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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, wurde mit
Gesellschaftsvertrag vom 13.2.1996 durch einen Zweckverband, eine
Körperschaft des öffentlichen Rechts, als
Alleingesellschafter gegründet. Die Klägerin war für
den Zweckverband im Bereich der Abfallentsorgung gegen Entgelt
tätig.
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Die Klägerin ging zunächst davon
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Zweckverband erbringe und erteilte für ihre Leistungen
Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis. Im Rahmen einer
Außenprüfung vertrat sie demgegenüber die
Auffassung, dass sie aufgrund einer Organschaft nach § 2 Abs.
2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) im Streitjahr 1997
nichtsteuerbare Innenleistungen an den Zweckverband als
Organträger erbracht habe und reichte eine berichtigte
Umsatzsteuer-Jahreserklärung ein, aus der sich eine Steuer von
0 EUR ergab. Dem folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) nicht. Aufgrund der Prüfung erließ
das FA einen Umsatzsteuerjahresbescheid 1997, der der
ursprünglichen Jahreserklärung entsprach und hob den nach
§ 164 der Abgabenordnung bestehenden Vorbehalt der
Nachprüfung auf.
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Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) stützte die Klageabweisung mit seinem
in EFG 2010, 911 = SIS 10 14 39 veröffentlichten Urteil
darauf, dass die Klägerin bei Vorliegen einer Organschaft
Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis erteilt habe und daher
trotz Organschaft Steuerschuldner nach § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG
sei. Liege keine Organschaft vor, sei der Steuerausweis zu Recht
erfolgt. Fraglich sei aber auch, ob im Hinblick auf das Erfordernis
der organisatorischen Eingliederung eine Organschaft vorliege.
Hierfür sei eine personelle Verflechtung über die
Geschäftsführung der Klägerin erforderlich.
Demgegenüber sei die dem Zweckverband zuzuordnende Person nur
Prokurist der Klägerin gewesen. Der Geschäftsführer
der Klägerin habe mit dem Zweckverband nichts zu tun
gehabt.
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Mit ihrer Revision macht die Klägerin
Verletzung materiellen und formellen Rechts geltend. Bei einer
Organschaft könne sich aus der Abrechnung von Innenleistungen
keine Steuerschuld nach § 14 Abs. 3 UStG ergeben. Die
Voraussetzungen der Organschaft lägen vor. Die
organisatorische Eingliederung ergebe sich daraus, dass dieser nur
geringes Gewicht zukomme, Gesellschafterversammlung und Beirat
ausschließlich mit Mitgliedern der Verbandsversammlung
besetzt gewesen seien und vertragliche Bedingungen dem Zweckverband
umfangreiche Beherrschungsmöglichkeiten gesichert hätten.
Darüber hinaus seien dieselben Büroräume benutzt
worden. Das komplette Rechnungswesen sei durch gemeinsames Personal
erledigt worden. Im Hinblick auf die Frage der organisatorischen
Eingliederung sei außerdem ihr Anspruch auf rechtliches
Gehör verletzt worden.
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Die Klägerin beantragt, das Urteil des
FG, den Umsatzsteuerjahresbescheid 1997 vom 26.6.2003 und die
Einspruchsentscheidung vom 12.12.2005 aufzuheben.
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Das FA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
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§ 14 Abs. 3 UStG sei auf
Innenumsätze von Organgesellschaften nicht anwendbar. Zur
Organschaft habe das FG keine ausreichenden Feststellungen
getroffen, so dass die Sache nicht spruchreif sei.
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II. Die Revision der Klägerin ist
begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an
das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG ist zu Unrecht von einer
Steuerschuld aufgrund eines Rechnungsausweises ausgegangen. Die
Feststellungen des FG ermöglichen dem Senat keine Beurteilung
der Frage, ob die Klägerin ihre Leistungen als Unternehmer
nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG zu versteuern hat oder ob sie im
Wege der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft (§ 2 Abs. 2 Nr. 2
UStG) als Organ in den Zweckverband als Organträger
eingegliedert gewesen ist. Hierzu sind weitere Feststellungen durch
das FG zu treffen.
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1. Die Klägerin ist nicht aufgrund eines
Steuerausweises in Rechnungen Steuerschuldner.
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a) Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2
UStG liegen nicht vor.
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aa) § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG hatte im
Streitjahr folgenden Wortlaut: „Hat der Unternehmer in
einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen
höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den
Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen, so schuldet er auch den
Mehrbetrag ...“. Steuerschuldner war nach § 13 Abs.
2 Nr. 1 UStG a.F. „der Unternehmer“.
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bb) Unabhängig vom Vorliegen einer
Organschaft (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) ist die Klägerin
nicht nach § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG Steuerschuldner.
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(1) War die Klägerin selbständig
tätig und daher nicht Organgesellschaft, fehlt es bereits an
einem überhöhten Steuerausweis für die dann
steuerpflichtigen Leistungen der Klägerin.
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(2) Ohne dass der Senat zu entscheiden hat, ob
§ 14 Abs. 2 UStG auf Innenleistungen (§ 2 Abs. 2 Nr. 2
Satz 2 UStG) überhaupt anzuwenden ist, wäre jedenfalls
nicht die Klägerin als Organgesellschaft, sondern nach §
13 Abs. 2 Nr. 1 UStG „der Unternehmer“ und damit
nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG der Organträger
Steuerschuldner.
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b) Die Klägerin ist auch nicht
Steuerschuldner nach § 14 Abs. 3 UStG.
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aa) § 14 Abs. 3 UStG hatte im Streitjahr
folgenden Wortlaut: „Wer in einer Rechnung einen
Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis
der Steuer nicht berechtigt ist, schuldet den ausgewiesenen Betrag.
Das gleiche gilt, wenn jemand in einer anderen Urkunde, mit der er
wie ein leistender Unternehmer abrechnet, einen Steuerbetrag
gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine
Lieferung oder sonstige Leistung nicht
ausführt.“
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bb) Auch die Voraussetzungen des § 14
Abs. 3 UStG liegen im Streitfall unabhängig vom Bestehen einer
Organschaft nicht vor.
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(1) War die Klägerin nicht
Organgesellschaft, fehlt es bereits an einem Steuerausweis durch
eine hierzu nicht berechtigte Person, da die Klägerin dann als
Unternehmer (§ 2 UStG) zum Steuerausweis in Rechnungen befugt
war.
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(2) Die Klägerin wäre aber auch als
Organgesellschaft zum Steuerausweis berechtigt. Denn bei Bestehen
einer Organschaft würde die Klägerin mit Ausnahme der
Selbständigkeit (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) alle
Unternehmervoraussetzungen erfüllen. Organgesellschaften sind
als Teil eines unternehmerischen Organkreises grundsätzlich
zum Steuerausweis berechtigt. Denn bei steuerpflichtigen Leistungen
an Dritte besteht keine Verpflichtung, eine durch eine
Organgesellschaft erbrachte Leistung durch den Organträger
abzurechnen. Die Rechnungserteilung kann vielmehr auch durch die
Organgesellschaft im eigenen Namen erfolgen. Dies ergibt sich
daraus, dass es sich bei der Organgesellschaft und ihrer Firma um
einen Unternehmensteil des Organträgers und damit um eine
zusätzliche Firmenbezeichnung des Organträgers
handelt.
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Im Hinblick auf § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG
war die Klägerin danach zumindest als Teil des Organkreises
Unternehmer und zum Steuerausweis berechtigt. Dementsprechend
verneint auch die Finanzverwaltung eine Steuerentstehung nach
§ 14 Abs. 3 UStG für Innenumsätze innerhalb eines
Organkreises (Abschn. 183 Abs. 3 der Umsatzsteuer-Richtlinien 1996
ebenso Abschn. 14.1. Abs. 4 der Verwaltungsregelung zur Anwendung
des Umsatzsteuergesetzes vom 1.10.2010).
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2. Die Sache ist nicht spruchreif, weil die
unter II. vor 1. genannten Feststellungen fehlen.
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Im Hinblick auf die organisatorische
Eingliederung ist dabei zu beachten, dass die mit der finanziellen
Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der
Tochtergesellschaft durch die Muttergesellschaft in der laufenden
Geschäftsführung wirklich wahrgenommen werden muss;
maßgeblich ist, dass der Organträger die
Organgesellschaft durch die Art und Weise der
Geschäftsführung beherrscht oder aber zumindest durch die
Gestaltung der Beziehungen zwischen dem Organträger und der
Organgesellschaft sichergestellt ist, dass eine vom Willen des
Organträgers abweichende Willensbildung bei der Organtochter
nicht möglich ist (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs -
BFH - vom 5.12.2007 V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451 =
SIS 08 11 75, unter II.2., und vom 3.4.2008 V R 76/05, BFHE 221,
443, BStBl II 2008, 905 = SIS 08 25 80, unter II.3.b).
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Die organisatorische Eingliederung setzt
weiter in aller Regel eine personelle Verflechtung der
Geschäftsführungen des Organträgers und der
Organgesellschaft voraus (BFH-Urteil in BFHE 221, 443, BStBl II
2008, 905 = SIS 08 25 80, Leitsatz 3). Neben diesem Regelfall kann
sich die organisatorische Eingliederung auch daraus ergeben, dass
leitende Mitarbeiter des Organträgers als
Geschäftsführer der Organgesellschaft tätig sind
(BFH-Urteil vom 20.8.2009 V R 30/06, BFHE 226, 465, BStBl II 2010,
863 = SIS 09 33 08, Leitsatz 2). Demgegenüber reicht es nicht
aus, dass ein leitender Mitarbeiter des Mehrheitsgesellschafters -
wie ggf. im Streitfall - nur Prokurist bei der möglichen
Organgesellschaft ist, während es sich beim einzigen
Geschäftsführer der GmbH um eine Person handelt, die
weder Mitglied der Geschäftsführung noch leitender
Angehöriger des Mehrheitsgesellschafters war.
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Eine organisatorische Eingliederung kann sich
im Übrigen nicht daraus ergeben, dass eine nicht
geschäftsführende Gesellschafterversammlung und ein
gleichfalls nicht geschäftsführender Beirat
ausschließlich mit Mitgliedern des Mehrheitsgesellschafters
besetzt sind, vertragliche Bedingungen dem Mehrheitsgesellschafter
„umfangreiche Beherrschungsmöglichkeiten“
sichern und darüber hinaus dieselben Büroräume
benutzt und das komplette Rechnungswesen durch gemeinsames Personal
erledigt werden. Wie der Senat bereits mit BFH-Urteil in BFHE 221,
443, BStBl II 2008, 905 = SIS 08 25 80, unter II.4. entschieden
hat, reicht weder das mit der finanziellen Eingliederung
einhergehende Weisungsrecht durch Gesellschafterbeschluss noch eine
vertragliche Pflicht zur regelmäßigen Berichterstattung
über die Geschäftsführung zur Begründung der
organisatorischen Eingliederung aus. Gleiches gilt für die
Tätigkeit eines nicht geschäftsführenden Beirats,
die Nutzung gemeinsamer Büroräume oder die Erledigung des
Rechnungswesens durch gemeinsames Personal von GmbH und
Mehrheitsgesellschafter. Im Hinblick auf das Erfordernis, anhand
der Eingliederungsvoraussetzungen das Bestehen einer Organschaft
rechtssicher feststellen zu können (BFH-Urteil vom 22.4.2010 V
R 9/09, BFHE 229, 433, BFH/NV 2010, 1581 = SIS 10 18 70, unter
II.3.b bb (1)), kann es auf derartige Umstände nicht
ankommen.
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3. Auf die von der Klägerin geltend
gemachte Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs
hinsichtlich der Frage der organisatorischen Eingliederung kam es
nicht mehr an.
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