1
|
I. Die Beteiligten streiten darum, ob die
von einer Gemeinde erbrachten Leistungen für ein von ihr
organisiertes Dorffest dem ermäßigten Steuersatz
unterliegen.
|
|
|
2
|
Die Gemeinde X, die 2008 in die Stadt Y -
Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) -
eingemeindet wurde, führt jährlich im Rahmen eines
Betriebes gewerblicher Art an einem Wochenende im September ein
Dorffest durch.
|
|
|
3
|
In den Jahren 2007 bis 2009 (Streitjahre)
schloss sie hierzu als Veranstalterin mit auftretenden Musikgruppen
Konzert-, Engagement- bzw. Honorarverträge ab. In den
Verträgen waren die Vergütung, die Auftrittszeiten und
der jeweilige Auftrittsort (Festzelt, Festwiese oder Festplatz)
festgelegt. Bei der Ausgestaltung und Darbietung ihres Programms
waren die engagierten Künstler frei. Die Gemeinde sorgte
für den Veranstaltungsraum mit Bühne sowie den
erforderlichen Strom, unentgeltliche Verpflegung, kostenlose
Übernachtungsmöglichkeiten, den Erwerb der
Schankerlaubnis und eine Sperrzeitverkürzung. Ferner erwarb
sie GEMA-Rechte, stellte Aufbauhelfer zur Verfügung und
organisierte die Plakatierung. Gegenüber den Besuchern des
Dorffestes trat sie als Gesamtveranstalterin auf eigene Rechnung
auf und erzielte Einnahmen aus dem Verkauf von Eintrittskarten, die
zum Besuch des komplett angebotenen Programms berechtigten. Die
Eintrittskarten gab es in der Form von Tageskarten für den
Freitag bzw. Samstag oder als Dauerkarten für beide Tage. An
Sonntagen wurde kein Eintrittsentgelt erhoben.
|
|
|
4
|
Neben Vorführungen örtlicher
Vereine und Fahrgeschäften wurden in den Streitjahren jeweils
von Freitag bis Sonntag Musik auf der Festwiese und
Live-Musikveranstaltungen im Festzelt geboten. Das Fest begann
regelmäßig mit einem Lampionumzug am Freitagabend vom
Kirchplatz zum Festplatz. Dort fand ein Unterhaltungsprogramm statt
(z.B. Feuershow, Cheerleader). Um 21:00 Uhr erfolgte der
Bieranstich im großen Festzelt unter musikalischer
Beteiligung der engagierten Musikkapellen. Im kleinen Zelt wurden
Discoveranstaltungen durchgeführt. Ähnlich verlief das
Fest am Samstag ab 13:00 Uhr mit dem Aufstellen des Festbaumes,
einem Kinderprogramm, diversen Darbietungen von Vereinen und
begleitender Musik durch eine Kapelle. Für den Samstagabend
war jeweils eine überregional bekannte Musikgruppe engagiert,
die für Stimmung im großen Festzelt sorgte, während
im kleinen Zelt Discomusik geboten wurde.
|
|
|
5
|
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) unterwarf die vereinnahmten Eintrittsgelder
für den Besuch des Dorffestes entsprechend den eingereichten
Umsatzsteuererklärungen gemäß § 12 Abs. 1 des
Umsatzsteuergesetzes (UStG) dem Regelsteuersatz von 19 %. Nach
einer Umsatzsteuerprüfung ergingen am 5.5.2011 für die
Streitjahre (geringfügig) geänderte Steuerbescheide, die
gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung unter dem
Vorbehalt der Nachprüfung standen.
|
|
|
6
|
Mit Schreiben vom 15.6.2011 beantragte die
Klägerin unter Berufung auf ein Urteil des Finanzgerichts (FG)
Berlin-Brandenburg (Urteil vom 13.4.2010 5 K 7215/06 B, EFG 2010,
2039 = SIS 10 24 96) die Anwendung des ermäßigten
Steuersatzes gemäß § 12 Abs. 2 UStG von 7 % auf die
vereinnahmten Eintrittsgelder. Mit Bescheid vom 21.6.2011 lehnte
das FA den Änderungsantrag ab. Die dagegen eingelegten
Einsprüche hatten keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom
30.8.2011).
|
|
|
7
|
Das FG wies die Klage ab. Die Anwendung des
u.a. für Eintrittsberechtigungen für Konzerte geltenden
§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG scheide aus, weil die
musikalischen Darbietungen auf dem Dorffest nicht als dessen
Hauptzweck angesehen werden könnten. Auch die Regelung in
§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG i.V.m. § 30 der
Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV), wonach u.a. die
Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller begünstigt
seien, sei nicht einschlägig. Denn im Streitfall sei die
Klägerin nicht als Schaustellerin tätig geworden.
Insoweit sei der Sachverhalt des Streitfalls nicht vergleichbar mit
dem Fall, über den das FG Berlin-Brandenburg in EFG 2010, 2039
= SIS 10 24 96 entschieden habe.
|
|
|
8
|
Das Urteil des FG ist in EFG 2013, 249 =
SIS 13 18 53 veröffentlicht.
|
|
|
9
|
Zur Begründung der - vom FG zur
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassenen -
Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen
Rechts. Sie ist der Auffassung, dass abweichend von der
Entscheidung des FG die Voraussetzungen für die Anwendung des
ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 7
Buchst. a oder gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d
UStG vorlägen.
|
|
|
10
|
Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil,
den Ablehnungsbescheid vom 21.6.2011 und die Einspruchsentscheidung
des FA vom 30.8.2011 aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide
für die Jahre 2007, 2008 und 2009 dahingehend zu ändern,
dass die Umsatzsteuer für 2007 auf ... EUR, für 2008 auf
... EUR und für 2009 auf ... EUR festgesetzt wird,
|
|
hilfsweise, das FG-Urteil aufzuheben und
die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG
zurückzuverweisen.
|
|
|
11
|
Das FA beantragt in erster Linie, die
Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG
zurückzuverweisen, hilfsweise, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
12
|
Es hält die Entscheidung des FG dem
Grunde nach für zutreffend, weil bei der erforderlichen
Würdigung der Umstände des Einzelfalls im Rahmen von
§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG weder ein Verstoß gegen
Denkgesetze und Erfahrungssätze noch eine fehlende
Objektivität im Rahmen der Tatsachen- und Beweiswürdigung
feststellbar sei. Auch die Voraussetzungen von § 12 Abs. 2 Nr.
7 Buchst. d UStG seien nicht erfüllt, weil ein
„Schausteller“ im Sinne dieser Vorschrift von Ort zu
Ort ziehe. Dies sei bei der Klägerin nicht gegeben.
|
|
|
13
|
Im Übrigen habe der nationale
Gesetzgeber die in Art. 98 Abs. 2 i.V.m. Anhang III Kategorie 7 der
Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das
gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) enthaltene
Ermächtigung nicht in vollem Umfang umgesetzt bzw. den
Ermächtigungsrahmen nicht ausgeschöpft. Die Verwaltung
sei deshalb in Abschn. 12.8. Abs. 2 des
Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) der Meinung, dass die in
§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG enthaltene Regelung auch nur
in dem dort vorgesehenen eingeschränkten Umfang anwendbar sei.
Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18.7.2002 V R 89/01 (BFHE
199, 93, BStBl II 2004, 88 = SIS 02 98 79) sei im Streitfall nicht
anwendbar, weil bei diesem vom BFH entschiedenen Fall der
Veranstalter - bei dem es sich nicht um eine Gemeinde gehandelt
habe - an ständig wechselnden Orten im Einsatz gewesen
sei.
|
|
|
14
|
Allerdings lasse sich den
tatsächlichen Feststellungen des FG bislang nicht in
ausreichendem Umfang entnehmen, ob das streitbefangene Volksfest
nicht möglicherweise aus mehreren Teilen bestanden habe,
nämlich einem Teil, der von den Eintrittsberechtigungen der
Klägerin umfasst sei, und einem weiteren Teil mit frei
zugänglichen Fahrgeschäften usw., bei denen die
leistenden Unternehmer selbst die entsprechenden Eintrittsgelder
vereinnahmt hätten. Insoweit komme ggf. eine Aufteilung der
streitbefangenen Umsätze unter Anwendung des Regelsteuersatzes
und des ermäßigten Steuersatzes in Betracht.
|
|
|
15
|
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klagestattgabe
(§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -
).
|
|
|
16
|
Das FG hat zu Unrecht die Anwendung des
ermäßigten Steuersatzes auf die von der Gemeinde X im
Rahmen eines Dorffestes erbrachten Leistungen verneint.
|
|
|
17
|
1. Das FG ist (stillschweigend) davon
ausgegangen, dass die Gemeinde X als juristische Person des
öffentlichen Rechts mit der Organisation und Durchführung
des Dorffestes einschließlich der auf privatrechtlicher
Grundlage verlangten und vereinnahmten Eintrittsgelder i.S. von
§ 2 Abs. 3 UStG unternehmerisch tätig geworden ist. Dies
ist zutreffend (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 1.12.2011 V R 1/11, BFHE
236, 235, BFH/NV 2012, 534 = SIS 12 04 14, Rz 13 ff.; vom 14.3.2012
XI R 8/10, BFH/NV 2012, 1667 = SIS 12 24 86, Rz 26 ff., jeweils
m.w.N.) und auch zwischen den Beteiligten nicht streitig.
|
|
|
18
|
2. Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass die
von der Gemeinde X erbrachten Leistungen dem Regelsteuersatz nach
§ 12 Abs. 1 UStG unterliegen und nicht die Voraussetzungen
eines der in § 12 Abs. 2 UStG genannten
Steuerermäßigungstatbestände erfüllen.
|
|
|
19
|
Dabei kann der Senat offenlassen, ob diese
Leistungen (zumindest zum Teil) nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst.
a UStG dem ermäßigten Steuersatz unterliegen (vgl. dazu
BFH-Urteile vom 19.10.2011 XI R 40/09, BFH/NV 2012, 798 = SIS 12 10 75, Rz 19 ff.; vom 10.1.2013 V R 31/10, BFHE 240, 380, BStBl II
2013, 352 = SIS 13 07 90, Rz 39 ff.; vom 30.4.2014 XI R 34/12, BFHE
245, 409, HFR 2014, 936 = SIS 14 19 71). Denn im Streitfall sind
jedenfalls die Voraussetzungen für die Anwendung des
ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 7
Buchst. d UStG gegeben.
|
|
|
20
|
a) Nach dieser Vorschrift ermäßigt
sich die Steuer auf 7 % u.a. für die Leistungen aus der
Tätigkeit als Schausteller. Gemäß § 30 UStDV
gelten als Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller i.S.
von § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG Schaustellungen,
Musikaufführungen, unterhaltende Vorstellungen oder sonstige
Lustbarkeiten auf Jahrmärkten, Volksfesten,
Schützenfesten oder ähnlichen Veranstaltungen.
|
|
|
21
|
aa) § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG ist
richtlinienkonform auszulegen. Die Vorschrift beruht auf Art. 98
Abs. 2 i.V.m. Anhang III Kategorie 7 der MwStSystRL (zuvor Art. 12
i.V.m. Anhang H Kategorie 7 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des
Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Richtlinie 77/388/EWG
- ), wonach die Mitgliedstaaten der Europäischen Union
ermächtigt sind, auf Eintrittsberechtigungen für
Veranstaltungen, Theater, Zirkus, Jahrmärkte,
Vergnügungsparks, Konzerte, Museen, Tierparks, Kinos und
Ausstellungen sowie ähnliche kulturelle Ereignisse und
Einrichtungen den ermäßigten Steuersatz vorzusehen.
|
|
|
22
|
bb) Die Mitgliedstaaten haben nur unter der
Voraussetzung, dass der Grundsatz der Neutralität beachtet
wird, die Möglichkeit, konkrete und spezifische Aspekte einer
Kategorie von Dienstleistungen i.S. von Anhang III der MwStSystRL
mit einem ermäßigten Steuersatz zu belegen. Die
selektive Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ist
hiernach nicht ausgeschlossen, wenn sie keine Gefahr einer
Wettbewerbsverzerrung nach sich zieht (vgl. Urteile des
Gerichtshofs der Europäischen Union - EuGH - vom 3.4.2003
C-144/00 - Hoffmann -, Slg. 2003, I-2921, BFH/NV Beilage 2003, 153
= SIS 03 23 52, Rz 20, m.w.N.; vom 6.5.2010 C-94/09 -
Kommission/Frankreich -, Slg. 2010, I-4261, UR 2010, 454 = SIS 10 18 78, Rz 25, m.w.N.; vom 27.2.2014 C-454/12 und C-455/12 - Pro Med
Logistik u.a. -, UR 2014, 490, HFR 2014, 470 = SIS 14 08 10, Rz 43,
44; vgl. auch BFH-Urteile vom 4.5.2011 XI R 44/08, BFHE 233, 367,
BStBl II 2014, 200 = SIS 11 20 08, Rz 38 f.; vom 2.7.2014 XI R
22/10, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2014,
2014 = SIS 14 28 00; vom 2.7.2014 XI R 39/10, zur amtlichen
Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2014, 2019, DStR 2014, 2174
= SIS 14 28 01). Nach gefestigter Rechtsprechung lässt es der
Grundsatz der steuerlichen Neutralität insbesondere nicht zu,
gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Waren
oder Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer
unterschiedlich zu behandeln (vgl. EuGH-Urteile vom 10.11.2011
C-259/10 und C-260/10 - The Rank Group -, Slg. 2011, I-10947, UR
2012, 104 = SIS 11 39 83, Rz 32, und - Pro Med Logistik u.a. - in
UR 2014, 490, HFR 2014, 470 = SIS 14 08 10, Rz 52).
|
|
|
23
|
b) Der BFH hat
„Schausteller“ als Personen definiert, die mit
ihren der Unterhaltung dienenden Unternehmen
gewerbsmäßig Jahrmärkte, Volksfeste usw.
beschicken, also von Ort zu Ort ziehen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom
20.4.1988 X R 20/82, BFHE 153, 454, BStBl II 1988, 796 = SIS 88 16 47; vom 25.11.1993 V R 59/91, BFHE 173, 249, BStBl II 1994, 336 =
SIS 94 12 34, unter II.1.; V R 46/91, BFH/NV 1995, 349 = SIS 94 15 71, unter II.1., jeweils m.w.N.). Dabei hat der BFH in seinen
Grundsatzentscheidungen vom 22.10.1970 V R 67/70 (BFHE 100, 420,
BStBl II 1971, 37 = SIS 71 00 22) und vom 22.6.1972 V R 36/71 (BFHE
106, 148, BStBl II 1972, 684 = SIS 72 03 99) bei der Auslegung des
seinerzeit geltenden § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. e UStG 1967 auf
den Sprachgebrauch abgestellt, den er dem bei der Einführung
des UStG 1967 und noch zum Zeitpunkt seiner Entscheidungen
maßgebenden Wörterbuch entnommen hat (vgl. BFH-Urteil in
BFH/NV 1995, 349 = SIS 94 15 71, unter II.1.a).
|
|
|
24
|
aa) § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG
begünstigt eine tätigkeits- und nicht personenbezogene
Leistung, die voraussetzt, dass der jeweilige Umsatz auf einer
ambulanten, d.h. nicht ortsfest ausgeführten
schaustellerischen Leistung beruht (vgl. BFH-Urteile in BFHE 173,
249, BStBl II 1994, 336 = SIS 94 12 34, unter II.3.; in BFH/NV
1995, 349 = SIS 94 15 71, unter II.1.b, m.w.N.).
|
|
|
25
|
bb) Unmaßgeblich ist insoweit, ob der
Schausteller seine Darbietungen in eigener Regie selbst
veranstaltet oder ob er seine Leistungen im Rahmen eines
fremdveranstalteten Volksfestes erbringt. Vielmehr reicht es aus,
dass der Leistende die entsprechenden Umsätze im eigenen Namen
mit Hilfe seiner Arbeitnehmer oder sonstiger
Erfüllungsgehilfen an die Besucher dieser Veranstaltungen
ausführt; solche Erfüllungsgehilfen können auch von
ihm engagierte Schaustellergruppen sein (BFH-Urteil in BFHE 199,
93, BStBl II 2004, 88 = SIS 02 98 79, unter II.1.).
|
|
|
26
|
cc) Da - wie bereits ausgeführt - auch
eine Gemeinde bei unionsrechtskonformer Auslegung von § 2 Abs.
3 UStG bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen als
Unternehmerin im umsatzsteuerrechtlichen Sinne zu behandeln ist,
und dementsprechend auch Schaustellergruppen im Sinne der
Rechtsprechung in BFHE 199, 93, BStBl II 2004, 88 = SIS 02 98 79,
unter II.1. engagieren kann, kommt entgegen der Auffassung des FA
auch die Gemeinde als Leistende im Sinne dieser
Steuerermäßigung in Betracht.
|
|
|
27
|
c) Gemessen an diesen Grundsätzen und bei
der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung sind die von der
Gemeinde X erteilten Eintrittsberechtigungen für die Dorffeste
nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG i.V.m. § 30 UStDV
ermäßigt zu besteuern.
|
|
|
28
|
Nach den tatsächlichen Feststellungen des
FG sind die danach erforderlichen Voraussetzungen erfüllt.
Denn die von der Gemeinde X erbrachten Leistungen waren
Eintrittsberechtigungen (vgl. Art. 98 Abs. 2 i.V.m. Anhang III
Kategorie 7 der MwStSystRL) für die in § 30 UStDV
genannten Schaustellungen, Musikaufführungen, unterhaltende
Vorstellungen oder sonstige Lustbarkeiten auf Jahrmärkten,
Volksfesten oder ähnlichen Veranstaltungen (vgl. auch
BFH-Urteil in BFHE 199, 93, BStBl II 2004, 88 = SIS 02 98 79, unter
II.1.).
|
|
|
29
|
aa) Entgegen der Auffassung des FG können
die Umsätze der Gemeinde X nicht als bloße
organisatorische Leistungen angesehen werden, die nicht von der
Steuerermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d
UStG erfasst werden. Denn die Gemeinde X hat zwar auch für die
auf dem Dorffest auftretenden Musikgruppen, Schausteller usw.
Organisationsleistungen erbracht. Im Streitfall geht es aber um
Leistungen, die Besucher der Veranstaltungen als
Leistungsempfänger gegen Entgelt (Eintrittsgelder) unmittelbar
von der Gemeinde X bezogen haben. Der BFH hat insoweit bereits
geklärt, dass im Rahmen des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d
UStG nicht zwischen der Organisation der in § 30 UStDV
genannten Vorstellungen und den dort aufgeführten Leistungen
zu unterscheiden ist, wenn der Unternehmer die Schaustellungen,
Musikaufführungen, unterhaltende Vorstellungen oder sonstige
Lustbarkeiten unmittelbar an die Besucher der Veranstaltungen
„erbringt“ (vgl. BFH-Urteil in BFHE 199, 93,
BStBl II 2004, 88 = SIS 02 98 79, unter II.1.; vgl. auch FG
Berlin-Brandenburg zur Veranstaltung eines Volksfestes in EFG 2010,
2039 = SIS 10 24 96).
|
|
|
30
|
bb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht
daraus, dass es sich im Streitfall abweichend von dem Sachverhalt,
über den der BFH in BFHE 199, 93, BStBl II 2004, 88 = SIS 02 98 79 zu entscheiden hatte, um eine einmal jährlich
stattfindende Veranstaltung handelt, die immer am selben Ort und
nicht an ständig wechselnden Orten durchgeführt wurde.
Maßgeblich ist der Umstand, dass die von den Besuchern des
Dorffestes von der Gemeinde X bezogenen Leistungen bei
richtlinienkonformer Auslegung in den Anwendungsbereich von §
12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG i.V.m. § 30 UStDV fallen (vgl.
auch FG Berlin-Brandenburg in EFG 2010, 2039 = SIS 10 24 96; a.A.
FG Münster, Urteil vom 5.10.2010 15 K 3961/07 U, EFG 2011, 578
= SIS 10 41 98).
|
|
|
31
|
cc) Soweit der V. Senat des BFH mit Urteil in
BFHE 199, 93, BStBl II 2004, 88 = SIS 02 98 79 entschieden hat,
dass Umsätze aus der Veranstaltung von mittelalterlichen
Märkten und Ritterturnieren dem ermäßigten
Steuersatz unterliegen, weil es dem Sinn und Zweck des Art. 12
i.V.m. Anhang H Kategorie 7 der Richtlinie 77/388/EWG entspreche,
auf Eintrittsberechtigungen für die in § 30 UStDV
genannten Veranstaltungen den ermäßigten Steuersatz
anzuwenden (unter II.1. der Gründe), teilt der erkennende
Senat diese Auffassung ausdrücklich. Auch die Gemeinde X hat
Eintrittsberechtigungen für die in § 30 UStDV genannten
Veranstaltungen eingeräumt.
|
|
|
32
|
dd) Ferner steht der Anwendung der
Steuersatzermäßigung in § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d
UStG auf die Eintrittsberechtigungen der Gemeinde X nicht der
Einwand des FA entgegen, der nationale Gesetzgeber habe von der
entsprechenden unionsrechtlichen Ermächtigung nicht in vollem
Umfang Gebrauch gemacht. Denn es lässt sich weder dem Wortlaut
von § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG noch der Regelung in
§ 30 UStDV entnehmen, dass der Leistende selbst Schausteller
im Sinne dieser Bestimmungen sein muss. Soweit sich aus Abschn.
12.8. Abs. 2 UStAE etwas anderes ergeben sollte, handelt es sich
lediglich um eine Verwaltungsanweisung, durch die eine selektive
Anwendung des Regelsteuersatzes nicht angeordnet werden kann (vgl.
z.B. BFH-Urteil vom 8.10.2008 V R 61/03, BFHE 222, 176, BStBl II
2009, 321 = SIS 08 41 75, unter II.3.d cc, unter Hinweis auf das
EuGH-Urteil vom 16.1.2003 C-315/00 - Maierhofer -, Slg. 2003,
I-563, UR 2003, 86 = SIS 03 09 06, Rz 23).
|
|
|
33
|
Außerdem würde eine
unterschiedliche Besteuerung der im Rahmen eines Dorffestes
angebotenen Schaustellerleistungen und der außerhalb einer
solchen Veranstaltung erbrachten gleichartigen Leistungen gegen das
unionsrechtliche Neutralitätsprinzip verstoßen. Daher
war eine entsprechende unionsrechtskonforme Auslegung geboten.
|
|
|
34
|
ee) Soweit das FA in der mündlichen
Verhandlung ergänzend ausgeführt hat, es sei denkbar,
dass ein Teil des Volksfestes frei zugänglich und nicht von
den streitbefangenen Eintrittsberechtigungen umfasst gewesen sei,
wäre dies - unabhängig vom Fehlen entsprechender
tatsächlicher Feststellungen des FG - nicht
entscheidungserheblich. Denn aus den - im Übrigen nicht mit
zulässigen Verfahrensrügen angegriffenen -
tatsächlichen Feststellungen des FG ergibt sich lediglich,
dass die Beteiligten um die Anwendung des zutreffenden Steuersatzes
auf die von der Gemeinde X erteilten Eintrittsberechtigungen
streiten. Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung etwaiger weiterer
von anderen Unternehmern ausgeführter Umsätze ist nicht
Gegenstand dieses Verfahrens.
|
|
|
35
|
3. Da das FG von anderen
Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war seine Entscheidung
aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Klage war in vollem
Umfang stattzugeben.
|