Rückwirkendes Ereignis, nachträgliche Herabsetzung des Kaufpreises bei der Veräußerung einbringungsgeborener Anteile: Der Gewinn aus der Veräußerung einbringungsgeborener Anteile wird steuerlich rückwirkend geändert, wenn die Vertragsparteien wegen Streitigkeiten über Wirksamkeit oder Inhalt des Vertrages einen Vergleich schließen und den Veräußerungspreis rückwirkend mindern. - Urt.; BFH 19.8.2009, I R 3/09; SIS 09 37 60
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine Stadt, war alleinige
Anteilseignerin der N-GmbH. Die N-GmbH war aus einer Umwandlung des
ehemaligen Stadtwerke-Eigenbetriebs zum Buchwert hervorgegangen, so
dass einbringungsgeborene Anteile entstanden waren.
Unternehmensgegenstand der N-GmbH war die
Strom-, Gas- und Wasserversorgung sowie die Wasserentsorgung. Die
N-GmbH hielt zwei Beteiligungen in der Rechtsform der GmbH
(Bäder und öffentlicher Nahverkehr), die
dauerdefizitär waren. Die Tochtergesellschaften waren
über Ergebnisabführungsverträge mit der N-GmbH
verbunden.
Am 23.1.2002 veräußerte die
Klägerin 49 % der Geschäftsanteile der N-GmbH an die
T-GmbH & Co. KG (T) zum Kaufpreis von 125 Mio. DM (63.911.485
EUR), der auch entrichtet wurde. Zugleich trafen die Parteien eine
abweichende Gewinnverteilungsabrede, wonach T grundsätzlich
nicht an den Verlusten der beiden Tochtergesellschaften der N-GmbH
partizipierte. Allerdings galt dies nicht, soweit die Verluste die
Durchschnittsverluste der letzten drei Jahre vor der
Veräußerung überstiegen. Insoweit sollte der
Verlust auch von der T in entsprechender Höhe der Beteiligung
getragen werden.
Da die Veräußerung eine
Kapitalertragsteuerpflicht auslöste, meldete die Klägerin
eine Kapitalertragsteuer in Höhe von 4.535.898 EUR an. Dem lag
ein Gewinn aus der Veräußerung des Anteils an der N-GmbH
in Höhe von 45.358.988 EUR zu Grunde.
In der Folgezeit kam es zwischen den
Parteien zu Meinungsverschiedenheiten über die
Gewinnverteilung in Bezug auf die beiden Tochtergesellschaften der
N-GmbH. T vertrat die Auffassung, dass ihr die steuerlichen
Verluste der Tochtergesellschaften in Höhe ihrer Beteiligung
zustünden. Die Klägerin beanspruchte die Möglichkeit
des Verlustabzugs dagegen in dem Umfang für sich, in dem sie
die Verluste selbst tragen musste. Dieser Streit führte dazu,
dass die Gewinne der N-GmbH für die Jahre 2002 bis 2004 zwar
festgestellt, jedoch nicht an die Gesellschafter verteilt werden
konnten.
Ursächlich für diesen Streit war
folgender Ablauf im Vorfeld des Vertragsabschlusses: Die
Klägerin hatte im Entwurf des Gesellschaftsvertrages unter
§ 13 formuliert, dass die Verluste aus dem laufenden Betrieb
der beiden Tochter-GmbHs bis zu den vereinbarten
Deckelungsbeträgen ihr zu 100 % zugerechnet werden sollten.
Dieser Vertrag war T zugeleitet worden, die den entsprechenden
Passus strich, ohne dass dies der Klägerin auffiel.
Unterzeichnet wurde eine Vertragsfassung, die die betreffende
Passage nicht enthielt, was der Klägerin jedoch nicht bewusst
war.
Zur Streitbeilegung fanden
anschließend diverse Gespräche zwischen den Beteiligten
statt. Am 24.2.2005 wurde ein Vertrag geschlossen, der mit
„Änderung des Anteilskauf- und Abtretungsvertrages vom
23.1.2002“ überschrieben war. In der Präambel
heißt es u.a.:
„Um den im Rahmen dieser Regelung
bestehenden Dissens hinsichtlich der Gewinnverteilung (steuerliche
Verluste) zu bereinigen, haben sich die Beteiligten nunmehr darauf
geeinigt, dass (T) die wirtschaftliche Verantwortung für die
Tochtergesellschaften quotal unbeschränkt übernehmen
soll. Diese Vereinbarung gilt mit Wirkung ab dem 1.1.2002, d.h. die
uneingeschränkte Verlustübernahmeverpflichtung besteht
bereits ab dem Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen
Eigentums auf den Erwerber. Dementsprechend ist der seinerzeit
vereinbarte Kaufpreis anzupassen.“ Der geänderte Vertrag
sah eine Minderung des Kaufpreises um 13,8 Mio. EUR vor. Die
Gewinne der N-GmbH wurden daraufhin im Verhältnis der
Beteiligungen auf die Klägerin und T verteilt.
Im Anschluss an diese Verständigung
reichte die Klägerin am 7.4.2005 eine geänderte
Kapitalertragsteueranmeldung ein, der der geminderte Kaufpreis zu
Grunde lag. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA
- ) lehnte es ab, dem gemäß § 168 der
Abgabenordnung (AO) zuzustimmen. Das Finanzgericht (FG)
Düsseldorf war im in EFG 2009, 723 = SIS 09 16 82
veröffentlichten Urteil vom 18.9.2008 16 K 2635/07 KE der
Auffassung, nicht sämtliche mit Vertrag vom 23.1.2002
veräußerten Anteile seien einbringungsgeboren, und gab
insoweit der Klage statt. Einen darüber hinausgehenden
Anspruch auf Änderung der Kapitalertragsteuerfestsetzung hielt
es jedoch nicht für gegeben. Die nachträgliche
Herabsetzung des Kaufpreises sei kein rückwirkendes Ereignis
i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.
Die Klägerin rügt eine Verletzung
materiellen Rechts. Sie beantragt sinngemäß, das Urteil
des FG insoweit aufzuheben, als die Klage abgewiesen worden ist,
und das FA zu verpflichten, der geänderten
Kapitalertragsteueranmeldung vom 14.3.2006 zuzustimmen.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der
Klage. Die Kapitalertragsteueranmeldung steht einer
Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich
(§ 168 Satz 1 AO). Das FA ist verpflichtet, der
geänderten Kapitalertragsteueranmeldung vom 5.4.2005
zuzustimmen, da die nachträgliche Herabsetzung des Kaufpreises
steuerlich auf den Zeitpunkt der Übertragung der Anteile
rückwirkt.
1. Die Kapitalertragsteuer knüpft an den
tatsächlich verwirklichten Sachverhalt an. Sie erhöht
oder vermindert sich, wenn dieser Sachverhalt sich im Nachhinein
ändert und die Änderung steuerliche Rückwirkung
entfaltet. Dem muss dann durch eine entsprechende Änderung der
Steuerfestsetzung Rechnung getragen werden.
2. Wann ein Sachverhalt in diesem Sinne
steuerlich zurückwirkt, wird im Gesetz nicht näher
bestimmt. Es genügt aber nicht, dass das spätere Ereignis
den für die Besteuerung maßgeblichen Sachverhalt anders
gestaltet. Die Änderung muss sich auch steuerrechtlich in der
Weise auswirken, dass nunmehr der geänderte anstelle des zuvor
verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung zugrunde zu legen ist.
Ob diese Voraussetzung vorliegt, entscheidet sich nach dem im
Einzelfall anzuwendenden materiellen Steuergesetz (ständige
Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss des Großen Senats des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19.7.1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66,
BStBl II 1993, 897 = SIS 93 23 33; BFH-Urteil vom 21.12.1993 VIII R
69/88, BFHE 174, 324, BStBl II 1994, 648 = SIS 94 15 51). Die
insoweit maßgeblichen Kriterien ergeben sich insbesondere aus
der Rechtsprechung zum „rückwirkenden
Ereignis“ i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.
3. Bei den laufend veranlagten Steuern wie der
Einkommensteuer sind die aufgrund des Eintritts neuer Ereignisse
materiell-rechtlich erforderlichen steuerlichen Anpassungen
regelmäßig nicht rückwirkend, sondern in dem
Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem sich der maßgebende
Sachverhalt ändert (BFH-Beschluss in BFHE 172, 66, BStBl II
1993, 897 = SIS 93 23 33). Dieser Grundsatz gilt jedoch nur
insoweit, als die einschlägigen steuerrechtlichen Regelungen
nicht bestimmen, dass eine Änderung des nach dem
Steuertatbestand rechtserheblichen Sachverhalts zu einer
rückwirkenden Änderung steuerlicher Rechtsfolgen
führt. Eine solche Rechtslage ist insbesondere bei
Steuertatbeständen gegeben, die an einen einmaligen Vorgang
anknüpfen, und bei denen nachträgliche Änderungen
nicht in einer Folgebilanz oder nach den Grundsätzen des
Zuflussprinzips in einem späteren Veranlagungszeitraum
berücksichtigt werden können.
a) Die Rechtsprechung hat dies zum einen bei
Veräußerungsgewinnen i.S. des § 16 Abs. 2 des
Einkommensteuergesetzes (EStG), zum anderen bei solchen nach §
17 Abs. 2 EStG angenommen und eine rückwirkende Korrektur des
Sachverhalts unabhängig davon für geboten erachtet, ob
das Ereignis, das für eine Änderung des
Veräußerungsgewinns ursächlich war, erst nach dem
Zeitpunkt der Veräußerung eingetreten ist. Es kommt auch
nicht darauf an, welche Gründe rechtlicher oder
tatsächlicher Art zu der rückwirkenden
Sachverhaltsänderung geführt haben; insbesondere ist es
unerheblich, ob diese „im Kern“ bereits im
ursprünglichen Rechtsgeschäft angelegt waren
(BFH-Beschluss in BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897 = SIS 93 23 33;
BFH-Urteil in BFHE 174, 324, BStBl II 1994, 648 = SIS 94 15 51;
Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 41 AO Rz
119; Klein/Rüsken, AO, 9. Aufl., § 175 Rz 62; von
Wedelstädt in Beermann/Gosch,
Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 175 AO Rz 65;
Bordewin, FR 1994, 555, 559).
b) Dementsprechend hat der BFH nach
Übertragung einer wesentlichen Beteiligung i.S. von § 17
EStG und vollständiger Bezahlung des Kaufpreises den Abschluss
eines außergerichtlichen Vergleichs, mit dem die
Vertragsparteien den Rechtsstreit über den Eintritt einer im
Kaufvertrag vereinbarten auflösenden Bedingung beigelegt
hatten, als ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung auf den
Zeitpunkt der Veräußerung beurteilt (Urteil vom
19.8.2003 VIII R 67/02, BFHE 203, 309, BStBl II 2004, 107 = SIS 03 51 63). Ebenso hat er die Herabsetzung des Kaufpreises für
einen Betrieb aufgrund von Einwendungen des Käufers über
die Berechnungsgrundlage des Kaufpreises durch einen
außergerichtlichen Vergleich (BFH-Urteil vom 23.6.1988 IV R
84/86, BFHE 154, 85, BStBl II 1989, 41 = SIS 88 22 17), sowie die
Beilegung eines Streits nach Betriebsaufgabe über eine
Schadensersatzforderung durch einen außergerichtlichen
Vergleich (Urteil vom 10.2.1994 IV R 37/92, BFHE 174, 140, BStBl II
1994, 564 = SIS 94 13 16) als rückwirkende Ereignisse
angesehen.
c) Allerdings hat der BFH in den Urteilen in
BFHE 203, 309, BStBl II 2004, 107 = SIS 03 51 63 und vom 14.6.2005
VIII R 14/04 (BFHE 210, 278, BStBl II 2006, 15 = SIS 05 44 61;
krit. Bahns, FR 2004, 317, 324) ausgeführt, dass in
Fällen, in denen der Kaufpreis bereits vereinnahmt sei, eine
im Wege des Vergleichs vereinbarte Änderung des Kaufpreises
nur dann ein rückwirkendes Ereignis darstelle, wenn die
Änderung auf Gründen beruhe, die im Kaufvertrag selbst
angelegt seien. Er hat daher in einem Fall, in dem zunächst
Vermögen unentgeltlich unter Vorbehalt eines Nießbrauchs
übertragen und später auf das Nießbrauchsrecht
gegen eine Abstandszahlung verzichtet worden war, ein
rückwirkendes Ereignis verneint, weil der Ablösevorgang
weder zivilrechtlich noch steuerrechtlich der ursprünglichen
Bestellung des Nutzungsrechts zuzurechnen sei. In dem entschiedenen
Sachverhalt handelte es sich demnach nicht um eine
Rückabwicklung oder Änderung des ursprünglichen
Vertrags aufgrund der Geltendmachung eines Rücktrittsrechts,
einer auflösenden Bedingung, des Wegfalls der
Geschäftsgrundlage, eines Anfechtungs-, Wandlungs- oder
Minderungsrechts. Es bestand kein Streit über die Auslegung
oder die Wirksamkeit des ursprünglich abgeschlossenen
Vertrages. Vielmehr wurde ein neuer Vertrag ohne sachlichen
Zusammenhang mit dem ursprünglichen Vertrag geschlossen.
d) Schließen die Beteiligten jedoch
wegen (echter) Streitigkeiten über die Wirksamkeit eines
Vertrages oder dessen Inhalt einen außergerichtlichen
Vergleich, bestimmt der Inhalt des Vergleichs rückwirkend die
Höhe des Veräußerungspreises (vgl. auch
Schmidt/Wacker, EStG, 28. Aufl., § 16 Rz 384, m.w.N.). Dies
gilt auch dann, wenn er eine streitige Bestimmung des Vertrages in
einer Weise neu regelt, wie sie im Falle einer gerichtlichen
Entscheidung so nicht hätte getroffen werden können. Das
Wesen des Vergleichs besteht darin, durch eine einvernehmliche neue
Regelung den Streit beizulegen. Ist nur die Höhe des
Kaufpreises streitig, werden sich die Beteiligten in der Regel bei
einer gütlichen Einigung dahingehend verständigen, dass
beide Parteien von ihrer ursprünglichen Forderung
abrücken und sich auf einen Preis einigen, der zwischen dem
ursprünglich geltend gemachten und dem ursprünglich
anerkannten Preis liegt. Dies ist jedoch nicht möglich, wenn -
wie hier - eine Partei aus dem Vertrag ein Recht für sich
ableitet, das ihr die andere Partei kategorisch abspricht. In
diesem Fall wird sich eine einvernehmliche Beilegung des Streits
nur dadurch erzielen lassen, dass die Beteiligten andere Klauseln
des Vertrages ebenfalls ändern. Wie der BFH im Urteil in BFHE
203, 309, BStBl II 2004, 107 = SIS 03 51 63 ausgeführt hat,
sind die Vertragsparteien nicht zu einer gerichtlichen
Auseinandersetzung gezwungen.
Es kommt auch nicht darauf an, ob
tatsächlich ein Anfechtungs- oder Rücktrittsrecht, ein
Sachmangel etc. besteht. Voraussetzung für die Annahme eines
Ereignisses mit steuerlicher Rückwirkung ist nur, dass die im
Vergleich getroffene rückwirkende Änderung des Vertrages
durch eine ernstliche Auseinandersetzung über Wirksamkeit und
Inhalt des ursprünglichen Vertrages veranlasst ist und die
Vereinbarungen auch tatsächlich durchgeführt werden.
4. Die zivilrechtlich auf den Zeitpunkt des
Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums der Anteile
rückwirkende Änderung des Vertrages ist danach als
rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
AO zu beurteilen.
a) Das FG hat zutreffend entschieden, dass die
von der Rechtsprechung zu § 16 und § 17 EStG entwickelten
Grundsätze auf Veräußerungsgewinne nach § 21
Abs. 1 des Umwandlungssteuergesetzes 1995 anzuwenden sind, da auch
insoweit einmalige punktuelle Ereignisse vorliegen. Nach dessen
Abs. 1 Satz 1 gilt der Gewinn aus der Veräußerung
einbringungsgeborener Anteile als Veräußerungsgewinn
i.S. des § 16 EStG. Daneben ist, wenn es sich um die
Veräußerung wesentlicher Beteiligungen handelt, auch der
Tatbestand des § 17 Abs. 2 EStG erfüllt.
b) Das FG hat jedoch zu Unrecht angenommen, es
liege kein Ereignis mit steuerlicher Wirkung für die
Vergangenheit vor.
aa) Die Klägerin und T stritten
darüber, ob der Klägerin die von ihr getragenen Verluste
der beiden Tochtergesellschaften der N-GmbH auch für
steuerliche Zwecke zuzurechnen seien. Während die
Klägerin dies auch für die tatsächlich
abgeschlossene vertragliche Fassung unter Vorlage eines
Rechtsgutachtens bejahte, war T demgegenüber der Auffassung,
ihr seien die Verluste entsprechend ihrer Beteiligung anteilig
zuzurechnen. Nur deshalb habe sie sich zur Zahlung eines derart
hohen Kaufpreises verpflichtet. Es handelte sich hierbei unstreitig
um eine ernstliche Auseinandersetzung über den Inhalt des
Vertrages, der dazu führte, dass der Gewinn der Jahre 2002 bis
2004 zwar festgestellt, jedoch nicht auf die Beteiligten verteilt
worden war. Zur Beilegung dieses Streites im Wege des Vergleichs
haben die Beteiligten sich darauf geeinigt, einerseits den
Kaufpreis herabzusetzen, andererseits sollte T die Verluste der
Tochtergesellschaften nunmehr auch handelsrechtlich tragen.
bb) Anlass und Grund für den
geänderten Vertrag war der ursprünglich abgeschlossene
Vertrag, der keine ausdrückliche Regelung darüber
enthielt, ob die Klausel, nach der T an den Verlusten der beiden
Tochtergesellschaften nicht partizipierte, auch für
steuerliche Zwecke galt. Ob insoweit ein Dissens, ein
Kalkulationsirrtum oder ein Anfechtungsrecht der Klägerin
vorlag, ist ohne Bedeutung. Es kommt auch nicht darauf an, ob die
rechtliche Unsicherheit hinsichtlich der Auslegung dieser Klausel,
das Anfechtungsrecht der Klägerin oder ihre Drohung, von einem
vertraglich eingeräumten Rückkaufsrecht der Anteile
Gebrauch zu machen, die Parteien zum Abschluss des Vergleichs
veranlasst haben. Einmal sind die Motive, die zu einem
außergerichtlichen Vergleich führen, schwer zu
ergründen. Häufig werden auch mehrere Gründe
ursächlich für die Beilegung eines Streites sein, so dass
fraglich ist, auf welches Motiv als das für den Abschluss des
Vergleiches maßgebliche abzustellen ist. Überdies
stimmen die Motive beider Parteien nicht unbedingt überein.
Ausreichend für die Annahme eines Ereignisses mit steuerlicher
Rückwirkung im Streitfall ist, dass die Klägerin und T
sich über die Auslegung des ursprünglichen Vertrages
gestritten haben und zur Beilegung dieses Streites einen
außergerichtlichen Vergleich geschlossen haben, in dem sie
den ursprünglichen Vertrag dergestalt änderten, dass sich
T verpflichtete, die Verluste der beiden Tochtergesellschaften
entsprechend ihrer Beteiligung zu tragen und im Gegenzug der
Kaufpreis um 13,8 Mio. EUR ermäßigt wurde.
5. Das FG ist von anderen rechtlichen
Grundsätzen ausgegangen. Es hat angenommen, bei einem bereits
vollzogenen Rechtsgeschäft sei ein Vergleich i.S. von §
779 des Bürgerlichen Gesetzbuches nur dann ein
rückwirkendes Ereignis, wenn zivilrechtlich ein Tatbestand
gegeben sei, der zu einer Änderung der dem
Veräußerungsgeschäft zu Grunde liegenden
schuldrechtlichen Beziehung führe, und der Vergleich
ursächlich hierauf zurückzuführen sei. Seine
Entscheidung ist daher aufzuheben und der Klage zu entsprechen. Das
FA hat die gemäß § 168 Satz 2 AO erforderliche
Zustimmung zur geänderten Steueranmeldung zu Unrecht
verweigert. Da die Versagung der Zustimmung mit der
Verpflichtungsklage (§ 40 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ) zu verfolgen ist (vgl. Buciek in Beermann/ Gosch, a.a.O.,
§ 168 AO Rz 50), kann die Klage nicht unmittelbar zur
Änderung der Kapitalertragsteuerfestsetzung führen,
sondern nur zur Verpflichtung des FA, der geänderten Anmeldung
zuzustimmen. Der Tenor der angefochtenen Entscheidung war
entsprechend zu ändern.