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I. Streitig ist, ob und in welchem Umfang
auch die auf das öffentliche Straßenland vor dem
Grundstück entfallenden Aufwendungen für den Anschluss
eines Grundstücks an zentrale Anlagen der
Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung durch den
zuständigen Zweckverband als Handwerkerleistungen
gemäß § 35a Abs. 2 Satz 2 des
Einkommensteuergesetzes in der bis zum Streitjahr geltend Fassung
(EStG) zu berücksichtigen sind.
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Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger), zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute,
erwarben mit Kaufvertrag vom Dezember 2001 das Grundstück X in
Y-Dorf und errichteten darauf in 2002 ein Einfamilienhaus, das sie
seit der Fertigstellung für eigene Wohnzwecke nutzten.
Zunächst wurde das Objekt durch einen Brunnen mit Trinkwasser
versorgt. Das Abwasser wurde über eine Grube entsorgt.
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Ab 2005 schloss der zuständige
Zweckverband das Grundstück an zentrale Anlagen der
Trinkwasserversorgung und der Abwasserentsorgung an. Für die
Herstellung der Hausanschlüsse setzte der Zweckverband
gegenüber den Klägern mit Bescheiden vom Juni 2007
Kostenersatzbeträge in Höhe von 910,21 EUR und 651,99 EUR
fest, die die Kläger am 31.7.2007 durch Überweisung von
ihrem Bankkonto beglichen. Darüber hinaus sind den
Klägern Kosten für die Installation eines
Wasserzählers in Höhe von 58,75 EUR entstanden, die
ebenfalls durch Überweisung getilgt wurden.
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Diese Aufwendungen machten die Kläger
in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr
(2007) erfolglos als Handwerkerleistungen i.S. des § 35a EStG
geltend. Auch der Einspruch der Kläger blieb ohne
Erfolg.
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit
den in EFG 2012, 2208 = SIS 12 28 67 veröffentlichten
Gründen statt.
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Mit der Revision rügt der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) die Verletzung
materiellen Rechts.
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Es beantragt, das Urteil des FG
Berlin-Brandenburg vom 15.8.2012 7 K 7310/10 aufzuheben und die
Klage abzuweisen.
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Die Kläger beantragen, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision des FA ist unbegründet
und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung). Das FG hat zu Recht entschieden, dass den
Klägern für die streitigen Kosten für den
Haus(wasser)anschluss (Trink- und Abwasser) die
Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG zu
gewähren ist.
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1. Nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG
ermäßigt sich auf Antrag die tarifliche Einkommensteuer
für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für
Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die
in einem inländischen Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht
werden, um 20 %, höchstens um 600 EUR. Nach § 35a Abs. 2
Satz 3 EStG gilt die Ermäßigung nur für
Arbeitskosten.
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a) Handwerkerleistungen sind einfache wie
qualifizierte handwerkliche Tätigkeiten, unabhängig
davon, ob es sich um regelmäßig vorzunehmende
Renovierungsarbeiten oder um Erhaltungs- und
Modernisierungsmaßnahmen handelt (vgl. Senatsurteil vom
6.5.2010 VI R 4/09, BFHE 229, 534, BStBl II 2011, 909 = SIS 10 22 80). Begünstigt werden handwerkliche Tätigkeiten, die von
Mietern und Eigentümern für die zu eigenen Wohnzwecken
genutzte Wohnung in Auftrag gegeben werden, z.B. das Streichen und
Tapezieren von Innenwänden, die Beseitigung kleinerer
Schäden, die Erneuerung eines Bodenbelags (Teppichboden,
Parkett oder Fliesen), die Modernisierung des Badezimmers oder der
Austausch von Fenstern. Hierzu gehören auch Aufwendungen
für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsarbeiten auf
dem Grundstück, z.B. Garten- und Wegebauarbeiten (BTDrucks
16/643, 10, und BTDrucks 16/753, 11), aber auch die Reparatur,
Wartung und Austausch von Gas- und Wasserinstallationen (Barein in
Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 35a
Rz 25).
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b) Nach allgemeiner Meinung ist nicht
erforderlich, dass der Leistungserbringer in die Handwerksrolle
eingetragen ist (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen
- BMF - vom 15.2.2010 IV C 4 - S 2296 - b/07/0003, 2010/0014334,
BStBl I 2010, 140 = SIS 10 00 72, Tz. 21, ersetzt durch
BMF-Schreiben vom 10.1.2014 IV C 4 - S 2296 - b/07/0003:004,
2014/0023765, BStBl I 2014, 75 = SIS 14 04 30, Tz. 23). Auch
Kleinunternehmer i.S. des § 19 des Umsatzsteuergesetzes (vgl.
BMF-Schreiben in BStBl I 2010, 140 = SIS 10 00 72, Tz. 21, ersetzt
durch BMF-Schreiben in BStBl I 2014, 75 = SIS 14 04 30, Tz. 23)
oder die öffentliche Hand können steuerbegünstigte
Handwerkerleistungen erbringen (Apitz in Herrmann/Heuer/Raupach,
§ 35a EStG Rz 21; vgl. Eversloh in Lademann, EStG, § 35a
EStG Rz 86; Wüllenkemper, EFG 2013, 52; BMF-Schreiben in BStBl
I 2010, 140 = SIS 10 00 72 <Schornsteinfeger>). Dies gilt
insbesondere dann, wenn eine juristische Person des
öffentlichen Rechts (beispielsweise ein Zweckverband) mit dem
Verlegen der Hausanschlussleitungen (= die Verbindung des
Wasser-Verteilungsnetzes mit der Anlage des
Grundstückseigentümers, vgl. § 10 Abs. 1 der
Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung
mit Wasser - AVBWasserV - vom 20.6.1980, BGBl I 1980, 750) gegen
Kostenerstattung im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art
unternehmerisch tätig geworden ist (vgl. hierzu Urteil des
Bundesfinanzhofs vom 8.10.2008 V R 61/03, BFHE 222, 176, BStBl II
2009, 321 = SIS 08 41 75; BMF-Schreiben vom 7.4.2009 IV B 8-S
7100/07/10024, 2009/0215132, BStBl I 2009, 531 = SIS 09 11 98). Auf
welcher Rechtsgrundlage die öffentliche Hand die Kosten
(Heranziehungsbescheid, öffentlich-rechtlicher Vertrag)
für den Hausanschluss erhebt, ist insoweit ebenso unerheblich
wie der Umstand, ob diese Leistung
„eigenhändig“ oder durch einen von ihr
beauftragten bauausführenden Dritten erbracht wird. Denn auch
insoweit nimmt der Steuerpflichtige eine, wenn auch durch eine
juristische Person vermittelte, Handwerkerleistung in Anspruch.
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c) Die Handwerkerleistung muss ferner
„in“ einem inländischen Haushalt des
Steuerpflichtigen erbracht werden. Hieraus wird geschlossen, dass
nur handwerkliche Tätigkeiten, die in der privaten Wohnung
bzw. dem Haus nebst Zubehörräumen und Garten geleistet
werden, nicht aber solche, die „für“ den
Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden, nach § 35a
Abs. 2 Satz 2 EStG begünstigt sind (BMF-Schreiben in BStBl I
2010, 140 = SIS 10 00 72, Tz. 15, ersetzt durch BMF-Schreiben in
BStBl I 2014, 75 = SIS 14 04 30, Tz. 15; FG München vom
24.10.2011 7 K 2544/09, DStRE 2012, 1118 = SIS 12 01 91).
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Dieses enge Verständnis der Vorschrift
greift nach Auffassung des erkennenden Senats jedoch zu kurz. Denn
der Begriff „im Haushalt“ ist
räumlich-funktional auszulegen (vgl. Kratzsch in Frotscher,
EStG, Freiburg 2011, § 35a Rz 77; Eversloh in Lademann, EStG,
§ 35a EStG Rz 92; Wüllenkemper, EFG 2013, 52; Bode, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 35a Rz D 7, E 7;
Schmidt/Krüger, EStG, 32. Aufl., § 35a Rz 4).
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Deshalb werden die Grenzen des Haushalts i.S.
des § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG nicht ausnahmslos -
unabhängig von den Eigentumsverhältnissen - durch die
Grundstücksgrenzen abgesteckt (Senatsurteil vom 20.3.2014 VI R
55/12, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt; entgegen
BMF-Schreiben in BStBl I 2010, 140 = SIS 10 00 72, Tz. 15, ersetzt
durch BMF-Schreiben in BStBl I 2014, 75 = SIS 14 04 30, Tz. 15).
Vielmehr kann auch die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen,
die jenseits der Grundstücksgrenze auf fremdem, beispielsweise
öffentlichem Grund erbracht werden, nach § 35a Abs. 2
Satz 2 EStG begünstigt sein. Es muss sich dabei allerdings um
Leistungen handeln, die in unmittelbarem räumlichen
Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und dem Haushalt
dienen (Schmidt/Krüger, EStG, 32. Aufl., § 35a Rz 4; vgl.
auch Köhler in Bordewin/Brandt, EStG, § 35a Rz 300 f.).
Hiervon ist insbesondere auszugehen, wenn der Haushalt des
Steuerpflichtigen an das öffentliche Versorgungsnetz
angeschlossen wird.
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Zwar handelt es sich bei Hausanschlüssen
(auch insoweit als die Anschlussleitung innerhalb des
Privatgrundstücks des Anschlussnehmers verläuft) um
Betriebsanlagen des Wasserversorgungsunternehmens (vgl. § 10
Abs. 3 Satz 1 AVBWasserV; Urteile des Bundesgerichtshofs vom
7.2.2008 III ZR 307/05, Neue Juristische
Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht - NJW-RR - 2008,
771, und vom 1.2.2007 III ZR 289/06, NJW-RR 2007, 823). Gleichwohl
ist der Hausanschluss insgesamt und damit auch, soweit er im
öffentlichen Straßenraum verläuft, zum Haushalt
i.S. des § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG zu zählen (entgegen
BMF-Schreiben in BStBl I 2010, 140 = SIS 10 00 72, Tz. 12, 15,
ersetzt durch BMF-Schreiben in BStBl I 2014, 75 = SIS 14 04 30, Tz.
9, 15). Denn über diesen wird der auf dem Grundstück
gelegene Haushalt des Steuerpflichtigen über das
öffentliche Versorgungsnetz mit den für eine
Haushaltsführung notwendigen Leistungen der
Daseinsfürsorge versorgt. Ein Hausanschluss stellt sich damit
als notwendige Voraussetzung eines Haushalts dar.
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Entsprechende Handwerkerleistungen sind
folglich nicht nur anteilig, soweit sie auf Privatgelände
entfallen, sondern in vollem Umfang nach § 35a Abs. 2 Satz 2
EStG begünstigt (Schmidt/Krüger, EStG, 32. Aufl., §
35a Rz 4; Bode, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, §
35a Rz D 7, E 7; Kratzsch in Frotscher, EStG, Freiburg 2011, §
35a Rz 71 f., 77; Eversloh in Lademann, EStG, § 35a EStG Rz
92; Wüllenkemper, EFG 2013, 52; a.A. Fischer in Kirchhof,
EStG, 12. Aufl., § 35a Rz 7; Durst in Korn, § 35a EStG Rz
41; Heß/Görn, DStR 2007, 1804<1805>).
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d) Wortlaut sowie Sinn und Zweck des §
35a Abs. 2 Satz 2 EStG stehen dieser Auslegung der Vorschrift nicht
entgegen (vgl. Senatsurteil vom 20.3.2014 VI R 55/12, zur amtlichen
Veröffentlichung bestimmt; entgegen BMF-Schreiben in BStBl I
2010, 140 = SIS 10 00 72, Tz. 15, ersetzt durch BMF-Schreiben in
BStBl I 2014, 75 = SIS 14 04 30, Tz. 15).
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2. Nach diesen Grundsätzen hat das FG die
streitigen Aufwendungen der Kläger für den
Wasserhausanschluss zu Recht in Höhe der geschätzten
Arbeitskosten als Handwerkerleistungen für eine
Modernisierungsmaßnahme beurteilt, die den Klägern die
begehrte Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 Satz 2
EStG vermitteln. Die vom FA erhobenen Einwendungen gegen die
Schätzung der Arbeitskosten greifen nicht durch. Die
Erkenntnis des FG, dass die mit der Herstellung des Hausanschlusses
verbundenen Tiefbauarbeiten höhere Arbeitskosten als
Materialkosten nach sich gezogen hätten, diese Materialkosten
jedoch nicht von gänzlich untergeordneter Bedeutung seien und
die daraufhin vorgenommene Aufteilung der Gesamtkosten (60 %
Arbeitskosten) begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Denn
Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze
sind insoweit weder vorgetragen noch ersichtlich. Damit war die
Revision des FA zurückzuweisen.
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