Auf die Revision des Klägers wird das
Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 15.3.2018 - 1
K 2616/17 aufgehoben.
Der Beklagte wird verpflichtet, unter
Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 25.7.2017 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 28.09.2017 die mit den Zinsbescheiden
vom 24.3.2017 festgesetzten Zinsen zur Umsatzsteuer 2011 bis 2014
und die mit Zinsbescheid vom 19.5.2017 festgesetzten Zinsen zur
Umsatzsteuer 2015 zu erlassen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der
Beklagte zu tragen.
1
|
I. Der nach seiner Umsatztätigkeit zum
Vorsteuerabzug berechtigte Kläger und Revisionskläger
(Kläger) bezog in den Jahren 2011 bis 2015 Bauleistungen,
wobei die leistenden Unternehmer Rechnungen mit gesondertem Ausweis
der Umsatzsteuer erteilten. Aus den von ihm bezahlten
Leistungsbezügen machte der Kläger den Vorsteuerabzug
geltend.
|
|
|
2
|
Im Anschluss an eine
Außenprüfung war der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) der Auffassung, dass auf die Leistungen §
13b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) anzuwenden sei. Das FA versagte
daher den Vorsteuerabzug aus den dem Kläger erteilten
Rechnungen und gewährte den Vorsteuerabzug nur im Hinblick auf
die beim Kläger nach § 13b UStG vorzunehmende
Besteuerung. Die Umsatzsteuerbescheide einschließlich der
Zinsfestsetzungen wurden bestandskräftig. Die leistenden
Unternehmer berichtigten die an den Kläger erteilten
Rechnungen und traten die sich hieraus ergebenden Ansprüche an
den Kläger ab, so dass die Nachforderung gegen den Kläger
hiermit verrechnet wurde.
|
|
|
3
|
Der Kläger beantragte mit Schreiben
vom 28.6.2017 den Erlass der Zinsen zur Umsatzsteuer 2011 bis 2015
aus sachlichen wie auch aus persönlichen Gründen. Das FA
wies den Antrag mit Bescheid vom 25.07.2017 und den dagegen
eingelegten Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 28.09.2017 als
unbegründet zurück.
|
|
|
4
|
Die Klage zum Finanzgericht (FG) hatte
keinen Erfolg. Nach dem in EFG 2018, 1851 = SIS 18 15 02
veröffentlichten Urteil sind Nachforderungszinsen zur
Umsatzsteuer, die aufgrund der Nichtbeachtung der Regeln zur
Verlagerung der Steuerschuldnerschaft auf den
Leistungsempfänger und in der Folge durch zu Unrecht nach
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG vorgenommenen Vorsteuerabzug
ausgelöst werden, nicht wegen sachlicher Unbilligkeit nach
§ 227 der Abgabenordnung (AO) zu erlassen. Für die Frage
eines Zinsvorteils, der dem Steuerpflichtigen wegen seines
unberechtigten Vorsteuerabzugs entstanden ist, komme es nur auf das
zwischen dem Steuerpflichtigen und dem FA bestehende konkrete
Steuerschuldverhältnis an. Dass bei einer Gesamtbetrachtung
unter Einbeziehung des Verhältnisses zu den leistenden
Handwerkern aus der Sicht des Fiskus kein Steuerausfall entstanden
sei, spiele keine Rolle. Ein Vergleich der Liquidität des
Steuerpflichtigen aufgrund seines „vorschriftswidrigen“
Verhaltens mit der fiktiven Liquidität, die er besessen
hätte, wenn er sich „vorschriftsmäßig“
verhalten hätte, sei nach der Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) nicht anzustellen. Abweichendes ergebe sich
auch nicht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der
Europäischen Union (EuGH) zur Richtlinie 2006/112/EG des Rates
vom 28.11.2006 über das gemeinsame
Mehrwertsteuersystem.
|
|
|
5
|
Hiergegen wendet sich der Kläger mit
der Revision. Er habe Leistungen im Umfang von über 300.000
EUR von den Bauhandwerkern bezogen und müsse fast 25.000 EUR
Zinsen zahlen. Die Verzinsung nach § 233a AO solle typisierend
objektive Zins- und Liquiditätsvorteile des Steuerpflichtigen
ausgleichen. Diese seien bei ihm nicht eingetreten, da er die
Umsatzsteuer, für die er den Vorsteuerabzug geltend gemacht
habe, stets an die Leistenden gezahlt habe. Da auch die leistenden
Bauhandwerker die empfangenen Zahlungen als - vermeintliche
Steuerschuldner - versteuert hätten, sei der gesamte Vorgang
liquiditätsmäßig für das FA neutral gewesen.
Dementsprechend habe seine Nachzahlungspflicht mit einer
Erstattungsberechtigung der Bauhandwerker aufgrund der
Rechnungskorrektur korrespondiert. Dies sei durch die Abtretungen
dieser Ansprüche an den Kläger belegt. Eine Verzinsung
bei dieser Sachlage laufe den Wertungen des Gesetzes zuwider. Eine
verschuldensabhängige Verzinsung habe Strafcharakter.
Grundgedanke der Rechtsprechung des EuGH sei, dass die
Mehrwertsteuer für die Unternehmer keine Belastung sein solle.
Nachzahlungszinsen führten aber zu einer derartigen Belastung.
Dies gelte hier ebenso wie bei einer aufgrund einer Insolvenz nicht
vom Leistenden erlangbaren Umsatzsteuererstattung. Nebenleistungen
seien zu behandeln wie die Hauptforderung.
|
|
|
6
|
Der Kläger beantragt
sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und das FA unter
Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 25.7.2017 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 28.09.2017 zu verpflichten, die mit den
Zinsbescheiden vom 24.3.2017 festgesetzten Zinsen zur Umsatzsteuer
2011 bis 2014 und die mit Zinsbescheid vom 19.5.2017 festgesetzten
Zinsen zur Umsatzsteuer 2015 zu erlassen.
|
|
|
7
|
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
8
|
Auf einen Vergleich der tatsächlichen
Situation mit der, die bestanden hätte, wenn sich der
Unternehmer vorschriftsgemäß verhalten hätte, komme
es nach der Rechtsprechung des BFH nicht an. Die Behandlung bei den
leistenden Unternehmern sei für die Beurteilung beim
Kläger ebenso wie eine „Null-Situation“ ohne
Bedeutung. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der steuerlichen
Neutralität liege nicht vor.
|
|
|
9
|
II. Die Revision des Klägers ist
begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und das FA zum
beantragten Billigkeitserlass zu verpflichten (§ 126 Abs. 3
Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Entgegen dem
Urteil des FG ist das FA zum Billigkeitserlass nach § 227 AO
verpflichtet. Gehen der Leistende und Leistungsempfänger
rechtsfehlerhaft davon aus, dass der Leistende Steuerschuldner ist,
obwohl die Leistung § 13b UStG unterliegt, sind die sich aus
der Versagung des Vorsteuerabzugs beim Leistungsempfänger
entstehenden Zinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen zu
erlassen, wenn das FA die für die Leistung geschuldete Steuer
vom vermeintlichen statt vom wirklichen Steuerschuldner vereinnahmt
hatte, der Leistende seine Rechnungen mit Steuerausweis berichtigt
und den sich hieraus ergebenden Vergütungsanspruch an den
Leistungsempfänger abtritt.
|
|
|
10
|
1. Nach § 227 AO können die
Finanzbehörden Ansprüche aus dem
Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren
Einziehung nach Lage des einzelnen Falls - aus persönlichen
oder sachlichen Gründen - unbillig wäre. Zu diesen
Ansprüchen gehören auch Ansprüche auf steuerliche
Nebenleistungen (BFH-Urteil vom 10.3.2016 - III R 2/15, BFHE 253,
12, BStBl II 2016, 508 = SIS 16 09 16) und damit auch
Zinsansprüche.
|
|
|
11
|
a) Sachlich unbillig ist die Festsetzung einer
Steuer, wenn sie zwar äußerlich dem Gesetz entspricht,
aber den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten Fall derart
zuwiderläuft, dass die Erhebung der Steuer unbillig erscheint.
Das ist der Fall, wenn nach dem erklärten oder
mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann,
dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage - wenn er sie
als regelungsbedürftig erkannt hätte - i.S. der begehrten
Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte (BFH-Urteile vom
20.09.2012 - IV R 29/10, BFHE 238, 518, BStBl II 2013, 505 = SIS 12 32 50, und vom 24.04.2014 - V R 52/13, BFHE 245, 105, BStBl II
2015, 106 = SIS 14 19 39). Dies wiederum kann seinen Grund entweder
in Gerechtigkeitsgesichtspunkten oder in einem Widerspruch zu dem
der gesetzlichen Regelung zu Grunde liegenden Zweck haben
(BFH-Urteil vom 21.01.2015 - X R 40/12, BFHE 248, 485, BStBl II
2016, 117 = SIS 15 05 86). Allerdings dürfen
Billigkeitsmaßnahmen nicht die einem gesetzlichen
Steuertatbestand innewohnende Wertung des Gesetzgebers generell
durchbrechen oder korrigieren, sondern nur einem - sich lediglich
in einem Einzelfall zeigenden - ungewollten Überhang des
gesetzlichen Steuertatbestands abhelfen (BFH-Urteil vom 17.12.2013
- VII R 8/12, BFHE 244, 184 = SIS 14 08 44). Bei der
Billigkeitsprüfung müssen solche Umstände
außer Betracht bleiben, die der gesetzliche Tatbestand
typischerweise mit sich bringt (BFH-Urteil vom 21.07.1993 - X R
104/91, BFH/NV 1994, 597 = SIS 02 01 91). Eine für den
Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber
bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, rechtfertigt in der
Regel keine Billigkeitsmaßnahme (BFH-Urteile vom 07.10.2010 -
V R 17/09, BFH/NV 2011, 865 = SIS 11 13 05, und vom 04.02.2010 - II
R 25/08, BFHE 228, 130, BStBl II 2010, 663 = SIS 10 09 17). Eine
sachliche Billigkeitsmaßnahme stellt immer auf den Einzelfall
ab und ist atypischen Ausnahmefällen vorbehalten (BFH-Urteil
vom 27.02.2019 - VII R 34/17, BFH/NV 2019, 736 = SIS 19 06 17).
|
|
|
12
|
b) Die Entscheidung über die Erstattung
oder den Erlass nach § 227 AO ist eine Ermessensentscheidung
der Behörde (§ 5 AO), die im finanzgerichtlichen
Verfahren nach § 102 Satz 1 FGO nur daraufhin
überprüft werden kann, ob die gesetzlichen Grenzen des
Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer
dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch
gemacht worden ist (BFH-Urteil vom 31.5.2017 - I R 92/15, BFHE 259,
387, BStBl II 2019, 14 = SIS 17 22 58). Stellt das Gericht eine
Ermessensüberschreitung oder einen Ermessensfehler fest, ist
es grundsätzlich auf die Aufhebung der angefochtenen
Verwaltungsentscheidungen beschränkt. Nur wenn der
Ermessensspielraum im konkreten Fall derart eingeengt ist, dass nur
eine einzige Entscheidung als ermessensgerecht in Betracht kommt,
d.h. im Fall einer Ermessensreduzierung auf Null, ist es befugt,
seine Entscheidung an die Stelle der Ermessensentscheidung der
Verwaltungsbehörde zu setzen und eine Verpflichtung zum Erlass
bzw. zur Erstattung auszusprechen (BFH-Urteil in BFHE 244, 184 =
SIS 14 08 44, und in BFH/NV 2019, 736 = SIS 19 06 17).
|
|
|
13
|
2. Danach ist im Streitfall das Urteil des FG
aufzuheben und der Klage stattzugeben, da eine Ermessensreduktion
auf Null vorliegt.
|
|
|
14
|
a) Die Festsetzung von Zinsen nach § 233a
AO ist grundsätzlich rechtmäßig, wenn der Schuldner
der Steuernachforderung Liquiditätsvorteile gehabt hat
(BFH-Urteile vom 11.07.1996 - V R 18/95, BFHE 180, 524, BStBl II
1997, 259 = SIS 96 22 76; vom 21.10.1999 - V R 94/98, BFH/NV 2000,
610 = SIS 00 54 93, und vom 16.08.2001 - V R 72/00, BFH/NV 2002,
545 = SIS 02 58 90). Ein Liquiditätsvorteil entsteht z.B.
dann, wenn der Unternehmer seine steuerfreien Leistungen
rechtsfehlerhaft als steuerpflichtig ansieht, auf dieser Grundlage
zu Unrecht den Vorsteuerabzug in Anspruch nimmt und seine
Rechnungen mit Steuerausweis nur ohne Rückwirkung auf die
Rechnungserteilung berichtigen kann (BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 545 = SIS 02 58 90, und BFH-Beschluss vom 21.05.2010 - V B 91/09, BFH/NV 2010,
1619 = SIS 10 26 34).
|
|
|
15
|
Zudem ist die Verzinsung nachträglich
festgesetzter Umsatzsteuer beim Leistenden nicht deshalb unbillig,
da sich per Saldo ein Ausgleich mit den vom Leistungsempfänger
abgezogenen Vorsteuerbeträgen ergibt, da § 233a AO auf
einen Vorteil nicht des FA, sondern des Steuerpflichtigen abstellt
und die Entstehungsvoraussetzungen für die Steuer des
Leistenden und den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers
nicht deckungsgleich sind (BFH-Urteil vom 20.01.1997 - V R 28/95,
BFHE 183, 353, BStBl II 1997, 716 = SIS 97 20 74). Eine sog.
„Null-Situation“ (keine
Umsatzversteuerung beim Leistenden, keine Möglichkeit des
Vorsteuerabzugs für den Leistungsempfänger) rechtfertigt
nach der Rechtsprechung auf der Grundlage einer wirtschaftlichen
Betrachtungsweise keinen Billigkeitserlass zugunsten des leistenden
Unternehmers, der seine Umsätze zu Unrecht nicht versteuert
hat (BFH-Urteil vom 15.04.1999 - V R 63/97, BFH/NV 1999, 1392 = SIS 99 52 20).
|
|
|
16
|
b) Demgegenüber ist im Streitfall zu
berücksichtigen, dass die vom Kläger als
Leistungsempfänger vorzunehmende, aber zunächst
unterbliebene Versteuerung für ihn zu keinem
Liquiditätsvorteil führen konnte, da er aus der von ihm
geschuldeten Steuer im Hinblick auf seine steuerpflichtige
Umsatztätigkeit ohne weitere - insbesondere
rechnungsmäßigen - Voraussetzungen nach § 15 Abs. 1
Nr. 4 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt war.
|
|
|
17
|
Zudem haben weder der Kläger aus der
Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs aus den Rechnungen i.S. von
§ 14c Abs. 1 UStG noch die diese Rechnungen ausstellenden
Bauunternehmer im Streitfall einen Liquiditätsvorteil erlangt.
Denn auf der Grundlage der bindenden Feststellungen des FG (§
118 Abs. 2 FGO) hat der Kläger die ihm erteilten Rechnungen
vollumfänglich, also auch im Umfang des Umsatzsteueranteils
bezahlt, während die Bauunternehmer die von ihnen zu Unrecht
ausgewiesene Steuer ordnungsgemäß versteuerten, wie sich
auch aus den Erstattungsansprüchen aufgrund der späteren
Rechnungsberichtigungen ergibt.
|
|
|
18
|
Damit liegt im Streitfall keine
„Null-Situation“ vor, die einen
Billigkeitserlass zugunsten des Leistenden aufgrund der nur
hypothetischen Überlegungen zur Behandlung beim
Leistungsempfänger nach bisheriger Rechtsprechung nicht zu
begründen vermag (s. oben II.2.a), sondern der gesetzlich
nicht bedachte Ausnahmefall, dass der Leistungsempfänger den
Vorsteuerabzug aus einer in Rechnungen ausgewiesenen, aber
gesetzlich nicht geschuldeten Steuer geltend macht, von der zudem
feststeht, dass sie vom Rechnungsaussteller
ordnungsgemäß abgeführt wurde. Aufgrund der
Besonderheit eines gemeinsamen Rechtsirrtums von Leistenden und
Leistungsempfänger bei der Anwendung von § 13b UStG und
der auf dieser Grundlage fehlerhaften, aber folgerichtigen
Versteuerung durch beide Beteiligte kommt es hier nicht in
Betracht, für die Liquiditätsbeurteilung
ausschließlich auf das zwischen dem Kläger und seinem FA
bestehende Steuerschuldverhältnis abzustellen (vgl. aber
für andere Fallkonstellationen BFH-Beschluss in BFH/NV 2010,
1619 = SIS 10 26 34). Dabei sind im Rahmen der
Billigkeitsprüfung auch die Schwierigkeiten zu
berücksichtigen, die sich für die Unternehmer aus der
Anwendung der komplexen und vielschichtigen Regelungen des §
13b UStG ergeben, die den Gesetzgeber veranlasst haben, durch
§ 13b Abs. 5 Satz 7 UStG die Anwendung dieser Vorschrift -
für hier nicht einschlägige Fallkonstellationen - zur
Disposition der Beteiligten zu stellen. Schließlich haben der
Kläger wie auch die Bauunternehmer nach Aufdeckung des Irrtums
für eine zutreffende Behandlung durch Nachversteuerung beim
Kläger und Rechnungsberichtigung beim Bauunternehmer gesorgt.
Dass den Rechnungsberichtigungen der Bauunternehmer keine
Rückwirkung zukam (BFH-Urteil vom 12.10.2016 - XI R 43/14,
BFHE 255, 474 = SIS 16 27 90, zu § 14c Abs. 1 UStG, und
BFH-Urteil vom 13.12.2018 - V R 4/18, BFHE 263, 535 = SIS 18 22 39,
zu § 14c Abs. 2 UStG) ist dann bei einer
liquiditätsmäßigen Betrachtung für Zwecke des
Billigkeitserlasses unerheblich.
|
|
|
19
|
c) Die vom FG für seine gegenteilige
Beurteilung angeführte Rechtsprechung steht dem nicht
entgegen.
|
|
|
20
|
Zwar hat der erkennende Senat in seinen
Urteilen vom 24.2.2005 - V R 62/03 (BFH/NV 2005, 1220 = SIS 05 31 40) und vom 30.3.2006 - V R 60/04 (BFH/NV 2006, 1434 = SIS 06 30 22) bei einem Vorsteuerabzug aus einer gesetzlich nicht
geschuldeten Steuer trotz Zahlung an den Rechnungsaussteller einen
Liquiditätsvorteil bejaht. Hiervon unterscheidet sich aber die
hier vorliegende Fallkonstellation, bei der Leistender und
Leistungsempfänger gemeinsam die Bedeutung der sie
betreffenden §§ 13a, 13b UStG verkennen. Aufgrund dieser
Besonderheiten ist keine nur auf den Leistungsempfänger
bezogene Liquiditätsbetrachtung vorzunehmen. Im Hinblick auf
die bei §§ 13a, 13b UStG bestehende Wechselwirkung, nach
der die Steuerschuld nur entweder beim Leistenden oder beim
Leistungsempfänger entstehen kann, beschränkt sich die
Liquiditätsbetrachtung nicht auf das Verhältnis des
Leistungsempfängers (hier: des Klägers) zu seinem FA,
sondern hat auch den Leistenden einzubeziehen. Eine derartige
Fallgestaltung lag im Übrigen auch nicht dem Senatsbeschluss
in BFH/NV 2010, 1619 = SIS 10 26 34 zugrunde. Die Beurteilung durch
den erkennenden Senat steht auch nicht im Widerspruch zu dem nicht
zur Umsatzsteuer ergangenen BFH-Beschluss vom 15.1.2008 - VIII B
222/06 (BFH/NV 2008, 753 = SIS 08 17 26). Zudem liegt auch keine
auf den leistenden Unternehmer bezogene
„Null-Situation“ vor (s. oben II.2.b).
Schließlich betrifft der Senatsbeschluss vom 1.3.2013 - V B
112/11 (BFH/NV 2013, 901 = SIS 13 13 84) den hier nicht zu
entscheidenden Fall der Verzinsung aufgrund eines erst
nachträglich erklärten Verzichts auf die Steuerfreiheit
nach § 9 UStG.
|
|
|
21
|
d) Auf die weitergehenden Überlegungen
des Klägers zum Unionsrecht wie etwa den Grundsatz der
steuerlichen Neutralität kommt es nicht an.
|
|
|
22
|
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 1 FGO.
|