Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 18.04.2018 - 5 K 2703/12 =
SIS 18 14 74 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die
Klägerin zu tragen.
1
|
I. Die Beteiligten streiten über die
Vereinbarkeit von Regelungen zur Sportwettenbesteuerung im
Rennwett- und Lotteriegesetz in der im Streitjahr 2012 geltenden
Fassung (RennwLottG) mit Verfassungs- und Europarecht.
|
|
|
2
|
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Kapitalgesellschaft
mit Sitz in A (Mitgliedstaat der Europäischen Union - EU - ).
Sie veranstaltete im Streitzeitraum Juli, August und Oktober 2012
über das Internet Sportwetten u.a. in der Bundesrepublik
Deutschland (Deutschland). Die Klägerin war im Besitz einer im
EU-Mitgliedstaat A erteilten Konzession zur Durchführung von
Wettgeschäften.
|
|
|
3
|
Die Klägerin meldete am 06.09.2012
Sportwettensteuer nach § 17 Abs. 2 RennwLottG für die
Monate Juli und August 2012 beim Beklagten und Revisionsbeklagten
(Finanzamt - FA - ) an. Am 07.11.2012 meldete die Klägerin
für den Monat Oktober 2012 die Sportwettensteuer an. Die
Beträge in Höhe von … EUR (Juli), … EUR
(August) und … EUR (Oktober) wurden von der Klägerin
entrichtet.
|
|
|
4
|
Gegen die Anmeldung der Sportwettensteuer
für die Monate Juli, August und Oktober 2012 legte die
Klägerin Einspruch ein. Dieser wurde mit
Einspruchsentscheidung vom 06.12.2012 als unbegründet
zurückgewiesen.
|
|
|
5
|
Die nachfolgend beim Finanzgericht (FG)
erhobene Klage hatte mit Urteil vom 18.04.2018 - 5 K 2703/12 keinen
Erfolg.
|
|
|
6
|
Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin die Verletzung von Bundesrecht, insbesondere die
Verfassungs- und Europarechtswidrigkeit der Sportwettenbesteuerung
nach § 17 Abs. 2 RennwLottG.
|
|
|
7
|
Das FG gehe unzutreffend davon aus, dass
die Regelungen in § 17 Abs. 2, § 19 Abs. 2 RennwLottG
innerhalb der Gesetzgebungskompetenz des Bundes zustande gekommen
seien. Die angeblich verfolgten Lenkungszwecke könnten nicht
erreicht werden. Die Sportwettensteuer vermöge nicht, Anbieter
in die Legalität zu überführen und den illegalen
Markt auszutrocknen. Das FG verkenne, dass die Sportwettensteuer im
Online-Bereich durchschnittlich 50 % bis 70 % des Bruttorohertrags
abschöpfe. Illegale Anbieter könnten bessere Quoten
anbieten. Die Sportwettensteuer fördere illegale Anbieter und
biete keinen Anreiz, in die Legalität zu wechseln. Sie sei
nicht geeignet, das Ziel der Suchtvermeidung und -prävention
zu erreichen. Sie locke Spieler wegen der besseren Quoten und der
damit höheren Anziehungskraft in illegale Angebote, die
behördlich nicht beaufsichtigt werden. Die Zersplitterung der
Regulierung von Sportwetten führe zudem dazu, dass die
Wettbetreiber ihren Sitz in … und … hätten, um von
einer einheitlichen Rechtslage in Bezug auf die Regulierung zu
profitieren.
|
|
|
8
|
Weiter verkenne das FG die Verletzung des
Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Es liege ein strukturelles
Vollzugsdefizit vor. Mit der rechtlichen Gestaltung des
Erhebungsverfahrens trage der Steuergesetzgeber den Gegebenheiten
internetbasierter Dienstleistungen und den ihm zur Verfügung
stehenden strukturellen Möglichkeiten eines gerechten
Steuervollzugs keine Rechnung. Maßnahmen zur Durchsetzung des
Steueranspruchs gegenüber in einem anderen Mitgliedstaat der
EU und in Drittstaaten ansässigen Steuerpflichtigen fehlten.
Die Vorschriften des RennwLottG, der Ausführungsbestimmungen
zum Rennwett- und Lotteriegesetz (RennwLottGABest) und der
grenzüberschreitenden Amtshilferegelungen seien nicht auf die
Eigenarten und besonderen Verhältnisse der
grenzüberschreitenden Erbringung von (Online-)Sportwetten
ausgerichtet. Es sei nicht ein einziger steuerlicher Beauftragter
für einen Onlineanbieter von Sportwetten bestellt. 40 % der
Spieleinsätze würden bei Wettanbietern getätigt, die
keine Sportwettensteuer entrichteten. Es seien auch andere als die
bisherigen gesetzlichen Maßnahmen möglich. So
könnten Banken, Kreditkartenunternehmen und
Internet-Bezahldienste oder auch die Spieler selbst für die
Steuer verantwortlich und haftbar gemacht werden. Die gestiegenen
Steuereinnahmen seien nicht die Folge einer größeren
Steuerehrlichkeit, sondern der größeren Zahl der
Anbieter geschuldet. Je größer die Zahl der Anbieter
insgesamt sei, umso größer sei auch der Teil, der
steuerehrlich sei. Anders als bei der Kapitalertragsteuer oder der
Umsatzsteuer in Gestalt des Reverse-Charge-Verfahrens sei der
Gesetzgeber trotz der zahlreichen Online-Anbieter aus dem Ausland
untätig geblieben, obwohl ihm die Unzulänglichkeiten bei
der Steuererhebung bekannt seien. Die Belastung mit
Sportwettensteuer beruhe mithin allein auf der
Erklärungsbereitschaft. Das Fehlverhalten eines im Drittstaat
ansässigen Steuerpflichtigen sei ohne Entdeckungs- und
Verfolgungsrisiko. Es liege daher eine Ungleichbehandlung
insbesondere gegenüber illegalen Anbietern aus dem Ausland
vor. Sportwetten würden zudem anders und höher besteuert
als andere im Internet angebotene Glücksspiele wie z.B.
Online-Casinos oder Online-Poker, obwohl das Suchtpotential das
Gleiche sei. So würden Online-Sportwetten mit einem Steuersatz
von 5 % auf den Spieleinsatz belastet, Online-Casinos mit 19 %
Umsatzsteuer auf den Bruttorohertrag, d.h. den Unterschiedsbetrag
zwischen Einsätzen und Gewinnen. Bei dem üblichen
Bruttorohertrag im Online-Sportwettengeschäft von 7 % bis 10 %
betrage die Umsatzsteuer bei Sportwetten nur 1,33 % bis 1,9 %. Eine
Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung bestehe nicht.
|
|
|
9
|
Die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) sei
verletzt. Die Sportwettensteuer sei nicht erforderlich. Als
milderes und gleich geeignetes Mittel komme die Wahl des
Bruttorohertrags als steuerliche Bemessungsgrundlage in Betracht.
Die Belastung sei nahe an einer Erdrosselung und damit nicht
angemessen.
|
|
|
10
|
Die Besteuerung der Sportwetten
verstoße ferner gegen EU-Recht. Sie verletze die
Dienstleistungsfreiheit. Sie diskriminiere ausländische
Anbieter und beschränke den Dienstleistungsverkehr. So werde
Art. 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der
Europäischen Union (AEUV) wegen ungerechtfertigter
Diskriminierungen und Beschränkungen verletzt. Diejenigen
Anbieter, die im Ausland für den Abschluss von Sportwetten
ebenfalls zu einer Steuer herangezogen werden, unterlägen
einer höheren Belastung als inländische Anbieter. Denn
sie könnten die in- und ausländische Sportwettensteuer
nicht vollständig auf die Spieler abwälzen, da sie nur
bei Auszahlung der Gewinne abgezogen werde. Eine Rechtfertigung
nach Art. 62 i.V.m. Art. 52 AEUV, z.B. aus Gründen des
Gesundheitsschutzes, komme nicht in Betracht. Zudem sei das
RennwLottG für Zwecke des Verbraucherschutzes und der Betrugs-
und Suchtprävention ungeeignet. Die Sportwettensteuer
könne einen Betrug durch Anbieter nicht verhindern und damit
auch nicht den Verbraucherschutz fördern. Sie führe nicht
zu einer Reduzierung der Nachfrage, sondern zu einer Verlagerung
hin zu illegalen Anbietern, die bessere Quoten ermöglichten.
Bei diesen ermögliche ein gleichhoher Einsatz sogar ein
längeres Spielvergnügen. Die Sportwettensteuer gehe weit
über das Maß hinaus, das zur Zielerreichung notwendig
sei. Eine Anknüpfung an den Bruttorohertrag wäre in
gleicher Weise geeignet und vorzugswürdig. Die
Ungleichbehandlung von Sportwetten zu anderen Glücksspielarten
wie Online-Casinos verletze den unionsrechtlichen
Neutralitätsgrundsatz nach Art. 135 Richtlinie 2006/112/EG des
Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem
(MwStSystRL). Die Umsätze von Online-Casinos unterfielen der
Umsatzsteuer. Zwei gleichartige Dienstleistungen wie Sportwetten
und Online-Casinos dürften nicht mit unterschiedlichen
Steuersätzen belastet werden. Schließlich verletze die
Besteuerung der Sportwetten auch die Charta der Grundrechte der
Europäischen Union (EUGrdRCh). Der Anwendungsbereich der
EUGrdRCh sei eröffnet, da Deutschland mit der Befreiung der
Umsätze von der Umsatzsteuer Unionsrecht durchführe.
Aufgrund der Ungleichbehandlung von Online-Sportwetten und
Online-Casinos liege ein Verstoß gegen den
Gleichheitsgrundsatz nach Art. 20 EUGrdRCh vor.
|
|
|
11
|
Die Klägerin beantragt,
|
|
unter Aufhebung des Urteils des Hessischen
FG vom 18.04.2018 - 5 K 2703/12 die Anmeldungen für
Sportwettensteuer für Juli und August 2012 vom 06.09.2012 in
Höhe von … EUR und … EUR sowie für Oktober
2012 vom 07.11.2012 in Höhe von … EUR und die
Einspruchsentscheidung vom 06.12.2012 aufzuheben.
|
|
|
12
|
Das FA beantragt,
|
|
die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
|
|
|
13
|
II. Die Revision ist nicht begründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
|
|
|
14
|
Der Senat kommt nicht zu der für eine
Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nach Art. 100 Abs.
1 GG erforderlichen Überzeugung, dass das RennwLottG wegen
Verstoßes gegen die Gesetzgebungskompetenz des Bundes formell
verfassungswidrig ist (dazu unter 1.). Es sind zudem weder Art. 3
Abs. 1 GG (dazu unter 2.) noch Art. 12 Abs. 1 GG (dazu unter 3.)
verletzt. Die von der Klägerin gerügten
Verstöße gegen EU-Recht liegen nicht vor (dazu unter
4.).
|
|
|
15
|
1. Der erkennende Senat ist der
Überzeugung, dass das RennwLottG in die Gesetzgebungskompetenz
des Bundes nach Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 72 Abs. 2 GG
fällt.
|
|
|
16
|
a) Das RennwLottG stammt vom 08.04.1922 (RGBl
I 1922, 335, 393 ff.). Es handelt sich mithin um
vorkonstitutionelles Recht. Das (inzwischen mehrfach
bundesgesetzlich novellierte) Reichsgesetz gilt gemäß
Art. 123 Abs. 1 GG dem Grunde nach fort und ist wegen der
konkurrierenden Bundeskompetenz nach Art. 125 Nr. 2 GG zu
Bundesrecht geworden (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH -
vom 19.06.1996 - II R 29/95, BFH/NV 1997, 68, unter II.1.a;
BFH-Beschluss vom 22.03.2005 - II B 14/04, BFH/NV 2005, 1379 = SIS 05 32 88, unter II.4.a).
|
|
|
17
|
Allerdings wurde die Besteuerung von
Sportwetten erstmals am 29.06.2012 in § 17 Abs. 2 RennwLottG
geregelt. Vorher unterlagen nur „Lotterien, Ausspielen und
Oddset-Wetten“ der Besteuerung (vgl. das Gesetz zur
Änderung des Rennwett- und Lotteriegesetzes vom 17.05.2000,
BGBl I 2000, 715, und das Gesetz zur Besteuerung von Sportwetten
vom 29.06.2012, BGBl I 2012, 1424). Die Vorschrift ist daher als
Neuregelung zu betrachten, die nach Maßgabe der
Kompetenzregeln des GG für sich zu beurteilen ist (vgl.
Giegerich in Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 125 Rz 11).
|
|
|
18
|
b) § 17 Abs. 2 RennwLottG ist mit Blick
auf die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der
Gesetzgebungskompetenz durch den Bund in Art. 105 Abs. 2 Satz 2
i.V.m. Art. 72 Abs. 2 GG n.F. formell
verfassungsgemäß.
|
|
|
19
|
aa) Das RennwLottG gehört zu den
Verkehrssteuern i.S. des Art. 106 Abs. 2 Nr. 3 GG (vgl. BT-Drucks.
17/8494, S. 8; Welz, UVR 2016, 48, 50). Das Aufkommen steht den
Ländern zu. Nach Art. 105 Abs. 2 Satz 2 GG hat der Bund die
konkurrierende Gesetzgebung über die „übrigen
Steuern“, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder
zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG
vorliegen. Nach Art. 72 Abs. 2 GG hat der Bund das
Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger
Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der
Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine
bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht. Da die Regelung des
§ 17 Abs. 2 RennwLottG nach dem 15.11.1994 erlassen worden
ist, kommt Art. 72 Abs. 2 GG in seiner aktuellen Fassung zur
Anwendung (vgl. Art. 125a Abs. 2 Satz 1 GG).
|
|
|
20
|
Ein Steuergesetz des Bundes ist zur Wahrung
der Rechtseinheit erforderlich, wenn ansonsten eine
Rechtszersplitterung mit problematischen Folgen, die im Interesse
sowohl des Bundes als auch der Länder nicht hingenommen werden
kann, vorliegen würde (vgl. BVerfG-Urteile vom 24.10.2002 - 2
BvF 1/01, BVerfGE 106, 62, unter C.II.5.b aa; vom 17.12.2014 - 1
BvL 21/12, BVerfGE 138, 136, BStBl II 2015, 50 = SIS 15 00 45,
unter B.II.1.a; BVerfG-Beschluss vom 27.01.2010 - 2 BvR 2185/04, 2
BvR 2189/04, BVerfGE 125, 141 = SIS 10 06 69, unter B.I.2.a; Uhle
in Maunz/Dürig, a.a.O., Art. 72 Rz 142; Seiler in
Maunz/Dürig, a.a.O., Art. 105 Rz 156; F. Wittreck in: H.
Dreier, (Hrsg.) Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, 3. Aufl. 2015, Art.
72 Rz 23). Um dieser sich unmittelbar aus der Rechtslage ergebenden
Bedrohung von Rechtssicherheit und Freizügigkeit im
Bundesstaat entgegenzuwirken, kann der Bund eine bundesgesetzlich
einheitliche Lösung wählen (vgl. Burghardt in:
Leibholz/Rinck, Grundgesetz, 78. Lieferung, 05/2019, Art. 72 GG Rz
212). Die Regelung durch Bundesgesetz muss danach nicht
unerlässlich für die Rechts- oder Wirtschaftseinheit in
dem normierten Bereich sein. Es genügt vielmehr, dass der
Bundesgesetzgeber andernfalls nicht unerheblich problematische
Entwicklungen in Bezug auf die Rechts- und Wirtschaftseinheit
erwarten darf (vgl. BVerfG-Urteil in BVerfGE 138, 136, BStBl II
2015, 50 = SIS 15 00 45, unter B.I.2.a, Rz 110).
|
|
|
21
|
bb) Eine solche Rechtszersplitterung mit
problematischen Folgen kann bei einer Vielzahl landesrechtlicher
Glücksspielregelungen drohen. Denn ein im gesamten
Bundesgebiet tätiger Wettanbieter wie die Klägerin
müsste sich nicht nur in sämtlichen Bundesländern
steuerlich erfassen lassen. Ihr Wettangebot unterläge zudem
sowohl hinsichtlich der Bemessungsgrundlage als auch hinsichtlich
des Steuersatzes möglicherweise unterschiedlichen steuerlichen
Regelungen. So hatten vor Inkrafttreten der Regelung des § 17
Abs. 2 RennwLottG einige Bundesländer unterschiedliche
Regelungen zur Erfassung von Sportwetten getroffen, so z.B. §
35 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1, § 36 Abs. 1 und 2 des
Glücksspielgesetzes Schleswig-Holstein (Gesetz zur Neuordnung
des Glücksspiels - Glücksspielgesetz - vom 20.10.2011,
Gesetz- und Verordnungsblatt - GVBl - Schleswig-Holstein 2011, 280)
und § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Niedersächsischen
Glücksspielgesetzes (Niedersächsisches
Glücksspielgesetz vom 17.12.2007, GVBl Niedersachsen 2007,
756) als Sonderabgaben sowie § 9 Abs. 1 des
Glücksspielgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt als
Konzessionsabgabe (Glücksspielgesetz vom 22.12.2004, GVBl Land
Sachsen-Anhalt 2004, 846, geändert durch Gesetz zur
Änderung glücksspielrechtlicher Vorschriften vom
18.12.2007, GVBl Land Sachsen-Anhalt 2007, 412; vgl. dazu auch
Brüggemann, Die Besteuerung von Sportwetten im Rennwett- und
Lotteriegesetz, S. 119). § 17 Abs. 2 RennwLottG beseitigt daher eine
bereits teilweise eingetretene Rechtszersplitterung.
|
|
|
22
|
Zudem müssten in den landesrechtlichen
Normen Regelungen für den Fall getroffen werden, dass (z.B.
bei Online-Angeboten) Wettanbieter und Wettkunde in
unterschiedlichen Bundesländern ansässig sind. Ggf.
wären auch Umlage- und Ausgleichsregelungen wie bei der
Umsatzsteuer und bei der Lohnsteuer vonnöten, um das
Steueraufkommen aus dem RennwLottG unter Anwendung von
Zerlegungsregelungen angemessen zu verteilen. Weiter kann das vom
RennwLottG verfolgte Ziel, bislang illegale ausländische
Anbieter in die Legalität und damit unter die
ordnungsrechtlichen Rahmenbedingungen des
Glücksspielstaatsvertrags (GlüStV) vom 15.12.2011 zu
überführen (vgl. BT-Drucks. 17/8494, S. 9), mit einer
bundesweit einheitlichen Regelung besser erreicht werden.
Ausländische Anbieter lassen sich eher für den
inländischen Sportwettenmarkt registrieren, wenn sie nur ein
Steuerregime zu beachten haben und nicht eine Vielzahl
unterschiedlicher Länderregelungen. Eine Tendenz, wonach
inländische Wettkunden in der Folge der Sportwettenbesteuerung
sich vermehrt ausländischen Anbietern zuwenden, die die
Sportwettensteuer nicht abführen, lässt sich den
Feststellungen des FG nicht entnehmen. Die Regelungen zur Besteuerung von Sportwetten im
RennwLottG sind daher in der Lage, die verfolgten Lenkungszwecke zu
erreichen.
|
|
|
23
|
Die Regelung der Sportwettenbesteuerung steht
auch nicht in Widerspruch zu den Regelungen und Zielen des
GlüStV und damit zum gesetzgeberischen Ziel der
Eindämmung der Spielsucht. Die Einführung des § 17
Abs. 2 RennwLottG bezweckte, im Zuge der Aufgabe des staatlichen
Monopols zur Veranstaltung von Sportwetten sowohl den
ordnungsrechtlichen Rechtsrahmen neu zu gestalten als auch eine
steuergesetzliche Regelung zu treffen, die insbesondere die im
Inland verfügbaren internetbasierten Angebote
ausländischer Sportwettenveranstalter erfasst. Die Regelung
hatte zum Ziel, die Lenkungsziele des GlüStV zu flankieren und
bestmöglich zu fördern. Dabei wurden die Gemeinwohlziele
des Jugend- und Gesundheitsschutzes, des Spielerschutzes, der
Bekämpfung der Begleitkriminalität und der
Bekämpfung der Spielsucht verfolgt. Zugleich wurde anerkannt,
dass das Wetten auf Sportereignisse als Ausdruck des
natürlichen Spieltriebs der Bevölkerung nicht
gänzlich verhindert werden kann, es aber mit der Besteuerung
gleichwohl dem Ziel der Begrenzung und Lenkung in künftig
legale, zugelassene Angebote nähergebracht werden sollte (vgl.
BT-Drucks. 17/8494, S. 8 f.).
|
|
|
24
|
Den Feststellungen des FG lassen sich keine
Umstände entnehmen, wonach die Besteuerung dazu führt,
dass Wettkunden wegen besserer Quoten in illegale Angebote
gedrängt würden. Mit der Möglichkeit, die
Sportwettensteuer ganz oder teilweise den Wettkunden weiter zu
belasten sowie der (im Vergleich zu Lotterien oder Casinos)
geringen Belastung wird der Anreiz, das Wettangebot legal zu
betreiben, in angemessener Weise umgesetzt.
|
|
|
25
|
2. Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Die
Klägerin kann sich als ausländische juristische Person
auf dieses Grundrecht berufen (dazu unter a). Es liegen aber weder
ein strukturelles Vollzugsdefizit (dazu unter b) noch eine nicht
gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber
Online-Casino-Spielen oder Online-Poker vor (dazu unter c).
|
|
|
26
|
a) Nach Art. 19 Abs. 3 GG gelten die
Grundrechte nicht nur für natürliche Personen, sondern
auch für inländische juristische Personen, soweit die
Grundrechte ihrem Wesen nach auf juristische Personen anwendbar
sind. Der Schutz der Grundrechte erstreckt sich aufgrund des
europarechtlichen Diskriminierungsverbots auch auf Gesellschaften
mit Sitz in der EU. Die Klägerin kann sich als im EU-Ausland
ansässige juristische Person daher auch auf diese Grundrechte
und insbesondere auf Art. 3 Abs. 1 GG berufen (vgl.
BVerfG-Beschluss vom 19.07.2011 - 1 BvR 1916/09, NJW 2011, 3428 =
SIS 12 00 97; Enders in BeckOK Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 47.
Edition, Stand: 15.05.2021, Art. 19 GG, Rz 37).
|
|
|
27
|
b) Soweit die Klägerin unter Berufung auf
die Rechtsprechung des BVerfG (vgl. BVerfG-Urteil vom 09.03.2004 -
2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56 = SIS 04 13 59) das
Vorliegen eines strukturellen Vollzugsdefizits behauptet,
führt dies nicht zur Verfassungswidrigkeit der
Steuerfestsetzung.
|
|
|
28
|
aa) Gleichheitsrechtlicher Ausgangspunkt im
Steuerrecht ist der Grundsatz der Lastengleichheit. Die
Steuerpflichtigen müssen dem Grundsatz nach durch ein
Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig
belastet werden (BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 110, 94, BStBl II
2005, 56 = SIS 04 13 59, unter C.II.1.; in BVerfGE 138, 136, BStBl
II 2015, 50 = SIS 15 00 45, unter B.III.1.b, Rz 123, und vom
24.03.2015 - 1 BvR 2880/11, BVerfGE 139, 1 = SIS 15 10 36, Rz 40,
jeweils m.w.N.). Wird die Gleichheit im Belastungserfolg durch die
rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens prinzipiell verfehlt,
kann dies die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen
Besteuerungsgrundlage nach sich ziehen. Zur Gleichheitswidrigkeit
führt aber nicht ohne Weiteres die empirische Ineffizienz von
Rechtsnormen, sondern nur das normative Defizit des
widersprüchlich auf Ineffektivität angelegten Rechts
(BVerfG-Urteil in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56 = SIS 04 13 59, unter C.II.1.; vgl. auch BFH-Urteil vom 22.04.2008 - IX R
29/06, BFHE 221, 97, BStBl II 2009, 296 = SIS 08 24 23, unter
II.1.b bb (2)). Nicht jeder Vollzugsmangel genügt schon, um
eine Abweichung von der erforderlichen Ausrichtung zu belegen. Nur
wenn das Umsetzungsdefizit bereits in der Regelung angelegt ist
oder wenn gehäufte oder gar systematische Verstöße
nicht konsequent geahndet und unterbunden werden, prägt dies
die tatsächliche Handhabung der Regelung und lässt auf
Defizite der normativen Sicherung schließen (vgl.
BVerfG-Urteil in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56 = SIS 04 13 59,
unter C.II.1.).
|
|
|
29
|
bb) Den tatsächlichen Feststellungen des
FG, die den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO binden, lassen sich
keine Tatsachen entnehmen, die auf das Vorliegen eines normativ
bedingten strukturellen Vollzugsdefizits schließen lassen.
Aus dem FG-Urteil ergeben sich insbesondere keine Feststellungen
dazu, dass die für die Sportwettenbesteuerung zuständigen
Landesfinanzbehörden illegale Anbieter dulden oder nicht zur
Besteuerung heranziehen. Ebenso lässt sich den Feststellungen
des FG nicht entnehmen, dass (Online-)Veranstalter aus anderen
EU-Mitgliedstaaten die Sportwettensteuer nicht termingerecht
anmelden und abführen und es dadurch zu Steuerausfällen
aufgrund eines defizitären Gesetzesvollzugs kommt.
|
|
|
30
|
In den Bestimmungen des RennwLottG sind auch
keine Umgehungsmöglichkeiten angelegt, die auf ein normatives
Regelungsdefizit schließen lassen. Der Gesetzgeber hat sowohl
für die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen als auch
für die Durchsetzung des Steueranspruchs umfangreiche
ineinandergreifende Maßnahmen vorgesehen. Schuldner der
Sportwettensteuer ist der Veranstalter (§ 19 Abs. 2 Satz 1
RennwLottG). Hierdurch wird sichergestellt, dass die Steuer an der
Quelle, d.h. beim Wettabschluss und vom Wetteinsatz, der an den
Veranstalter gezahlt wird, erhoben wird. Der Veranstalter hat als
Steuerschuldner, soweit er seinen Wohnsitz oder seinen Sitz nicht
in einem Mitgliedstaat der EU oder einem Vertragsstaat des
Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum hat,
einen steuerlichen Beauftragten im Inland zu benennen (§ 19
Abs. 3 Satz 1 RennwLottG). Der Veranstalter oder sein steuerlicher
Beauftragter sind verpflichtet, zur Feststellung der Steuer und der
Grundlagen ihrer Berechnung umfassende Aufzeichnungen zu
führen, z.B. Name und Anschrift des Spielers, die jeweilige
Bemessungsgrundlage für die Steuer, den Zeitpunkt der
Vereinnahmung des Spieleinsatzes und der Gewinnauszahlung sowie die
Höhe der Steuer (vgl. § 20 Abs. 2 Nr. 1, 5, 6 und 7
RennwLottG). Darüber hinaus haben der Veranstalter oder sein
steuerlicher Beauftragter Anzeige- und Anmeldepflichten zu
erfüllen (§ 31a RennwLottGABest), sie werden von der
Genehmigungsbehörde auf ihre steuerlichen Pflichten besonders
hingewiesen (§ 34 RennwLottGABest) und unterliegen der
Steueraufsicht (§ 47 RennwLottGABest, vgl. dazu näher
Brüggemann, a.a.O., S. 245 ff.). Die für die
Glücksspielaufsicht zuständige Behörde ist nach
§ 27 RennwLottG verpflichtet, der Finanzbehörde
diejenigen Erkenntnisse mitzuteilen, die der Durchführung
eines Besteuerungsverfahrens dienen. Damit sind die Regelungen zur
Sportwettensteuer in ein normatives Umfeld eingebettet, das die
Gleichheit der Belastung auch hinsichtlich des tatsächlichen
Erfolgs prinzipiell gewährleistet.
|
|
|
31
|
Dies gilt auch für ausländische
Anbieter. Gegenüber Anbietern im EU-Ausland bestehen
umfangreiche Möglichkeiten im Rahmen der EU-Amtshilfe (vgl.
dazu näher Englisch in Streinz/Liesching/Hambach, Glücks-
und Gewinnspielrecht in den Medien, Syst. Darst. Rz 81). Diese
trifft zudem die Pflicht, den Wettbetrieb anzuzeigen (§ 31a
Abs. 1 RennwLottGABest) und die Pflicht, Aufzeichnungen über
die abgeschlossenen Sportwetten zu führen (§ 20 Abs. 1
RennwLottG). Für Wettanbieter aus Drittländern besteht -
wie bereits dargelegt - nach § 19 Abs. 3 RennwLottG die
Pflicht zur Benennung eines steuerlichen Beauftragten im Inland.
Diesem obliegt nicht nur die Erfüllung der steuerlichen
Pflichten, insbesondere die in § 20 Abs. 1 RennwLottG
geregelten Aufzeichnungspflichten. Vielmehr schuldet der
steuerliche Beauftragte die Steuer auch neben dem Veranstalter
(vgl. § 19 Abs. 3 Satz 5 RennwLottG). Zudem betrifft diese die
in § 27 RennwLottG geregelte Mitteilungspflicht, wonach die
Glücksspielaufsicht den Finanzbehörden alle Erkenntnisse
mitzuteilen hat, die der Durchführung eines Steuerverfahrens
dienen. Diese steuerlichen Regelungen sichern eine effektive
Kontrolle auch der ausländischen Anbieter und stehen der
Annahme einer normativen Schutzlücke im Hinblick auf die
Vollziehung des RennwLottG entgegen (vgl. auch Brüggemann,
a.a.O., S. 248 ff.).
|
|
|
32
|
Dem einschlägigen Schrifttum (vgl. Welz,
UVR 2012, 274; ders., UVR 2013, 276, sowie UVR 2016, 48;
Schmittmann, Zeitschrift für Wett- und Glücksspielrecht -
ZfWG - 2019, 102, 106; Birk/Brüggemann in: Gebhardt/Korte,
Glücksspiel, 2. Aufl. 2018, S. 662 ff.; Peren/Clement, ZfWG,
Sonderbeilage 2/2016) sind ebenfalls keine Hinweise auf ein
strukturelles Vollzugsdefizit zu entnehmen. Die Tatsache allein,
dass die Steuerbehörden in einzelnen Fällen
Schwierigkeiten mit der Steuerfestsetzung und/oder -erhebung haben,
rechtfertigt noch nicht die Annahme eines Vollzugsdefizits.
|
|
|
33
|
Soweit die Klägerin anführt, eine
gleichmäßige Erhebung der Sportwettensteuer ließe
sich wegen des bestehenden strukturellen Vollzugsdefizits nur
über eine Quellensteuer bei Zahlungsdienstleistern (z.B.
Banken, Kreditkartenunternehmen) erreichen, führt dies zu
keinem anderen Ergebnis. Ungeachtet der
Ermittlungsmöglichkeiten beim inländischen steuerlichen
Beauftragten können Erkenntnisse über Zahlungsflüsse
an ausländische Anbieter mittlerweile seitens der
Finanzverwaltung auch über Sammelauskunftsersuchen (§ 93
Abs. 1a der Abgabenordnung) gewonnen werden.
|
|
|
34
|
c) Auch eine verfassungswidrige
Ungleichbehandlung gegenüber Online-Casino-Spielen nebst
Online-Poker liegt nicht vor. Derartige Online-Angebote
unterscheiden sich vom Spielangebot, den Gewinn- und
Ausschüttungsquoten, dem Kundenkreis und der damit
zusammenhängenden Suchtgefahr sowie der Manipulationsgefahr
erheblich von Sportwetten (vgl. BT-Drucks. 19/28400, S. 42). Zudem
waren das Betreiben von Online-Casinos und das Anbieten von
Online-Poker im Streitzeitraum im Inland ausnahmslos verboten (vgl.
§ 4 Abs. 4 GlüStV), während bei Sportwetten ein
präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt galt (vgl. § 4
Abs. 1 GlüStV). Ein vergleichbarer Sachverhalt liegt mithin
nicht vor.
|
|
|
35
|
Der Umstand, dass nach den Feststellungen des
FG der Bruttorohertrag im Offline-Geschäft höher liegt
als im Online-Geschäft, führt zu keinem anderen Ergebnis.
Dieser Unterschied hat seine Ursache darin, dass im
Offline-Geschäft die Fixkosten durch Personal und Mieten
deutlich höher ausfallen dürften als im
Online-Geschäft und daher höhere Kosten aus dem
Bruttorohertrag zu begleichen sind. Durch die Ortsgebundenheit und
Schließungszeiten wird ein anderer Kundenkreis angesprochen.
Zudem sind im Offline-Geschäft die Ausschüttungsquoten
weniger vergleichbar und der Wettbewerbsdruck damit geringer. Im
klassischen Wettlokal werden dem Spieler zudem noch neben der
reinen Wette weitere Leistungen (Aufenthaltsmöglichkeit,
Möglichkeit des Getränkekonsums, Bildschirme,
Geselligkeit) angeboten, die er mit dem Spieleinsatz ebenfalls
bezahlt. Die Würdigung des FG, wonach im Bereich der
Sportwetten Online- und Offline-Geschäft nicht vergleichbar
sind, ist schlüssig und nachvollziehbar und daher rechtlich
nicht zu beanstanden.
|
|
|
36
|
3. Soweit die Klägerin eine Verletzung
von Art. 12 Abs. 1 GG aufgrund der finanziellen Belastung durch die
Sportwettenbesteuerung rügt, greift ihr Vorbringen nicht
durch.
|
|
|
37
|
a) Art. 12 Abs. 1 GG schützt neben der
freien Berufsausübung auch das Recht, einen Beruf frei zu
wählen. Unter Beruf ist dabei jede auf Erwerb gerichtete
Tätigkeit zu verstehen, die auf Dauer angelegt ist und der
Schaffung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage dient (vgl.
BVerfG-Beschluss vom 26.06.2002 - 1 BvR 558/91, 1 BvR 1428/91,
BVerfGE 105, 252, unter C.I.1.; BVerfG-Urteil vom 28.03.2006 - 1
BvR 1054/01, BVerfGE 115, 276, unter C.1.a; BVerfG-Beschlüsse
vom 08.06.2010 - 1 BvR 2011/07, 1 BvR 2959/07, BVerfGE 126, 112,
unter B.II.2., und vom 07.03.2017 - 1 BvR 1314/12, 1 BvR 1630/12, 1
BvR 1694/13, 1 BvR 1874/13, BVerfGE 145, 20, unter C.II.1.a aa, Rz
120). Das Anbieten und Vermarkten von Sportwetten als
wirtschaftliche Tätigkeit erfüllt diese Merkmale und
steht als berufliche Tätigkeit unter dem Schutz des
Grundrechts der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG (vgl.
BVerfG-Urteil in BVerfGE 115, 276, unter C.1.a). Auch steuerliche
Vorschriften wie § 17 Abs. 2 RennwLottG sind daher an Art. 12
Abs. 1 GG zu messen, wenn sie infolge ihrer Gestaltung in einem
engen Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufs stehen und
objektiv eine berufsregelnde Tendenz deutlich erkennen lassen (vgl.
BVerfG-Beschluss vom 30.10.1961 - 1 BvR 833/59, BVerfGE 13, 181,
unter B.1.).
|
|
|
38
|
b) Die steuerliche Belastung durch § 17
Abs. 2 RennwLottG stellt als Regelung der Berufsausübung einen
rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in die Berufsfreiheit der
Klägerin dar. Öffentliche Abgaben greifen in den
Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG ein, wenn sie in einem engen
Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufs stehen und objektiv
eine berufsregelnde Tendenz erkennen lassen (vgl. BVerfG-Urteile
vom 07.05.1998 - 2 BvR 1876/91, 2 BvR 1083/92, 2 BvR 2188/92, 2 BvR
2200/92, 2 BvR 2624/94, BVerfGE 98, 83 = SIS 98 14 26, unter
C.I.1.; vom 06.07.2005 - 2 BvR 2335/95, 2 BvR 2391/95, BVerfGE 113,
128, unter B.I.1.; BVerfG-Beschluss vom 12.05.2009 - 2 BvR 743/01,
BVerfGE 123, 132, unter B.I.1.). Die Belastung nach § 17 Abs.
2 Satz 2 RennwLottG knüpft tatbestandlich unmittelbar an den
Spieleinsatz und damit an Angebot und Tätigkeit eines
Sportwettenveranstalters an. Die Regelungen greifen mithin in die
Tätigkeit der Klägerin und damit ihre
Berufsausübungsfreiheit ein.
|
|
|
39
|
c) In das durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierte
einheitliche Grundrecht der Berufsfreiheit darf nur auf
gesetzlicher Grundlage und unter Beachtung des Grundsatzes der
Verhältnismäßigkeit eingegriffen werden.
Insbesondere muss die eingreifende Norm durch hinreichende, der Art
der betroffenen Betätigung und der Intensität des
jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls
gerechtfertigt sein und dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit entsprechen (vgl.
BVerfG-Beschluss vom 19.07.2000 - 1 BvR 539/96, BVerfGE 102, 197,
unter C.I.; BVerfG-Urteile in BVerfGE 113, 128, unter B.I.1., und
vom 30.07.2008 - 1 BvR 3262/07, 1 BvR 402/08, 1 BvR 906/08, BVerfGE
121, 317, unter B.I.1.b; zur Stufentheorie des BVerfG vgl. auch
Scholz in Maunz/ Dürig, a.a.O., Art. 12 Rz 335).
|
|
|
40
|
d) Der Eingriff in die Berufsfreiheit ist
jedoch gerechtfertigt. Die gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2
GG erforderliche gesetzliche Grundlage lässt sich auf
hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der
Intensität des Eingriffs Rechnung tragende Gründe des
Gemeinwohls stützen (aa) und entspricht dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinn (bb).
|
|
|
41
|
aa) Mit der Festsetzung und Abführung der
Sportwettensteuer verfolgt der Gesetzgeber ein wichtiges
Gemeinwohlziel, das auf vernünftigen Erwägungen beruht
und daher die Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit zu
legitimieren vermag.
|
|
|
42
|
(1) Reine
Berufsausübungsbeschränkungen wie steuerliche Belastungen
können grundsätzlich durch jede vernünftige
Erwägung des Gemeinwohls gerechtfertigt werden (vgl.
BVerfG-Urteile vom 13.12.2000 - 1 BvR 335/97, BVerfGE 103, 1, unter
B.I.; vom 10.06.2009 - 1 BvR 706/08, 1 BvR 814/08, 1 BvR 819/08, 1
BvR 832/08, 1 BvR 837/08, BVerfGE 123, 186 = SIS 10 06 66, unter
C.I.3.a bb). Das GG lässt dem Gesetzgeber im Zusammenhang mit
Berufsausübungsregelungen ein erhebliches Maß an
Freiheit und räumt ihm bei der Festlegung der zu verfolgenden
Ziele eine weite Gestaltungsfreiheit ein (vgl. BVerfG-Urteil vom
23.01.1990 - 1 BvL 44/86, 1 BvL 48/87, BVerfGE 81, 156).
|
|
|
43
|
(2) Es liegen hinreichende Gründe des
Gemeinwohls vor, die die in § 17 Abs. 2 Satz 1 und 2
RennwLottG geregelte Steuerbelastung tragen.
|
|
|
44
|
Soweit der Gesetzgeber mit der
Sportwettensteuer das Ziel verfolgt, die Spielsucht zu
bekämpfen und der Entwicklung und Verbreitung von unerlaubtem
Glücksspiel in Schwarzmärkten entgegenzuwirken (vgl.
BT-Drucks. 17/8494, S. 9), ist dies verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden. Denn die Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht und
weiterer negativer Begleiterscheinungen des Spiel- und Wettbetriebs
stellt ein legitimes Ziel für die Berufsfreiheit
einschränkende Regelungen dar (vgl. BVerfG-Urteil in BVerfGE
115, 276, beginnend ab C.I.3.c; BVerfG-Beschluss in BVerfGE 145,
20, unter C.II.1.a aa (2), Rz 122). Bei der Bekämpfung der
Glücksspielsucht handelt es sich um ein besonders wichtiges
Gemeinwohlziel (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 145, 20, unter C.II.1.a
bb (2) a cc ã, Rz 158).
|
|
|
45
|
Wenn der Gesetzgeber jedoch (auch) eigene
fiskalische Interessen verfolgt, kann die legitime Zielsetzung, die
Glücksspielleidenschaft zu begrenzen und die Spielsucht zu
bekämpfen, in ein Spannungsverhältnis zu den fiskalischen
Interessen des Staates geraten. Die Erzielung staatlicher Einnahmen
mindert den fiskalischen Anreiz nicht, sondern kann wegen der
dadurch begründeten Abhängigkeit der geförderten
gesellschaftlichen Aktivitäten von Einnahmen aus
Glücksspielveranstaltungen dazu führen, dass die
Finanzmittel als schwer verzichtbar erscheinen und deshalb ein
Anlass besteht, das Angebot auszubauen, um höhere Einnahmen zu
erzielen (vgl. BVerfG-Urteil in BVerfGE 115, 276, unter C.I.3.f bb
(1); BVerfG-Beschluss in BVerfGE 145, 20, unter C.II.1.a aa (2), Rz
122).
|
|
|
46
|
Diesen besonderen Anforderungen entspricht die
Rechtslage für die Anbieter von Sportwetten in Deutschland.
Das Anbieten von Sportwetten im Inland stellt eine
genehmigungspflichtige Handlung nach Maßgabe des GlüStV
(§ 4 Abs. 1 GlüStV) dar. So gelten für
Sportwettenanbieter die Regelungen zum Ausschluss
minderjähriger Spieler (§ 4 Abs. 5 Nr. 1 GlüStV) und
zur Begrenzung des Wetteinsatzes (§ 4 Abs. 5 Nr. 2
GlüStV). Auch sind die besonderen Anforderungen zum
Spielerschutz nach § 4 Abs. 5 Nr. 3 bis 5 GlüStV
einzuhalten (Ausschluss schneller Wiederholungen, Entwicklung eines
Sozialkonzepts, Verbot von Koppelung mit Lotterien und anderen
Glücksspielen). Zudem muss der Konzessionsnehmer Anforderungen
an Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Transparenz
und Sicherheit des Glücksspiels erfüllen (§ 4a Abs.
4 GlüStV). Auch die Werbebeschränkungen gemäß
§ 5 GlüStV, die Pflicht zur Entwicklung eines
Sozialkonzepts gemäß § 6 GlüStV, die
Aufklärungspflichten des § 7 GlüStV sowie
insbesondere das bundesweite Spielersperrsystem mit der
Möglichkeit von Selbst- und Fremdsperren gemäß
§ 8 GlüStV finden Anwendung.
|
|
|
47
|
bb) Die Besteuerung der Sportwetten entspricht
dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
|
|
|
48
|
(1) In das durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierte
einheitliche Grundrecht der Berufsfreiheit darf nur unter Beachtung
des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
eingegriffen werden (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a.
BVerfG-Beschlüsse vom 15.12.1999 - 1 BvR 1904/95, 1 BvR
602/96, 1 BvR 1032/96, 1 BvR 1395/97, 1 BvR 2284/97, 1 BvR 1126/94,
1 BvR 1158/94, 1 BvR 1661/95, 1 BvR 2180/95, 1 BvR 283/97, 1 BvR
224/97, 1 BvR 35/98, BVerfGE 101, 331, unter B.II.1.c; vom
14.01.2014 - 1 BvR 2998/11, 1 BvR 236/12, BVerfGE 135, 90 = SIS 14 07 81, unter B.II.2., Rz 63, und vom 12.01.2016 - 1 BvL 6/13,
BVerfGE 141, 82 = SIS 16 04 42, unter C.II.2., Rz 47). Der Eingriff
muss zur Erreichung eines legitimen Eingriffsziels geeignet sein
(a) und darf nicht weiter gehen, als es die Gemeinwohlbelange
erfordern (b); ferner müssen Eingriffszweck und
Eingriffsintensität in einem angemessenen Verhältnis
stehen (c) - vgl. auch BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 101, 331,
unter B.II.1.c, und vom 12.01.2016 - 1 BvR 3102/13 (BVerfGE 141,
121, Rz 53).
|
|
|
49
|
(2) Daran gemessen erweisen sich die in Rede
stehenden Regelungen des RennwLottG auch als
verhältnismäßig im weiteren Sinn.
|
|
|
50
|
(a) Für die Eignung reicht es aus, wenn
durch die gesetzliche Regelung der gewünschte Erfolg
gefördert werden kann. Es genügt bereits die
Möglichkeit einer Zweckerreichung (vgl. BVerfG-Urteile in
BVerfGE 81, 156, unter C.II.1.c aa; in BVerfGE 115, 276, unter
C.I.3.d; in BVerfGE 121, 317, unter B.I.1.b cc (1);
BVerfG-Beschluss in BVerfGE 126, 112, unter B.II.4.b aa,
ständige Rechtsprechung). Dem Gesetzgeber kommt dabei ein
Einschätzungs- und Prognosevorrang zu. Es ist vornehmlich
seine Sache, unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten des
betreffenden Sachgebiets zu entscheiden, welche Maßnahmen er
im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will (BVerfG-Urteil in
BVerfGE 115, 276, unter C.I.3.d). Eine verfassungsrechtliche
Beanstandung ist nur möglich, wenn das eingesetzte Mittel
„objektiv ungeeignet“ oder „schlechthin
ungeeignet“ ist (vgl. BVerfG-Urteil in BVerfGE 81, 156,
unter C.II.1.c aa, m.w.N.).
|
|
|
51
|
Die Sportwettensteuer ist ein geeignetes
Mittel zur Erreichung der vom Gesetzgeber verfolgten legitimen
Gemeinwohlziele, da sie die Bekämpfung der Spielsucht
jedenfalls fördert. Denn die Abgabe wirkt indirekt
dämpfend auf die Höhe der möglichen Wettgewinne und
führt damit auch zu einer Verringerung der Anreizwirkung und
aufgrund einer geringeren Spanne zu einer Reduzierung des Angebots.
Bei ihrem Wegfall wäre es einem Anbieter möglich,
höhere Gewinnquoten (bei fehlender Einbeziehung in die
Wettquote) oder niedrigere Preise (bei Unterlassen des Aufschlagens
der Steuer in Gestalt eines Zuschlags) anzubieten und damit aus
Gründen der Marktorientierung die Spielleidenschaft zu
fördern. Das Anbieten konzessionierter Sportwetten soll aber
lediglich als Ventil des natürlichen Spieltriebs dienen und
eine legale und seriöse Möglichkeit bieten, das
Bedürfnis nach Sportwetten zu befriedigen. Auch wenn ihre
Lenkungswirkung nicht ausreicht, die Durchführung von
Sportwetten vollständig zu unterbinden, rechtfertigt sich die
Sportwettensteuer aus der Absicht, Sportwetten auf legale und
staatlicherseits überwachte Weise zu betreiben und daraus
Einkünfte zu erzielen. Denn der von einer Abgabe verfolgte
Lenkungszweck muss nicht ihr Hauptzweck sein, der bei einer Steuer
immer darin besteht, staatliche Einnahmen zu schaffen (vgl.
BFH-Urteil vom 21.02.2018 - II R 21/15, BFHE 261, 62 = SIS 18 08 43, Rz 29 f.).
|
|
|
52
|
(b) Die Regelungen in § 17 Abs. 2
RennwLottG sind auch erforderlich. Erforderlich ist eine
gesetzliche Regelung, wenn der Gesetzgeber nicht ein anderes,
gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder weniger stark
einschränkendes Mittel hätte wählen können
(vgl. BVerfG-Beschluss vom 20.06.1984 - 1 BvR 1494/78, BVerfGE 67,
157, unter C.II.2.; BVerfG-Urteil in BVerfGE 81, 156, unter
C.II.1.c bb, ständige Rechtsprechung). Bei der
Einschätzung der Erforderlichkeit verfügt der Gesetzgeber
über einen Beurteilungs- und Prognosespielraum (vgl.
BVerfG-Urteile in BVerfGE 81, 156, unter C.II.1.c bb; in BVerfGE
115, 276, unter C.I.3.e aa; BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 145,
20, unter C.II.1.a bb (2) a cc á, Rz 149; in BVerfGE 126,
112, unter B.II.4.b aa, und in BVerfGE 102, 197, unter C.II.1.c bb
(2)).
|
|
|
53
|
Ein milderes, gleich effektives Mittel zur
Erhebung der Sportwettensteuer ist nicht ersichtlich. Insbesondere
erscheint ein Anknüpfen der Sportwettensteuer an den
Bruttorohertrag nicht als sinnvoll. In diesem Fall entfaltet die
Sportwettensteuer weder einen Preis- noch einen Quoteneffekt (vgl.
Herzig/Stock, ZfWG 2012, 12, 15). Damit werden gerade Wettanbieter
mit hohen Quoten und damit einem geringen Bruttorohertrag
begünstigt. Dies würde dem Ziel der Sportwettensteuer,
das Wettangebot zu verteuern und damit den Anreiz zum Spielen zu
verringern, entgegenlaufen (vgl. Brüggemann, ZfWG 2019, 111,
113). Zudem bestünde ein erheblicher Anreiz, den
Bruttorohertrag zu minimieren und die Erträge im
Wettgeschäft nicht im Rahmen des Wetteinsatzes, sondern z.B.
in Form von Anmeldegebühren für Homepages,
Eintrittsgeldern in Wettbüros oder ähnlichen Lizenz- oder
Gebühreneinnahmen zu erwirtschaften. Der Wetteinsatz hingegen
ist eine objektiv, anhand der Aufzeichnungen des Anbieters leicht
zu ermittelnde Bemessungsgrundlage, die nicht der Beeinflussung
durch den Wettanbieter unterfällt.
|
|
|
54
|
(c) Die Steuerbelastung ist auch angemessen
und mithin verhältnismäßig im engeren Sinn. Bei
einer Gesamtabwägung zwischen der Höhe der
Sportwettensteuer und dem Gewicht der sie rechtfertigenden
Gründe wahren die gesetzlichen Regelungen insgesamt die Grenze
der Zumutbarkeit und belasten den Anbieter von Sportwetten nicht
übermäßig. Der Gesichtspunkt, dass Gewinne aus der
Veranstaltung von Sportwetten angesichts des regulierten und auf
wenige Anbieter beschränkten Marktes relativ risikolos erzielt
werden können, rechtfertigt die teilweise Abschöpfung der
Gewinne durch staatliche Abgaben, zumal Sportwetten von der
Umsatzsteuer befreit sind (§ 4 Nr. 9 Buchst. b des
Umsatzsteuergesetzes). Zudem steht die mit der
Sportwettenbesteuerung verbundene finanzielle Belastung in einem
vernünftigen Verhältnis zu dem gegebenen Anlass und den
von ihr verfolgten Zwecken.
|
|
|
55
|
d) Das FG hat zudem ohne Rechtsfehler
angenommen, dass die Belastung mit Sportwettensteuer auch nicht in
die Nähe einer erdrosselnden Steuerbelastung kommt. Die
Klägerin erzielte in den streitigen
Voranmeldungszeiträumen hohe Wettumsätze. Dass in der
Folge der Einführung der Sportwettensteuer ihre Umsätze
und Gewinne in existenzgefährdender Weise einen Rückgang
zu verzeichnen haben und die Gewinne der Klägerin praktisch
vollständig abgeschöpft werden, mithin die Tätigkeit
der Klägerin unwirtschaftlich wird und keine angemessene
Kapitalverzinsung abwirft, hat das FG nicht festgestellt. Vielmehr
stiegen nach den Feststellungen des FG sowohl die Zahl der
Veranstalter, die Sportwettensteuer anmelden, als auch das
Aufkommen der Steuer und damit das legale Spielvolumen.
|
|
|
56
|
4. Die von der Klägerin gerügten
Verstöße gegen Europarecht sind nicht gegeben.
|
|
|
57
|
a) Eine ungerechtfertigte Beschränkung des freien
Dienstleistungsverkehrs (Art. 56 AEUV) liegt nicht vor.
|
|
|
58
|
aa) Nach Art. 56 AEUV müssen die
Mitgliedstaaten Angehörigen aus anderen EU-Staaten
ermöglichen, unter denselben Bedingungen tätig zu werden,
wie sie für Inländer gelten. Es sind auch solche
Beschränkungen zu unterlassen, die - obwohl sie
unterschiedslos für Einheimische wie für Dienstleistende
anderer Mitgliedstaaten gelten - geeignet sind, die Tätigkeit
eines in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen
Dienstleistenden, der dort rechtmäßig gleichartige
Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden oder zu behindern (vgl.
Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union - EuGH -
Arblade u.a. vom 23.11.1999 - C-369/96 und C-376/96, EU:C:1999:575,
Rz 33; Mobistar und Belgacom Mobile vom 08.09.2005 - C-544/03 und
C-545/03, EU:C:2005:518 = SIS 05 41 98, Rz 30 f.; Liga Portuguesa
de Futebol Profissional und Bwin International vom 08.09.2009 -
C-42/07, EU:C:2009:519, und Berlington Hungary u.a. vom 11.06.2015
- C-98/14, EU:C:2015:386 = SIS 15 15 62, Rz 35). Eine
Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegt bereits dann
vor, wenn die grenzüberschreitende Tätigkeit erschwert
oder weniger attraktiv gemacht wird.
|
|
|
59
|
Beschränkungen der
Glücksspieltätigkeit können aber durch zwingende
Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein. Dazu
zählen der Verbraucherschutz, die Betrugsvermeidung und die
Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu
übermäßigen Ausgaben für Glücksspiele. In
Ermangelung einer Harmonisierung des Glücksspielsektors durch
die EU ist es Sache der einzelnen Mitgliedstaaten, im Einklang mit
ihrer eigenen Wertordnung zu beurteilen, welche Erfordernisse sich
aus dem Schutz der betroffenen Interessen ergeben (vgl.
EuGH-Urteile Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin
International, EU:C:2009:519, Rz 56, und Digibet und Albers vom
12.06.2014 - C-156/13, EU:C:2014:1756, Rz 23 f.).
|
|
|
60
|
Dagegen erfasst Art. 56 AEUV solche
Maßnahmen nicht, deren einzige Wirkung es ist,
zusätzliche Kosten für die betreffende Leistung zu
verursachen, und die die Erbringung von Dienstleistungen zwischen
Mitgliedstaaten in gleicher Weise wie ihre Erbringung innerhalb
eines einzelnen Mitgliedstaats berühren (vgl. EuGH-Urteile
Mobistar und Belgacom Mobile, EU:C:2005:518 = SIS 05 41 98, Rz 31,
und Berlington Hungary u.a., EU:C:2015:386 = SIS 15 15 62, Rz
36).
|
|
|
61
|
bb) Das Anbieten von Sportwetten an
Empfänger in anderen Mitgliedstaaten gehört zu den
Dienstleistungen i.S. des Art. 56 AEUV (vgl. EuGH-Urteile Carmen
Media Group vom 08.09.2010 - C-46/08, EU:C:2010:505, Rz 41, und
Winner Wetten vom 08.09.2010 - C-409/06, EU:C:2010:503, Rz 43 f.).
Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, führt die Erhebung
der Sportwettensteuer zu einer Verteuerung des Wettangebots
für den Wettenden oder zu einer Herabsetzung der
Gewinnchancen. Damit wird die Veranstaltung von Sportwetten weniger
attraktiv. Diese Wirkung trifft aber inländische wie
ausländische Anbieter in gleicher Weise und zu gleichen
Bedingungen. Die Sportwettensteuer führt daher zu keiner
unmittelbaren Diskriminierung ausländischer Anbieter.
|
|
|
62
|
Selbst wenn man eine mittelbare
Diskriminierung annehmen würde, ist die darin liegende
Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit gerechtfertigt, weil
sie der Verfolgung zwingender Gründe des Allgemeininteresses
dient. Dazu zählen der Verbraucherschutz, die
Betrugsvermeidung und die Vermeidung von Anreizen für die
Bürger zu übermäßigen Ausgaben für
Glücksspiele (vgl. EuGH-Urteile Stoß vom 08.09.2010 -
C-316/07, EU:C:2010:504, Rz 74 f., und Berlington Hungary u.a.,
EU:C:2015:386 = SIS 15 15 62, Rz 58). Zur Erreichung dieser Ziele
ist die Sportwettensteuer geeignet, weil sie die Teilnahme
verteuert. Aufgrund ihrer moderaten Höhe ist sie aber
gleichzeitig geeignet, den Weg in die glücksspielrechtliche
Legalität nicht zu versperren und den Spielern ein legales und
staatlich überwachtes Angebot zur Verfügung zu
stellen.
|
|
|
63
|
Die Frage, ob die Steuerbelastung von den
betroffenen Unternehmen an die Spieler weiterbelastet wird, ist
eine Frage der betriebswirtschaftlichen Kalkulation und damit eine
unternehmerische Entscheidung der Klägerin. Die
unterschiedlichen Bruttoroherträge haben ihre Ursache nicht in
der Unterscheidung zwischen inländischen und
ausländischen Anbietern. Vielmehr haben diese ihre Ursache in
der Verschiedenheit der Marktauftritte (stationär/online), was
zu unterschiedlichen Kostenstrukturen und anderen Gewinnmargen
führt. Ob eine Diskriminierung durch die im
Ansässigkeitsstaat anfallenden Steuern und Gebühren
eintritt, ist in diesem zu entscheiden und nicht Gegenstand dieses
Verfahrens (vgl. auch Welz, UVR 2012, 274, 280).
|
|
|
64
|
b) Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL steht
der Besteuerung nicht entgegen. Die Vorschrift regelt die
Steuerbefreiung von Wetten von der Umsatzsteuer. Die Vorschrift
betrifft nur die Umsatzsteuer und enthält keine
Ausschlussregelung, wonach ein Wettumsatz nicht mit anderen Abgaben
belegt werden kann. Dies folgt aus Art. 401 MwStSystRL. Nach dieser
Vorschrift hindert die MwStSystRL unbeschadet anderer
gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften einen Mitgliedstaat nicht
daran, Abgaben auf Versicherungsverträge, Spiele und Wetten,
Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern sowie ganz allgemein alle
Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von
Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen, sofern
die Erhebung dieser Steuern, Abgaben und Gebühren im Verkehr
zwischen den Mitgliedstaaten nicht mit Formalitäten beim
Grenzübertritt verbunden ist (vgl. EuGH-Urteil Metropol
Spielstätten vom 24.10.2013 - C-440/12, EU:C:2013:687 = SIS 13 30 52; BFH-Urteile vom 02.04.2008 - II
R 4/06, BFHE 221, 256, BStBl II 2009, 735 = SIS 08 20 69, unter II.2.a aa, und in BFHE 261, 62 = SIS 18 08 43, Rz 64 ff.).
|
|
|
65
|
c) Da ein sachlicher Grund für die
unterschiedliche Behandlung von Sportwetten und Online-Casinos
vorliegt, fehlt es schließlich auch an dem gerügten
Verstoß gegen Art. 20 EUGrdRCh.
|
|
|
66
|
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
|