Umsatzsteuerliche Organschaft, Voraussetzungen: 1. Im Rahmen der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft kann von der finanziellen Eingliederung weder auf die organisatorische noch auf die wirtschaftliche Eingliederung geschlossen werden. - 2. Der aktienrechtlichen Abhängigkeitsvermutung aus § 17 AktG kommt keine Bedeutung im Hinblick auf die organisatorische Eingliederung bei der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft zu. - 3. Die organisatorische Eingliederung setzt in aller Regel die personelle Verflechtung der Geschäftsführungen des Organträgers und der Organgesellschaft voraus. - Urt.; BFH 3.4.2008, V R 76/05; SIS 08 25 80
I. Streitig ist, ob in den Streitjahren
(1999 und 2000) eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft zwischen
der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) als
Organgesellschaft und der K-GmbH als Organträgerin
bestand.
Die Klägerin ist eine im Jahr 1999
gegründete und in das Handelsregister eingetragene GmbH, deren
Unternehmensgegenstand die Förderung der Altenhilfe ist. Das
Stammkapital der Klägerin beträgt seit Gründung ...
EUR und wurde in den Streitjahren von der K-GmbH in Höhe von
70 % sowie von U und H in Höhe von jeweils 15 %
gehalten.
Geschäftsführer der Klägerin
waren seit ihrer Gründung ihre Gesellschafter U und H. Sie
vertraten die Klägerin gemeinsam. Unbeschadet der im
Außenverhältnis unbeschränkten Vertretungsbefugnis
waren die Geschäftsführer nach den
Anstellungsverträgen in ihrer Geschäftsführung an
die Weisungen der Gesellschafterversammlung gebunden und hatten
außerdem vor Abschluss eines der nachstehend genannten
Geschäfte die Einwilligung der Gesellschafterversammlung
einzuholen:
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Erwerb, Veräußerung und
Belastung von Grundstücken und
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grundstücksgleichen Rechten,
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Bestellung sowie Abberufung von Prokuristen
und Geschäftsführern, auch von Tochter- und
Beteiligungsgesellschaften,
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Abschluss, Beendigung oder Änderung
von Verträgen mit Arbeitnehmern und freien Dienstnehmern,
denen ein Gehalt von mehr als 100.000 DM/Jahr brutto zusteht, sowie
Anstellung von Ehegatten eines Geschäftsführers oder mit
diesem verwandter oder verschwägerter Personen,
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Abschluss, Beendigung oder Änderung
der Grundsätze der betrieblichen Altersversorgung sowie von
Pensionsvereinbarungen im Allgemeinen,
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Eingehung von Wechselverbindlichkeiten und
Übernahme von Bürgschaftserklärungen sowie die
Abgabe von Garantie-Erklärungen,
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Gewährung von Darlehen und
Inanspruchnahme von Darlehen, soweit sie nicht im Finanzplan
vorgesehen sind und nicht Tochter- oder Beteiligungsgesellschaften
betreffen,
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Inanspruchnahme und Gewährung von
Krediten - ausgenommen übliche laufende Kundenkredite -, die
im Einzelfall einen Betrag von 25.000 DM
überschreiten,
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Gewährung von Zahlungsbedingungen im
Geschäftsverkehr, die über das übliche Maß
hinausgehen,
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Abschluss, Beendigung oder Änderung
von Verträgen über den Erwerb oder die
Veräußerung von gewerblichen Schutzrechten, über
Lizenzen, Know-how oder ähnliche Rechte sowie von
Verträgen jeglicher Art, durch die die Klägerin im
Einzelfall oder für ein Geschäftsjahr mit mehr als
100.000 DM verpflichtet wird,
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Errichtung und Aufhebung von
Zweigniederlassungen oder Betriebsstätten, Erwerb und
Veräußerung von Betrieben und Beteiligungen,
Veräußerungen des Gesamtbetriebs, von Teilbetrieben oder
Beteiligungen.
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Das Stammkapital der K-GmbH wurde je zur
Hälfte von ihren Geschäftsführern HB und RT
gehalten. Die K-GmbH war Geschäftsführerin und
persönlich haftende Gesellschafterin diverser
Personengesellschaften. Mit Verträgen vom 27.4.1999 erwarb die
K-GmbH außerdem jeweils 100 % an der gemeinnützigen
Residenz M Seniorenheimbetriebsgesellschaft mbH und an der
ebenfalls gemeinnützigen Residenz L
Seniorenheimbetriebsgesellschaft mbH (Residenzen), die sie
während der Streitjahre 1999 und 2000 unverändert hielt.
Eine darüber hinausgehende Tätigkeit übte die K-GmbH
nicht aus.
Geschäftsführer der Residenzen
waren die Geschäftsführer der Klägerin U und H. Die
Residenzen betrieben Seniorenwohnanlagen in M und L. Das hierzu
benötigte Grundvermögen war von der K-KG M bzw. der K-KG
L gepachtet, deren persönlich haftende Gesellschafterin und
Geschäftsführerin die K-GmbH war.
Die Klägerin schloss mit den
Residenzen Managementverträge ab. Auf der Grundlage dieser
Verträge übte sie umfangreiche
Geschäftsführungs-, Management- und Beratungsleistungen
gegenüber den Residenzen aus. Darüber hinaus übte
die Klägerin keine wirtschaftliche Tätigkeit aus.
Über ihre Geschäftstätigkeit für die Residenzen
erstattete die Klägerin der K-GmbH monatlich Bericht.
Die Klägerin behandelte die von ihr an
die Residenzen ausgeführten Management- und
Beratungsleistungen als nicht steuerbare Umsätze im
Organkreis, weil sie davon ausging, dass sowohl sie selbst als auch
die Residenzen umsatzsteuerrechtlich Organe der K-GmbH
seien.
Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) folgte dem im Anschluss an eine steuerliche
Außenprüfung nicht und unterwarf die Leistungen der
Klägerin an die Residenzen der Umsatzsteuer.
Hiergegen richtete sich nach erfolglosem
Einspruch die Klage, mit der die Klägerin geltend machte, sie
und die Residenzen seien Organe der K-GmbH. Bei den von ihr, der
Klägerin, an die Residenzen erbrachten Leistungen habe es sich
deshalb um nichtsteuerbare Vorgänge im Organkreis
gehandelt.
Die Klage hatte Erfolg. In seinem in EFG
2006, 1110 = SIS 06 22 69 veröffentlichten Urteil bejahte das
Finanzgericht (FG) eine Organschaft zwischen der K-GmbH und der
Klägerin und hob die Einspruchsentscheidung sowie die
Umsatzsteuerbescheide für 1999 und für 2000 auf. Zur
Begründung führte das FG im Wesentlichen aus, die
Klägerin sei finanziell in die K-GmbH eingegliedert gewesen,
da diese 70 % der Gesellschaftsanteile der Klägerin gehalten
habe.
Auch die Voraussetzungen einer
organisatorischen Eingliederung seien gegeben. Eine
organisatorische Eingliederung liege vor, wenn sichergestellt sei,
dass in der finanziell beherrschten Gesellschaft der Wille des
beherrschenden Gesellschafters in der laufenden
Geschäftsführung auch tatsächlich durchgeführt
werde. In aller Regel folge aus der finanziellen Eingliederung auch
die organisatorische Eingliederung. Hierbei sei die
gesellschaftsrechtliche Wertung des § 17 des Aktiengesetzes
(AktG) für die steuerrechtliche Ausfüllung des Begriffes
der organisatorischen Eingliederung heranzuziehen. Ein
abhängiges Unternehmen i.S. des § 17 AktG sei ein
solches, auf das ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar
einen beherrschenden Einfluss ausüben könne. Von einem im
Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen werde vermutet, dass es von
dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig sei
(§ 17 Abs. 2 AktG). Diese Vermutung sei auch für die
steuerrechtlichen Organschaftsbeziehungen anwendbar und geboten,
weil es der Lebenserfahrung entspreche, dass die
Geschäftsführungsorgane der finanziell beherrschten
Gesellschaft im Regelfall den mutmaßlichen Willen des
beherrschenden Gesellschafters ausführen werden. Diese -
widerlegbare - Vermutung für eine organisatorische
Eingliederung habe das FA nicht widerlegt.
Auch die wirtschaftliche Eingliederung der
Klägerin sei gewährleistet gewesen, weil zwischen ihr und
der K-GmbH ein wirtschaftlicher Leistungsverbund bestanden habe,
wobei die Klägerin unmittelbar vor Ort tätig geworden
sei. Auch die Entstehungsgeschichte weise darauf hin, dass beide
Unternehmen ein gemeinsames wirtschaftliches Ziel gehabt
hätten.
Mit der vom FG zugelassenen Revision macht
das FA Verletzung materiellen Rechts (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1
des Umsatzsteuergesetzes 1999 - UStG - ) geltend. Das FA trägt
vor, die Klägerin sei weder wirtschaftlich noch
organisatorisch in die K-GmbH eingegliedert gewesen. Zwar
könne eine wirtschaftliche Eingliederung bereits dann
vorliegen, wenn zwischen dem Organträger und der
Organgesellschaft aufgrund gegenseitiger Förderung und
Ergänzung mehr als nur unerhebliche wirtschaftliche
Beziehungen bestünden. Vorliegend habe es aber an
wirtschaftlichen Leistungsbeziehungen zwischen der Klägerin
und der K-GmbH gefehlt. Weder habe die Klägerin Leistungen an
die K-GmbH erbracht noch habe sie Leistungen von dieser erhalten.
Ohne derartige Leistungsbeziehungen liege aber keine Eingliederung
vor.
Auch an der organisatorischen Eingliederung
der Klägerin fehle es, weil nicht sichergestellt gewesen sei,
dass die Klägerin den Willen der K-GmbH tatsächlich
ausführe. Es liege keine Personenidentität zwischen den
Leitungsgremien beider Gesellschaften vor und es sei auch nicht
ersichtlich, dass die Klägerin in rechtlich erzwingbarer Weise
verpflichtet gewesen sei, Weisungen der K-GmbH zu folgen. Die
Geschäftsführer der Klägerin seien weitgehend
unabhängig gewesen. Die in ihren Anstellungsverträgen
vorgesehenen Einwilligungsvorbehalte hätten ihre Befugnisse
lediglich bei außergewöhnlichen
Geschäftsvorfällen eingeschränkt. Im Übrigen
hätten gemäß § 5 Ziff. 2 des
Gesellschaftsvertrages der Klägerin die
Anstellungsverträge mit ihren Geschäftsführern nur
mit 3/4-Mehrheit der Gesellschafterversammlung beendet werden
können. Da die K-GmbH über keine solche Mehrheit
verfügt habe, seien die Möglichkeiten der Einflussnahme
auf die Geschäftsführer der Klägerin gering
gewesen.
Das FA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, sowohl sie,
die Klägerin, als auch die Residenzen seien
umsatzsteuerrechtlich Organe der K-GmbH gewesen, mit der Folge,
dass ihre Geschäftsführungsleistungen an die Residenzen
als Leistungen im Organkreis nicht umsatzsteuerbar seien. Ihre
finanzielle Eingliederung sei offenkundig, weil die K-GmbH 70 % der
Gesellschaftsanteile gehalten habe. Auch die wirtschaftliche
Eingliederung habe vorgelegen, weil sie, die Klägerin,
für die Residenzen die Geschäfte einschließlich der
kaufmännischen Verwaltung, Buchhaltung und Organisation
geführt und daher das Unternehmen der K-GmbH gefördert
habe. Auch von einer organisatorischen Eingliederung sei
auszugehen. Diese erfordere nicht, dass tatsächlich Weisungen
erteilt worden seien. Es entspreche vielmehr der Lebenserfahrung,
dass die Geschäftsführungsorgane einer in Mehrheitsbesitz
stehenden Gesellschaft regelmäßig den mutmaßlichen
Willen des beherrschenden Gesellschafters ausführen
würden. Auch habe die K-GmbH faktisch die Möglichkeit
gehabt, die Geschäftsführer der Klägerin anzuweisen.
Das reiche für die Annahme einer organisatorischen
Eingliederung, an die keine überzogenen Ansprüche
gestellt werden dürften, aus.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der
Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ).
Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass
die Klägerin im Wege der Organschaft in die K-GmbH
eingegliedert gewesen sei und ihre Leistungen an die Residenzen
deshalb als Leistungen im Organkreis nicht der Umsatzsteuer
unterlägen.
1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist
Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit
selbständig ausübt. Die gewerbliche oder berufliche
Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht
selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach
dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell,
wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des
Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).
Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber von
der Ermächtigung des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten
Richtlinie des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
77/388/EWG - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche
steuerpflichtige Bemessungsgrundlage - (Richtlinie 77/388/EWG)
Gebrauch gemacht (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
5.12.2007 V R 26/06, BFH/NV 2008, 711 = SIS 08 11 75, zur
Veröffentlichung bestimmt; vom 17.1.2002 V R 37/00, BFHE 197,
357, BStBl II 2002, 373 = SIS 02 06 40, jeweils m.w.N.), der
bestimmt:
„Vorbehaltlich der Konsultation nach
Artikel 29 steht es jedem Mitgliedstaat frei, im Inland
ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber
durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und
organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind,
zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln.“
Danach eröffnet das Gemeinschaftsrecht
den Mitgliedstaaten zwar die Möglichkeit, bereits dann mehrere
im Inland ansässige Personen als einen Steuerpflichtigen zu
behandeln, wenn sie „eng miteinander verbunden
sind“. Diesen Spielraum nutzt das nationale Recht aber
nur teilweise aus. Die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG
erforderliche Eingliederung in ein anderes Unternehmen setzt
nämlich ein Verhältnis der Über- und Unterordnung
der beteiligten Gesellschaften voraus. Die Organgesellschaft muss
als Unternehmensteil dem Unternehmen des Organträgers
zuzuordnen sein (BFH-Urteile vom 19.5.2005 V R 31/03, BFHE 210,
167, BStBl II 2005, 671 = SIS 05 31 27; vom 18.12.1996 XI R 25/94,
BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441 = SIS 97 11 56, unter II.1.,
m.w.N.).
2. Der Annahme einer umsatzsteuerrechtlichen
Organschaft steht nicht bereits entgegen, dass es sich bei der
K-GmbH um eine sog. Holdinggesellschaft gehandelt hat. Der Senat
kann dabei offenlassen, ob eine Holdinggesellschaft ohne eigene
wirtschaftliche Tätigkeit Organträger sein kann (vgl.
bereits BFH-Urteil vom 22.5.2003 V R 94/01, BFHE 203, 185, BStBl II
2003, 954 = SIS 03 42 95); denn nach der Rechtsprechung des
Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) ist das
bloße Erwerben und Halten von Gesellschaftsbeteiligungen
keine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. der Richtlinie
77/388/EWG, mit der Folge, dass der Erwerber und Inhaber kein
Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ist. Etwas anderes
gilt aber dann, wenn die Beteiligung mit unmittelbaren oder
mittelbaren Eingriffen in die Verwaltung der Gesellschaften, an
denen die Beteiligung besteht, einhergeht und die mit diesen
Eingriffen verbundenen Leistungen gegen Entgelt erfolgen
(EuGH-Urteil vom 27.9.2001 C-16/00, Cibo Participations, Slg. 2001,
I-6663, BFH/NV Beilage 2002, 6, UR 2001, 500 = SIS 01 13 23;
Beschluss vom 12.7.2001 C-102/00, Welthgrove BV, Slg. 2001, I-5679,
BFH/NV Beilage 2002, 5, UR 2001, 533; Urteil vom 14.11.2000
C-142/99, Floridienne u Berginvest, Slg. 2000, I-9567, BFH/NV
Beilage 2001, 37, UR 2000, 530 = SIS 01 03 02; BFH-Urteil in BFHE
203, 185, BStBl II 2003, 954 = SIS 03 42 95). Nach den
Feststellungen des FG ist die K-GmbH persönlich haftende
Gesellschafterin und Geschäftsführerin
„zahlreicher Personengesellschaften“, u.a. der
K-KG M und der K-KG L gewesen. Die Tätigkeit als
Geschäftsführerin ist gegen Entgelt ausgeführt
worden.
3. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG definiert die
umsatzsteuerrechtliche Organschaft eigenständig, ohne auf
andere z.B. aktienrechtliche Regelungen zu verweisen (BFH-Urteile
in BFH/NV 2008, 711 = SIS 08 11 75; vom 11.4.1991 V R 126/87,
BFH/NV 1992, 140). Maßgeblich ist nach § 2 Abs. 2 Nr. 2
UStG allein, ob eine juristische Person nach dem Gesamtbild der
tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und
organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers
eingegliedert ist.
a) Für die Annahme einer Organschaft ist
es nicht erforderlich, dass alle drei in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG
genannten Merkmale einer Eingliederung (finanziell, wirtschaftlich
und organisatorisch) sich gleichermaßen deutlich feststellen
lassen; nach dem Gesamtbild der tatsächlichen
Verhältnisse kann die Selbständigkeit auch dann fehlen,
wenn die Eingliederung auf einem der drei Gebiete nicht vollkommen
ist (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 22.11.2001 V R 50/00, BFHE 197, 319,
BStBl II 2002, 167 = SIS 02 04 42; in BFH/NV 2008, 711 = SIS 08 11 75). Insbesondere ist es unschädlich, wenn bei finanzieller
und organisatorischer Eingliederung die wirtschaftliche
Eingliederung weniger deutlich zu Tage tritt. Allerdings reicht es
nicht aus, dass eine Eingliederung nur in Bezug auf zwei der drei
Merkmale besteht (BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 711 = SIS 08 11 75,
unter II. 1. b, m.w.N.).
Von der - im Streitfall aufgrund der 70
%-Beteiligung der K-GmbH an der Klägerin vorliegenden -
finanziellen Eingliederung kann daher weder auf die wirtschaftliche
Eingliederung noch auf die organisatorische Eingliederung
geschlossen werden (BFH-Beschluss vom 20.9.2006 V B 138/05, BFH/NV
2007, 281 = SIS 07 04 18 zur wirtschaftlichen Eingliederung;
BFH-Urteile vom 28.1.1999 V R 32/98, BFHE 187, 355, BStBl II 1999,
258 = SIS 99 08 17; in BFH/NV 2008, 711 = SIS 08 11 75, unter II.
1. b). Die aktienrechtliche Abhängigkeitsvermutung nach §
17 AktG hat deshalb - entgegen der Auffassung des FG - keine
Bedeutung in Bezug auf einzelne Eingliederungsvoraussetzungen,
insbesondere auch nicht für das Merkmal der organisatorischen
Eingliederung (ausführlich BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 711 =
SIS 08 11 75, unter II. 1., m.w.N.).
b) Die organisatorische Eingliederung setzt
voraus, dass die mit der finanziellen Eingliederung verbundene
Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft durch die
Muttergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung
wirklich wahrgenommen wird (BFH-Urteil in BFHE 187, 355, BStBl II
1999, 258 = SIS 99 08 17). Es kommt deshalb darauf an, dass der
Organträger die Organgesellschaft durch die Art und Weise der
Geschäftsführung beherrscht (BFH-Urteile in BFH/NV 2008,
711 = SIS 08 11 75, unter II. 2.; vom 9.10.2002 V R 64/99, BFHE
200, 119, BStBl II 2003, 375 = SIS 03 05 87) oder aber zumindest
durch die Gestaltung der Beziehungen zwischen dem Organträger
und der Organgesellschaft sichergestellt ist, dass eine vom Willen
des Organträgers abweichende Willensbildung bei der
Organtochter nicht stattfindet (BFH-Urteile vom 13.3.1997 V R
96/96, BFHE 182, 426, BStBl II 1997, 580 = SIS 97 20 43; in BFHE
187, 355, BStBl II 1999, 258 = SIS 99 08 17; vom 16.8.2001 V R
34/01, BFH/NV 2002, 223 = SIS 02 51 83; vom 1.4.2004 V R 24/03,
BFHE 204, 520, BStBl II 2004, 905 = SIS 04 21 98, und BFH-Beschluss
vom 13.6.2007 V B 47/06, BFH/NV 2007, 1936 = SIS 07 32 82). Die
organisatorische Eingliederung geschieht in aller Regel durch die
personelle Verflechtung der Geschäftsführungen (z.B.
BFH-Urteile vom 17.1.2002 V R 37/00, BFHE 197, 357, BStBl II 2002,
373 = SIS 02 06 40, und in BFH/NV 2008, 711 = SIS 08 11 75,
m.w.N.).
c) Das FG ist mit seiner Auffassung, die
aktienrechtliche Konzernvermutung nach § 17 AktG sei für
die organschaftliche Eingliederung von Bedeutung, von anderen
Grundsätzen ausgegangen. Das Urteil war deshalb
aufzuheben.
4. Die Sache ist spruchreif, so dass der Senat
nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO entscheiden kann. Die
angefochtenen Umsatzsteuerbescheide in der Gestalt der
Einspruchsentscheidung sind entgegen der Auffassung des FG
rechtmäßig, da eine Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr.
2 UStG unter keinem denkbaren Gesichtspunkt besteht. Es fehlt
bereits am Erfordernis der organisatorischen Eingliederung der
Klägerin, weil § 17 AktG im Rahmen des § 2 Abs. 2
Nr. 2 UStG ohne Bedeutung ist (s. oben 3. c). Im Streitfall liegt
auch keine Personenidentität in den Vertretungsorganen vor,
denn Geschäftsführer der Klägerin waren U und H,
Geschäftsführer der K-GmbH waren HB und RT. Ob und
inwieweit die organisatorische Eingliederung darüber hinaus
auch durch rein organisatorische Maßnahmen (vgl. BFH in
BFH/NV 2008, 711 = SIS 08 11 75, unter II. 3.) erfolgen kann,
braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn weder die mit der
finanziellen Eingliederung zwangsläufig einhergehende
Möglichkeit der Weisung durch Gesellschafterbeschluss (vgl.
hierzu Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl.,
§ 37 Rz 18) noch regelmäßige (hier: monatliche)
Berichte über die Geschäftsführung, auch wenn diese
auf einer vertraglichen Pflicht zur Berichterstattung beruhen,
reichen zur Sicherstellung der organisatorischen Eingliederung aus.
Erforderlich sind vielmehr institutionell abgesicherte unmittelbare
Eingriffsmöglichkeiten in den Kernbereich der laufenden
Geschäftsführung. Diese Voraussetzungen sind vorliegend
nicht erfüllt.
Auf die Frage der wirtschaftlichen
Eingliederung braucht deshalb nicht mehr eingegangen zu werden.
5. Dem Hilfsantrag der Klägerin, die
Sache an das FG zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts
zurückzuverweisen, konnte nicht entsprochen werden. Es fehlt
insoweit an einer wirksamen Gegenrüge der Klägerin.
Nach der Rechtsprechung des BFH ist ein
Steuerpflichtiger, der im finanzgerichtlichen Verfahren obsiegt
hat, als Revisionsbeklagter befugt, tatsächliche oder
lückenhafte Feststellungen des FG, die zu einer ihm
ungünstigen Entscheidung des BFH führen können, bis
zum Schluss der mündlichen Verhandlung mit
Verfahrensrügen (Gegenrüge) anzugreifen. An die
Zulässigkeit dieser Rügen sind jedoch die gleichen
formellen Anforderungen zu stellen wie an Verfahrensrügen des
Revisionsklägers (BFH-Urteile vom 11.2.2004 II R 43/01, BFH/NV
2004, 922 = SIS 04 22 58; vom 8.5.2003 IV R 54/01, BFHE 202, 219,
BStBl II 2003, 854 = SIS 03 34 44; vom 7.7.1992 VIII R 56/88,
BFH/NV 1993, 25 = SIS 93 02 20). Wird - wie im Streitfall - geltend
gemacht, der Sachverhalt bedürfe angesichts des vom
Revisionsgericht eingenommenen Rechtsstandpunkts noch weiterer
Aufklärung, ist u.a. vorzutragen, welche Tatsachen noch einer
Aufklärung bedürfen und sich bei einer weiteren
Sachaufklärung oder Beweisaufnahme durch das FG
voraussichtlich ergeben würden. Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der
Klägerin nicht. Sie hat keine entscheidungserheblichen
konkreten Tatsachen genannt, die noch
aufklärungsbedürftig sind.