dazu
ausdrücklich auf dieses Kriterium Bezug genommen wird
(EuGH-Urteil vom 18.4.1991 C-219/89, Weser-Gold, Slg. 1991, I-1895
RandNr. 9; BFH-Urteil vom 5.10.1999 VII R 42/98, BFHE 190, 501,
BFH/NV 2000, 404 = SIS 00 01 98). Dies ist weder bei Pos. 2202 noch
bei Kap. 4 KN der Fall.
Deshalb folgt - entgegen der Ansicht des FG
und der Klägerin - aus der (unter II.4. dargestellten)
zolltariflichen Einordnung zwingend die umsatzsteuerrechtliche
Beurteilung, dass Milchersatzprodukte nicht nach Nr. 35 der Anlage
zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG 1999 dem ermäßigten
Steuersatz unterliegen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 348 = SIS 01 54 61, unter II.2. und 3.). Nicht gewünschte Konsequenzen
des strengen Zolltarifrechts könnte der Gesetzgeber durch
Einfügung einer ausdrücklichen Ausnahme in die
betreffenden Bestimmungen der Anlage vermeiden (vgl. BFH-Urteil in
BFHE 160, 342, BStBl II 1990, 760 = SIS 90 15 29, unter II.).
d) Zudem sind - entgegen der Auffassung der
Klägerin - trotz des Grundsatzes der Neutralität der
Mehrwertsteuer die Mitgliedstaaten gemeinschaftsrechtlich nicht
verpflichtet, für sämtliche Leistungen einer Kategorie
oder eines Begriffs einer Kategorie des Anhangs H denselben
Steuersatz anzuwenden. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 3.5.2001
C-481/98 Kommission/ Frankreich (Slg. 2001, I-3369 = SIS 01 07 76
RandNr. 23 ff., insb. 26 ff., zu Art. 12 Abs. 3 Buchst. a und Art.
28 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG)
verschreibungspflichtige und nicht verschreibungspflichtige
Arzneimittel als nicht gleichartig angesehen, obwohl sie die
gleiche heilende oder vorbeugende Wirkung haben und darum auch zum
gleichen Zweck der Gesundheitsvorsorge verwendet werden. Daraus
ergibt sich nach Überzeugung des Senats, dass selbst auf
Leistungen desselben Begriffs derselben Kategorie (Anhang H Nr. 3
der Richtlinie 77/388/EWG) trotz des Grundsatzes der
Neutralität ein anderer Steuersatz angewendet werden darf; das
gilt erst recht für die Lieferung von Waren, die wegen ihrer
verschiedenen Beschaffenheit innerhalb der Kategorie
unterschiedlich tarifiert werden. Im Urteil vom 8.5.2003 C-384/01
(Kommission/Frankreich, Slg. 2003, I-4395 = SIS 03 27 14 RandNr.
27, zu Art. 12 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG) hat der
EuGH ausgeführt, dass eine „selektive Anwendung des
ermäßigten Satzes“ nicht ausgeschlossen ist,
sofern sie - wie im Streitfall - keine Gefahr einer
Wettbewerbsverzerrung nach sich zieht. Im Urteil vom 12.1.2006
C-246/04 (Turn- und Sportunion Waldburg, HFR 2006, 321 = SIS 06 10 92, zu Art. 13 Teil B Buchst. b, Teil C Buchst. a der Richtlinie
77/388/EWG) hat der EuGH den Mitgliedstaaten erlaubt, unter
Beachtung der Neutralität nach der Art der Umsätze zu
unterscheiden (RandNr. 35, 42). Damit übereinstimmend hat die
Generalanwältin in der Rs. C-453/02, C-462/02
(Linneweber/Akritidis, Schlussanträge vom 8.7.2004, Slg. 2005,
I-1131 RandNr. 43; nachfolgend EuGH-Urteil vom 17.2.2005, a.a.O.)
betont, ein Mitgliedstaat könne durch den Grundsatz der
Neutralität nicht zu einer
„Alles-oder-nichts-Lösung“ gezwungen
werden. Zuletzt erkennt auch die Europäische Kommission an,
dass die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sind, auf alle
Leistungen einer Kategorie denselben Steuersatz anzuwenden. Sogar
die in Frankreich und Portugal anzutreffende Anwendung
unterschiedlicher Steuersätze auf ein und dasselbe
Lebensmittel sei „nicht unrechtmäßig“
und „gefährde nicht wirklich den Grundsatz der
steuerlichen Neutralität“ (KOM (2003) 397 endg.,
RandNr. 40, 41 2. Spiegelstrich und Fn. 20, 43 f.).
Der Senat geht danach davon aus, dass die von
der Klägerin aufgeworfene Frage nach der Auslegung der
Richtlinie 77/388/EWG zweifelsfrei zu bejahen ist. Er ist deshalb
nicht nach Art. 234 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaften (EGV) zur Einholung eines
Vorabentscheidungsersuchens verpflichtet (z.B. EuGH-Urteile vom
6.10.1982 Rs. 283/81, C.I.L.F.I.T. u.a., Slg. 1982, 3415;
Intermodal Transports in BFH/NV 2006, Beilage 1, 43 = SIS 05 46 18
RandNr. 33). Überdies obliegt die Prüfung der
Neutralität im Einzelfall ohnehin den nationalen Gerichten
(vgl. zuletzt EuGH-Urteil Turn- und Sportunion Waldburg in Slg. HFR
2006, 321 = SIS 06 10 92 RandNr. 46, 49).
6. Diese Auslegung steht nach Auffassung des
Senats auch in Einklang mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes. Nach
der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - (vgl.
zuletzt BVerfG-Beschluss vom 18.3.2005 1 BvR 1822/00, HFR 2005,
698, unter II.1. b, m.w.N.) ist der Verweis des
Umsatzsteuergesetzes auf den Zolltarif verfassungsrechtlich nicht
zu beanstanden. Vorliegend ist die Unterscheidung zwischen
Getränken, die Milch(erzeugnisse) enthalten, und anderen
Getränken in Pos. 2202 KN angelegt. Der Senat knüpft an
diese Unterscheidung für seine umsatzsteuerrechtliche
Differenzierung an.
Aus diesem Grund bedarf es keiner weiteren
Erörterung, dass die Steuerbegünstigung von Milch und
Milchmischgetränken dazu dient, die Milchwirtschaft zu
fördern (vgl. dazu BVerfG-Beschlüsse vom 15.11.1967 2 BvL
20/64, BVerfGE 22, 330; vom 15.2.1978 2 BvL 8/74, BVerfGE 48, 1).
Sie trägt außerdem dazu bei, ein Ziel der Verordnung
(EG) Nr. 1255/1999 des Rates vom 17.5.1999 über die gemeinsame
Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (ABlEG Nr. L
160, 49, 9. Begründungserwägung), die
Absatzmöglichkeiten für Milcherzeugnisse zu erweitern, zu
erreichen, während eine Steuerermäßigung für
Milchersatzprodukte dem entgegenwirken würde. Auch darauf,
dass Milchersatzprodukte nach den tatsächlichen Feststellungen
des FG - anders als Milch - von Personen mit
Lactoseunverträglichkeit, Milcheiweißallergie oder
Fettstoffwechselstörungen verwendet werden, muss deshalb nicht
weiter eingegangen werden.
7. Zuletzt weist der Senat darauf hin, dass -
selbst wenn er der Klägerin darin folgen könnte, die von
ihr hergestellten Milchersatzprodukte seien Milchmischgetränke
- aus den tatsächlichen Feststellungen des FG nicht
ersichtlich ist, dass der (von der Klägerin als vorliegend
unterstellte) „Milchanteil“ über 75 % des
Fertigerzeugnisses beträgt. Nach dem Vortrag der Klägerin
zum Herstellungsverfahren „Tonyu“ wird im Rahmen
der Herstellung den aus den Pflanzen (Soja, Reis oder Hafer)
gewonnenen Flüssigkeiten, die die Klägerin als
„Milch“ ansieht, eine erhebliche Menge Wasser
zugesetzt. Sollte der Anteil des zugesetzten Wassers über 25 %
des Fertigerzeugnisses liegen, schlösse bereits dies die
begehrte Steuerermäßigung aus; ein
Milchmischgetränk, dem mehr als 25 % Wasser zugesetzt wird,
ist ohnehin nicht nach Nr. 35 der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1
und Nr. 2 UStG 1999 begünstigt (vgl. Urteil des FG
München vom 15.5.1997 14 K 3140/94, UR 1998, 70, unter 3.,
bzgl. Kakaoheißgetränken).
8. Die Sache ist spruchreif. Da auf die
Lieferungen der Milchersatzprodukte durch die Klägerin der
Regelsteuersatz anzuwenden ist, die Klägerin keine
Einwendungen gegen die Höhe der festgesetzten Steuer erhoben
hat und die Steuerfestsetzung des FA Rechtsfehler nicht erkennen
lässt, ist die Klage abzuweisen.