1
|
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist ein geschlossener
Immobilienfonds, der in den Streitjahren (2000 bis 2006) ein im
Jahr 1990 fertig gestelltes Mehrfamilienhaus in B
vermietete.
|
|
|
2
|
Zur Ermittlung der Einkünfte aus
Vermietung und Verpachtung i.S. von § 21 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) erstellte die Klägerin
jährlich einen mit einer gewerblichen Gewinnermittlung
vergleichbaren Vermögensstatus. Das Gebäude setzte sie
nach § 14a Abs. 1 des Berlinförderungsgesetzes mit
erhöhten Sätzen ab. Im Rahmen einer im Jahr 1991
durchgeführten Betriebsprüfung (BP) verständigte
sich die Klägerin mit dem Beklagten und Revisionsbeklagten
(Finanzamt - FA - ) auf Absetzungen für Abnutzung (AfA) in
Höhe von jeweils 10 % der Herstellungskosten im Jahr der
Fertigstellung und dem darauffolgenden Jahr, jeweils 3 % in den
folgenden zehn Jahren und anschließend ab dem Jahr 2002
jährlich 2,5 %, bemessen auf den Restwert.
|
|
|
3
|
Noch im Jahr der Fertigstellung des
Gebäudes (1990) erwarben die Beigeladenen zu 1 bis 4 von einem
anderen Beteiligten jeweils Gesellschaftsanteile an der
Klägerin. In Bezug auf die den Beigeladenen entstandenen,
über die anteiligen Buchwerte hinausgehenden zusätzlichen
Anschaffungskosten setzte die Klägerin in den Streitjahren -
neben der anteiligen AfA des Gebäudes - zusätzliche AfA
nach dem Berlinförderungsgesetz in Höhe von 3 %
jährlich an.
|
|
|
4
|
Mit Wirkung zum 1.1.1995 kaufte der
Beigeladene zu 5 einen Gesellschaftsanteil von nominal 30.000 DM
von einem weiteren Beteiligten. Unter Erhöhung des Kaufpreises
um die anteilig übernommenen und um den Buchwert des
Umlaufvermögens bereinigten Verbindlichkeiten ermittelte die
Klägerin Anschaffungskosten für diese Beteiligung in
Höhe von insgesamt 86.711 DM. Durch Abzug des anteiligen, auf
den Grund und Boden entfallenden Buchwerts laut
Vermögensstatus der GbR errechnete sie daraus einen auf das
Gebäude entfallenden Anteil von 72.005 DM (= 83 %), den sie in
den Streitjahren nach der verbleibenden Restnutzungsdauer des
Gebäudes mit jährlich 1.608 DM (= 2,23 %) absetzte. Nach
Verrechnung mit der anteilig auf den Beigeladenen zu 5 entfallenden
AfA des Gebäudes nach dem Berlinförderungsgesetz ergaben
sich für ihn Minder-AfA-Beträge in Höhe von 338 DM
bzw. 173 EUR jährlich.
|
|
|
5
|
Das FA erließ die
Feststellungsbescheide für die Streitjahre
erklärungsgemäß, aber vorläufig und
erläuterte das im Einzelnen wie folgt: „Der Bescheid ist
nach § 165 Abs. 1 Abgabenordnung teilweise vorläufig
hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, und
zwar soweit es die vorzunehmende Aufteilung des Mehrpreises auf
Grund und Boden und Gebäude im Falle eines
Gesellschafterwechsels bei geschlossenen Immobilienfonds in der
Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit
Einkünften aus Vermietung und Verpachtung betrifft,
hinsichtlich der aufgrund der Anteilserwerbe erklärten
Sonderwerbungskosten (Mehr-/Minder-AfA). Insoweit besteht
Übereinstimmung, dass der Ausgang des hierzu beim
Finanzgericht Berlin anhängigen Musterverfahrens zunächst
abgewartet werden soll. ...“ Der Zusatz, dass das
Musterverfahren „beim Finanzgericht Berlin“
anhängig sei, fehlt in den Erläuterungen zu den 2002
ergangenen Festsetzungsbescheiden für die Jahre 2000 und
2001.
|
|
|
6
|
Geführt wurde dieses Musterverfahren
von einem anderen Immobilienfonds, der treuhänderisch durch
dieselbe GmbH vertreten wurde wie die Klägerin und
vergleichbar strukturiert war. Gegenstand dieses Verfahrens waren
zum einen Fragen zur Ermittlung der (zusätzlichen)
Anschaffungskosten neu eingetretener Gesellschafter. Zum anderen
ging es um die Aufteilung dieser Kosten auf Grund und Boden sowie
Gebäude. Nachdem das FA den darauf gerichteten Einspruch aus
dem Jahr 2001 zurückgewiesen hatte, erhob der Immobilienfonds
im Jahr 2004 Klage. Sie wurde mit Urteil vom 11.10.2007 10 K
5086/04 B als unbegründet zurückgewiesen. Nach der
Urteilsbegründung waren bei der Berechnung der
Anschaffungskosten die übernommenen Verbindlichkeiten - neben
dem Buchwert des Umlaufvermögens - auch um die Buchwerte von
Rechnungsabgrenzungsposten und Außenanlagen zu
bereinigen.
|
|
|
7
|
Im Anschluss daran erließ das FA am
10.4.2008 nach § 165 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO)
geänderte Bescheide für die Streitjahre und erklärte
die Feststellungen nunmehr für endgültig: In Bezug auf
die Beigeladenen zu 1 bis 4 senkte das FA die zusätzlichen
AfA-Beträge auf die überschießenden
Anschaffungskosten - entsprechend der Übereinkunft mit der BP
- für die Jahre 2002 bis 2006 von 3 % auf 2,5 % der
verbliebenen Restwerte. Bezüglich des Beigeladenen zu 5
minderte das FA zunächst die anteilig übernommenen
Verbindlichkeiten entsprechend der Entscheidung im Musterverfahren
zusätzlich um die anteiligen Buchwerte von
Rechnungsabgrenzungsposten und Außenanlagen und reduzierte
damit die Anschaffungskosten auf nunmehr 83.084 DM. Den auf das
Gebäude entfallenden Anteil berechnete das FA auf der
Grundlage einer entsprechenden Auskunft des zuständigen
Lagefinanzamts aus dem Jahr 2001 im sog. vereinfachten Verfahren -
wie schon für die Vorjahre - mit 69,89 % (= 58.068 DM) und
senkte die AfA dafür auf 2 % (= 1.161 DM) jährlich.
Gegenüber der im Jahr 2000 anteilig auf den Beigeladenen zu 5
entfallenden Gebäude-AfA nach dem Berlinförderungsgesetz
in Höhe von (264.533 DM x 30.000 DM/ 4.270.000 DM =) 1.858 DM
errechnete das FA eine jährliche Minder-AfA in Höhe von
nunmehr (1.161 DM ./. 1.858 DM =) 697 DM bzw. 357 EUR, die -
anstelle der bisher berücksichtigten Beträge von 338 DM
bzw. 173 EUR - in allen Änderungsbescheiden zum Ansatz
kam.
|
|
|
8
|
Einsprüche und Klage blieben
erfolglos. In seinem in EFG 2011, 1122 = SIS 11 10 81
veröffentlichten Urteil führte das Finanzgericht (FG) zur
Begründung aus, das FA sei zwar nicht befugt gewesen, die
(ursprünglichen) Feststellungsbescheide allein wegen der
ausschließlich steuerrechtlichen Frage nach der Ermittlung
der AfA beim Gesellschafterwechsel eines geschlossenen
Immobilienfonds mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung
vorläufig zu erlassen. Da die Vorläufigkeitsvermerke
indes bestandskräftig geworden seien, stehe deren
Rechtswidrigkeit - entgegen anderslautender Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) - einer auf § 165 Abs. 2 Satz 1 AO
gestützten Änderung jedoch nicht entgegen. Dabei habe die
Vorläufigkeit objektiv nur im Sinne des Offenhaltens der
abschließenden Beurteilung der erklärten Mehr- oder
Minder-AfA der beigetretenen Gesellschafter verstanden werden
können. Die durchgeführten Änderungen seien durch
die Vorläufigkeitsvermerke gedeckt, nachrangige Ermittlungen
und Nachprüfungen seien zu Recht nachgeholt worden. Wegen der
Bestandskraft der Vorläufigkeitsvermerke sei auch die
Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 8 AO eingetreten.
|
|
|
9
|
Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Rechts (§ 165 Abs. 1
Satz 3, Abs. 2 Satz 1 AO). Zur Begründung trägt sie vor,
dass die Ursprungsbescheide nicht nach § 165 Abs. 2 Satz 1 AO
hätten geändert werden dürfen, weil sich die
Vorläufigkeit nicht auf ungewisse Tatsachen, sondern
ausschließlich auf eine Ungewissheit in der rechtlichen
Würdigung von Tatsachen beziehe. Mit den angefochtenen
Änderungsbescheiden seien keine neuen Tatsachen verwertet
worden. Überdies seien Grund und Umfang der
Vorläufigkeiten für die Jahre 2000 und 2001 ohne
nähere Bezeichnung des Musterverfahrens - entgegen § 165
Abs. 1 Satz 3 AO - nicht angegeben worden und die Vermerke damit
nichtig. Im Übrigen sollten durch die
Vorläufigkeitsvermerke nur Änderungen zugunsten des
Beigeladenen zu 5 offengehalten werden. Eine Korrektur der
Anschaffungskosten habe das FA erkennbar nicht beabsichtigt.
Jedenfalls seien die Änderungsbescheide
feststellungsverjährt, da auch die Ablaufhemmung nach §
171 Abs. 8 AO eine tatsächliche Ungewissheit voraussetze, an
der es hier aber fehle.
|
|
|
10
|
Die Klägerin beantragt, das
angefochtene Urteil des FG sowie die geänderten
Feststellungsbescheide für die Jahre 2000 bis 2006 vom
10.4.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.6.2008
aufzuheben und die ursprünglichen Bescheide für
endgültig zu erklären.
|
|
|
11
|
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
|
|
|
12
|
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung
der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
(§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -
). Das FG ist zwar zu Recht von einer Änderungsbefugnis des FA
nach § 165 Abs. 2 AO ausgegangen (s. zu 2.). Die
Vorentscheidung ist aber aufzuheben, weil die durchgeführten
Änderungen nicht von den Vorläufigkeitsvermerken gedeckt
sind (zu 3.).
|
|
|
13
|
1. Nach § 165 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. §
181 Abs. 1 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde eine Feststellung
aufheben oder ändern, soweit sie die Besteuerungsgrundlagen
vorläufig festgestellt hat. Dies kann gemäß §
165 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 181 Abs. 1 Satz 1 AO geschehen,
soweit ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für deren
Entstehung eingetreten sind. Dabei können auch für andere
Veranlagungszeiträume geklärte Tatsachen - erstmalig oder
erneut - ungewiss werden. Umfang und Grund der Vorläufigkeit
sind anzugeben (§ 165 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 181 Abs. 1
Satz 1 AO). Die (materielle) Bestandskraft des Steuerbescheids
bleibt in diesem Umfang (zunächst) offen (ständige
BFH-Rechtsprechung, vgl. Beschluss vom 24.2.2009 IX B 176/08,
BFH/NV 2009, 889 = SIS 09 15 37, unter II., m.w.N.).
|
|
|
14
|
Dagegen ist eine vorläufige Feststellung
nach § 165 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 181 Abs. 1 Satz 1 AO
aufzuheben, zu ändern oder für endgültig zu
erklären, wenn die Ungewissheit beseitigt ist. Wie die
Ungewissheit in § 165 Abs. 1 Satz 1 AO, so muss sich dabei
auch die Gewissheit, die gewonnen wird, auf Tatsachen beziehen, die
den gesetzlichen Steuertatbestand verwirklichen (vgl. BFH-Urteil
vom 12.3.1991 IX R 282/87, BFH/NV 1991, 506, unter 3.). Anders als
in § 173 AO müssen nach § 165 Abs. 2 AO verwertbare
Tatsachen nicht neu sein, sondern (un)gewiss.
|
|
|
15
|
Bezieht sich die tatsächliche
Ungewissheit ausschließlich auf eine Vorrangfrage und stellt
das FA im Hinblick hierauf die Prüfung aller nachrangigen und
von der Beantwortung der Vorrangfrage rechtlich abhängigen
Folgefragen zurück, kann die Änderung des
vorläufigen Steuerbescheids insoweit nicht auf Satz 2 des
§ 165 Abs. 2 AO gestützt werden, sondern allein auf Satz
1 der vorbezeichneten Vorschrift. Dies führt zu einer
kumulativen Anwendung der Sätze 1 und 2 des § 165 Abs. 2
AO bei Erlass des endgültigen Bescheids (vgl. BFH-Beschluss
vom 22.12.1987 IV B 174/86, BFHE 152, 43, BStBl II 1988, 234 = SIS 88 06 46, unter 3.c).
|
|
|
16
|
2. Nach diesen Grundsätzen war das FA -
entgegen der Auffassung des FG - nicht nur berechtigt (§ 165
Abs. 2 Satz 1 AO), sondern vielmehr verpflichtet (§ 165 Abs. 2
Satz 2 AO), geänderte Feststellungsbescheide zu erlassen. Die
ursprünglichen Feststellungen ergingen vorläufig und
wurden mangels Anfechtung formell bestandskräftig und wirksam.
Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der
Vorläufigkeit können im Verfahren gegen die
endgültigen Änderungsbescheide nicht mehr geltend gemacht
werden (vgl. BFH-Urteile vom 25.7.2000 IX R 93/97, BFHE 192, 241,
BStBl II 2001, 9 = SIS 00 14 49, unter II.3.a a.E.; vom 7.2.1995 IX
R 68/92, BFH/NV 1995, 939, unter 1., und in BFH/NV 1991, 506, unter
1.).
|
|
|
17
|
a) Entgegen der Auffassung der Klägerin
verstoßen die Vorläufigkeitsvermerke für die Jahre
2000 und 2001 trotz unvollständiger Bezeichnung des
Musterverfahrens nicht gegen das Begründungsgebot des §
165 Abs. 1 Satz 3 AO und sind daher wirksam (§ 124 AO). Die
Reichweite eines Vorläufigkeitsvermerks kann sich aus seiner
Begründung oder aus anderen Umständen durch Auslegung
ergeben (vgl. BFH-Urteile vom 12.7.2007 X R 22/05, BFHE 218, 26,
BStBl II 2008, 2 = SIS 07 37 80, unter II.3. und 4.; vom 29.8.2001
VIII R 1/01, BFH/NV 2002, 465 = SIS 02 58 01, unter 1.b, und in
BFH/NV 1991, 506, unter 2.). Entscheidend ist, wie der Adressat den
materiellen Regelungsinhalt nach den ihm bekannten Umständen
unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte
(vgl. BFH-Urteile vom 22.8.2007 II R 44/05, BFHE 218, 494, BStBl II
2009, 754 = SIS 07 36 24, unter II.B.2.a cc (1), und vom 19.10.1999
IX R 23/98, BFHE 190, 44, BStBl II 2000, 282 = SIS 00 04 35,
jeweils m.w.N.).
|
|
|
18
|
Zwar weist die Klägerin zutreffend darauf
hin, dass das in den Vermerken für die Jahre 2000 und 2001
nicht näher bezeichnete „Musterverfahren“
bei Erlass der Erstbescheide im Jahr 2002 noch nicht beim FG
anhängig war. Weil sie aufgrund verschiedener
Treuhandverhältnisse rechtlich durch dieselben Personen
vertreten wird wie der das Musterverfahren führende
Immobilienfonds, wusste die Klägerin allerdings ebenso wie das
FA, dass zu diesem Zeitpunkt im Musterfall bereits das
außergerichtliche Vorverfahren anhängig war. Aus der
engen zeitlichen und sachlichen Verflechtung beider
Feststellungsverfahren war für die Klägerin daher
zweifelsfrei erkennbar, auf welches
„Musterverfahren“ sich das FA in den Anlagen zu
den Bescheiden 2000 und 2001 bezog.
|
|
|
19
|
b) Entgegen der Auslegung des FG umfassten die
Vorläufigkeitsvermerke nicht nur Rechtsfragen, sondern - mit
dem Verweis auf Gesellschafterwechsel und Musterverfahren -
jedenfalls auch Tatsachen im Zusammenhang mit der Ermittlung der
Sonderwerbungskosten, die (erneut) ungewiss waren. Auch wenn in
komplexen Fallgestaltungen wie der vorliegenden im Einzelnen kaum
trennscharf zwischen rechnerischer und rechtlicher Bewertung
einzelner Tatsachen unterschieden werden kann, so sind
Berechnungsgrundlagen als solche regelmäßig dem
tatsächlichen Bereich zuzuordnen (vgl. BFH-Urteil vom
25.7.2001 VI R 82/96, BFH/NV 2001, 1533 = SIS 01 81 13, unter 1.).
Zwar ist der Revision beizupflichten, dass ein schätzungsweise
ermittelter Maßstab für die Aufteilung von
Anschaffungskosten auf Grund und Boden sowie Gebäude selbst
keine Tatsache ist, sondern als Schlussfolgerung auf Tatsachen
beruht (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1991, 506, unter 3.). Im
Streitfall hatte das FA nach Maßgabe der
Vorläufigkeitsvermerke jedoch nicht lediglich den
Aufteilungsmaßstab zu ändern, sondern - entsprechend der
Entscheidung im Musterverfahren - zunächst die
Anschaffungskosten neu zu berechnen und somit Tatsachen zu
verwerten. Diese mussten - entgegen der Auffassung der
Klägerin und anders als in § 173 AO - nicht neu sein,
sondern lediglich (un)gewiss. Auf eine bereits erreichte
Klärung für Vorjahre oder andere Fondsgesellschaften
kommt es nicht an.
|
|
|
20
|
c) Die tatsächliche Ungewissheit wurde im
Streitfall durch das Musterverfahren begründet und mit dessen
(rechtskräftigem) Abschluss am 11.10.2007 beseitigt. Die
Feststellungen waren nach § 165 Abs. 2 Satz 1 und 2 i.V.m.
§ 181 Abs. 1 Satz 1 AO innerhalb der Jahresfrist des §
171 Abs. 8 Satz 1 i.V.m. § 165 Abs. 1 Satz 1, § 181 Abs.
1 Satz 1 AO zu ändern und für endgültig zu
erklären. Diese Frist hat das FA mit den
Änderungsbescheiden vom 10.4.2008 eingehalten.
|
|
|
21
|
d) Dass FA und FG die Änderungsbescheide
ausschließlich auf § 165 Abs. 2 Satz 1 AO stützten,
ist insofern unbeachtlich, als für die
Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids nicht die zu
seiner Begründung herangezogene Vorschrift maßgebend
ist. Es kommt allein darauf an, ob der angefochtene Bescheid zum
Zeitpunkt seines Ergehens (im Übrigen) durch eine
entsprechende Ermächtigungsnorm - hier § 165 Abs. 2 Satz
2 AO - gedeckt war (vgl. BFH-Urteil vom 16.9.2004 X R 22/01, BFH/NV
2005, 322 = SIS 05 12 17, unter B.II.1.b bb).
|
|
|
22
|
3. Das Urteil ist aufzuheben, da die
durchgeführten Änderungen nicht dem durch die
Vorläufigkeitsvermerke gesteckten Änderungsrahmen
entsprechen: Weil die abweichenden AfA-Beträge für den
Beigeladenen zu 5 unzutreffend ermittelt (s. zu a) und die
Änderungen zulasten der Beigeladenen zu 1 bis 4
rechtsfehlerhaft in den Umfang der Vorläufigkeitsvermerke
einbezogen wurden (zu b), verletzt das Urteil die Vorschrift des
§ 165 Abs. 2 AO.
|
|
|
23
|
a) Dem Grunde nach zu Recht ging das FG davon
aus, dass die Änderungen in Bezug auf den Beigeladenen zu 5
von den Vorläufigkeitsvermerken gedeckt waren; mit der
Beendigung des Musterverfahrens trat Gewissheit ein. Anders als die
Klägerin meint, ergeben sich weder aus dem Wortlaut oder den
Erläuterungen zu den Vorläufigkeitsvermerken noch aus den
sonstigen Umständen Hinweise darauf, dass die
Vorläufigkeit nur Änderungen zu dessen Gunsten erfassen
oder eine Korrektur der Anschaffungskosten ausschließen
sollte. So nahm das FA beim Beigeladenen zu 5 - entsprechend den
Vorgaben in Vermerken und Musterverfahren - zunächst eine (in
dieser Form erstmalige) Neuberechnung der Anschaffungskosten vor.
Die Ermittlung und Anwendung des Aufteilungsmaßstabs waren
danach ebenso wie die Bestimmung des maßgeblichen AfA-Satzes
lediglich nachrangige Rechtsfragen, die das FA innerhalb des durch
Grund und Umfang der Vorläufigkeit abgegrenzten
Änderungsrahmens bei der endgültigen Feststellung
abweichend beantworten durfte (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2009,
889 = SIS 09 15 37, unter II., m.w.N.).
|
|
|
24
|
Demgegenüber ist das FG der Höhe
nach unzutreffend dem Ansatz des FA gefolgt. Unberücksichtigt
blieb, dass die AfA des Gebäudes ab dem Jahr 2002 nicht
länger mit 3 % der Herstellungskosten, sondern nunmehr mit 2,5
% des verbliebenen Restwerts ermittelt wurde. Daraus ergab sich
laut Feststellungserklärungen ein Betrag von 59.334 EUR (vgl.
Einkommensteuerakten Bd. VIII Bl. 44, 126), von dem auf den
Beigeladenen zu 5 nur noch (30.000/4.270.000 =) 417 EUR entfallen.
Statt der berücksichtigten Minder-AfA hätte ihm daher ab
2002 eine jährliche Mehr-AfA in Höhe von (1.161 DM = 594
EUR ./. 417 EUR =) 177 EUR zugerechnet werden müssen.
|
|
|
25
|
b) Entgegen dem FG sind die Änderungen in
Bezug auf die Beigeladenen zu 1 bis 4 nicht durch die
Vorläufigkeitsvermerke gedeckt. Änderungen nach §
165 Abs. 2 AO sind nach Art und Umfang nur in dem durch die
Vorläufigkeit wirksam gesteckten Rahmen zulässig. Mit der
(isolierten) Minderung der zusätzlichen AfA dieser
Gesellschafter von 3 % der Herstellungskosten auf 2,5 % der
Restwerte ab dem Jahr 2002 hat das FA ausschließlich den
AfA-Satz korrigiert. Damit hat es lediglich das Recht abweichend
angewandt, wobei eine solche Änderung im
Vorläufigkeitsvermerk nicht angelegt war. Da anhand des
Musterverfahrens kein vorrangiger Gesichtspunkt überprüft
und ggf. geändert wurde, handelt es sich - anders als beim
Beigeladenen zu 5 - nicht um die Klärung einer nur
nachrangigen Rechtsfrage. Soweit die Klägerin daraus den
Schluss ziehen will, dass das FA selbst die Anschaffungskosten
nicht mit in den Umfang der Vorläufigkeit einbezogen sah,
widerspricht dem die durchgeführte Neuberechnung beim
Beigeladenen zu 5.
|
|
|
26
|
c) Weil die Vorläufigkeitsvermerke auch
Tatsachen umfassen, bedarf es keiner Entscheidung, ob eine
bestandskräftige vorläufige Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen nur im Hinblick auf Erkenntnisse über
tatsächliche Verhältnisse oder auch lediglich wegen einer
veränderten rechtlichen Beurteilung geändert werden darf
(ebenfalls offengelassen durch BFH-Urteile vom 28.11.1995 IX R
16/93, BFHE 179, 8, BStBl II 1996, 142 = SIS 96 06 96, unter 2.b,
und vom 30.6.1994 V R 106/91, BFH/NV 1995, 466, unter 1.c).
|
|
|
27
|
4. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat
keine ausreichenden Feststellungen getroffen, anhand derer
abschließend überprüft werden könnte, ob die
Änderungen durch die Vorläufigkeitsvermerke gedeckt sind.
Das FG wird im zweiten Rechtsgang über die
Rechtmäßigkeit der Änderungsbescheide erneut zu
entscheiden haben. Anders als bei einer reinen
Ermessensentscheidung nach § 165 Abs. 2 Satz 1 AO unterliegt
die richterliche Prüfungskompetenz bei Änderungen nach
Satz 2 dieser Vorschrift nicht den Einschränkungen des §
102 Satz 1 FGO. Sie wird - abgesehen von dem durch die
Vorläufigkeit gesteckten Rahmen - nur durch den Umfang der
durchgeführten Änderungen beschränkt (vgl. §
351 Abs. 1 AO, § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO).
|
|
|
28
|
a) Aufgrund anderer Rechtsauffassung
ließ das FG unbeachtet, dass auch die Beigeladenen zu 1 bis 4
der Klägerin erst nachträglich - und wie der Beigeladene
zu 5 deutlich vor Beginn der Streitjahre - durch
Gesellschafterwechsel beigetreten und insoweit ebenfalls - auch
für die Jahre 2000 und 2001 - von den
Vorläufigkeitsvermerken und der darin verankerten
tatsächlichen Ungewissheit umfasst sind. Das FG wird daher
zunächst die Ermittlung der Anschaffungskosten für diese
Beteiligten im Jahr 1990 nach den Vorgaben im Musterverfahren und
deren Aufteilung auf Grund und Boden sowie das Gebäude zu
überprüfen haben (vgl. Einkommensteuerakten Bd. I, Bl.
62). Die Bestätigung der Ermittlung dieser Anschaffungskosten
durch die BP im Jahr 1991 begründet wegen des Prinzips der
Abschnittsbesteuerung (§ 2 Abs. 7 Satz 1 und 2 EStG) keinen
Vertrauens- oder Bestandsschutz für die Streitjahre.
|
|
|
29
|
Überdies hat das FG die Ermittlung der
Restwerte nicht überprüft und somit - wie das FA - nicht
berücksichtigt, dass bei den Beigeladenen zu 1 bis 4 in den
Jahren 1993 und 1994 gar keine Mehr-AfA zum Ansatz kam (vgl.
Einkommensteuerakten Bd. III, Bl. 65, 68, 144, 147; Bd. V, Bl.
167). Gleiches gilt im Jahr 1995 für den Beigeladenen zu 3,
während der Beigeladenen zu 1 ein gegenüber den
Folgejahren geringerer Betrag gewährt wurde (vgl.
Einkommensteuerakten Bd. VI, Bl. 163).
|
|
|
30
|
b) Im Rahmen der Kompensation wird das FG
ferner den zulasten des Beigeladenen zu 5 unterlaufenen
Rechenfehler (s. oben zu 3.a) - ggf. nach § 177 AO -
einzubeziehen haben (vgl. dazu auch BFH-Beschluss vom 13.10.2009 X
B 55/09, BFH/NV 2010, 168 = SIS 10 01 18, unter 2., sowie
BFH-Urteil vom 2.3.2000 VI R 48/97, BFHE 191, 223, BStBl II 2000,
332 = SIS 00 08 30).
|
|
|
31
|
c) Darüber hinaus wird das FG erneut
darüber entscheiden, ob die Bescheide für endgültig
zu erklären sind.
|