1
|
I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) wurden neben ihrer Schwester je zu einem Drittel
Erben ihres am 6.8.1996 verstorbenen Vaters. Zum Nachlass
gehörten u.a. alle Anteile an einer GmbH & Co. KG mit
einem Wert von ca. 3 Mio. DM. Über das Vermögen der
Gesellschaft wurde am 1.3.2001 das Insolvenzverfahren
eröffnet. Im Mai 2001 verkaufte der Insolvenzverwalter das
Betriebsvermögen an einen Investor.
|
|
|
2
|
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) setzte zuletzt mit bestandskräftig
gewordenen Bescheiden vom 2.9.2004 gegen den Kläger zu 1.
Erbschaftsteuer in Höhe von 109.585 EUR sowie gegen den
Kläger zu 2. in Höhe von 108.979 EUR fest und versagte
die Vergünstigungen des § 13a des Erbschaftsteuer- und
Schenkungsteuergesetzes in der vor dem Erbschaftsteuerreformgesetz
2009 geltenden Fassung (ErbStG), weil das Betriebsvermögen
innerhalb der fünfjährigen Behaltensfrist des § 13a
Abs. 5 Nr. 1 ErbStG veräußert worden sei.
|
|
|
3
|
Die Kläger beantragten am 9.10.2006,
die auf den Erwerb des Betriebsvermögens entfallende und
bereits bezahlte Erbschaftsteuer in Höhe von 64.559,07 EUR
bzw. 64.112,75 EUR aus sachlichen und persönlichen
Billigkeitsgründen zu erlassen. Das FA lehnte die Anträge
mit Bescheiden vom 8.11.2006 ab.
|
|
|
4
|
Die Einsprüche blieben ohne Erfolg.
Zur Begründung führte das FA aus, dass ein Ausnahmefall
der sachlichen Unbilligkeit nicht vorliege. Die
Vergünstigungen des § 13a ErbStG entfielen
unabhängig davon, aus welchen Gründen das
Betriebsvermögen veräußert worden sei (unter
Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16.2.2005
II R 39/03, BFHE 209, 143, BStBl II 2005, 571 = SIS 05 29 92).
Deshalb stelle die insolvenzbedingte Veräußerung keinen
Billigkeitsgrund dar. Der Einsatz privater Gelder zur Rettung des
Unternehmens sei eine unternehmerische Entscheidung gewesen,
für die der Staat nicht das Risiko trage. Das
geringfügige Unterschreiten der fünfjährigen
Behaltensfrist sei ebenfalls kein Erlassgrund; die starre Anwendung
der Frist auch auf Insolvenzfälle sei nicht unbillig, sondern
solle die Gesetzesanwendung erleichtern. Eine persönliche
Unbilligkeit sei ebenfalls nicht gegeben. Durch die Steuerzahlung
sei die Existenz der Kläger nicht gefährdet. Sie
hätten weiteres Vermögen geerbt und verfügten
über eigene Einkünfte.
|
|
|
5
|
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit
in EFG 2008, 1049 = SIS 08 23 55 veröffentlichtem Urteil ab,
weil das FA einen Erlass der Erbschaftsteuer ermessensfehlerfrei
abgelehnt habe.
|
|
|
6
|
Mit der Revision rügen die Kläger
fehlerhafte Anwendung des § 227 der Abgabenordnung (AO). Der
Wegfall der Vergünstigungen nach § 13a Abs. 5 ErbStG
wegen insolvenzbedingter Veräußerung des
Betriebsvermögens führe zu einer dem Zweck der
Steuerermäßigung widersprechenden Besteuerung. Dies sei
jedenfalls im Erlassverfahren zu berücksichtigen, da hier dem
vom Gesetzgeber verfolgten Zweck ein stärkeres Gewicht zukomme
als im Steuerfestsetzungsverfahren.
|
|
|
7
|
Die Kläger beantragen
sinngemäß, die Vorentscheidung und die
Ablehnungsbescheide vom 8.11.2006 in Gestalt der
Einspruchsentscheidungen vom 12.9.2007 aufzuheben sowie das FA zu
verpflichten, dem Kläger zu 1. die Erbschaftsteuer in
Höhe von 64.559,07 EUR und dem Kläger zu 2. in Höhe
von 64.112,75 EUR zu erlassen.
|
|
|
8
|
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
|
|
|
9
|
II. Die Revision ist unbegründet und war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG war zu Recht der
Auffassung, dass das FA einen Billigkeitserlass der Erbschaftsteuer
ermessensfehlerfrei abgelehnt hat. Der Wegfall der
Vergünstigungen nach § 13a Abs. 5 ErbStG infolge einer
insolvenzbedingten Veräußerung des
Betriebsvermögens stellt keinen sachlichen Grund für
einen Erlass nach § 227 AO dar. Persönliche
Billigkeitsgründe sind ebenfalls nicht gegeben.
|
|
|
10
|
Nach § 227 AO können Ansprüche
aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen
werden, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles
unbillig wäre. Beim Erlass handelt es sich um eine
Ermessensentscheidung, bei der Inhalt und Grenzen des Ermessens
durch den Begriff der Unbilligkeit bestimmt werden (vgl. Beschluss
des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes
vom 19.10.1971 GmS-OGB 3/70, BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603 =
SIS 72 03 54). Die Entscheidung darf gemäß § 102
FGO gerichtlich (nur) daraufhin überprüft werden, ob das
FA die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder
es von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht
entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat.
|
|
|
11
|
a) Ein Erlass kommt aus sachlichen
Gründen in Betracht, wenn die Einziehung der Steuer zwar dem
Gesetz entspricht, aber infolge eines Gesetzesüberhangs den
Wertungen des Gesetzgebers derart zuwiderläuft, dass sie
unbillig erscheint (BFH-Urteile vom 23.3.1998 II R 41/96, BFHE 185,
270, BStBl II 1998, 396 = SIS 98 15 06, und II R 26/96, BFH/NV
1998, 1098 = SIS 98 15 07). Dies setzt voraus, dass der Gesetzgeber
die mit der Einziehung der Steuer verbundene Härte nicht
bewusst in Kauf genommen hat. § 227 AO stellt keine
Ermächtigung zur Korrektur des Gesetzes dar. Die
Billigkeitsmaßnahme darf nicht auf Erwägungen
gestützt werden, die die vorgesehene Besteuerung allgemein
oder für bestimmte Fallgruppen außer Kraft setzen
würde. Ein Erlass wegen sachlicher Unbilligkeit ist nur
insoweit durch die Vorschrift gedeckt, wie angenommen werden kann,
der Gesetzgeber würde die im Billigkeitswege zu entscheidende
Frage - hätte er sie geregelt - im Sinne des vorgesehenen
Erlasses entscheiden (BFH-Urteile in BFHE 185, 270, BStBl II 1998,
396 = SIS 98 15 06, und in BFH/NV 1998, 1098 = SIS 98 15 07).
|
|
|
12
|
Gesichtspunkte, die bereits im
Steuerfestsetzungsverfahren vorzubringen waren oder noch sind,
können im Billigkeitsverfahren regelmäßig nicht
berücksichtigt werden (BFH-Urteil vom 13.5.1998 II R 98/97,
BFH/NV 1998, 1376 = SIS 98 20 05).
|
|
|
13
|
b) Das FA hat ermessensfehlerfrei angenommen,
dass die Erbschaftsteuer nicht deshalb wegen sachlicher
Unbilligkeit zu erlassen ist, weil das begünstigte
Betriebsvermögen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens
veräußert wurde. Ein Gesetzesüberhang liegt
insoweit nicht vor.
|
|
|
14
|
Nach § 13a ErbStG werden u.a. beim Erwerb
eines Gewerbebetriebs, eines Teilbetriebs oder eines Anteils an
einer Gesellschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des
Einkommensteuergesetzes ein Freibetrag und ein verminderter
Wertansatz gewährt. Diese Vergünstigungen fallen jedoch
gemäß § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG mit Wirkung
für die Vergangenheit weg, soweit das begünstigte
Betriebsvermögen innerhalb von fünf Jahren nach dem
Erwerb veräußert wird
(„Nachversteuerung“); als Veräußerung
gilt nach § 13a Abs. 5 Nr. 1 Satz 1 Halbsatz 2 ErbStG auch die
Aufgabe des Gewerbebetriebs. Durch den rückwirkenden Wegfall
der Vergünstigungen wird im Ergebnis die im Zeitpunkt des
Erwerbs tatsächlich vorhandene Bereicherung besteuert.
|
|
|
15
|
Der Senat hat bereits entschieden, dass der
Wegfall der Vergünstigungen selbst dann mit dem Gesetzeszweck
im Einklang steht, wenn das Betriebsvermögen krisen- oder
insolvenzbedingt veräußert wird (zu § 13 Abs. 2a
Satz 3 ErbStG in der in den Jahren 1994 und 1995 geltenden Fassung:
BFH-Urteil in BFHE 209, 143, BStBl II 2005, 571 = SIS 05 29 92; zu
§ 13a Abs. 5 Nr. 4 ErbStG: BFH-Urteil vom 21.3.2007 II R
19/06, BFH/NV 2007, 1321 = SIS 07 20 20), wobei die
Veräußerung durch den Insolvenzverwalter dem
Insolvenzschuldner zugerechnet wird (vgl. zum Konkursverwalter:
BFH-Beschluss vom 7.7.2004 II B 32/04, BFHE 206, 370, BStBl II
2004, 747 = SIS 04 29 05, unter II.2.). Hierauf hat das FA im
Rahmen seiner Ermessensentscheidung zu Recht Bezug genommen und aus
den Überlegungen des Senats den richtigen Schluss gezogen,
dass damit auch der für einen Billigkeitserlass erforderliche
Gesetzesüberhang über die Wertungen des Gesetzgebers
nicht besteht. Entscheidend ist, dass der Gesetzgeber im Rahmen
seiner Typisierungsbefugnis die Vergünstigungen bei jeder
Betriebsveräußerung und Betriebsaufgabe versagt und die
Umstände des jeweiligen Einzelfalls, die dazu geführt
haben, bewusst nicht berücksichtigt.
|
|
|
16
|
c) Ein atypischer Einzelfall kann entgegen der
Ansicht der Kläger auch nicht darin gesehen werden, dass sie
durch die Unternehmensinsolvenz in erheblichem Umfang
Privatvermögen verloren haben. Das FA hat seiner Entscheidung
zutreffend die Erwägung zugrunde gelegt, dass der Einsatz
privater Gelder zur Rettung des Unternehmens eine unternehmerische
Entscheidung im Verantwortungsbereich der Kläger gewesen ist.
Eine Unternehmensinsolvenz ist häufig mit einem Verlust von
Privatvermögen - insbesondere durch Bürgschaften oder
Darlehen - verbunden. Dieser Umstand rechtfertigt
regelmäßig keinen Erlass aus sachlichen
Gründen.
|
|
|
17
|
d) Das geringfügige Unterschreiten der
Fünf-Jahres-Frist begründet in Übereinstimmung mit
dem FA ebenfalls keinen Billigkeitserlass. Der Gesetzgeber hat in
§ 13a ErbStG den Erwerb von Betriebsvermögen nur für
den Fall begünstigt, dass das begünstigte Vermögen
zumindest fünf Jahre beim Erwerber verbleibt. Mit dieser
eindeutigen gesetzlichen Behaltensfrist hat er klar zu erkennen
gegeben, dass bei einer Veräußerung oder Aufgabe des
Betriebsvermögens vor Ablauf der Frist grundsätzlich auch
aus Billigkeitsgründen die Vergünstigungen nicht zu
gewähren sind (vgl. zur Ablehnung von
Billigkeitsmaßnahmen bei Versäumen von Antragsfristen:
BFH-Urteil vom 26.5.1994 IV R 51/93, BFHE 174, 482, BStBl II 1994,
833 = SIS 94 22 40).
|
|
|
18
|
e) Die Entscheidung des FA erweist sich auch
als richtig, soweit es einen Erlass wegen persönlicher
Unbilligkeit abgelehnt hat. Zu den Erwägungen
äußern sich die Kläger in der
Revisionsbegründung nicht mehr. Ermessensfehler des FA sind
nicht ersichtlich.
|