Die Revision der Kläger gegen das Urteil
des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 17.01.2019 - 3 K
1425/17 = SIS 19 07 45 wird als unbegründet
zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die
Kläger zu tragen.
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I. Zwischen den Beteiligten ist streitig,
ob der Restbuchwert eines abgebrochenen Gebäudes und die
Abbruchkosten beim Kläger und Revisionskläger
(Kläger) sofort abziehbare Betriebsausgaben oder
Herstellungskosten des neu errichteten Gebäudes
darstellen.
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Der Vater des Klägers betrieb
zunächst das „Sportgeschäft X“ als
Einzelunternehmen. Im Jahr 2003 nahm er den Kläger als
Mitgesellschafter der neu entstandenen Sport-X OHG auf. Im Jahr
2011 (Streitjahr) übertrug der Vater im Wege der
vorweggenommenen Erbfolge seinen Mitunternehmeranteil sowie das in
seinem Alleineigentum stehende und zu 66,6 % im
Sonderbetriebsvermögen gehaltene Grundstück mit
aufstehendem Gebäude (Ladenlokal) auf den Kläger. In den
Vorbemerkungen des notariellen Übergabevertrages wurde
ausgeführt:
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„E und der Kläger sind derzeit
jeweils zur Hälfte am Kapital und am Vermögen der
Gesellschaft beteiligt.
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E ist außerdem der alleinige
Eigentümer der Immobilie Y. …
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Der Kläger ist Alleineigentümer
des angrenzenden Anwesens. …
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Es ist beabsichtigt, die vorhandene
Bebauung abzureißen und beide Grundstücke
grundbuchrechtlich zusammenzulegen und mit einem
Wohn/Geschäftshaus zu bebauen, das dann zu einem großen
Teil für das Sportgeschäft genutzt werden soll, wobei
später eine Aufteilung in Teil- und Wohneigentum erfolgen
soll.
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Das auf dem Grundstück Y aufstehende
Gebäude und das Gebäude auf dem zuvor (Oktober 2010)
erworbenen Nachbargrundstück ließ der Kläger
abreißen und an ihrer Stelle einen einheitlichen Neubau
errichten, in dem sich bis heute insbesondere die Räume des
Sportfachgeschäfts X befinden. Der betriebliche Anteil macht
nunmehr 75,2 % des Gesamtgebäudes aus.
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In der Steuererklärung des
Streitjahres 2011 erklärten die Kläger, zusammen zur
Einkommensteuer veranlagte Eheleute, einen Gewinn aus
Gewerbebetrieb in Höhe von … EUR. Die auf den
Restbuchwert vorgenommene Absetzung für
außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche
Abnutzung (AfaA) und die anteiligen Abbruchkosten für das
Gebäude Y setzte der Kläger als sofort abzugsfähige
Betriebsausgaben an.
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Zunächst veranlagte der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) die Kläger mit unter
dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid vom
22.05.2014 erklärungsgemäß.
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Im Rahmen einer steuerlichen
Außenprüfung vertrat der Prüfer hingegen die
Ansicht, dass der Restbuchwert des Gebäudes in Höhe von
… EUR und die Abbruchkosten Herstellungskosten des neuen
Gebäudes seien. Der Prüfer ermittelte einen Gewinn in
Höhe von … EUR.
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Mit Änderungsbescheid vom 03.12.2015
folgte das FA der Ermittlung des Gewinns durch die
Betriebsprüfung. Hiergegen legten die Kläger Einspruch
ein, der mit Einspruchsentscheidung vom 09.05.2017 als
unbegründet zurückgewiesen wurde.
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Mit der Klage verfolgten die Kläger
eine Gewinnminderung in Höhe von … EUR weiter. Das
Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in EFG 2019, 1076 = SIS 19 07 45 veröffentlichten Gründen ab.
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Mit der Revision machen die Kläger die
Verletzung von Bundesrecht geltend. Das FG habe das Verhältnis
von § 6 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu den
richterrechtlichen Rechtsgrundsätzen des Erwerbs in
Abbruchabsicht unzutreffend gewürdigt.
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Die Kläger beantragen, das
angefochtene Urteil des FG Baden-Württemberg vom 17.01.2019 -
3 K 1425/17 = SIS 19 07 45 aufzuheben und den
Einkommensteuerbescheid 2011 vom 03.12.2015 i.d.F. der
Einspruchsentscheidung vom 09.05.2017 dahingehend zu ändern,
dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit … EUR
angesetzt werden.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und nach
§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht die sofortige
Abziehbarkeit des Restbuchwerts in Höhe von … EUR und
der für das frühere Gebäude Y betreffenden
anteiligen Abbruchkosten verneint. Der Kläger durfte auf den
Restbuchwert des abgebrochenen Gebäudes keine AfaA
gemäß § 7 Abs. 1 Satz 7 EStG vornehmen und die
Abbruchkosten nicht als Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG
absetzen. Denn es handelt sich um Herstellungskosten des neu
errichteten Gebäudes, für die nach § 7 Abs. 1 Satz
1, Abs. 4 EStG lediglich Absetzung für Abnutzung (AfA) in
gleichen Jahresbeträgen in Anspruch genommen werden kann.
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1. Gemäß § 5 Abs. 6 EStG sind
bei buchführungspflichtigen Gewerbetreibenden u.a. die
Vorschriften über die Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG),
die Bewertung (§ 6 EStG) und die AfA (§ 7 EStG) zu
beachten.
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a) Gemäß § 4 Abs. 4 EStG sind
Betriebsausgaben die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst
sind. Betrieblich veranlasst sind alle Aufwendungen, die in einem
objektiven und wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Betrieb stehen
und subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt sind (Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 03.02.2016 - X R 25/12, BFHE 252, 486,
BStBl II 2016, 391 = SIS 16 05 30).
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Handelt es sich bei den Aufwendungen um
Anschaffungs- oder Herstellungskosten (§ 255 Abs. 1 und Abs. 2
des Handelsgesetzbuches) auf ein abnutzbares Wirtschaftsgut, sind
diese Betriebsausgaben nicht bereits bei ihrer Entstehung oder
Ausgabe abziehbar, sondern über die Dauer der
voraussichtlichen Verwendung oder Nutzung zu verteilen. Es erfolgt
insoweit eine Aktivierung und Aufwandsverteilung nach § 7 EStG
auf die entsprechenden Besteuerungszeiträume.
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b) Nach der ständigen Rechtsprechung des
BFH kommt es seit dem Beschluss des Großen Senats vom
12.06.1978 - GrS 1/77 (BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620 = SIS 78 03 42) für den Ansatz von AfaA nach § 7 Abs. 1 Satz 7
EStG und den Abzug von Abbruchkosten als sofort abziehbare
Werbungskosten oder Betriebsausgaben bei einem im Zeitpunkt des
Erwerbs technisch oder wirtschaftlich noch nicht verbrauchten
Gebäude darauf an, ob dieses mit oder ohne Abbruchabsicht
erworben wird. Der Große Senat des BFH hat diese
Rechtsansicht damit begründet, dass bei dem Erwerb eines
Gebäudes ohne Abbruchabsicht Anschaffung und Herstellung
allein dem Ziel der Nutzung durch den Betrieb dienten und deshalb
bei dessen Anschaffung oder Herstellung noch kein Zusammenhang mit
dem späteren Abbruch und dem damit verfolgten Zweck,
nämlich der Herstellung eines neuen Wirtschaftsgutes, bestehe.
Demgegenüber werde bei einer bereits beim Erwerb des
Gebäudes bestehenden Abbruchabsicht ein weiterreichendes Ziel,
nämlich die Herstellung eines neuen Wirtschaftsguts, verfolgt,
woraus sich schon bei der Anschaffung ein unmittelbarer
Zusammenhang der Anschaffungskosten mit den später
beabsichtigten Maßnahmen ergebe, was zur Folge habe, den
Restwert des Gebäudes und die Abbruchkosten den
Herstellungskosten des neuen Wirtschaftsgutes zuzurechnen.
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Diese Grundsätze werden nicht nur bei dem
entgeltlichen Erwerb eines Grundstücks oder Gebäudes
angewandt, sondern auch beim Erwerb im Wege der unentgeltlichen
Einzelrechtsnachfolge (BFH-Urteil vom 07.10.1986 - IX R 93/82, BFHE
148, 495, BStBl II 1987, 330 = SIS 87 08 05 - Schenkung - ) und
durch Erbfolge (BFH-Urteile vom 12.09.1995 - IX R 87/94, BFH/NV
1996, 302; vom 06.12.1995 - X R 116/91, BFHE 179, 331, BStBl II
1996, 358 = SIS 96 05 08; vom 31.03.1998 - IX R 26/96, BFH/NV 1998,
1212 = SIS 98 15 09 - Gesamtrechtsnachfolge - ). Weiterhin werden
die Abbruchkosten und der Restwert eines Gebäudes bei der
Einlage dieses Grundstücks in das Betriebsvermögen mit
Abbruchabsicht den Herstellungskosten des Neubaus zugerechnet
(BFH-Urteil vom 09.02.1983 - I R 29/79, BFHE 138, 63, BStBl II
1983, 451 = SIS 83 09 03). Soweit der Erwerber das unentgeltlich
erhaltene Gebäude nicht zur Einkunftserzielung nutzen, sondern
abreißen will, um ein neues Gebäude zu errichten, fehlt
- wie beim entgeltlichen Erwerb „in“
Abbruchabsicht - jeder Zusammenhang mit den vorher erzielten
Einkünften.
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c) Der erkennende Senat hält diese
Rechtsgrundsätze auch auf den vorliegenden Fall der
unentgeltlichen Übertragung eines Mitunternehmeranteils im
Fall der vorweggenommenen Erbfolge nach § 6 Abs. 3 EStG
für anwendbar.
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Wie das FG zutreffend ausführt, sind in
Fällen wie dem vorliegenden bei einem im Wege der
Einzelrechtsnachfolge erfolgten Erwerb in Abbruchabsicht mit
vollständigem Rechtsträgerwechsel keine Umstände
ersichtlich, die einen sofortigen Betriebsausgabenabzug
rechtfertigen könnten.
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aa) Durch die unentgeltliche Übertragung
eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils nach §
6 Abs. 3 EStG kommt es zu einem zivilrechtlichen und
steuerrechtlichen Rechtsträgerwechsel. Der Kläger
beabsichtigte als Rechtsnachfolger nach den unstreitigen
Feststellungen bereits im Zeitpunkt des (unentgeltlichen) Erwerbs
im Rahmen vorweggenommener Erbfolge, keine betrieblichen
Einkünfte mit dem bislang betrieblich genutzten Gebäude
zu erzielen, sondern dieses abzubrechen, um ein neues Gebäude
zu errichten. Damit bestand ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang
zwischen dem Abbruch des vom Kläger ungenutzten und nicht zur
Einkünfteerzielung verwendeten Gebäudes und der
Herstellung des Neubaus. Der Gebäudeabriss war daher
maßgeblich durch die neue Zweckbestimmung - Bau eines neuen
Gebäudes - veranlasst und stand daher zu diesem in einem
unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang. Dieser enge
wirtschaftliche Zusammenhang zwischen Abbruch des alten und
Errichtung des neuen Gebäudes rechtfertigt es, die mit dem
Abbruch verbundenen Aufwendungen - ebenso wie den Buchwert des
abgebrochenen Gebäudes bei noch vorhandener Werthaltigkeit -
als Herstellungskosten des neuen Wirtschaftsguts zu behandeln.
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bb) Entgegen der Ansicht der Kläger
gebietet auch der in § 6 Abs. 3 EStG zum Ausdruck kommende
Rechtsgedanke der Betriebskontinuität keinen Anlass
dafür, die Grundsätze des Erwerbs in Abbruchabsicht im
vorliegenden Fall nicht anzuwenden.
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(1) Zwar bewirkt der Übergang des
Betriebs nach § 6 Abs. 3 EStG nicht nur die Fortführung
der Buchwerte durch den Erwerber, sondern den vollständigen
Eintritt des Rechtsnachfolgers in die betriebsbezogene
Rechtsstellung des Rechtsvorgängers (BFH-Urteil vom 09.09.2010
- IV R 22/07, BFH/NV 2011, 31 = SIS 10 39 59, Rz 14). Damit tritt
der Erwerber aber nur in noch unentwickelte betriebsbezogene
Rechtspositionen seines Vorgängers ein, soweit diese in
wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Wertansätzen der
übergegangenen Wirtschaftsgüter stehen (vgl. BFH-Urteil
vom 24.03.1992 - VIII R 48/90, BFHE 168, 521, BStBl II 1993, 93 =
SIS 92 19 16, unter 2.b bb bbb; vgl. BFH-Urteil vom 10.03.2016 - IV
R 14/12, BFHE 253, 536, BStBl II 2016, 763 = SIS 16 15 38, zum
Investitionsabzugsbetrag bei unentgeltlicher
Betriebsübertragung). Eine umfassende
„Fußstapfentheorie“ wird durch § 6
Abs. 3 EStG nicht begründet.
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§ 6 Abs. 3 EStG ist kein Ausdruck einer
allumfassenden steuerlichen Rechtsnachfolge. Die unentgeltliche
Übertragung im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge bewirkt
auch steuerlich nur eine Rechtsnachfolge in einzelnen vom Gesetz
bestimmten Beziehungen. § 6 Abs. 3 EStG orientiert sich an den
Werten des Rechtsvorgängers, erfasst daher
regelmäßig nicht die steuerliche Beurteilung der beim
Rechtsnachfolger angefallenen eigenen Aufwendungen.
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(2) Aus § 6 Abs. 3 EStG lässt sich
daher nicht folgern, dass bei unentgeltlicher Übertragung
eines Gebäudes im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge die
Grundsätze über den Erwerb in Abbruchabsicht nicht zu
berücksichtigen sind. Im Hinblick auf den Verzicht der
Gewinnrealisation hinsichtlich der stillen Reserven hat der
Große Senat des BFH zu § 6 Abs. 3 EStG vielmehr
ausgeführt, dass diese Norm eine Sonderstellung im System des
vom Grundsatz der Individualbesteuerung geprägten
Einkommensteuerrechts einnimmt; es handelt sich insoweit um eine
„atypische“ Regelung des Einkommensteuerrechts,
in denen „ausnahmsweise“ bereits in der Person
des Rechtsvorgängers begründete Besteuerungsmerkmale und
Rechtspositionen beim unentgeltlichen Rechtsnachfolger fortwirken
(vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 17.12.2007 -
GrS 2/04, BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608 = SIS 08 13 73, unter
C.III.6.a aa; BFH-Beschluss vom 18.04.2018 - I R 2/16, BFHE 261,
298, BStBl II 2018, 567 = SIS 18 09 91, Rz 24). Das FG weist
insoweit zutreffend darauf hin, dass die aus der Abbruchabsicht
resultierende Qualifikation als Herstellungskosten des neuen
Gebäudes von der in § 6 Abs. 3 EStG geregelten
Buchwertfortführung unberührt bleibt.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 2 FGO.
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