Erstbescheid, Umdeutung in Änderungsbescheid: Ein Erstbescheid, der in der unzutreffenden Annahme der Nichtigkeit eines vorangegangenen nach § 165 AO vorläufigen Bescheides ergeht, kann gemäß § 128 AO auch noch im Revisionsverfahren in einen Änderungsbescheid i.S. des § 165 Abs. 2 AO umgedeutet werden, sofern die das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) ausreichen, den Beteiligten hierzu rechtliches Gehör gewährt worden ist und sie in ihrer Rechtsverteidigung hierdurch nicht beeinträchtigt sind. - Urt.; BFH 22.8.2007, II R 44/05; SIS 07 36 24
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) kaufte am 28.12.1994 von
einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), deren
Gesellschafter u.a. die G-GmbH war, durch notariell beurkundeten
Vertrag ein größeres Grundstücksareal, auf dem die
Errichtung einer Gewerbeparkanlage vorgesehen war. Bei dem
Vertragsabschluss wurden die weiteren Gesellschafter der GbR
jeweils durch Vertreter ohne Vertretungsmacht vertreten; die
erforderlichen Genehmigungen der Vertretenen wurden im Laufe des
Jahres 1995 erteilt.
Der in § 1 des
Grundstückskaufvertrags bezeichnete „Kaufgegenstand
DIFA-Fonds Nr. 1“ (Kaufgegenstand I) betraf noch zu
vermessende Grundstücksteilflächen sowie
Miteigentumsanteile an einer weiteren Teilfläche. Der
Kaufpreis betrug 21.584.200 DM zuzüglich 3.237.630 DM
Umsatzsteuer und weiterer Umsatzsteuer von 32.376,30 DM (15 %
Umsatzsteuer auf die halbe Grunderwerbsteuer). Für den in
§ 2 des Grundstückskaufvertrags bezeichneten
„Kaufgegenstand DIFA-Fonds Nr. 3“ (Kaufgegenstand III),
der ebenfalls noch zu vermessende Grundstücksteilflächen
sowie Miteigentumsanteile an einer weiteren Teilfläche betraf,
war ein Kaufpreis von 4.562.800 DM zuzüglich Umsatzsteuer
vereinbart. In derselben Vertragsurkunde schloss die Klägerin
mit der G-GmbH einen Bauvertrag zur Errichtung des in fünf
Bauteile gegliederten Gewerbeparkobjekts. Die Gesamtvergütung
betrug für die dem Kaufgegenstand I zugeordneten Bauteile
70.719.800 DM zuzüglich Umsatzsteuer und für den dem
DIFA-Fonds Nr. 3 zugeordneten Bauteil 18.879.200 DM zuzüglich
Umsatzsteuer. Ebenfalls in der Vertragsurkunde vom 28.12.1994
schloss die Klägerin mit der G-GmbH Generalmiet- und
Garantieverträge sowie einen Verwaltervertrag.
Das vormals zuständige Finanzamt
setzte gegen die Klägerin wegen des Erwerbs „durch
Kaufvertrag vom 28.12.1994“ mit Bescheid vom 14.2.1996
Grunderwerbsteuer in Höhe von 496.445 DM fest.
Bemessungsgrundlage waren 24.822.260 DM (Kaufpreis 21.584.630 DM
sowie Umsatzsteuer in Höhe von 3.237.630 DM). Der Bescheid
erging gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung
(AO) teilweise vorläufig und enthielt folgende
Erläuterung: „Wegen der Übernahme weiterer Kosten
durch übernommene und abgeschlossene Verträge vom
Veräußerer ist der Bescheid vorläufig. Die
vorliegenden Verträge bilden ein einheitliches Vertragswerk.
Die Grunderwerbsteuer bemisst sich nach dem Gesamtaufwand. Die in
Rechnung gestellte Umsatzsteuer gehört zur Gegenleistung. Der
Bescheid ist insoweit vorläufig, als wegen der ausstehenden
Vermessung die genaue Höhe der Gegenleistung noch nicht
feststeht.“ Der Bescheid wurde von der Klägerin nicht
angefochten.
Mit Bescheid vom 29.12.1999 setzte das
vormals zuständige Finanzamt gegen die Klägerin für
den Erwerbsvorgang vom 28.12.1994 betreffend den Erwerb für
den Kaufgegenstand I Grunderwerbsteuer in Höhe von 2.123.920
DM fest; der Bescheid erging gemäß § 165 AO
„hinsichtlich der zur BMG gehörenden Umsatzsteuer
vorläufig“. Bemessungsgrundlage waren nunmehr
106.149.600 DM, die das Finanzamt unter Zugrundelegung der
Grundstückskosten (24.821.830 DM) und der Baukosten
(81.327.770 DM) ermittelt hatte. Zur Begründung des Bescheids
war ausgeführt, der Bescheid vom 14.2.1996 sei unbestimmt und
damit nichtig; aus ihm sei nicht erkennbar, welche Grundstücke
den Gegenstand der Besteuerung bildeten. Der Einspruch hatte keinen
Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit
seinem in EFG 2006, 156 = SIS 06 09 22 veröffentlichten Urteil
als unbegründet ab. Der Bescheid vom 14.2.1996 sei zwar
inhaltlich bestimmt; der zur Besteuerung herangezogene
Lebenssachverhalt sei der gesamte von dem Kaufvertrag erfasste
Grunderwerb. Dies sei dem Bescheid durch die Bezugnahme auf den
nach Datum, Notar, Urkundenrollen-Nummer und Veräußerin
bezeichneten Grundstückskaufvertrag eindeutig zu entnehmen.
Der offensichtlich unvollständige Ansatz der
Bemessungsgrundlage stelle die eindeutige Bestimmtheit des
besteuerten Lebenssachverhalts nicht in Frage. Der Bescheid vom
29.12.1999 sei aber in einen Berichtigungsbescheid nach § 129
AO umzudeuten und insoweit rechtmäßig.
Während des Beschwerdeverfahrens wegen
Nichtzulassung der Revision erging gemäß § 172 Abs.
1 Nr. 2 a AO der Änderungsbescheid vom 2.10.2003, mit dem das
vormals zuständige Finanzamt die Grunderwerbsteuer auf
1.085.468,57 EUR (2.122.992 DM) herabsetzte.
Mit der Revision rügt die
Klägerin fehlerhafte Anwendung des § 128 AO.
Die Klägerin beantragt, die
Vorentscheidung, den Bescheid vom 29.12.1999 in der Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 24.8.2001 und den Änderungsbescheid
vom 2.10.2003 aufzuheben.
Der nunmehr zuständige Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) beantragt, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
II. A. Die Revision führt aus
verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils. Das FG hat über den Grunderwerbsteuerbescheid vom
29.12.1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.8.2001
entschieden. Während des Beschwerdeverfahrens wegen
Nichtzulassung der Revision ist der Änderungsbescheid vom
2.10.2003 ergangen, durch den das FA die Steuer herabgesetzt hat.
Dieser Änderungsbescheid wurde gemäß § 68 Satz
1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand zunächst des
Beschwerdeverfahrens (dazu Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH -
vom 18.12.2003 II B 31/00, BFHE 204, 35, BStBl II 2004, 237 = SIS 04 05 68) und ist nach Zulassung der Revision (vgl. § 116 Abs.
7 Satz 1 FGO) nunmehr Gegenstand des Revisionsverfahrens (§
121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 FGO). Das Urteil des FG ist, da
ihm ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde liegt,
gegenstandslos geworden (z.B. BFH-Urteile vom 3.8.2005 I R 94/03,
BFHE 210, 398, BStBl II 2006, 20 = SIS 05 45 92; vom 10.5.2006 II R
71/04, BFHE 213, 118, BStBl II 2006, 602 = SIS 06 27 12). Der Senat
entscheidet über die Klage gegen den Änderungsbescheid
vom 2.10.2003. Da sich der Streitstoff durch den
Änderungsbescheid nicht verändert hat, bedarf es keiner
Zurückverweisung nach § 127 FGO.
B. Die Klage ist unbegründet. Der
Bescheid vom 29.12.1999, an dessen Stelle der
Änderungsbescheid vom 2.10.2003 getreten ist, ist in einen
Änderungsbescheid gemäß § 165 Abs. 2 AO
umzudeuten und als solcher rechtmäßig. Das FA hat
für den Erwerbsvorgang vom 28.12.1994 zutreffend die Kosten
für die Errichtung der Gebäude auf den dem Kaufgegenstand
I zugeordneten Grundstücken in die Bemessungsgrundlage der
Grunderwerbsteuer einbezogen.
1. Der Bescheid vom 29.12.1999 ist
rechtsfehlerhaft als Erstbescheid ergangen.
a) Ob ein Bescheid als Berichtigungs- bzw.
Änderungsbescheid oder als Erstbescheid ergeht, richtet sich
nach seinem Verfügungssatz i.S. des § 118 AO (BFH-Urteile
vom 22.8.1990 I R 76/88, BFH/NV 1991, 341; vom 4.4.2001 II R 22/99,
BFH/NV 2001, 1146 = SIS 01 72 45). Mit Bescheid vom 29.12.1999
sollte der den Kaufgegenstand I betreffende Erwerbsvorgang vom
28.12.1994 erstmalig und - durch Einbeziehung von
Grundstückskaufpreis und Bauerrichtungskosten in die
Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer - in vollem Umfang der
Besteuerung unterworfen werden. Dem lag, wie sich aus der
Begründung dieses Bescheids ergibt, die Annahme zugrunde, der
Bescheid vom 14.2.1996 sei wegen inhaltlicher Unbestimmtheit
nichtig.
b) Einer erstmaligen Steuerfestsetzung steht
jedoch entgegen, dass der Erwerb des Kaufgegenstandes I bereits
durch den Bescheid vom 14.2.1996 wirksam besteuert wurde und diese
Steuerfestsetzung, anders als im Bescheid vom 29.12.1999
angenommen, nicht mangels hinreichender Bestimmtheit nichtig
(§ 125 Abs. 1 AO) war. Der Bescheid vom 14.2.1996 lässt
bei sachgerechter Auslegung mit hinreichender Bestimmtheit (§
119 Abs. 1, § 157 Abs. 1 Satz 2 AO) erkennen, dass Gegenstand
der Besteuerung die im Kaufvertrag vom 28.12.1994 dem
Kaufgegenstand I zugeordneten Grundstücke sein sollten.
aa) Nach § 119 Abs. 1 AO muss ein
Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. § 157
Abs. 1 Satz 2 AO bestimmt hierzu ausdrücklich, dass
schriftliche Steuerbescheide die festgesetzte Steuer nach Art und
Betrag bezeichnen und angeben müssen, wer die Steuer schuldet.
Danach muss der Regelungsinhalt dem Verwaltungsakt eindeutig
entnommen werden können. Hierzu gehört auch, dass
angeführt wird, welcher Sachverhalt besteuert wird (BFH-Urteil
vom 13.9.1995 II R 80/92, BFHE 178, 468, BStBl II 1995, 903 = SIS 96 03 08, m.w.N.).
Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind,
ist im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung der
Auslegungsregeln der §§ 133, 157 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs (BGB) zu ermitteln. Entscheidend sind der erklärte
Wille der Behörde und der sich daraus ergebende objektive
Erklärungsinhalt der Regelung, wie ihn der Betroffene nach den
ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu
und Glauben verstehen konnte (vgl. BFH-Urteile vom 11.7.2006 VIII R
10/05, BFHE 214, 18, BStBl II 2007, 96 = SIS 06 37 93; vom
18.2.1997 VII R 96/95, BFHE 182, 282, BStBl II 1997, 339 = SIS 97 12 29). Bei der Auslegung ist nicht allein auf den Tenor des
Bescheides abzustellen, sondern auch auf den materiellen
Regelungsgehalt einschließlich der für den Bescheid
gegebenen Begründung (BFH in BFHE 214, 18, BStBl II 2007, 96 =
SIS 06 37 93; BFH-Beschluss vom 9.3.1995 X B 242/94, BFH/NV 1995,
858).
bb) Aus dem Bescheid vom 14.2.1996 ist mit
hinreichender Bestimmtheit erkennbar, dass besteuerter
Lebenssachverhalt allein der Erwerb des im Vertrag vom 28.12.1994
bezeichneten Kaufgegenstandes I sein sollte.
Zwar lassen sich die insoweit erforderlichen
Angaben zu dem besteuerten Erwerbsvorgang nicht schon aus den in
dem Bescheid gegebenen Hinweisen auf den
Grundstückskaufvertrag (beurkundender Notar,
Urkundenrollen-Nummer) sowie auf die Flurstückbezeichnung
(„Flst Nr. 17/3 u.a.“) und
Straßenbezeichnung entnehmen, da diese Angaben auf beide
Kaufgegenstände zutreffen. Die erforderliche Konkretisierung
ergibt sich aber mit hinreichender Bestimmtheit aus der in dem
Bescheid vom 14.2.1996 angesetzten Bemessungsgrundlage und den
hierzu mitgeteilten Berechnungsgrundlagen. Der mit 21.584.630 DM
angesetzte Kaufpreis entspricht nahezu dem im Vertrag vom
28.12.1994 vereinbarten Kaufpreis für den Kaufgegenstand I.
Dass dieser im Bescheid vom 14.2.1996 zugrunde gelegte Kaufpreis um
430 DM höher war als die insoweit im Kaufvertrag vom
28.12.1994 tatsächlich vereinbarte Kaufsumme, beruht
augenfällig auf einem Versehen, nämlich auf einem
Überspringen der Zeilen, und erweist sich damit als ein
bloß mechanischer, die Voraussetzungen einer offenbaren
Unrichtigkeit i.S. des § 129 AO erfüllender Fehler.
Insoweit etwa verbleibende Zweifel hinsichtlich des besteuerten
Lebenssachverhalts sind jedenfalls durch die mit 3.237.630 DM
angesetzte Umsatzsteuer, die betragsgenau der im Vertrag vom
28.12.1994 für den Kaufgegenstand I ausgewiesenen Umsatzsteuer
entspricht, beseitigt.
2. Der Bescheid vom 29.12.1999 hat jedoch im
Wege der Umdeutung (§ 128 AO) als Änderungsbescheid
gemäß § 165 Abs. 2 AO Bestand. Ob - wie das FG
angenommen hat - auch die Voraussetzungen einer Umdeutung des
Bescheids vom 29.12.1999 in einen Berichtigungsbescheid i.S. des
§ 129 AO erfüllt sind, kann offenbleiben.
a) Nach § 128 Abs. 1 AO kann ein
fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt
umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von
der erlassenden Finanzbehörde in der geschehenen
Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen
werden können und wenn die Voraussetzungen für seinen
Erlass erfüllt sind. Unter diesen Voraussetzungen sind auch
die Finanzgerichte zur Umdeutung eines fehlerhaften Verwaltungsakts
befugt (BFH-Entscheidungen vom 24.4.1985 II B 53/84, BFH/NV 1986,
11; vom 25.1.1994 VIII R 45/92, BFHE 173, 213, BStBl II 1994, 603 =
SIS 94 14 70; von Wedelstädt in Beermann/ Gosch, AO § 128
Rz 14, m.w.N.). Möglich ist auch eine Umdeutung im
Revisionsverfahren, sofern die das Revisionsgericht bindenden
tatsächlichen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO)
ausreichen, den Beteiligten hierzu rechtliches Gehör
gewährt worden ist (vgl. auch § 128 Abs. 4 i.V.m. §
91 AO) und sie in ihrer Rechtsverteidigung hierdurch nicht
beeinträchtigt sind (Urteile des Bundesverwaltungsgerichts -
BVerwG - vom 26.7.2006 6 C 20/05, BVerwGE 126, 254; vom 23.11.1999
9 C 16/99, BVerwGE 110, 111 zu dem mit § 128 AO nahezu
gleichlautenden § 47 des Verwaltungsverfahrensgesetzes). Im
Streitfall sind diese Voraussetzungen erfüllt. Das rechtliche
Gehör wurde in der Revisionsverhandlung gewährt.
aa) Der rechtsfehlerhaft als Erstbescheid
ergangene Bescheid vom 29.12.1999 war auf das gleiche Ziel
gerichtet wie ein Änderungsbescheid nach § 165 Abs. 2 AO.
Für die Bestimmung des Ziels ist auf die von dem fehlerhaften
Verwaltungsakt verfolgte Rechtswirkung oder Rechtsfolge
abzustellen. Die Rechtsfolgen des durch Umdeutung gewonnenen
Verwaltungsakts müssen denen des umgedeuteten Verwaltungsakts
im Wesentlichen entsprechen und dürfen jedenfalls nicht
weitergehen (Hübschmann/ Hepp/Spitaler - HHSp -, § 128 AO
Rz 6).
Der Bescheid vom 29.12.1999 war darauf
gerichtet, die Grunderwerbsteuer für den Kaufgegenstand I nach
dem Wert der gesamten Gegenleistung, d.h. unter Zugrundelegung
sowohl des vereinbarten Grundstückskaufpreises (24.821.830 DM)
als auch der von der Klägerin zu zahlenden Baukosten
(81.327.770 DM) festzusetzen. Zielgleichheit mit einem
Änderungsbescheid nach § 165 Abs. 2 AO besteht, weil auch
dieser auf die Einbeziehung der Baukosten in die
Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer gerichtet war.
bb) Der Umdeutung des Bescheids vom 29.12.1999
in einen Änderungsbescheid nach § 165 Abs. 2 AO steht
nicht entgegen, dass in den Erläuterungen dieses Bescheids die
Nichtigkeit des Bescheids vom 14.2.1996 festgestellt wurde. Die
schriftliche Mitteilung des FA, ein Bescheid sei unwirksam, hat
nach ständiger Rechtsprechung des BFH (Entscheidungen vom
17.10.1985 VII R 185/83, BFH/NV 1986, 720; vom 15.11.1991 VI R
81/89, BFHE 165, 566, BStBl II 1992, 224 = SIS 92 04 36; vom
21.6.2005 X B 72/05, BFH/NV 2005, 1490 = SIS 05 36 67) nur
deklaratorischen Charakter und ist lediglich als
Äußerung einer Rechtsansicht zu verstehen. Diese
Rechtsansicht war im vorliegenden Fall, wie dargelegt, rechtlich
unzutreffend.
cc) Auf der Grundlage des
Vorläufigkeitsvermerks im Bescheid vom 14.2.1996 konnte auch
ein Änderungsbescheid i.S. des § 165 Abs. 2 AO ergehen,
durch den die Baukosten betreffend die dem Kaufgegenstand I
zugeordneten Grundstücke in die Bemessungsgrundlage der
Grunderwerbsteuer einbezogen wurden.
(1) Eine Steuer kann gemäß §
165 Abs. 1 Satz 1 AO vorläufig festgesetzt werden, soweit
ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für deren Entstehung
eingetreten sind; auch ein Teil einer Steuerfestsetzung kann
vorläufig festgesetzt werden. Umfang und Grund der
Vorläufigkeit sind anzugeben (§ 165 Abs. 1 Satz 3 AO).
Dabei werden regelmäßig Grund und Umfang der
Vorläufigkeit des Bescheids dadurch angegeben, dass eine
einzelne Besteuerungsgrundlage als ungewiss gekennzeichnet wird.
Die (materielle) Bestandskraft des Steuerbescheides bleibt in
diesem Umfang (zunächst) offen (BFH-Urteile vom 29.6.2004 IX R
14/02, BFH/NV 2005, 2 = SIS 05 03 81; vom 2.3.2000 VI R 48/97, BFHE
191, 223, BStBl II 2000, 332 = SIS 00 08 30).
Ein Vorläufigkeitsvermerk wird als
unselbständige Nebenbestimmung eines Verwaltungsakts in
gleicher Weise wie dieser selbst mit dem Inhalt wirksam, mit dem er
bekannt gegeben wird (§§ 120, 122, § 124 Abs. 1 AO).
Der Umfang der Vorläufigkeit ist dem dafür im Bescheid
angeführten Grund zu entnehmen oder aus sonstigen
Umständen im Wege der Auslegung zu ermitteln (BFH-Urteile vom
11.12.1991 III R 59/89, BFH/NV 1992, 464; vom 16.9.2004 X R 22/01,
BFH/NV 2005, 322 = SIS 05 12 17). Entscheidend ist, wie der
Adressat den Vorläufigkeitsvermerk nach den ihm bekannten
Umständen (d.h. nach seinem „objektiven
Verständnishorizont“) unter Berücksichtigung
von Treu und Glauben verstehen konnte (BFH-Urteile vom 27.11.1996 X
R 20/95, BFHE 183, 348, BStBl II 1997, 791 = SIS 97 14 63; vom
29.8.2001 VIII R 1/01, BFH/NV 2002, 465 = SIS 02 58 01, jeweils
m.w.N.). Die Auslegung muss zumindest einen Anhalt in der
bekanntgegebenen Regelung haben (BFH in BFHE 183, 348, BStBl II
1997, 791 = SIS 97 14 63).
(2) Im Streitfall hat sich der
Vorläufigkeitsvermerk im Bescheid vom 14.2.1996 seinem
Umfang nach mit hinreichender Bestimmtheit (§ 119 Abs. 1
AO) auf die dem Kaufgegenstand I zugeordneten Grundstücke
erstreckt. Die Klägerin konnte die
Vorläufigkeitserklärung im Hinblick auf die
„Übernahme weiterer Kosten durch übernommene und
abgeschlossene Verträge vom Veräußerer“
nicht dahin verstehen, dass die im Vertrag vom 28.12.1994
vereinbarten Baukosten nicht vom Vorläufigkeitsvermerk erfasst
seien. In den Erläuterungen des Bescheids vom 14.2.1996 war
ausdrücklich ausgeführt, dass die vorliegenden
Verträge ein einheitliches Vertragswerk bildeten. Zwar ist der
Begriff „einheitliches Vertragswerk“ kein
ausschließlich auf die Verbindung von Kauf- und Bauvertrag
bezogener feststehender Begriff des Grunderwerbsteuerrechts,
sondern kann jede Einheit mehrerer Verträge bezeichnen (vgl.
z.B. BFH-Urteil vom 6.3.1985 II R 114/82, BFHE 143, 287, BStBl II
1985, 380 = SIS 85 11 06). Im Streitfall war aber für die
Klägerin nach den ihr bekannten Umständen - insbesondere
nach dem Inhalt des Grundstückskaufvertrags vom 28.12.1994 -
erkennbar, dass die im Bescheid vom 14.2.1996 zugrunde gelegte
Bemessungsgrundlage ersichtlich nur den Grundstückskaufpreis
für den Kaufgegenstand I umfasste. Ausgehend von diesem
Befund, der auch von der Klägerin verfochten wird, konnten die
in den Erläuterungen dieses Bescheids angesprochenen weiteren
Verträge nur den Kaufgegenstand I betreffen, so dass die
Einbeziehung der Baukosten in die Bemessungsgrundlage der
Grunderwerbsteuer von der Beseitigung der insoweit angenommenen
Ungewissheit abhängen sollte.
(3) Der Bescheid vom 14.2.1996 ist auch nicht
etwa deshalb rechtsunwirksam und damit nichtig (§ 125 Abs. 1
AO), weil der Grund für die Vorläufigkeit nicht
entsprechend § 165 Abs. 1 Satz 3 AO angegeben war. Für
die Rechtswirksamkeit reicht es aus, dass sich der Umfang der
Vorläufigkeit aus dem Wortlaut der Erläuterung ergibt und
diese Nebenbestimmung damit hinreichend bestimmt ist (§§
119 Abs. 1, 125 AO). Wird - wie im Streitfall - der Umfang der
Vorläufigkeit durch den Vorläufigkeitsvermerk hinreichend
deutlich abgesteckt, hat das Schweigen zum Grund lediglich die
Rechtswidrigkeit des Bescheids, nicht aber seine Nichtigkeit zur
Folge (BFH-Urteile vom 12.3.1991 IX R 282/87, BFH/NV 1991, 506; in
BFH/NV 1992, 464, und in BFH/NV 2002, 465 = SIS 02 58 01).
Da die Klägerin gegen den Bescheid vom
14.2.1996 keinen Einspruch eingelegt hat, ist dieser
bestandskräftig geworden. Die Bestandskraft hat zur Folge,
dass Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der
vorläufigen Steuerfestsetzung insbesondere wegen eines
fehlenden Vorläufigkeitsgrundes nicht mehr erhoben werden
können (BFH-Urteile vom 30.6.1994 V R 106/91, BFH/NV 1995,
466, und in BFH/NV 2002, 465 = SIS 02 58 01).
(4) Der Bescheid vom 29.12.1999, an dessen
Stelle der Änderungsbescheid vom 2.10.2003 getreten ist,
erfüllt auch im Übrigen die Voraussetzungen eines
Änderungsbescheids nach § 165 Abs. 2 AO.
Gegenstand des Erwerbsvorgangs waren, da die
Verpflichtung der GbR zur Übereignung der Grundstücke und
die Verpflichtung der an der GbR beteiligten G-GmbH zur Errichtung
der projektierten Gebäude in einer Vertragsurkunde
zusammengefasst sind, die Grundstücke in ihrem künftigen
(bebauten) Zustand. Die Baukosten waren demgemäß in die
Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen. Rechtliche
Bedenken gegen die Höhe der angesetzten Bemessungsgrundlage
werden von der Klägerin nicht geltend gemacht und sind nach
Aktenlage auch nicht ersichtlich. Der besteuerte Lebenssachverhalt
ist durch die Bezugnahme des Bescheids vom 29.12.1999 auf den
notariellen Grundstückskaufvertrag vom 28.12.1994, die
ausdrückliche Bezeichnung des Kaufgegenstands I und der
für diesen erworbenen - mit den Flurstücksnummern
bezeichneten - Grundstücke sowie der diesen Grundstücken
zugeordneten, noch zu errichtenden Baukörper hinreichend
bestimmt bezeichnet.
b) Einer Umdeutung steht auch § 128 Abs.
2 Satz 1 AO nicht entgegen. Nach dieser Bestimmung ist eine
Umdeutung gemäß § 128 Abs. 1 AO ausgeschlossen,
wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt
umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden
Finanzbehörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen
für den Betroffenen ungünstiger wären als die des
fehlerhaften Verwaltungsakts.
Die Umdeutung des Bescheids vom 29.12.1999 in
einen Änderungsbescheid nach § 165 Abs. 2 AO entspricht,
soweit er die Einbeziehung der Gebäudeerrichtungskosten in die
Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer betrifft, der erkennbaren
Absicht der Finanzbehörde. Die Rechtsfolgen eines
Änderungsbescheids i.S. des § 165 Abs. 2 AO sind für
die Klägerin auch nicht ungünstiger als die eines
Erstbescheids. Ein Änderungsbescheid i.S. des § 165 Abs.
2 AO unterliegt zwar hinsichtlich des nicht vorläufigen Teils
der Anfechtungsbeschränkung aus § 351 Abs. 1 AO bzw.
§ 42 FGO (Birkenfeld in HHSp, § 351 AO Rz 91). Ob diese
einem Änderungsbescheid bei abstrakter Betrachtung anhaftende
verfahrensrechtliche Wirkung - im Vergleich zu der nicht durch
§ 351 Abs. 1 AO bzw. § 42 FGO eingeschränkten
Anfechtbarkeit eines Erstbescheids - überhaupt als
ungünstigere Rechtsfolge i.S. des § 128 Abs. 2 Satz 1 AO
zu qualifizieren ist, kann offen bleiben. Jedenfalls bedarf es
für § 128 Abs. 2 Satz 1 AO, der auf den
„Betroffenen“ abstellt, einer jeweils
einzelfallbezogenen konkreten Betrachtungsweise. Hiernach ergibt
sich im Streitfall keine Umdeutungssperre, weil die Klägerin
zu keinem Zeitpunkt gegen den Ansatz des
Grundstückskaufpreises als Bemessungsgrundlage der
Grunderwerbsteuer Einwendungen erhoben und auch gegen den Bescheid
vom 14.2.1996 keinen Einspruch eingelegt hat. Gegen den
Änderungsbescheid vom 29.12.1999 wendet sich die Klägerin
nur insoweit, als die Baukosten in die Bemessungsgrundlage der
Grunderwerbsteuer einbezogen wurden. Damit löst die
Anfechtungsbeschränkung des § 351 Abs. 1 AO im konkreten
Fall keine für die Klägerin ungünstigere Rechtsfolge
aus.
c) Ein Umdeutungshindernis ergibt sich auch
nicht aus § 128 Abs. 3 AO. Hiernach kann eine Entscheidung,
die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, nicht
in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden. Der Bescheid vom
29.12.1999 war als gesetzlich gebundene Entscheidung ergangen. Eine
solche ist auch der hier durch Umdeutung gewonnene
Änderungsbescheid nach § 165 Abs. 2 Satz 2 AO. Dieser
hatte bezüglich der in die grunderwerbsteuerrechtliche
Bemessungsgrundlage einbezogenen Baukosten als gebundene
Entscheidung zu ergehen, nachdem die in dem
Vorläufigkeitsvermerk im Bescheid vom 14.2.1996 angenommene
Ungewissheit beseitigt war. Soweit der im Bescheid vom 29.12.1999
erstmals angebrachte Vorläufigkeitsvermerk auf einer
Ermessensentscheidung beruhte, bleibt diese - ebenso wie dieser
Vorläufigkeitsvermerk selbst - von der Umdeutung
unberührt.
d) Der durch Umdeutung gewonnene
Änderungsbescheid vom 29.12.1999 ist auch nicht etwa deshalb
rechtswidrig, weil die Festsetzungsfrist für den geltend
gemachten Steueranspruch abgelaufen war. Die reguläre
vierjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
AO) begann, da die Steuer erst mit den im Lauf des Jahres 1995
erteilten Genehmigungen der bei Vertragsabschluss am 28.12.1994
vollmachtlos Vertretenen entstand (§ 14 Nr. 2 des
Grunderwerbsteuergesetzes), gemäß § 170 Abs. 1 AO
erst mit Ablauf des Jahres 1995. Der Umstand, dass die Umdeutung
des Bescheids vom 29.12.1999 in einen Änderungsbescheid i.S.
des § 165 Abs. 2 AO erst im Revisionsverfahren erfolgt ist,
hat - anders als von der Revision angenommen - auf die Wahrung der
Festsetzungsfrist keinen Einfluss. Im Wege der Umdeutung wird kein
neuer Verwaltungsakt erlassen, sondern lediglich der fehlerhaft
ergangene Verwaltungsakt als anderer (rechtmäßiger)
Verwaltungsakt mit anderer gleichwertiger Regelung und Rechtsfolge
aufrechterhalten (BVerwG-Urteil vom 24.9.1992 2 C 6/92, BVerwGE 91,
73; Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Aufl.,
§ 47 Rz 7 und 33).
3. Bei Erlass des Änderungsbescheids vom
2.10.2003 war ebenfalls noch keine Festsetzungsverjährung
eingetreten. Denn durch den Einspruch der Klägerin gegen den
Bescheid vom 29.12.1999 trat die Ablaufhemmung nach § 171 Abs.
3 a Satz 1 1. Halbsatz AO ein, die mangels unanfechtbarer
Entscheidung über den Rechtsbehelf noch andauert. Der Umstand,
dass die Klägerin Einspruch erst nach Ablauf der
Festsetzungsfrist eingelegt hat, ändert daran nichts (§
171 Abs. 3 a Satz 1 2. Halbsatz AO). § 171 Abs. 3 a AO ist im
Streitfall anzuwenden, weil im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser
Vorschrift am 30.12.1999 (Art. 17 des Gesetzes vom 22.12.1999, BGBl
I, 2601) die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen war (Art. 97
§ 10 Abs. 9 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung
i.d.F. des Gesetzes vom 22.12.1999, a.a.O.).