Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil
des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 2.3.2018 - 5 K
2508/17 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens haben die
Kläger zu tragen.
1
|
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) haben in ihrer Einkommensteuererklärung für
das Jahr 2015 (Streitjahr) bei den privaten
Veräußerungsgeschäften die Anschaffung und
Veräußerung von zwei Tickets für das Finale der
UEFA Champions League 2015 in Berlin erklärt.
|
|
|
2
|
Diese hatten sie, nachdem sie sich für
einen entsprechenden Erwerb registriert hatten, über die
offizielle UEFA-Webseite im April 2015 zugelost bekommen. Die
Anschaffungskosten betrugen 330 EUR. Der Kläger hatte
ursprünglich geplant, das Finale zusammen mit seinem Sohn zu
besuchen. Später entschloss er sich zum Verkauf der Tickets.
Der Verkauf erfolgte über die Ticketplattform X im Mai 2015.
Der ausbezahlte Veräußerungserlös abzüglich
Gebühren betrug 2.907 EUR.
|
|
|
3
|
Die Kläger gingen von der
Steuerfreiheit des Veräußerungsgeschäfts aus und
erklärten in der eingereichten Einkommensteuererklärung
ausdrücklich einen Gewinn in Höhe von 0 EUR.
|
|
|
4
|
Im Einkommensteuerbescheid für 2015
vom 7.6.2016 erfasste der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) jedoch sonstige Einkünfte aus privaten
Veräußerungsgeschäften in Höhe von 2.577
EUR.
|
|
|
5
|
Die Erläuterungen zur Festsetzung
enthielten folgende Ausführungen:
|
|
|
|
|
“Die Veräußerung der
Champions League Finalkarten ist steuerpflichtig im Sinne des
§ 23 EStG. Die Steuerbefreiung nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr.
2 S. 2 EStG greift nur für Gegenstände des täglichen
Gebrauchs. Gegenstände des täglichen Gebrauchs sind
Wirtschaftsgüter, die üblicherweise zur Nutzung
angeschafft werden. Das Wirtschaftsgut darf keine Eignung zur
Einkünfteerzielung besitzen. Besitzt ein Wirtschaftsgut eine
Nutzungs- und eine Wertsteigerungskomponente muss man darauf
abstellen, ob eine Eignung zur Wertsteigerung vorliegt, also ob
derartige Gegenstände auch als Wertanlage angeschafft werden.
Eine Eintrittskarte ist kein Gegenstand des täglichen
Gebrauchs, sondern vielmehr nur zur einmaligen Nutzung an einem
bestimmten Tag geeignet. Da die Nachfrage bei Champions League
Finalkarten das Angebot extrem übersteigt, handelt es sich um
Gegenstände, die von vielen als Spekulationsobjekt mit
garantiertem Gewinn angeschafft werden. Der Schwarzmarkt ist
diesbezüglich riesig. Somit ist eine Wertsteigerungskomponente
gegeben.“
|
|
|
6
|
Die Kläger beantragten mit Schreiben
vom 4.7.2016 die schlichte Änderung des
Einkommensteuerbescheids mit der Maßgabe, dass die sonstigen
Einkünfte mit 0 EUR festgesetzt werden. Bei den Tickets
handele es sich um Gegenstände des täglichen Gebrauchs,
die von einer Besteuerung ausgenommen seien.
|
|
|
7
|
Das FA lehnte den Änderungsantrag mit
einem ohne Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Schreiben vom
15.07.2016 ab. Champions League-Tickets stellten keinen Gegenstand
des täglichen Gebrauchs dar, da sie eine
Wertsteigerungskomponente enthielten.
|
|
|
8
|
Die Kläger baten mit weiterem
Schreiben vom 17.4.2017 um nochmalige Überprüfung des
Standpunkts des FA auch unter dem Gesichtspunkt, dass die Tickets
Wertpapiere darstellten.
|
|
|
9
|
Das FA wies den erneuten
Änderungsantrag unter Hinweis auf die Frist des § 172
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO) mit Schreiben
vom 20.4.2017, das mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war,
ab.
|
|
|
10
|
Die Kläger verwiesen mit Schreiben vom
27.4.2017 auf ihren am 4.7.2016 gestellten Änderungsantrag und
baten um entsprechende Änderung des
Einkommensteuerbescheids.
|
|
|
11
|
Das FA wies den Einspruch gegen die
Ablehnung der schlichten Änderung des Einkommensteuerbescheids
für 2015 als unbegründet zurück
(Einspruchsentscheidung vom 25.08.2017).
|
|
|
12
|
Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen
gerichteten Klage mit dem in EFG 2018, 1167 veröffentlichten
Urteil statt.
|
|
|
13
|
Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 i.V.m. §
22 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
|
|
|
14
|
Das FA beantragt, das Urteil des FG
Baden-Württemberg vom 2.3.2018 - 5 K 2508/17 aufzuheben, die
Klage abzuweisen sowie die Kosten des gesamten Verfahrens den
Klägern aufzuerlegen.
|
|
|
15
|
Die Kläger haben keinen Antrag
gestellt.
|
|
|
16
|
II. Die Revision ist begründet und
führt unter Aufhebung der angefochtenen Vorentscheidung zur
Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Zwar hat das FG zu Recht
angenommen, dass der Gewinn aus der Veräußerung der
beiden UEFA Champions League-Tickets nicht zu den Einkünften
aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 2 EStG in der im
Streitjahr geltenden Fassung gehört (dazu unter II.1.). Der
Kläger hat aber - anders als das FG meint - mit der
Veräußerung der beiden Tickets einen
Veräußerungsgewinn i.S. des § 22 Nr. 2 i.V.m.
§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in der im Streitjahr geltenden
Fassung erzielt (dazu unter II.2.).
|
|
|
17
|
1. Die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2
EStG liegen nicht vor. Bei einem UEFA Champions League-Ticket
handelt es sich, sollte bereits mit der Vorlage des Tickets das
Recht auf den Stadionbesuch geltend gemacht werden können, um
ein kleines Inhaberpapier i.S. von §§ 807, 797 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), sollte das Ticket
personalisiert sein, um ein qualifiziertes Legitimationspapier i.S.
des § 808 BGB (vgl. Palandt/Sprau, Bürgerliches
Gesetzbuch, 78. Aufl., Einf v § 793 Rz 3, 5, § 807 Rz 3,
§ 808 Rz 1 ff.; Erman/ Wilhelmi, BGB, 15. Aufl., § 807 Rz
4 f., § 808 Rz 8; MünchKommBGB/Habersack, 7. Aufl.,
§ 807 Rz 5 f., 10, § 808 Rz 2 ff., 10; vgl. auch Weller,
NJW - -NJW - 2005, 934, 935). Damit sind die Tickets nach
zivilrechtlicher Betrachtungsweise zwar ein Wertpapier (vgl. z.B.
Jauernig/Stadler, BGB, 17. Aufl., § 793 BGB, Rz 5 ff.;
MünchKommBGB/Habersack, a.a.O., § 807 Rz 14, § 808
Rz 3). Unabhängig davon, wie der Begriff des Wertpapiers im
Steuerrecht zu verstehen ist, erfüllen die UEFA Champions
League-Tickets aber nicht die Merkmale einer Kapitalanlage i.S. des
§ 20 Abs. 1, Abs. 2 EStG. Sie sind insbesondere keine
Kapitalforderungen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 i.V.m.
Abs. 1 Nr. 7 EStG, da sie in erster Linie auf die Ermöglichung
des Stadionbesuchs gerichtet sind (vgl. Weller, NJW 2005, 934,
935). Unter den Begriff der Kapitalforderung i.S. des § 20
Abs. 1 Nr. 7 EStG fallen alle auf eine Geldleistung gerichteten
Forderungen, deren Steuerbarkeit sich nicht bereits aus einem
anderen Tatbestand i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 oder 8 bis
11 EStG ergibt. Nicht darunter fallen indes Ansprüche auf die
Lieferung anderer Wirtschaftsgüter, insbesondere auf eine
Sachleistung gerichtete Forderungen (vgl. z.B. Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12.5.2015 - VIII R 35/14, BFHE 250,
71, BStBl II 2015, 834 = SIS 15 19 52, Rz 12, m.w.N.) oder - wie
hier - Forderungen, die auf eine Werk- und Mietleistung (vgl. zur
zivilrechtlichen Einordnung z.B. Palandt/Sprau, a.a.O., Einf v
§ 631 Rz 31, m.w.N.; Weller, NJW 2005, 934, 935) gerichtet
sind. Das ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.
|
|
|
18
|
2. Der Kläger hat aber mit der
Anschaffung und entgeltlichen Veräußerung der UEFA
Champions League-Tickets innerhalb der Jahresfrist eine
Veräußerung i.S. des § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG verwirklicht
(Veräußerungsgeschäft bei anderen
Wirtschaftsgütern).
|
|
|
19
|
a) Ein privates
Veräußerungsgeschäft (§ 22 Nr. 2 EStG) ist
gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG ein
Veräußerungsgeschäft bei anderen
Wirtschaftsgütern, bei dem der Zeitraum zwischen Anschaffung
und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt.
Die Regelung betrifft alle Wirtschaftsgüter im
Privatvermögen (Senatsurteil vom 22.04.2008 - IX R 29/06, BFHE
221, 97, BStBl II 2009, 296 = SIS 08 24 23, unter II.1.b aa, Rz
14), mithin Sachen und Rechte i.S. des BGB sowie tatsächliche
Zustände und konkrete Möglichkeiten, d.h. sämtliche
vermögenswerten Vorteile, deren Erlangung sich der
Steuerpflichtige etwas kosten lässt (vgl. Senatsurteil vom
21.09.2004 - IX R 36/01, BFHE 207, 543, BStBl II 2006, 12 = SIS 05 04 83, unter II.1.b bb, beginnend ab Rz 20, m.w.N., und
Blümich/Ratschow, § 23 EStG Rz 62, m.w.N.) und die einer
selbständigen Bewertung zugänglich sind (vgl. z.B.
Senatsurteil vom 29.06.2004 - IX R 26/03, BFHE 206, 418, BStBl II
2004, 995 = SIS 04 32 23, unter II.1.a aa, Rz 28). Ausgenommen sind
Veräußerungen von Gegenständen des täglichen
Gebrauchs (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG). Die
Einkünfteerzielungsabsicht ist nicht zu prüfen (z.B.
Senatsurteil vom 20.08.2013 - IX R 38/11, BFHE 242, 386, BStBl II
2013, 1021 = SIS 13 27 55, Rz 30, m.w.N.).
|
|
|
20
|
b) Hiernach zählen auch die
streitgegenständlichen UEFA Champions League-Tickets zu den
Wirtschaftsgütern, die Gegenstand eines privaten
Veräußerungsgeschäfts sein können.
|
|
|
21
|
aa) Die UEFA Champions League-Tickets sind
Wirtschaftsgüter i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1
EStG.
|
|
|
22
|
Der Käufer eines UEFA Champions
League-Tickets erwirbt damit das verbriefte Recht auf Zutritt zum
Fußballstadion und Besuch des Fußballspiels an dem auf
dem Ticket angegebenen Tag (Werk- und Mietleistung, vgl. zur
zivilrechtlichen Einordnung z.B. Palandt/Sprau, a.a.O., Einf v
§ 631 Rz 31, m.w.N.; Weller, NJW 2005, 934, 935).
|
|
|
23
|
Sowohl der Kläger als auch der
nachfolgende Erwerber haben sich die Erlangung des verbrieften
Anspruchs auf den Stadionbesuch etwas kosten lassen, indem sie den
Kaufpreis an den jeweiligen Veräußerer gezahlt
haben.
|
|
|
24
|
Das verbriefte Recht auf Stadionbesuch ist
zudem einer besonderen Bewertung zugänglich, da der Vorteil
klar abgrenzbar und greifbar ist. Für die konkrete
Möglichkeit des Stadionbesuchs, die im Ticket verbrieft wird,
ist ein besonderes Entgelt anzusetzen. Dem einzelnen Ticket kommt
ein eigener Wert zu; dieser stellt - wie schon anhand der
zahlreichen Internet-Handelsplattformen für
Ticket-(Weiter-)Verkäufe der vorliegenden Art offen zutage
tritt - vorliegend einen wirtschaftlich ausnutzbaren und
realisierbaren Vermögenswert dar.
|
|
|
25
|
bb) Ob es sich bei den maßgeblichen
Tickets um Wertpapiere im steuerrechtlichen Sinn handelt, bedarf
insoweit keiner Entscheidung. Selbst wenn dies der Fall sein
sollte, erfasst § 23 EStG - anders als das FG meint - als
Auffangnorm auch Einkünfte aus der Veräußerung von
Wertpapieren, soweit diese - wie hier - nicht zu Einkünften
i.S. des § 20 EStG führen (vgl. § 23 Abs. 2 EStG;
s.a. Wernsmann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 23
Rz B 58; Trossen in BeckOK EStG, Kirchhof/Kulosa/Ratschow 4.
Edition Stand: 01.07.2019, EStG § 23 Rz 71, 199, und
Wackerbeck, EFG 2018, 1169). Die Gegenansicht, wonach die
Besteuerung von Wertpapieren seit dem Unternehmensteuerreformgesetz
2008 (UntStRefG 2008) vom 14.08.2007 (BGBl I 2007, 1912 ff.)
abschließend in § 20 EStG geregelt sei (vgl.
Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 38. Aufl., § 23 Rz 27; Kube in
Kirchhof, EStG, 18. Aufl., § 23 Rz 7; Musil in
Herrmann/Heuer/Raupach - HHR -, § 23 EStG Rz 141; Hoheisel in
Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 23
Rz 82), teilt der Senat nicht.
|
|
|
26
|
(1) Bereits aus dem Wortlaut des § 23
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG, der allgemein von
„anderen Wirtschaftsgütern“ spricht, folgt,
dass von der Regelung (auch weiterhin) grundsätzlich alle
Wirtschaftsgüter im Privatvermögen betroffen sind. Der
Senat hat bereits zur Vorgängerregelung entschieden, dass die
dortige Hervorhebung von „Wertpapieren“ den
allgemeinen Begriff „Wirtschaftsgut“ nicht
einzuschränken vermochte (vgl. Senatsurteil in BFHE 221, 97,
BStBl II 2009, 296 = SIS 08 24 23, unter II.1.b aa, Rz 14). Dies
gilt umso mehr, als der Gesetzgeber nunmehr mit dem UntStRefG 2008
die Hervorhebung „insbesondere bei Wertpapieren“
aus § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG a.F. herausgenommen
hat, ohne den Wortlaut im Übrigen zu ändern.
|
|
|
27
|
(2) Anhaltspunkte für eine generelle
Herausnahme von Wertpapieren aus dem Anwendungsbereich des §
23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG finden sich auch nicht in den
Gesetzesmaterialien zum UntStRefG 2008. Zwar ist in der
Begründung der Entwurfsfassung von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr.
2 Satz 1 EStG davon die Rede, dass die Regelung zu Wertpapieren im
bisherigen Satz 1 entfalle, da die Besteuerung der
Veräußerung von Wertpapieren nunmehr in § 20 EStG
geregelt sei (vgl. BTDrucks 16/5377, S. 7, BTDrucks 16/4841, S.
58). Dies ist aber nach Auffassung des Senats nicht dahin zu
verstehen, dass Wertpapiere generell aus dem Anwendungsbereich des
§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG herausfallen sollten, da
dies angesichts des allgemeinen Begriffs
„Wirtschaftsguts“ zumindest einer Klarstellung
bedurft hätte. Auch in der Begründung zur Neufassung des
§ 20 EStG finden sich keine Hinweise darauf, dass die
Besteuerung von Wertpapieren dort nunmehr abschließend
geregelt sein soll (vgl. BTDrucks 16/5377, S. 7, BTDrucks 16/4841,
S. 54 ff.).
|
|
|
28
|
(3) Im Übrigen schließt auch der
Zweck des § 23 EStG, innerhalb der
Veräußerungsfrist realisierte Werterhöhungen eines
bestimmten Wirtschaftsguts im Privatvermögen der
Einkommensteuer zu unterwerfen (Senatsurteil vom 01.10.2014 - IX R
55/13, BFHE 247, 397, BStBl II 2015, 265 = SIS 15 00 58, Rz 17,
m.w.N.), die vom Wortlaut der Norm grundsätzlich erfassten
Wertpapiere nicht aus.
|
|
|
29
|
cc) Die Veräußerung der UEFA
Champions League-Tickets ist auch nicht nach § 23 Abs. 1 Satz
1 Nr. 2 Satz 2 EStG von der Besteuerung ausgenommen, da es sich bei
den Tickets nicht um Gegenstände des täglichen Gebrauchs
handelt.
|
|
|
30
|
(1) Der Begriff „Gegenstände des
täglichen Gebrauchs“ ist gesetzlich nicht definiert.
Aus den Materialien zum Jahressteuergesetz 2010 (JStG 2010) vom
08.12.2010 (BGBl I 2010, 1768 ff.) folgt sinngemäß, dass
die Regelung darauf abzielt, Verlustgeschäfte von meist
vorrangig zur Nutzung angeschafften Gebrauchsgegenständen,
die, wie z.B. Gebrauchtfahrzeuge, dem Wertverlust unterliegen,
steuerrechtlich nicht wirksam werden zu lassen (vgl. BTDrucks
17/2249, S. 54).
|
|
|
31
|
(2) Im Schrifttum herrscht insoweit weitgehend
Einigkeit, dass es sich bei den Gegenständen des
täglichen Gebrauchs i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
Satz 2 EStG bei objektiver Betrachtung um Gebrauchsgegenstände
handeln müsse, die dem Wertverzehr unterlägen und/oder
kein Wertsteigerungspotential aufwiesen (vgl.
Blümich/Ratschow, § 23 EStG Rz 67; Trossen in BeckOK
EStG, a.a.O., EStG § 23 Rz 203; Wernsmann, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 23 Rz B 59; HHR/Musil,
§ 23 EStG Rz 159), wobei eine Nutzung an jedem Tag nicht
erforderlich sei (Trossen in BeckOK EStG, a.a.O., EStG § 23 Rz
203; Hoheisel in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 23 Rz 91;
Lindberg, in Frotscher/ Geurts, EStG, Freiburg 2018, § 23 Rz
52e). Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Der
Gesetzgeber reagierte mit der Regelung in § 23 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 Satz 2 EStG auf das Senatsurteil in BFHE 221, 97, BStBl II
2009, 296 = SIS 08 24 23. In diesem Urteil hat der Senat
entschieden, dass § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG a.F. nicht
teleologisch insoweit zu reduzieren ist, als Wirtschaftsgüter
des täglichen Gebrauchs mangels objektiven
Wertsteigerungspotentials aus seinem Anwendungsbereich
herauszunehmen sind (vgl. Senatsurteil in BFHE 221, 97, BStBl II
2009, 296 = SIS 08 24 23, unter II.1.b bb, Rz 15). Nach der
Begründung des Entwurfs zum JStG 2010 sollte mit der
Einfügung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG
gesetzlich klargestellt werden, dass die Veräußerung von
Gebrauchsgegenständen, die regelmäßig mit dem Ziel
der Nutzung und nicht mit dem Ziel der zeitnahen gewinnbringenden
Veräußerung angeschafft werden, nicht steuerbar ist
(vgl. BTDrucks 17/2249, S. 54). Die damalige Auffassung der
Finanzverwaltung (vgl. z.B. Oberfinanzdirektion - OFD - Hannover
vom 12.03.2001 - S 2256-57-StO 223, S 2256-79-StH 215, FR 2001,
556; OFD München vom 19.07.2002 - S 2256-21 St 41, DStR 2002,
1529) wird damit jedenfalls im Ergebnis wieder hergestellt.
|
|
|
32
|
(3) Hiernach sind die vom Kläger
veräußerten UEFA Champions League-Tickets keine
Gegenstände des täglichen Gebrauchs, da sie - wie im
Streitfall ersichtlich - ein Wertsteigerungspotential aufweisen und
zudem nicht zum täglichen Gebrauch i.S. einer
regelmäßigen oder zumindest mehrmaligen Nutzung geeignet
sind. Die veräußerten Tickets ermöglichten vielmehr
nur den einmaligen Einlass zu dem auf der Einlasskarte angegebenen
Fußballspiel.
|
|
|
33
|
dd) Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist auch
die vom FA in Ansatz gebrachte Höhe des
Veräußerungsgewinns von 2.577 EUR (vgl. § 23 Abs. 3
EStG). Auch unter Berücksichtigung etwaiger weiterer
Werbungskosten in Höhe von 20 EUR, unterbleibt nach § 1
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Kleinbetragsverordnung eine Änderung
der Festsetzung der Einkommensteuer, da die Abweichung von der
bisherigen Festsetzung bei einer Änderung weniger als 10 EUR
betragen würde (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 16.02.2011 - X R
21/10, BFHE 233, 1, BStBl II 2011, 671 = SIS 11 19 83, Rz 12 ff.,
und BFH-Beschluss vom 03.06.2013 - V B 4/13, juris, Rz 7).
|
|
|
34
|
3. Gegen dieses Ergebnis bestehen auch keine
verfassungsrechtlichen Bedenken.
|
|
|
35
|
a) Anders als das FG meint, ist § 23 Abs.
1 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 des
Grundgesetzes (GG) wegen eines strukturellen Vollzugsdefizits bei
der Besteuerung des Gewinns aus privaten
Veräußerungsgeschäften der vorliegenden Art
verfassungsrechtlich zu beanstanden. Das Bundesverfassungsgericht
(BVerfG) hat bereits entschieden, dass für Einkünfte aus
privaten Veräußerungsgeschäften gemäß
§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bereits für den
Veranlagungszeitraum 1999 ein dem Gesetzgeber zuzurechnendes
strukturelles Vollzugsdefizit nicht mehr festzustellen ist, das zur
Verfassungswidrigkeit der Norm führen könnte.
Gegenüber dem Veranlagungszeitraum 1998, für den das
BVerfG ein strukturelles Vollzugsdefizit festgestellt hatte, folgt
die geänderte verfassungsrechtliche Beurteilung aus der
Änderung verschiedener tatsächlicher und rechtlicher
Rahmenbedingungen (BVerfG, Nichtannahmebeschlüsse vom 7.5.2008
- 2 BvR 2392/07, juris = SIS 08 39 15, unter B.II.1.b, Rz 17,
m.w.N., und vom 10.01.2008 - 2 BvR 294/06, BFH/NV 2008, Beilage 2,
161 = SIS 08 10 38).
|
|
|
36
|
Es bestehen keine Anhaltspunkte, die die
Annahme eines strukturellen Vollzugsdefizits bei der Besteuerung
von Ticketverkäufen der vorliegenden Art nach § 23 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 EStG nunmehr dennoch rechtfertigen könnten.
Soweit das FG ein solches Vollzugsdefizit mit der Erwägung
begründet, die Veräußerung der Tickets anonymisiert
sie insofern, als die von den Klägern gewählte
Ticketbörse keine Informationen über Käufer und
Verkäufer bekanntgebe, ist dieser Umstand schon unter
lauterkeitsrechtlichen Gesichtspunkten nicht unzweifelhaft (vgl.
z.B. § 5a Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 des Gesetzes gegen den
unlauteren Wettbewerb, dazu jüngst Landgericht München I,
Urteil vom 4.6.2019 - 33 O 6588/17, BeckRS 2019, 10541, Rz 38 ff.,
nicht rechtskräftig; in diese Richtung wohl auch
Oberlandesgericht München, Urteil vom 16.07.2015 - 6 U
4681/14, Wettbewerb in Recht und Praxis 2015, 1522, Rz 53 ff.). Der
Umstand einer etwaig anonymen Veräußerung zwischen den
Vertragsparteien genügt aber nicht, um ein strukturelles, in
der gesetzlichen Regelung selbst angelegtes Vollzugsdefizit zu
begründen. Von Bedeutung ist insoweit vielmehr, dass -
unabhängig von den Rahmenbedingungen der
Veräußerung - für Finanzbehörden
regelmäßig unter bestimmten Voraussetzungen die
Möglichkeit besteht, z.B. im Rahmen von
Sammelauskunftsersuchen, die zur Feststellung eines für die
Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte
auch bei Internethandelsplattformen einzuholen (vgl. § 93 Abs.
1, Abs. 1a AO, dazu z.B. BFH-Urteil vom 16.5.2013 - II R 15/12,
BFHE 241, 211, BStBl II 2014, 225 = SIS 13 18 26). Die
Steuerbelastung bei privaten Veräußerungsgeschäften
der vorliegenden Art beruht somit nicht nahezu allein auf der
Erklärungsbereitschaft des Steuerpflichtigen (vgl. dazu z.B.
BVerfG-Urteil vom 27.06.1991 - 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239,
BStBl II 1991, 654 = SIS 91 14 01, unter C.I.2., beginnend ab Rz
113).
|
|
|
37
|
b) Der Umstand, dass natürliche Personen,
die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen
Aufenthalt haben, mit privaten
Veräußerungsgeschäften i.S. des § 22 Nr. 2,
§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG regelmäßig nicht der
beschränkten Steuerpflicht unterliegen (vgl. § 1 Abs. 4,
§ 49 Abs. 1 Nr. 8 EStG), begründet ebenfalls keinen
Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Auch insoweit hat das BVerfG
bereits entschieden, dass bei der Prüfung der Frage einer
Ungleichbehandlung davon auszugehen ist, dass die gesetzgeberische
Unterscheidung zwischen beschränkter (§ 1 Abs. 4, §
49 EStG) und unbeschränkter (§ 1 Abs. 1 bis Abs. 3,
§ 2 EStG) Steuerpflicht als sachgerecht und die damit
verbundene unterschiedliche Behandlung der entsprechenden
Personengruppen im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG
regelmäßig als gerechtfertigt anzusehen ist (vgl. z.B.
BVerfG-Beschlüsse vom 15.12.2015 - 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1
= SIS 16 06 95, unter C.II.2.a, beginnend ab Rz 97, m.w.N., und vom
24.02.1989 - 1 BvR 519/87, Information über Steuer und
Wirtschaft 1990, 359).
|
|
|
38
|
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 1 FGO.
|