Auf die Revision der Kläger wird das
Urteil des Thüringer Finanzgerichts vom 23.11.2021 - 3 K
308/18 = SIS 22 08 88
aufgehoben.
Die Einkommensteuerbescheide des Beklagten vom
16.02.2016 für 2014, vom 09.01.2018 für 2015 und vom
28.09.2017 für 2016, jeweils in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 12.04.2018, werden dahin geändert,
dass nachträgliche gewerbliche Betriebsausgaben der
Klägerin von 5.994 EUR im Veranlagungszeitraum 2014 und
jeweils 12.000 EUR in den Veranlagungszeiträumen 2015 und 2016
berücksichtigt werden.
Die Berechnung der hieraus in den Jahren 2014
bis 2016 folgenden Einkommensteuern wird dem Beklagten
übertragen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der
Beklagte zu tragen.
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I. Streitig ist der Abzug von
nachträglichen Betriebsausgaben für in den Jahren 2014,
2015 und 2016 (Streitjahre) geleistete Zahlungen an die
Urlaubskasse.
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2
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Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) sind Ehegatten, die in den Streitjahren
zusammenveranlagt wurden. Vom 01.05.2000 bis zum 30.09.2004 betrieb
die Klägerin ein von ihrem Vater (V) übernommenes
gewerbliches Einzelunternehmen, das unter anderem Maler- und
Lackiererarbeiten erbrachte.
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3
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Mit Wirkung vom 01.10.2004 übertrug
die Klägerin das Unternehmen mit sämtlichen Aktiva und
Passiva an V zurück. Gemäß der Vereinbarung vom
01.10.2004 erfolgte die Übertragung unentgeltlich. V, der als
neuer Betriebsinhaber beschrieben wurde, übernahm „mit
dem Betriebsübergang sämtliche Rechte und Pflichten
betreff des Betriebes, ggf. auch nur im
Innenverhältnis“. Mit der Erwägung,
dass V bereits im Unternehmen tätig sei und ihm die
rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bekannt seien,
erfolgte die Betriebsübertragung unter Ausschluss jeglicher
Gewährleistung. Die Vertragsparteien einigten sich ferner,
dass sämtliche Arbeitsverhältnisse auf den neuen
Betriebsinhaber übergehen.
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4
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Wegen im Zeitraum ihrer
Betriebsinhaberschaft nicht abgeführter Beiträge zur
Urlaubskasse wurde die Klägerin in mehreren
arbeitsgerichtlichen Urteilen zur Beitragszahlung
verurteilt:
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- Urteile vom 03.09.2003: Verurteilung zur
Zahlung von 45.881,20 EUR für den Zeitraum Mai 2000 bis
Dezember 2001 (Zurückweisung der Berufung durch Urteil vom
28.02.2005) und zur Zahlung von 46.813,86 EUR für den Zeitraum
Januar bis Dezember 2002 (Zurückweisung der Berufung durch
Versäumnisurteil vom 28.02.2005);
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- Versäumnisurteil vom 11.03.2005:
Verurteilung zur Zahlung von 92.721,64 EUR;
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- Versäumnisurteil vom 02.03.2007 und
Urteil vom 07.01.2009: Verurteilung zur Zahlung von 104.848,22 EUR
für den Zeitraum 01.01.2002 bis 30.09.2004 (zuvor
Auskunftsklage und im Anschluss daran Beitragsmeldungen der
Klägerin); Änderung des Urteils vom 07.01.2009 durch
Berufungsurteil vom 03.03.2010 nur insoweit, als die
gesamtschuldnerische Verurteilung des V aufgehoben wurde.
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Laut der Bilanz zum 30.09.2004 (vom
10.02.2006) belief sich das Eigenkapital der Klägerin zum
Zeitpunkt der Betriebsübertragung auf 2.695,34 EUR. Weder in
dieser Bilanz noch in der vorherigen Bilanz zum 31.12.2003 (vom
15.08.2005) fanden die Beitragspflichten gegenüber der
Urlaubskasse Berücksichtigung. Insbesondere wurden die Urteile
vom 03.09.2003 und vom 11.03.2005 nicht zum Anlass genommen,
Beitragsverbindlichkeiten gegenüber der Urlaubskasse oder
diesbezügliche Rückstellungen zu passivieren.
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Gemäß den Feststellungen des FG
sind aufgrund der Bilanzen zum 31.12.2003 und 30.09.2004
bestandskräftige Veranlagungen der Kläger für die
Jahre 2003 und 2004 erfolgt.
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Nachdem der Betrieb auf ihn
übergegangen war, erbrachte V zunächst Zahlungen auf die
rückständigen Beiträge. Als er die Zahlungen an die
Urlaubskasse eingestellt hatte, leistete die Klägerin aufgrund
der gegen sie ergangenen Urteile Zahlungen an die Urlaubskasse in
Höhe von 5.994 EUR im Kalenderjahr 2014 und in Höhe von
jeweils 12.000 EUR in den Kalenderjahren 2015 und 2016.
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Am 01.12.2016 wurde das Insolvenzverfahren
über das Vermögen der B UG (haftungsbeschränkt)
eröffnet, am 05.09.2018 jenes über das Vermögen des
V.
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In den Einkommensteuererklärungen
für die Streitjahre erklärte die Klägerin negative
gewerbliche Einkünfte aus dem Einzelunternehmen (Bauberatung
und Service) in Höhe von 4.000 EUR für das Jahr 2014,
12.000 EUR für das Jahr 2015 und 12.000 EUR für das Jahr
2016.
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In den Bescheiden vom 16.02.2016,
21.12.2016 und 28.09.2017 erkannte der Beklagte und
Revisionsbeklagte (Finanzamt - FA - ) die geltend gemachten
Verluste aus Gewerbebetrieb nicht an. Mit Bescheid vom 09.01.2018
erfolgte eine zwischen den Beteiligten unstreitige Änderung
der Steuerfestsetzung für 2015.
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Mit ihren Einsprüchen machten die
Kläger weiterhin nachträgliche Betriebsausgaben für
das Jahr 2014 in Höhe von nunmehr 6.000 EUR und für die
Jahre 2015 und 2016 in Höhe von jeweils 12.000 EUR geltend.
Zur Begründung führten sie aus, dass die vorgenannten
Beträge aus diversen Rechtsstreitigkeiten der Klägerin
mit der Urlaubskasse resultierten und die Klägerin verurteilt
worden sei, Beiträge sowie Verzugszinsen nachzuzahlen.
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Abgesehen von einer unstreitigen
Änderung für das Jahr 2014 durch Bescheid vom 12.04.2018
(Anlage zur Einspruchsentscheidung) blieben die Einsprüche der
Kläger erfolglos. Auch die im Anschluss an die
Einspruchsentscheidung vom 12.04.2018 erhobene Klage hatte keinen
Erfolg.
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Mit Urteil vom 23.11.2021 - 3 K 308/18 (EFG
2022, 329 = SIS 22 08 88) wies das Thüringer Finanzgericht
(FG) das Begehren der Kläger, in den
Veranlagungszeiträumen 2014 bis 2016 nachträgliche
Betriebsausgaben der Klägerin zu berücksichtigen, als
unbegründet ab.
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Mit ihrer Revision rügen die
Kläger die Verletzung von Bundesrecht. Das FG erkenne im
Übergang des Einzelunternehmens von der Klägerin auf V zu
Unrecht eine unentgeltliche Betriebsübertragung. Das Urteil
würde entgegen dem objektiven Nettoprinzip in letzter
Konsequenz dazu führen, dass betrieblich veranlasste
Verbindlichkeiten steuerlich nicht verwertet werden
könnten.
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Die Kläger beantragen
sinngemäß,
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das Urteil des Thüringer FG vom
23.11.2021 - 3 K 308/18 aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide
vom 16.02.2016 für 2014, vom 09.01.2018 für 2015 und vom
28.09.2017 für 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom
12.04.2018 dahin zu ändern, dass für das Jahr 2014 5.994
EUR und für die Jahre 2015 und 2016 jeweils 12.000 EUR als
nachträgliche Betriebsausgaben der Klägerin
berücksichtigt werden.
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Das FA beantragt,
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die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
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Es verweist darauf, dass die Klägerin
für die drohende Inanspruchnahme durch die Urlaubskasse nach
den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung
eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten
hätte bilden müssen. Dadurch hätte sie den Gewinn
von circa 65.000 EUR im Jahr 2004 nicht versteuern müssen.
Nach Auffassung des FA wäre so auch dem objektiven
Nettoprinzip Rechnung getragen worden.
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II. Die Revision ist begründet, so dass
die Vorentscheidung aufzuheben ist. Die Sache ist spruchreif und
der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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19
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1. Das FG hat zwar in nicht zu beanstandender
Weise angenommen, dass die Klägerin ihr Einzelunternehmen mit
Wirkung vom 01.10.2004 nach § 6 Abs. 3 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) unentgeltlich auf V übertragen
hat (a). Im Grundsatz zutreffend sind auch die Ausführungen
des FG zum formellen Bilanzenzusammenhang, bei denen jedoch zu
beachten ist, dass die Klägerin gegenüber der
Urlaubskasse nach der Betriebsübertragung Schuldnerin der
Beitragsverbindlichkeiten blieb und V insoweit zur Freistellung der
Klägerin verpflichtet war (b). Hiervon ausgehend hat das FG zu
Unrecht entschieden, dass die von der Klägerin zur
Erfüllung ihrer betrieblichen Verbindlichkeiten geleisteten
Zahlungen von 5.994 EUR (2014) und jeweils 12.000 EUR (2015, 2016)
keine nachträglichen Betriebsausgaben sind und deshalb in den
Streitjahren nicht zu negativen Einkünften aus Gewerbebetrieb
aus ihrer früheren Tätigkeit als Einzelunternehmerin
(§ 24 Nr. 2, § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) führen
(c).
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20
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a) Die Würdigung des FG, die Vereinbarung
vom 01.10.2004 im Sinne einer unentgeltlichen Übertragung des
Einzelunternehmens von der Klägerin auf V zu verstehen, ist
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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aa) Wird ein Betrieb im Ganzen unentgeltlich
auf eine andere Person übertragen, ist weder eine
Betriebsveräußerung noch eine Betriebsaufgabe gegeben
(vgl. Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs - BFH
- vom 05.07.1990 - GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 =
SIS 90 21 04, unter C.II.3.b, Rz 85). Bei der Ermittlung des
Gewinns des bisherigen Betriebsinhabers (Betriebsübergeber)
sind die Wirtschaftsgüter in diesem Fall mit den Werten
anzusetzen, die sich nach den Vorschriften über die
Gewinnermittlung ergeben (§ 6 Abs. 3 Satz 1 EStG). Der
Rechtsnachfolger (Betriebsübernehmer) ist gemäß
§ 6 Abs. 3 Satz 3 EStG an diese Werte gebunden, er führt
zwingend die Buchwerte fort.
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22
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Die Anwendung des § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG
setzt voraus, dass der den Betrieb Übertragende seine
bisherige gewerbliche Tätigkeit einstellt (BFH-Urteil vom
25.01.2017 - X R 59/14, BFHE 257, 227, BStBl II 2019, 730 = SIS 17 09 88). Die Buchwertfortführung durch eine andere Person ist
an die Fortführung des Betriebs gebunden, in dessen
Wirtschaftsgütern etwaige stille Reserven ruhen (vgl.
BFH-Urteil vom 10.03.2016 - IV R 14/12, BFHE 253, 536, BStBl II
2016, 763 = SIS 16 15 38, Rz 17, mit Verweis auf Beschluss des
Großen Senats des BFH vom 17.12.2007 - GrS 2/04, BFHE 220,
129, BStBl II 2008, 608 = SIS 08 13 73, unter D.III.6.a cc). Der
Rechtsnachfolger tritt in die betriebsbezogene Rechtsstellung des
übergebenden Rechtsvorgängers vollständig ein
(BFH-Urteil vom 09.09.2010 - IV R 22/07, BFH/NV 2011, 31 = SIS 10 39 59, Rz 14), auch in die noch unentwickelten betriebsbezogenen
Rechtspositionen des Rechtsvorgängers, soweit diese in
wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Wertansätzen der
übergegangenen Wirtschaftsgüter stehen (Senatsurteil vom
27.05.2020 - III R 17/19, BFHE 269, 109, BStBl II 2021, 748 = SIS 20 12 49, Rz 22). § 6 Abs. 3 EStG ist aber kein Ausdruck einer
umfassenden steuerlichen Rechtsnachfolge, sondern die
unentgeltliche Übertragung bewirkt eine solche nur in den vom
Gesetz bestimmten Beziehungen (Senatsurteil vom 27.05.2020 - III R
17/19, BFHE 269, 109, BStBl II 2021, 748 = SIS 20 12 49, Rz
23).
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23
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bb) Eine unentgeltliche
Betriebsübertragung im Sinne des § 6 Abs. 3 EStG ist
nicht immer schon dann gegeben, wenn keine Gegenleistung
festzustellen ist, sondern setzt voraus, dass der Übertragende
beabsichtigt, den Übernehmer im Sinne einer Schenkung zu
bereichern (vgl. Schmidt/Kulosa, EStG, 43. Aufl., § 6 Rz 718).
Während bei der Übertragung zwischen fremden
Vertragsparteien eine tatsächliche Vermutung für die
Entgeltlichkeit spricht, gilt dies bei einander nahestehenden
Personen wie Familienangehörigen nicht (vgl. BFH-Urteil vom
08.04.2014 - IX R 4/13, BFH/NV 2014, 1201 = SIS 14 18 98, Rz 11).
Vielmehr besteht bei einer Übertragung innerhalb der Familie
eine (widerlegbare) Vermutung, dass die beiderseitigen Leistungen
nicht nach kaufmännischen Gesichtspunkten gegeneinander
abgewogen sind und ein voll unentgeltlicher, mindestens aber ein
teilweise unentgeltlicher Vorgang vorliegt (vgl. BFH-Urteil vom
11.09.1991 - XI R 32, 33/89, BFH/NV 1992, 168 = SIS 92 02 21, Rz 20
und BFH-Beschluss vom 10.06.1998 - IV B 105/97, BFH/NV 1999, 165 =
SIS 98 50 82, Rz 5; Schmidt/Wacker, EStG, 43. Aufl., § 16 Rz
35).
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Die Übernahme von Verbindlichkeiten
allein führt noch nicht zur Entgeltlichkeit (vgl. Beschluss
des Großen Senats des BFH vom 05.07.1990 - GrS 4-6/89, BFHE
161, 317, BStBl II 1990, 847 = SIS 90 21 04, unter C.II.3.b, Rz
85). Nach der Einheits- beziehungsweise Nettobetrachtung kann eine
Übertragung im Sinne des § 6 Abs. 3 EStG (oder
früher § 7 Abs. 1 der
Einkommensteuer-Durchführungsverordnung - EStDV - ) auch
unentgeltlich sein, wenn zum übertragenen Betrieb passive
Wirtschaftsgüter gehören (vgl. BFH-Urteil vom 11.12.2001
- VIII R 58/98, BFHE 197, 411, BStBl II 2002, 420 = SIS 02 05 28,
Rz 28; Schmidt/Kulosa, EStG, 43. Aufl., § 6 Rz 719). Eine
Betriebsübertragung unter Familienangehörigen kann daher
unentgeltlich sein, wenn der Erwerber neben den Aktiva des Betriebs
die regelmäßig ebenfalls vorhandenen Passiva des
Betriebs (Betriebsschulden) übernimmt; dies gilt selbst dann,
wenn das Eigenkapital im Zeitpunkt der Übertragung negativ ist
(vgl. Schmidt/Kulosa, EStG, 43. Aufl., § 6 Rz 721;
Schmidt/Wacker, EStG, 43. Aufl., § 16 Rz 35, 37, 59, 423;
BFH-Urteil vom 24.08.1972 - VIII R 36/66, BFHE 107, 365, BStBl II
1973, 111 = SIS 73 00 59).
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cc) Nach diesen Grundsätzen ist die
Annahme einer unentgeltlichen Betriebsübertragung von der
Klägerin auf V revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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Die Auslegung von Verträgen und
Willenserklärungen gehört zum Bereich der
tatsächlichen Feststellungen und bindet den BFH
gemäß § 118 Abs. 2 FGO, wenn sie den
Auslegungsgrundsätzen der §§ 133, 157 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) entspricht und nicht gegen
Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt, das
heißt jedenfalls möglich ist (vgl. BFH-Urteil vom
23.11.2022 - II R 26/21, BFH/NV 2023, 387 = SIS 23 03 02, Rz 16).
Die Würdigung des FG, dass die Klägerin und V sich mit
ihrer Vereinbarung vom 01.10.2004 auf eine unentgeltliche
Betriebsübertragung geeinigt haben, ist nicht nur
möglich, sondern nach den vom FG festgestellten
Einzelfallumständen naheliegend. Andere als familiäre
Gründe für die Abrede, dass die Übertragung
unentgeltlich erfolge (Ziff. 3 der Vereinbarung), sowie für
die weiteren Abreden hat das FG weder festgestellt noch sind sie
anderweitig erkennbar. Dies gilt auch (oder erst recht) unter
Berücksichtigung der von der Klägerin in den Bilanzen zum
31.12.2003 und 30.09.2004 nicht passivierten Rückstellungen
beziehungsweise Verbindlichkeiten gegenüber der Urlaubskasse,
deren tatsächlicher Hintergrund V beim Abschluss des Vertrags
mit der Klägerin bekannt gewesen sein dürfte (vgl. Ziff.
5 der Vereinbarung).
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dd) Soweit das FG den Streitfall von dem nicht
Familienangehörige betreffenden BFH-Urteil vom 30.11.1977 - I
R 27/75 (BFHE 124, 56, BStBl II 1978, 149 = SIS 78 00 85)
abgegrenzt hat, ist auch diese Abgrenzung revisionsrechtlich nicht
zu beanstanden.
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b) Die Ausführungen des FG zum
Bilanzierungsfehler der Klägerin in den noch von ihr
verantworteten Bilanzen zum 31.12.2003 und zum 30.09.2004 sowie zum
formellen Bilanzenzusammenhang im Fall von
Betriebsübertragungen sind ebenfalls zutreffend. Die daraus
gezogene Schlussfolgerung, dass der Klägerin aus diesem Grund
trotz ihrer späteren Ratenzahlungen der beantragte Abzug
nachträglicher Betriebsausgaben zu versagen ist, ist
gleichwohl unzutreffend (s. dazu c). Zu unterscheiden ist
nämlich zwischen der Freistellungsverbindlichkeit des V und
der originären, nicht auf V übergegangenen, sondern bei
der Klägerin verbliebenen Beitragsverbindlichkeit. Letztere
bestand auch nach der Betriebsübertragung als betriebliche
Schuld der Klägerin fort.
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aa) Bilanzierungsfehler sind gemäß
§ 4 Abs. 2 Satz 1 EStG vorrangig in der Bilanz des
Wirtschaftsjahres zu berichtigen, in dem es zu der fehlerhaften
Bilanzierung gekommen ist. Liegt hierfür bereits ein
Steuerbescheid vor, der aus verfahrensrechtlichen Gründen
nicht mehr geändert werden kann, ist der unrichtige
Bilanzansatz nach dem Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs
jedoch grundsätzlich in der ersten Schlussbilanz
richtigzustellen, in der dies unter Beachtung der für den
Eintritt der Bestandskraft und der Verjährung
maßgeblichen Vorschriften möglich ist (vgl. BFH-Urteile
vom 28.04.1998 - VIII R 46/96, BFHE 185, 492, BStBl II 1998, 443 =
SIS 98 15 21 und vom 17.06.2019 - IV R 19/16, BFHE 265, 217, BStBl
II 2019, 614 = SIS 19 13 28, Rz 25).
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bb) Bei der unentgeltlichen Übertragung
eines Betriebs gilt der Grundsatz des formellen
Bilanzenzusammenhangs auch für den Rechtsnachfolger.
Unrichtige Bilanzansätze, die in die bereits
bestandskräftige und nicht mehr änderbare letzte
Veranlagung des Rechtsvorgängers mit Auswirkungen auf dessen
Gewinn oder Verlust Eingang gefunden haben, sind danach in der
Bilanz des Rechtsnachfolgers ergebniswirksam zu korrigieren (vgl.
BFH-Beschluss vom 21.08.2012 - I B 179/11, BFH/NV 2013, 21 = SIS 12 32 81, Rz 9, zu § 6 Abs. 3 EStG, mit Verweis auf BFH-Urteil
vom 09.06.1964 - I 287/63 U, BFHE 81, 135, BStBl III 1965, 48 = SIS 65 00 27 zu § 7 Abs. 1 EStDV a.F.; zur „interpersonellen
Geltung“ vgl. auch BFH-Urteil vom 06.06.2013 -
I R 36/12, BFH/NV 2014, 74 = SIS 13 33 16, Rz 14).
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cc) Dem FG ist zunächst zuzustimmen, dass
die Klägerin im Hinblick auf ihre zu einem erheblichen Teil
bereits im Jahr 2003 erfolgte Verurteilung zur Beitragszahlung an
die Urlaubskasse Verbindlichkeiten, zumindest aber
diesbezügliche Verbindlichkeitsrückstellungen hätte
passivieren müssen (zur Passivierung von Verbindlichkeiten
nach § 247 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs - HGB - und von
Verbindlichkeitsrückstellungen gemäß § 249
Abs. 1 HGB vgl. die BFH-Urteile vom 30.11.2011 - I R 100/10, BFHE
235, 476, BStBl II 2012, 332 = SIS 12 06 17, Rz 11 und vom
16.12.2014 - VIII R 45/12, BFHE 249, 83, BStBl II 2015, 759 = SIS 15 13 00, Rz 21 ff.). Derartige Passivierungen hätten in
steuerlicher Hinsicht zu Betriebsausgaben der Klägerin
geführt, die im Veranlagungszeitraum 2003 beziehungsweise
spätestens im Veranlagungszeitraum 2004, das heißt noch
im Zeitraum ihrer Betriebsinhaberschaft, abzugsfähig gewesen
wären. Hätte die Klägerin ihren Betrieb
fortgeführt, hätte sie die zu Unrecht unterbliebenen
Passivierungen in einer späteren Bilanz korrigieren
können und müssen. Diese Korrekturmöglichkeit
entfiel infolge der Übertragung des Betriebs auf V, weil die
Klägerin im Anschluss daran keine Bilanzen mehr erstellte (zum
Wechsel der Gewinnermittlungsart vgl. BFH-Urteil vom 04.08.1977 -
IV R 119/73, BFHE 123, 154, BStBl II 1977, 866 = SIS 77 04 83).
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32
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dd) Zutreffend ist das FG ferner davon
ausgegangen, dass V als Betriebsnachfolger zur Korrektur der
unrichtigen Bilanzansätze der Klägerin berechtigt und
verpflichtet war. Nachdem er mit Wirkung vom 01.10.2004
sämtliche Aktiva und Passiva des Einzelunternehmens
übernommen hatte, erstreckte sich seine Korrekturverpflichtung
auf die Bilanzansätze aller von ihm übernommenen aktiven
und passiven Wirtschaftsgüter. Mangels in der Schlussbilanz
zum 30.09.2004 ausgewiesener Verbindlichkeiten der Klägerin
gegenüber der Urlaubskasse und mangels von ihr passivierter
Rückstellungen stellte sich für V als Betriebsnachfolger
die Frage, inwieweit ab dem 01.10.2004 in seiner eigenen Person zu
passivierende Verbindlichkeiten gegenüber der Urlaubskasse
bestanden und ob gegebenenfalls die Bildung einer Rückstellung
für ungewisse Verbindlichkeiten geboten war.
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33
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ee) Ein wichtiger Aspekt ist in diesem
Zusammenhang, dass die Klägerin über den 30.09.2004
hinaus die zivilrechtliche Schuldnerin der in Frage stehenden
Verbindlichkeiten gegenüber der Urlaubskasse geblieben ist.
Dies gilt sowohl für ihre bereits zur Zeit der
Betriebsübertragung titulierten Verbindlichkeiten als auch
für ihre erst durch die späteren arbeitsgerichtlichen
Urteile titulierten Verbindlichkeiten. Die Vereinbarung vom
01.10.2004 führte nicht zu einer schuldbefreienden
Übernahme der Verbindlichkeiten durch den
Betriebsübernehmer, da die Urlaubskasse einer solchen
Schuldübernahme durch V nicht zustimmte (vgl. §§
414, 415 BGB). Daher blieb die Klägerin in der Zeit ab dem
01.10.2004 die Schuldnerin der betrieblichen
Beitragsverbindlichkeiten, und zwar ungeachtet dessen, dass sie den
diese verursachenden Betrieb ihres Einzelunternehmens mit Wirkung
vom 01.10.2004 mit allen Aktiva und Passiva auf V übertragen
hatte.
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34
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ff) Die Beitragsverbindlichkeiten
gegenüber der Urlaubskasse waren bei der Klägerin
weiterhin Betriebsvermögen (vgl. zu einer im
„Restbetriebsvermögen“ verbliebenen
Verbindlichkeit BFH-Urteil vom 07.06.2016 - VIII R 32/13, BFHE 253,
565, BStBl II 2016, 769 = SIS 16 17 53, Rz 41; zu einer darin
verbliebenen Forderung vgl. BFH-Urteil vom 04.12.2012 - VIII R
41/09, BFHE 239, 437, BStBl II 2014, 288 = SIS 13 04 86, Rz 19 f.).
Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin sie - zum Beispiel
aus familiären Gründen - bewusst nicht auf V
übertragen oder sie noch vor dem 01.10.2004 aus dem
Betriebsvermögen entnommen haben könnte, liegen nicht
vor. Gegen eine Herauslösung aus der Betriebssphäre
spricht die Abrede zwischen der Klägerin und V, dass
sämtliche Passiva des Einzelunternehmens (gegebenenfalls
lediglich im Innenverhältnis) auf V übergehen und so im
Betrieb verbleiben sollten. Demgemäß leistete V im
Anschluss an die Betriebsübernahme zunächst Zahlungen an
die Urlaubskasse zur Tilgung der Beitragsrückstände der
Klägerin. Hierzu hatte er sich in der mit der Klägerin
geschlossenen Vereinbarung vom 01.10.2004 vertraglich verpflichtet.
Die zwischen der Betriebsübergeberin (Klägerin) und dem
Betriebsübernehmer (V) geschlossene Vereinbarung ist so
auszulegen, dass V verpflichtet war, die Klägerin von den
nicht schuldbefreiend übernommenen Verbindlichkeiten
freizustellen (vgl. die Würdigung im Urteil des
Landesarbeitsgerichts vom 03.03.2010). In der ersten Bilanz nach
der Betriebsübernahme ging es für V nicht um die
Passivierung einer von der Klägerin übernommenen
(derivativen) Verbindlichkeit gegenüber der Urlaubskasse oder
um die Nachholung der unterbliebenen Passivierung einer
diesbezüglichen Rückstellung, sondern um die Passivierung
einer Freistellungsverpflichtung gegenüber der Klägerin,
das heißt einer originären eigenen Verpflichtung. Diese
bezog sich zwar auf die Beitragsverpflichtungen der Klägerin
gegenüber der Urlaubskasse, zivilrechtlich sind die
Verpflichtungen der Klägerin gegenüber der Urlaubskasse
und die Verpflichtung des V gegenüber der Klägerin zur
Freistellung jedoch nicht identisch, sondern voneinander zu
unterscheiden. Die Verschiedenheit dieser Verbindlichkeiten ist
sowohl bei der bilanzrechtlichen als auch bei der
einkommensteuerrechtlichen Würdigung zu beachten.
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c) Vor dem Hintergrund der fortbestehenden
Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber der Urlaubskasse
hält die Entscheidung des FG, dass die von der Klägerin
in den Streitjahren an die Urlaubskasse geleisteten Ratenzahlungen
wegen des Grundsatzes des formellen Bilanzenzusammenhangs nicht als
nachträgliche Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind,
revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Die
Vorentscheidung ist rechtsfehlerhaft, soweit das FG das Vorliegen
negativer nachträglicher gewerblicher Einkünfte im Sinne
des § 24 Nr. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG
verneint hat. Die mit der Klage geltend gemachten
nachträglichen Betriebsausgaben von 5.994 EUR (2014), 12.000
EUR (2015) und 12.000 EUR (2016) sind als solche anzuerkennen.
Entgegen der Ansicht des FG steht der Abzugsfähigkeit nicht
die zur Zeit der Betriebsinhaberschaft der Klägerin gebotene,
tatsächlich aber unterbliebene Passivierung von
Verbindlichkeiten oder Verbindlichkeitsrückstellungen
entgegen.
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aa) Gemäß § 24 Nr. 2 EStG
gehören zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 1
EStG auch positive und negative Einkünfte aus einer ehemaligen
Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG
(Einkünfte aus Gewerbebetrieb), und zwar auch dann, wenn sie
dem Steuerpflichtigen als Rechtsnachfolger zufließen. Von
dieser Vorschrift erfasst werden auch nachträgliche
Betriebsausgaben (§ 24 Nr. 2 i.V.m. § 4 Abs. 4 EStG, vgl.
BFH-Urteil vom 03.02.2016 - X R 25/12, BFHE 252, 486, BStBl II
2016, 391 = SIS 16 05 30, Rz 26 und Schmidt/Wacker, EStG, 43.
Aufl., § 24 Rz 72). Nachträgliche gewerbliche
Einkünfte sind in sinngemäßer Anwendung des §
4 Abs. 3 EStG unter Berücksichtigung des Zu- und
Abflussprinzips gemäß § 11 EStG zu ermitteln (vgl.
BFH-Urteil vom 23.03.2012 - IV R 31/09, BFH/NV 2012, 1448 =
SIS 12 21 62, Rz 31 ff.).
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Betriebsausgaben sind Aufwendungen, die durch
den Betrieb veranlasst sind (§ 4 Abs. 4 EStG). Eine solche
Veranlassung ist gegeben, wenn die Aufwendungen objektiv mit dem
Betrieb zusammenhängen und ihm subjektiv zu dienen bestimmt
sind. Zahlungen stehen in einem solchen Zusammenhang mit dem
Betrieb, wenn sie für eine Verbindlichkeit geleistet werden,
die durch den Betrieb veranlasst ist und deshalb zum
Betriebsvermögen gehört. Sofern Betriebsausgaben erst
nach Aufgabe oder Veräußerung des Betriebs entstehen,
gehören sie zu den nachträglichen Einkünften aus der
früheren betrieblichen Tätigkeit im Sinne von § 24
Nr. 2 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 03.02.2016 - X R 25/12, BFHE 252,
486, BStBl II 2016, 391 = SIS 16 05 30, Rz 26; zum Grundsatz des
Vorrangs der Schuldenberichtigung vgl. BFH-Urteil vom 28.03.2007 -
X R 15/04, BFHE 217, 507, BStBl II 2007, 642 = SIS 07 23 48,
II.1.a, Rz 16 ff.).
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Nachträgliche, die Einkünfte aus
Gewerbebetrieb betreffende Betriebsausgaben sind alle nach der
Beendigung der gewerblichen Tätigkeit erbrachten Aufwendungen,
die durch die frühere gewerbliche Einkünfteerzielung oder
durch die Erzielung nachträglicher gewerblicher
Betriebseinnahmen veranlasst sind, soweit sie nicht zu einer
rückwirkenden Änderung des Veräußerungs- oder
Aufgabegewinns führen (vgl. Horn in Herrmann/Heuer/Raupach -
HHR -, § 24 EStG Rz 75, 85). Falls erst nach der Beendigung
der gewerblichen Tätigkeit eintretende Umstände eine
solche steuerliche Wirkung für die Vergangenheit haben, sind
sie im jeweiligen früheren Veranlagungszeitraum zu
berücksichtigen (vgl. Mellinghoff in Kirchhof/Seer, EStG, 22.
Aufl., § 24 Rz 28; zur ausnahmsweise rückwirkenden
Änderung vgl. auch BFH-Urteil vom 19.08.2009 - I R 3/09, BFHE
226, 486, BStBl II 2010, 249 = SIS 09 37 60, Rz 14 ff.).
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Auch im Anschluss an eine unentgeltliche
Betriebsübertragung können nachträgliche
Betriebsausgaben entstehen, wenn der Betriebsübergeber
Aufwendungen trägt, die mit der früheren
Betriebsführung im Zusammenhang stehen (vgl. mit Blick auf den
vorliegenden Streitfall HHR/Horn, § 24 EStG Rz 85;
Schmidt/Kulosa, EStG, 43. Aufl., § 6 Rz 723). Soweit
während der früheren Betriebsinhaberschaft eines
Steuerpflichtigen, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG
ermittelt hat, noch kein Abzug von Betriebsausgaben erfolgt ist,
liegt keine bloße erfolgsneutrale Vermögensumschichtung
vor, die einen Abzug von nachträglichen Betriebsausgaben beim
Betriebsübergeber ausschließen könnte. Trägt
hingegen nicht der Betriebsübergeber, sondern der
Betriebsübernehmer die Aufwendungen, fallen beim
Übergeber keine nachträglichen Betriebsausgaben an.
Soweit der Betriebsübergeber betriebsbezogene Ausgaben nach
der Betriebsübergabe nur vorerst selbst trägt, sie vom
neuen Betriebsinhaber aber wieder erstattet erhält, werden die
nachträglichen Betriebsausgaben durch entsprechende
nachträgliche Betriebseinnahmen nach Maßgabe des Zu- und
Abflussprinzips ausgeglichen (vgl. BFH-Urteil vom 01.12.2015 - IX R
42/14, BFHE 252, 379, BStBl II 2016, 332 = SIS 16 05 56, Rz 25
f.).
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bb) Nach diesen Grundsätzen liegen bei
der Klägerin in allen drei Streitjahren negative
Einkünfte aus ihrer ehemaligen gewerblichen Tätigkeit
vor. Sie sind dem Grunde nach gegeben und der Höhe nach
unstreitig.
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Die Zahlungen der Klägerin an die
Urlaubskasse in Höhe von 5.994 EUR im Jahr 2014 und in
Höhe von jeweils 12.000 EUR in den Jahren 2015 und 2016 sind
nachträgliche Betriebsausgaben im Sinne des § 24 Nr. 2
i.V.m. § 4 Abs. 4 EStG. Sie dienten der Erfüllung der
nach wie vor zum Betriebsvermögen der Klägerin
gehörenden Beitragsschulden. Bei den Zahlungen der
Klägerin in den Streitjahren handelt es sich um durch den
Betrieb ihres Einzelunternehmens veranlasste Aufwendungen. Die
Beiträge, zu deren Zahlung die Klägerin durch
rechtskräftige Urteile persönlich verpflichtet wurde,
stehen in unstreitigem Veranlassungszusammenhang mit ihrer
früheren betrieblichen Tätigkeit. Die zu entrichtenden
Beiträge betreffen die Jahre 2000 bis 2004 und damit den
Zeitraum ihrer Betriebsinhaberschaft.
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42
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Dass die Klägerin für die
Beiträge in den Bilanzen ihres Einzelunternehmens zum
31.12.2003 und 30.09.2004 weder Rückstellungen noch
Verbindlichkeiten passiviert hat, ändert am unzweifelhaften
betrieblichen Veranlassungszusammenhang nichts. Die bis zur
Betriebsübertragung unterbliebene Passivierung führt
nicht zu einer „Sperrwirkung“ für
den Abzug nachträglicher Betriebsausgaben. Eine solche ist
weder in § 6 Abs. 3 EStG noch in § 24 EStG noch an
anderer Stelle im Gesetz normiert und folgt auch nicht aus dem
Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs. Nachdem die
Klägerin für die Beitragsschulden gegenüber der
Urlaubskasse in keinem anderen Veranlagungszeitraum einen Abzug von
Betriebsausgaben vorgenommen hat, kann auch keine lediglich
erfolgsneutrale Vermögensumschichtung vorliegen.
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43
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Da die Klägerin den Betrieb unentgeltlich
auf V übertragen hat, sind ihre Zahlungen im Jahr des
jeweiligen Abflusses abzugsfähig. Eine rückwirkende
Änderung eines Betriebsveräußerungs- oder
Betriebsaufgabegewinns scheidet schon wegen der Unentgeltlichkeit
der Betriebsübertragung aus. Aus diesem Grund fehlt es zudem
an Geldmitteln aus einer Betriebsveräußerung, die die
Klägerin zur Schuldentilgung hätte verwenden können.
V hat die von der Klägerin entrichteten Beiträge in den
Streitjahren auch nicht an sie erstattet.
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cc) Der dem Urteil zugrundeliegende
Rechtsfehler besteht darin, dass das FG aus der zutreffend
festgestellten Verpflichtung der Klägerin zur Passivierung von
Rückstellungen oder Verbindlichkeiten gegenüber der
Urlaubskasse in den Bilanzen zum 31.12.2003 und 30.09.2004
abgeleitet hat, dass die durch den Betriebsnachfolger V
fortgeführte Bilanzierung zwangsläufig zum Ausschluss des
Abzugs nachträglicher Betriebsausgaben bei der Klägerin
führen muss. Mit dieser Schlussfolgerung übergeht das FG
zu Unrecht die betrieblichen, durch rechtskräftige
arbeitsgerichtliche Urteile titulierten Zahlungsverpflichtungen der
Klägerin. Aufgrund deren betrieblicher Veranlassung kann die
Klägerin nachträgliche Betriebsausgaben abziehen, soweit
sie in den Streitjahren anstelle von V Zahlungen erbracht hat und
keine Erstattung vereinnahmt hat. Eine Rechtsgrundlage dafür,
der Klägerin den Abzug ihrer tatbestandsmäßigen
nachträglichen Betriebsausgaben (§ 24 Nr. 2 i.V.m. §
4 Abs. 4 EStG) zu versagen, besteht nicht. Insbesondere lässt
sich die Versagung nicht auf den Grundsatz des formellen
Bilanzenzusammenhangs stützen, der zwar eine spätere
Korrekturmöglichkeit eröffnet, unter den Umständen
des Streitfalls aber nicht verhindern kann. Auch auf die Vorschrift
des § 6 Abs. 3 EStG kann die Versagung des Abzugs
nachträglicher Betriebsausgaben nicht gestützt werden, da
V bezüglich der Verbindlichkeiten gegenüber der
Urlaubskasse nicht in die Rechtsstellung der Klägerin
eingetreten ist.
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2. Die Sache ist spruchreif. Das Urteil des FG
ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 1 FGO).
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46
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a) Nach den Feststellungen des FG liegen die
Voraussetzungen für den Abzug von nachträglichen
Betriebsausgaben der Klägerin in der von ihr beantragten
Höhe vor. Die Ausgaben wurden in den Streitjahren nicht durch
nachträgliche Betriebseinnahmen in Gestalt von Zahlungen des
nicht mehr zahlungsfähigen V ausgeglichen. Der Spruchreife
steht nicht entgegen, dass nach dem Urteil unklar erscheint, in
welcher genauen Höhe die Klägerin zur Nachzahlung von
Beiträgen an die Urlaubskasse verpflichtet geblieben ist. Denn
jedenfalls ist hinreichend festgestellt und zwischen den
Beteiligten unstreitig, dass die Klägerin aufgrund der
arbeitsgerichtlichen Urteile zur Zahlung der in den Streitjahren
entrichteten Beiträge verpflichtet war (vgl. dazu den
Kontoauszug der Urlaubskasse vom 23.09.2015, Einkommensteuerakte,
Bl. 147).
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b) Der Spruchreife steht ebenfalls nicht
entgegen, dass sich dem Urteil des FG keine Feststellungen zur
Behandlung der Verbindlichkeiten in den Bilanzen des V nach der
Betriebsübernahme entnehmen lassen. Für die
Klagestattgabe kommt es hierauf nicht an, weil die Berechtigung der
Klägerin zum Abzug nachträglicher Betriebsausgaben in den
Streitjahren unabhängig davon zu bejahen ist, ob V in den
Jahren seiner Betriebsinhaberschaft Rückstellungen
beziehungsweise Verbindlichkeiten gegenüber der Klägerin
(zivilrechtliche Freistellungspflicht) oder gegenüber der
Urlaubskasse („wirtschaftliche
Beitragsschulden“) passiviert hat und wann er
gegebenenfalls einen Abzug von Betriebsausgaben vorgenommen
hat.
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c) Die Berechnung der aus dem Abzug der
nachträglichen Betriebsausgaben in den Streitjahren
resultierenden Einkommensteuer wird dem FA übertragen (§
121 Satz 1 i.V.m. § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 1 FGO.
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