Trinkwasser, USt-Satz: Die Lieferung von Trinkwasser in verschlossenen 22,5 l-Behältnissen zum menschlichen Konsum in Betrieben unterliegt dem Regelsteuersatz. - Urt.; BFH 24.8.2006, V R 17/04; SIS 06 47 39
I. Streitig ist, ob die Lieferung von
Wasser durch die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) in den Jahren 1995 bis 1999 (Streitjahre) mit dem
Regelsteuersatz oder mit dem ermäßigten Steuersatz der
Umsatzsteuer unterliegt.
Die Klägerin betreibt den Handel mit
Getränkeautomaten und Instantgetränken. Außerdem
verkauft und vermietet sie unter der Bezeichnung
„A-System“ Spender-Geräte, denen an einem Hahn mit
Hilfe von Wegwerfbechern Trinkwasser entnommen werden kann. Der
Wasservorrat dazu befindet sich in einer auf das Gerät
aufgesetzten und austauschbaren 22,5 l-Gallone aus Kunststoff, die
die Klägerin ebenfalls vertreibt. Das Wasser wird von der
Klägerin ausschließlich aus bestimmten Gebieten bezogen,
gesäubert, gefiltert und in die Gallonen abgefüllt. In
einem Gutachten durch ein akkreditiertes chemisch/biologisches
Prüfungslabor hat sich die Klägerin bestätigen
lassen, dass das in den Gallonen abgefüllte Wasser in
Deutschland als Trinkwasser vermarktet werden darf. Abnehmer des
Systems und der Nachfüllgallonen sind sowohl Kunden mit dem
Recht zum Vorsteuerabzug als auch ohne (z.B. Möbelhäuser,
Ärzte etc.). Für die Lieferung der Wassergallonen wendete
die Klägerin den ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7
v.H. an, während sie für den Verkauf bzw. die Vermietung
der Spender-Geräte den Regelsteuersatz von 15 v.H. bzw. 16
v.H. in Rechnung stellte.
Demgegenüber stellte sich der Beklagte
und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) auf den
Standpunkt, die Lieferung des Trinkwassers unterliege dem vollen
Steuersatz. Er erließ dementsprechend geänderte bzw.
erstmals Umsatzsteuerjahresbescheide 1995 bis 1997,
Vorauszahlungsbescheide für das 1. Quartal 1998, die Monate
April bis Dezember 1998, Januar und Februar 1999 sowie einen
Umsatzsteuer-Sondervorauszahlungsbescheid 1999. Der Einspruch der
Klägerin hiergegen blieb erfolglos.
Im Laufe des Klageverfahrens erließ
das FA die Umsatzsteuer-Jahresbescheide 1998 und 1999 (1998:
Bescheid vom 8.8.2000; 1999: Bescheid vom 2.11.2000), die auf die
Anträge der Klägerin gemäß § 68 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens geworden
sind.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt
und setzte die Umsatzsteuer unter Anwendung des
ermäßigten Steuersatzes fest (veröffentlicht in EFG
2004, 1015 = SIS 04 20 50).
Zur Begründung führt es im
Wesentlichen aus, die Lieferung des Wassers in den 22,5 l-Gallonen
unterliege dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs.
2 Nr. 1 i.V.m. Nr. 34 des Anhangs des Umsatzsteuergesetzes
1993/1999 (UStG), weil es sich nicht um Trinkwasser handele, das in
zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Fertigpackungen in den
Verkehr gebracht wird. Zwar enthalte das UStG keine Definition der
Begriffe „Verbraucher“ und
„Fertigpackungen“; da die Einschränkung der
Steuerermäßigung für Wasser aber bezwecke, eine
gleichmäßige Besteuerung aller Erfrischungsgetränke
sicherzustellen, müssten die Begriffe
„Verbraucher“ und „Fertigpackungen“ so
ausgelegt werden, wie sie im Zusammenhang mit
Erfrischungsgetränken verwendet werden, die nicht unter die
Steuerermäßigungen fielen, wie z.B. Mineral- und
Tafelwasser. § 7 Abs. 1 der Mineral- und Tafelwasserverordnung
(MTVO) vom 1.8.1984 (BGBl I 1984, 1036) verweise nur auf den
Verbraucherbegriff des § 6 Abs. 1 des Lebensmittel- und
Bedarfsgegenständegesetzes (LMBG) und damit auf Verbraucher,
an die Mineralwässer zur persönlichen Verwendung oder zur
Verwendung im eigenen Haushalt abgegeben werden; der
Verbraucherbegriff des § 6 Abs. 2 LMBG - gewerbliche Bezieher
zum Verbrauch in ihrer Betriebsstätte - werde mit dieser
Verweisung ausgeschlossen. Im Übrigen erfüllten
Großbehältnisse nicht die Voraussetzungen einer
Fertigpackung i.S. des § 7 Abs. 1 MTVO, weil zur Abnahme durch
Letztabnehmer nach § 1 i.V.m. Anlage 1 Nr. 6a der
Fertigpackungsverordnung (FPackV) für Mineralwasser in einem
Füllmengenbereich von 0,005 bis 10 l nur Nennfüllmengen
bis 2,0 l in den Verkehr gebracht werden dürften. Wegen der
beabsichtigten Gleichbehandlung von Wasser mit anderen
Erfrischungsgetränken sei diese Auslegung der Begriffe in Nr.
34 des Anhangs zum UStG geboten. Nicht jede Form der
Kontingentierung von Wasser führe zum Verlust der
Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Nr.
34 des Anhangs zum UStG.
Hiergegen wendet sich die Revision des FA;
es führt insbesondere aus, der Begriff des
„Verbrauchers“ dürfe nicht mit dem des
„Letztabnehmers“ gleichgesetzt werden; auch gewerbliche
Abnehmer von Wasser könnten dessen Verbraucher sein. Weiterhin
sei die FPackV nicht einschlägig, weil diese nach § 31
Abs. 1 FPackV nur auf Fertigpackungen von bis zu 10 l anzuwenden
sei. Letztlich dürfe der Verbraucherbegriff auch nicht aus der
MTVO ausgelegt werden.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin ist der Revision
entgegengetreten.
II. Die Revision ist begründet und
führt zur Aufhebung des Urteils des FG und zur Abweisung der
Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO); die Lieferung von
Wasser in 22,5 l-Gallonen unterliegt nach § 12 Abs. 1, Abs. 2
Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 34 der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG
(Zolltarif Unterpos. 2201 9000) dem allgemeinen Steuersatz.
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 34
der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG ermäßigt sich
die Steuer auf 7 v.H. für die Lieferung von Wasser,
ausgenommen Trinkwasser, einschließlich Quellwasser und
Tafelwasser, das in zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten
Fertigpackungen in den Verkehr gebracht wird.
a) Diese Vorschrift beruht auf § 12 Abs.
2 Nr. 1 UStG 1967 i.V.m. Nr. 29 der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr.
1 UStG 1967, wonach für Wasser generell der
ermäßigte Steuersatz galt; auf der
Ermächtigungsgrundlage des § 26 Abs. 1 UStG 1967 wurde
die Steuerermäßigung für Wasser nach § 2 der
Dritten Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) vom
28.12.1967 dahin gehend eingeschränkt, dass mineralarmes
Wasser i.S. des § 3 der Verordnung über Tafelwässer
vom 12.11.1934 (RGBl I, 1183), geändert durch die Zweite
Verordnung über Tafelwässer vom 11.2.1938 (RGBl I, 199)
nicht als Wasser der Nummer 29 der Anlage 1 des Gesetzes galt.
Gesetzgeberischer Zweck der Einschränkung war, eine
gleichmäßige Besteuerung aller Erfrischungsgetränke
sicherzustellen (vgl. Schlienkamp, Dritte und Vierte Verordnung zur
Durchführung des Umsatzsteuergesetzes, Betriebsberater - BB -
1968, Beilage 2, S. 3).
Auch die um die Ausnahme des Wasserdampfes
ergänzte Fassung des § 26 UStDV 1980 in ihrer
ursprünglichen Fassung vom 21.12.1979 enthält dieselbe
Einschränkung für mineralarmes Wasser. Erst die auf Grund
Art. 1 Nr. 5 der Fünften Verordnung zur Änderung der
UStDV geänderte Fassung der UStDV 1980 vom 19.12.1985 enthielt
erstmals die später in Nr. 34 der Anlage 1 zum UStG verwendete
Formulierung: „Als Wasser (...) gelten nicht: 1.
Trinkwasser einschließlich Quellwasser und Tafelwasser, das
in zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Fertigpackungen in den
Verkehr gebracht wird, ...“.
Der Grund für diese Änderung war die
Ersetzung der Verordnung über Tafelwässer durch die MTVO
vom 1.8.1984 (BGBl I 1984, 1036), die nach § 1 MTVO für
das Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von natürlichem
Mineralwasser, von Quellwasser und Tafelwasser sowie von sonstigem
in zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Fertigpackungen
abgefüllten Trinkwasser gilt; § 26 UStDV musste deshalb
an die neue Rechtslage angepasst werden (vgl. Schlienkamp in UR
1986, S. 31, 33 unter Nr. 5). Die für die Streitjahre geltende
Fassung des UStG und der Nr. 34 der Anlage 1 hierzu beruht auf der
Neufassung der Anlage zur Anpassung an den Gemeinsamen Zolltarif
durch Art. 1 Nr. 3 der Verordnung zur Änderung des UStG und
der UStDV vom 7.3.1988 (BGBl I 1988, 204) und gilt seit dem
1.1.1988.
Da die gesetzliche Regelung seit jeher auf die
Tafelwasserverordnung bzw. die MTVO Bezug nimmt und der heute
maßgebliche Gesetzeswortlaut mit der neuen Rechtslage nach
der MTVO begründet wurde, hat das FG den Begriff „in
zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Fertigpackungen“
zu Recht anhand der MTVO ausgelegt.
b) Entgegen der Auffassung des FG lässt
sich aus der MTVO aber eine Verengung des Verbraucherbegriffes
für Tafelwasser und insbesondere hier in Rede stehendes
Trinkwasser auf den „Endverbraucher“ - und die
damit zusammenhängenden Packungsgrößen - nicht
begründen. Denn die in § 7 Abs. 1 MTVO
(„Abfüllung und Verpackung“) enthaltene
Verweisung auf „Verbraucher, an die Mineralwässer zur
persönlichen Verwendung oder zur Verwendung im eigenen
Haushalt abgegeben werden“ (§ 6 Abs. 1 LMBG) gilt
nur für natürliches Mineralwasser (das ohnehin dem
allgemeinen Umsatzsteuersatz unterliegt). Die für Tafelwasser
(§§ 12 und 13 MTVO) und Trinkwasser (§ 18 MTVO)
einschlägigen Vorschriften der MTVO enthalten diese
einschränkende Verweisung jedoch nicht und beziehen sich
deshalb nach allgemeinen Auslegungsregeln auch auf Verbraucher i.S.
des § 6 Abs. 2 LMBG, d.h. gewerbliche Bezieher zum
gewerblichen Verbrauch; für diese lassen sich aber
Einschränkungen hinsichtlich der Packungsgröße
weder aus dem allgemeinen Verständnis, noch aus der FPackV
herleiten. Es bleibt daher für Tafelwasser und Trinkwasser bei
der volumenmäßig nicht eingeschränkten Definition
der Fertigpackung in § 6 Abs. 1 des Eichgesetzes
(„Fertigpackungen im Sinne dieses Gesetzes sind
Erzeugnisse in Verpackungen beliebiger Art, die in Abwesenheit des
Käufers abgepackt und verschlossen werden, wobei die Menge des
darin enthaltenen Erzeugnisses ohne Öffnen oder merkliche
Änderung der Verpackung nicht verändert werden
kann“).
c) Da die Formulierung in Nr. 34 der Anlage zu
§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG „ausgenommen Trinkwasser,
einschließlich Quellwasser und Tafelwasser, das in zur Abgabe
an den Verbraucher bestimmten Fertigpackungen in den Verkehr
gebracht wird“ der MTVO entstammt und sich hieraus keine
volumenmäßige Beschränkung der Fertigpackung
ergibt, fällt das von der Klägerin in 22,5 l-Gallonen
gelieferte Trinkwasser nicht unter die Steuerermäßigung
für Wasser; denn das FG hat rechtsfehlerfrei festgestellt,
dass es sich bei den mit Trinkwasser gefüllten Gallonen um
Fertigpackungen handelt. Sie sind aus den o.g. Gründen auch
zur Abgabe an den „Verbraucher“ bestimmt.