Auf die Revision der Kläger wird das
Urteil des Finanzgerichts Münster vom 14.8.2015 14 K 3290/13 E
aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Münster
zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des
Revisionsverfahrens übertragen.
1
|
I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) sind verheiratet und wurden für das Streitjahr
(2000) zur Einkommensteuer zusammenveranlagt.
|
|
|
2
|
Der Kläger war im Streitjahr zum einen
als Prokurist bei der in der Bundesrepublik Deutschland
ansässigen X-GmbH angestellt. Zum anderen war er für eine
in Österreich ansässige 100 %ige Tochtergesellschaft der
X-GmbH als Geschäftsführer tätig.
|
|
|
3
|
Die X-GmbH, deren Geschäftsjahr vom 1.
Mai eines Jahres bis zum 30. April des Folgejahres lief, war von
der Rechtsvorgängerin der Y-GmbH sowie den jeweils zu ihren
Geschäftsführern bestellten W und J gegründet
worden. Am Stammkapital in Höhe von 150.000 DM waren die
Gründungsgesellschafter zunächst wie folgt
beteiligt:
|
|
a) die Y-GmbH mit einem voll eingezahlten
Geschäftsanteil im Nennwert von 42.500 DM und einem zur
Hälfte eingezahlten Geschäftsanteil im Nennwert von
85.000 DM, mithin zu insgesamt 85 %,
|
|
b) W mit einem voll eingezahlten
Geschäftsanteil im Nennwert von 5.000 DM und einem zur
Hälfte eingezahlten Geschäftsanteil im Nennwert von
10.000 DM, mithin zu insgesamt 10 % und
|
|
c) J mit einem voll eingezahlten
Geschäftsanteil im Nennwert von 2.500 DM und einem zur
Hälfte eingezahlten Geschäftsanteil im Nennwert von 5.000
DM, mithin zu insgesamt 5 %.
|
|
|
4
|
Nach dem Gesellschaftsvertrag der X-GmbH
gewährten jeweils 500 DM der eingezahlten Stammeinlage eine
Stimme. § 14 des Gesellschaftsvertrags regelte, wie die
Vergütung im Falle einer Einziehung oder Abtretung eines
Gesellschaftsanteils nach Maßgabe der §§ 10 und 11
zu berechnen war.
|
|
|
5
|
Die Beteiligungsverhältnisse sowie der
Kreis der Gesellschafter der X-GmbH veränderten sich
später wie folgt:
|
|
|
6
|
Im Jahre 1997 veräußerte die
Y-GmbH sowohl von ihrem voll eingezahlten Geschäftsanteil im
Nennwert von 42.500 DM einen Teil-Geschäftsanteil im Nennwert
von 2.500 DM als auch von ihrem lediglich zur Hälfte
eingezahlten Geschäftsanteil im Nennwert von 85.000 DM einen
Teil-Geschäftsanteil in Höhe von 5.000 DM, mithin eine
Beteiligung an der X-GmbH in Höhe von 5 %, an C, nachdem
dieser zuvor zu einem der Geschäftsführer der X-GmbH
bestellt worden war. Die Veräußerung erfolgte - nach
Angaben der Kläger - auf der Grundlage von zuvor bei Eintritt
von C in das von der X-GmbH betriebene Unternehmen getroffenen
Absprachen auf der Basis der eingezahlten Nennbeträge.
|
|
|
7
|
Darüber hinaus veräußerte
die Y-GmbH in der Folge sowohl von ihrem voll eingezahlten
Geschäftsanteil im Nennwert von nunmehr noch 40.000 DM einen
weiteren Teil-Geschäftsanteil im Nennwert von 1.250 DM als
auch von ihrem lediglich zur Hälfte eingezahlten
Geschäftsanteil im Nennwert von nunmehr noch 80.000 DM einen
weiteren Teil-Geschäftsanteil im Nennwert von 2.500 DM, mithin
eine Beteiligung an der X-GmbH von 2,5 %, zu einem Preis von 12.963
DM mit Wirkung ab dem 1.5.1998 an den Mitgesellschafter und
zugleich Geschäftsführer der X-GmbH J.
|
|
|
8
|
Mit notariellem Vertrag vom 9.11.1998
veräußerte W, der zuvor auch als
Geschäftsführer der X-GmbH ausgeschieden war, seinen voll
eingezahlten Geschäftsanteil im Nennwert von 5.000 DM für
30.833 DM und seinen lediglich zur Hälfte eingezahlten
Geschäftsanteil im Nennwert von 10.000 DM für 56.667 DM,
mithin seine insgesamt 10 %ige Beteiligung an der X-GmbH, an die
Y-GmbH.
|
|
|
9
|
Mit notariellem Vertrag vom 27.9.1999
veräußerte C an H, nachdem dieser zuvor ebenfalls zu
einem der Geschäftsführer der X-GmbH bestellt worden war,
sowohl seinen voll eingezahlten Geschäftsanteil im Nennwert
von 2.500 DM als auch von seinem lediglich zur Hälfte
eingezahlten Geschäftsanteil im Nennwert von 5.000 DM einen
Teil-Geschäftsanteil im Nennwert von 500 DM, mithin eine
Beteiligung an der X-GmbH in Höhe von 2 %, für 25.875
DM.
|
|
|
10
|
Mit notariellem Vertrag vom 29.11.1999
veräußerte J von seinem lediglich zur Hälfte
eingezahlten Geschäftsanteil im Nennwert von 5.000 DM einen
Teil-Geschäftsanteil im Nennwert von 3.750 DM, mithin eine
Beteiligung an der X-GmbH in Höhe von 2,5 %, für einen im
Streitjahr gezahlten Betrag in Höhe von 111.217 DM
zuzüglich Zinsen an die Y-GmbH.
|
|
|
11
|
Mit notariellem Vertrag vom 16.3.2000
erwarb die Y-GmbH von C dessen lediglich zur Hälfte
eingezahlten Geschäftsanteil im Nennwert von 4.500 DM, mithin
eine Beteiligung an der X-GmbH in Höhe von 3 %, für
97.434 DM mit Wirkung ab dem 30.4.2000 (zurück).
|
|
|
12
|
Mit notariellem Vertrag vom 30.5.2000
veräußerte die Y-GmbH von ihrem in 1998 von W für
30.833 DM erworbenen, voll eingezahlten Geschäftsanteil im
Nennwert von 5.000 DM einen Teil-Geschäftsanteil im Nennwert
von 1.485 DM, mithin eine Beteiligung an der X-GmbH in Höhe
von 0,99 %, mit Wirkung ab dem 30.4.2000 für 27.000 DM an G,
nachdem dieser zuvor zu einem der Geschäftsführer der
X-GmbH bestellt worden war.
|
|
|
13
|
Mit notariellem Vertrag vom 25.7.2000
veräußerte die Y-GmbH von ihrem von W erworbenen voll
eingezahlten Geschäftsanteil einen weiteren
Teil-Geschäftsanteil im Nennwert von ebenfalls 1.485 DM,
mithin eine Beteiligung an der X-GmbH in Höhe von ebenfalls
0,99 %, wiederum mit Wirkung ab dem 30.4.2000 und wiederum für
27.000 DM auch an den Kläger. In § 4 dieses Vertrags
vereinbarten die Vertragsparteien zum einen ein Andienungsrecht
für den Kläger und zum anderen ein Ankaufsrecht für
die Y-GmbH, wobei der jeweils zu zahlende Kaufpreis der
Vergütung gemäß § 14 des Gesellschaftsvertrags
entsprechen sollte, für den Fall, dass die Y-GmbH ihr
Ankaufsrecht ausüben sollte, allerdings zuzüglich eines
Betrags von 10.000 DM. In § 5 trafen die Parteien zudem eine
Stimmrechtsbindungsvereinbarung.
|
|
|
14
|
Dem Abschluss des Vertrags vom 25.7.2000
war am 10.4.2000 der Abschluss einer von dem Kläger mit der
X-GmbH getroffenen Zusatzvereinbarung zu dessen Dienstvertrag
vorausgegangen, wonach der Kläger mit sofortiger Wirkung als
Europamanager eingesetzt wurde. Am Ende dieser Zusatzvereinbarung
findet sich zudem der folgende Passus: „Ferner erhält
der ... [Kläger] für die nächsten zwei Länder,
die zur Expansion anstehen, eine Beteiligung von 2 %. Über
diese Beteiligung wird jedoch noch ein gesonderter Vertrag
geschlossen“.
|
|
|
15
|
Am Tag vor Abschluss des notariellen
Vertrags hatten der Kläger und die X-GmbH eine weitere
Zusatzvereinbarung zu dessen Dienstvertrag geschlossen, in der - im
Übrigen wortgleich mit der am 10.4.2000 getroffenen
Zusatzvereinbarung - geregelt wurde, dass der Kläger mit
sofortiger Wirkung als Europamanager eingesetzt werde. Die in der
Vereinbarung vom 10.4.2000 enthaltene Zusage einer
„Beteiligung“ fehlte in dieser Vereinbarung.
|
|
|
16
|
Auch in den Folgejahren kam es immer wieder
zu Veräußerungen von Beteiligungen an der X-GmbH durch
die Y-GmbH bzw. deren Rechtsnachfolgerin an
Geschäftsführer und leitende Mitarbeiter der X-GmbH sowie
zur Weiterveräußerung der von diesen erworbenen
Beteiligungen an der X-GmbH an andere Geschäftsführer
oder leitende Mitarbeiter der X-GmbH bzw. an von diesen beherrschte
Gesellschaften oder auch zur Rückveräußerung der
erworbenen Beteiligungen an die Y-GmbH bzw. deren
Rechtsnachfolgerin.
|
|
|
17
|
Mit Bescheid vom 6.5.2002 setzte der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) die
Einkommensteuer für das Streitjahr unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung fest. Grundlage für die Steuerfestsetzung war
die von den Klägern eingereichte Einkommensteuererklärung
für das Streitjahr, in der sie u.a. für den Kläger
den von ihm im Streitjahr erzielten Bruttoarbeitslohn mit ... DM
erklärt hatten.
|
|
|
18
|
Mit Änderungsbescheid vom 15.12.2005
setzte das FA die Einkommensteuer herauf. Dabei ging es nunmehr auf
der Grundlage von Feststellungen, die im Rahmen einer bei der
X-GmbH durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung
getroffen worden waren, davon aus, dass der Kaufpreis, den der
Kläger für die von ihm erworbene Beteiligung an der
X-GmbH gezahlt hatte (27.000 DM), nicht dem tatsächlichen Wert
der Beteiligung entsprochen habe und die Differenz vor dem
Hintergrund, dass der Veräußerer Hauptgesellschafter der
X-GmbH war, als Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu qualifizieren sei.
|
|
|
19
|
Der dagegen von den Klägern u.a. unter
Berufung auf ein von der Steuerberatungs- und
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft W-AG erstelltes Wertgutachten,
wonach der Ertragswert der von dem Kläger erworbenen
Beteiligung am 30.4.2000 höchstens 22.574 DM betragen habe,
eingelegte Einspruch hatte zum Teil Erfolg.
|
|
|
20
|
Mit Einspruchsentscheidung vom 12.9.2013
setzte das FA die Einkommensteuer für das Streitjahr herab.
Dabei ging es auf der Grundlage einer von dem FA für
Groß- und Konzernbetriebsprüfung Z erstellten
fachprüferlichen Stellungnahme zur Ermittlung des
Unternehmenswerts der X-GmbH auf den 30.4.2000 nun von einem Wert
der von dem Kläger erworbenen Beteiligung an der X-GmbH in
Höhe von 43.560 DM, mithin von einer von dem Kläger als
Arbeitslohn zu versteuernden Wertdifferenz in Höhe von 16.560
DM, aus.
|
|
|
21
|
Das Finanzgericht (FG) wies die im
Anschluss erhobene Klage mit den in EFG 2016, 1083 = SIS 16 10 75
veröffentlichten Gründen ab.
|
|
|
22
|
Mit der Revision rügen die Kläger
die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
|
|
|
23
|
Sie beantragen, das Urteil des FG
aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2000 vom 15.12.2005 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.9.2013 dahin zu
ändern, dass die Einkünfte des Klägers aus
nichtselbständiger Arbeit um 8.467 EUR (16.560 DM) gemindert
werden.
|
|
|
24
|
Das FA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung
an das FG zurückzuverweisen.
|
|
|
25
|
II. Die Revision der Kläger ist
begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur
anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz
1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Der Senat kann auf der
Grundlage der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz
nicht beurteilen, ob das FG zu Recht von einem geldwerten Vorteil
des Klägers aus dem streitigen Geschäftsanteilserwerb in
Höhe von 8.467 EUR ausgegangen ist.
|
|
|
26
|
1. Das FG hat allerdings zu Recht entschieden,
dass die Y-GmbH dem Kläger mit der (verbilligten)
Überlassung des Geschäftsanteils an der X-GmbH dem Grunde
nach Arbeitslohn zugewandt hat.
|
|
|
27
|
Zu den Einnahmen aus nichtselbständiger
Arbeit nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1
EStG gehört auch der Vorteil aus dem verbilligten Erwerb einer
Beteiligung, wenn der Vorteil dem Arbeitnehmer
„für“ seine Arbeitsleistung gewährt
wird (Senatsurteile vom 1.9.2016 VI R 67/14, BFHE 255, 125, BStBl
II 2017, 69 = SIS 16 22 87; vom 1.9.2016 VI R 16/15, BFHE 255, 138,
BStBl II 2017, 149 = SIS 16 25 45; vom 1.2.2007 VI R 72/05, BFH/NV
2007, 898 = SIS 07 61 66, und vom 23.6.2005 VI R 124/99, BFHE 209,
549, BStBl II 2005, 766 = SIS 05 33 29, jeweils m.w.N.). Dies kann
auch bei der Zuwendung eines Dritten anzunehmen sein, wenn sie ein
Entgelt „für“ eine Leistung bildet, die der
Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses für seinen
Arbeitgeber erbringt, erbracht hat oder erbringen soll
(Senatsurteil in BFHE 255, 125, BStBl II 2017, 69 = SIS 16 22 87).
|
|
|
28
|
Die Anwendung dieser Grundsätze ist im
Revisionsverfahren zwischen den Beteiligten zu Recht ebenso wenig
streitig wie die Würdigung des FG, dass der Beteiligungserwerb
des Klägers dem Grunde nach durch das Dienstverhältnis
veranlasst war (dazu Senatsurteil in BFHE 255, 125, BStBl II 2017,
69 = SIS 16 22 87). Das FG hat in revisionsrechtlich nicht zu
beanstandender Weise entschieden, dass den aktiven bzw.
späteren Geschäftsführern der X-GmbH - und damit
auch dem Kläger - mit wenigen Ausnahmen der Erwerb von
(geringfügigen) Beteiligungen an dieser ermöglicht wurde,
um diese zum einen zu einem weiteren Engagement für das
Unternehmen zu motivieren und sie zum anderen an dieses zu
binden.
|
|
|
29
|
2. Das FG ist auch zutreffend davon
ausgegangen, dass der als Arbeitslohn zu erfassende geldwerte
Vorteil nicht in der übertragenen Beteiligung selbst besteht,
sondern in der Verbilligung, dem Preisnachlass (Senatsurteile vom
7.5.2014 VI R 73/12, BFHE 245, 230, BStBl II 2014, 904 = SIS 14 18 26, und vom 23.6.2005 VI R 10/03, BFHE 209, 559, BStBl II 2005, 770
= SIS 05 35 98). Die Bewertung des geldwerten Vorteils durch die
Vorinstanz ist allerdings nicht frei von Rechtsfehlern.
|
|
|
30
|
a) Die seitens des Klägers von der Y-GmbH
erworbene Beteiligung an der X-GmbH, der Arbeitgeberin des
Klägers, ist eine Vermögensbeteiligung i.S. von §
19a Abs. 3 Nr. 8 i.V.m. Abs. 3a Satz 3 EStG. Als Wert der
Vermögensbeteiligung ist daher der gemeine Wert anzusetzen
(§ 19a Abs. 8 Satz 1 EStG). Vermögensbeteiligungen i.S.
des § 19a Abs. 3 Nr. 8 EStG sind dabei gemäß §
19a Abs. 8 Satz 8 EStG mit dem Wert anzusetzen, der vor dem Tag der
Überlassung, d.h. des Zuflusses der Vermögensbeteiligung
(s. z.B. Senatsurteil vom 29.7.2010 VI R 30/07, BFHE 230, 413,
BStBl II 2011, 68 = SIS 10 33 16), zuletzt nach § 11 Abs. 2
Satz 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) festzustellen ist oder
war.
|
|
|
31
|
b) § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG sieht vor,
dass der gemeine Wert einer Beteiligung i.S. des § 11 Abs. 2
Satz 1 BewG, mithin u.a. einer GmbH-Beteiligung, in erster Linie
aus Verkäufen abzuleiten ist, die weniger als ein Jahr
zurückliegen. Ist dies nicht möglich, so ist er
gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG unter
Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten
der Kapitalgesellschaft zu schätzen (dazu Senatsurteil in BFHE
230, 413, BStBl II 2011, 68 = SIS 10 33 16, m.w.N.). Die Ermittlung
des gemeinen Werts aufgrund von Verkäufen hat Vorrang vor der
Schätzung (ständige Rechtsprechung, Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16.5.2013 II R 4/11, BFH/NV 2013, 1223
= SIS 13 19 67, m.w.N.). Der Sinn und Zweck des § 11 Abs. 2
Satz 2 BewG besteht darin, dieses Rangverhältnis der beiden
Methoden der Ermittlung des gemeinen Werts i.S. des Vorrangs der
Ableitung des gemeinen Werts aus der Wertbestätigung am Markt
zu regeln (BFH-Urteil vom 5.3.1986 II R 232/82, BFHE 146, 460,
BStBl II 1986, 591 = SIS 86 13 23).
|
|
|
32
|
Dem steht die im Streitjahr noch nicht
geltende Vorschrift in § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG i.d.F. des
Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur
Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur
Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften vom 7.12.2006
nicht entgegen (Senatsurteil in BFHE 255, 125, BStBl II 2017, 69 =
SIS 16 22 87).
|
|
|
33
|
c) Die Wertableitung aus Verkäufen setzt
nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG voraus, dass Verkäufe
vorliegen, die weniger als ein Jahr vor dem Bewertungsstichtag
erfolgt sind. Dies ist im Streitfall der 29.4.2000, da die
Übertragung des Geschäftsanteils nach § 2 des
Vertrags vom 25.7.2000 mit Ablauf des 30.4.2000 erfolgte.
Vereinbarte Verfügungsbeschränkungen oder
Rückübertragungsansprüche stehen dem Zufluss nicht
entgegen (z.B. Senatsurteil vom 30.9.2008 VI R 67/05, BFHE 223, 98,
BStBl II 2009, 282 = SIS 08 44 55, m.w.N.).
|
|
|
34
|
d) Maßgebend für die Bestimmung des
gemeinen Werts von Anteilen an Kapitalgesellschaften ist der Preis,
der bei einer Veräußerung im gewöhnlichen
Geschäftsverkehr (§ 9 Abs. 2 Satz 1 BewG)
tatsächlich erzielt wurde (BFH-Urteil vom 22.1.2009 II R
43/07, BFHE 224, 272, BStBl II 2009, 444 = SIS 09 14 82, m.w.N.).
Gewöhnlicher Geschäftsverkehr i.S. des § 9 Abs. 2
Satz 1 BewG ist der Handel, der sich nach den marktwirtschaftlichen
Grundsätzen von Angebot und Nachfrage vollzieht und bei dem
jeder Vertragspartner ohne Zwang und nicht aus Not, sondern
freiwillig in Wahrung seiner eigenen Interessen zu handeln in der
Lage ist (BFH-Urteil vom 23.2.1979 III R 44/77, BFHE 128, 254,
BStBl II 1979, 618 = SIS 79 03 12, und BFH-Beschluss vom 22.8.2002
II B 170/01, BFH/NV 2003, 11 = SIS 03 06 30, m.w.N.).
|
|
|
35
|
e) Ob die Parteien einen Preis vereinbart
haben, der dem gewöhnlichen Geschäftsverkehr entspricht,
ist nach ständiger Rechtsprechung nach den
Gesamtumständen des Einzelfalls unter Heranziehung
objektivierter Maßstäbe zu entscheiden (BFH-Urteil vom
14.7.2009 IX R 6/09, BFH/NV 2010, 397 = SIS 10 05 71).
Auszuklammern sind dabei solche preisbildende Faktoren, die mit der
Beschaffenheit der Anteile selbst nichts zu tun haben (BFH-Urteil
vom 28.11.1980 III R 86/78, BFHE 132, 482, BStBl II 1981, 353 = SIS 81 08 60).
|
|
|
36
|
3. Dem entspricht die Entscheidung des FG nur
teilweise. Zwar hatte das FG in erster Linie zu prüfen, ob
sich der gemeine Wert aus Verkäufen ableiten ließ, da im
Jahr vor dem Erwerb des streitigen Anteils durch den Kläger
vier weitere Verkäufe erfolgt waren. Das FG sah sich hierzu
aber deshalb nicht verpflichtet, weil es sich bei den
Verkäufen nicht um „(echte) Verkäufe unter
fremden Dritten, sondern um Verkäufe bzw. Käufe innerhalb
eines bestimmten Personenkreises“ gehandelt habe. Dies
hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung
jedenfalls im Ergebnis stand.
|
|
|
37
|
a) Die im Jahr vor dem Erwerb durch den
Kläger erfolgten Verkäufe sind nur zu
berücksichtigen, wenn die hierfür vereinbarten Kaufpreise
unter den Bedingungen des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs
nach den marktwirtschaftlichen Grundsätzen von Angebot und
Nachfrage unter Heranziehung objektivierter
Wertmaßstäbe, zu denen vor allem das Gesamtvermögen
und die Ertragsaussichten gehören, gebildet wurden (vgl.
BFH-Urteile vom 25.6.1965 III 384/60, HFR 1966, 1; vom 14.2.1969
III 88/65, BFHE 95, 334, BStBl II 1969, 395 = SIS 69 02 52; in BFHE
128, 254, BStBl II 1979, 618 = SIS 79 03 12; vom 30.3.1994 II R
101/90, BFHE 174, 94, BStBl II 1994, 503 = SIS 94 15 58; vom
15.7.1998 II R 23/97, BFH/NV 1998, 1463; BFH-Beschluss in BFH/NV
2003, 11 = SIS 03 06 30). Nicht zu berücksichtigen sind diese
Verkäufe hingegen, wenn sie unter ungewöhnlichen
Verhältnissen zustande gekommen sind (BFH-Beschluss in BFH/NV
2003, 11 = SIS 03 06 30) oder auf den persönlichen
Verhältnissen der Gesellschafter beruhen (BFH-Urteil in BFHE
174, 94, BStBl II 1994, 503 = SIS 94 15 58).
|
|
|
38
|
b) Zwar können auch Gesellschafter sich
als fremde Dritte gegenüberstehen, so dass allein die
Veräußerung innerhalb des Gesellschafterkreises einen
i.S. des § 11 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 9 Abs. 2 Satz 1 BewG
zu berücksichtigenden Verkauf nicht hindert. Handelt es sich
aber um Beteiligungsverkäufe des Arbeitgebers oder einer
diesem nahestehenden Person an Arbeitnehmer, spricht schon dieser
Umstand für die Vermutung, dass ein solcher Verkauf in der
Regel nicht unter den Bedingungen des gewöhnlichen
Geschäftsverkehrs nach den marktwirtschaftlichen
Grundsätzen von Angebot und Nachfrage unter Heranziehung
objektivierter Wertmaßstäbe erfolgt, sondern vielmehr
(auch) wesentlich durch das Arbeitsverhältnis veranlasst
ist.
|
|
|
39
|
Im Streitfall wird diese Regelvermutung durch
die Feststellungen des FG bestätigt. Denn anders sind u.a. die
sehr großen Preisunterschiede bei den nur innerhalb eines
halben Jahres beurkundeten Verkäufen der Gesellschafter C an H
(25.875 DM für 2 %) einerseits und der Gesellschafter J und C
an die Y-GmbH (11.217 DM für 2,5 % und 97.434 DM für 3 %)
sowie der Y-GmbH an G und den Kläger (jeweils 27.000 DM
für 0,99 %) andererseits nicht zu erklären. Ein Vergleich
der entweder von der Y-GmbH oder anderen Gesellschaftern an
(Neu-)Gesellschafter mit Führungsposition erfolgten
Verkäufe und der Rückkäufe von entsprechenden
Beteiligungen durch die Y-GmbH zeigt, dass die Erwerbe der
(Neu-)Gesellschafter augenscheinlich gegenüber den
Rückkäufen durch die Y-GmbH mit einer Verbilligung bzw.
die Rückkäufe gegenüber den Erwerben mit einer
Verteuerung verbunden waren. Insoweit sind die im Jahr vor dem
Erwerb des Klägers erfolgten Verkäufe ungeeignet, um mit
diesen den gemeinen Wert aus der Wertbestätigung am Markt,
d.h. unter drittüblichen Bedingungen, zu begründen, was
aber gerade Ziel des Vorrangs der Ableitung aus Verkäufen vor
der Schätzung ist.
|
|
|
40
|
Dies gilt entgegen der Ansicht der Kläger
auch für den Verkauf von C an H. Auch hier zeigt sich im
Gesamtzusammenhang, dass der Verkauf nicht von gewöhnlichen
Umständen geprägt ist. Zum einen ist die Wertdifferenz
von 25.875 DM für eine 2 %ige Beteiligung gegenüber
27.000 DM für eine (nur) 0,99 %ige Beteiligung bei
Verkäufen innerhalb von acht Monaten auch bei einem
schnellwachsenden Unternehmen wie der X-GmbH nicht erklärlich.
Zum anderen ist es auch ungewöhnlich, wenn C seine
verbleibende 3 %ige Beteiligung nur knapp sechs Monate nach dem
Verkauf an H für nun rund 97.500 DM an die Y-GmbH
veräußert.
|
|
|
41
|
4. Da sich der gemeine Wert des streitigen
Geschäftsanteils damit ausnahmsweise nicht aus den zeitnahen
Verkäufen ableiten lässt, ist er unter
Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten
der X-GmbH zu schätzen. Insoweit ist auch die Würdigung
des FG, eine Schätzung nach dem Stuttgarter Verfahren komme im
Streitfall nicht in Betracht, revisionsrechtlich nicht zu
beanstanden.
|
|
|
42
|
a) Das Stuttgarter Verfahren, das von der
Finanzverwaltung zunächst in den
Vermögensteuer-Richtlinien, ab dem Jahr 1999 dann in R 96 ff.
der Erbschaftsteuer-Richtlinien (ErbStR) geregelt worden ist, ist
für die Bewertung nicht notierter Anteile an
Kapitalgesellschaften vom BFH in ständiger Rechtsprechung als
geeignetes - wenn auch die Gerichte nicht bindendes -
Schätzungsverfahren anerkannt worden (erstmals BFH-Urteil vom
19.12.1960 III 396/58 S, BFHE 72, 241, BStBl III 1961, 92 = SIS 61 00 61, unter II.; für ertragsteuerliche Zwecke z.B. BFH-Urteil
vom 21.1.1993 XI R 33/92, BFH/NV 1994, 12, unter II.2.;
BFH-Beschlüsse vom 15.10.2008 X B 170/07, BFH/NV 2009, 167 =
SIS 09 02 60; vom 25.10.2007 VIII B 109/06, BFH/NV 2008, 528 = SIS 08 13 87, und vom 26.6.2007 X B 69/06, BFH/NV 2007, 1707 = SIS 07 28 04). Das Stuttgarter Verfahren ist auch für das Streitjahr
noch anwendbar.
|
|
|
43
|
Mit Rücksicht auf die
Gleichmäßigkeit der Besteuerung ist von diesem Verfahren
allerdings abzuweichen, wenn es in Ausnahmefällen aus
besonderen Gründen des Einzelfalls zu nicht tragbaren, d.h.
offensichtlich unrichtigen Ergebnissen führt (BFH-Urteile vom
17.5.1974 III R 156/72, BFHE 112, 510, BStBl II 1974, 626 = SIS 74 03 49, unter 2.; vom 26.1.2000 II R 15/97, BFHE 191, 393, BStBl II
2000, 251 = SIS 00 06 88, unter II.A.1.; vom 11.1.2006 II R 76/04,
BFH/NV 2006, 1257 = SIS 06 25 63, unter II.1.a; vom 12.7.2006 II R
75/04, BFHE 213, 215, BStBl II 2006, 704 = SIS 06 37 08, und vom
1.2.2007 II R 19/05, BFHE 215, 508, BStBl II 2007, 635 = SIS 07 10 74; BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 1707 = SIS 07 28 04).
|
|
|
44
|
b) Ein solch offensichtlich unrichtiges
Ergebnis hat das FG für den Streitfall bejaht. Dies ist schon
deshalb nicht zu beanstanden, da die Kläger den Wert der 0,99
%igen Beteiligung zum 30.4.2000 unter Verweis auf das von der W-AG
erstellte Wertgutachten mit 22.574 DM im Vergleich zu einem Wert
laut Stuttgarter Verfahren von lediglich 9.500 DM beziffert
haben.
|
|
|
45
|
Hinzu kommt, dass die Anteilsbewertung nach
dem Stuttgarter Verfahren davon ausgeht, der Betrieb werde in
wirtschaftlich gleichem Umfang weitergeführt. Dies
rechtfertigt im Allgemeinen den Schluss, dass sich auch die
Ertragslage in den nächsten Jahren nicht wesentlich
ändern wird (BFH-Urteile vom 12.1.2011 II R 38/09, BFH/NV
2011, 765 = SIS 11 12 34; in BFHE 215, 508, BStBl II 2007, 635 =
SIS 07 10 74). Bei der Schätzung des voraussichtlichen
künftigen Jahresertrags kann daher der in der Vergangenheit
tatsächlich erzielte, nach R 99 Abs. 3 ErbStR 1999 gewichtete
Durchschnittsertrag als wichtige Beurteilungsgrundlage herangezogen
werden (R 99 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 1999). Im Streitfall ist zwischen
den Beteiligten indes unstreitig, dass es sich bei der erst im Jahr
... gegründeten X-GmbH um ein stark wachsendes und
expandierendes Unternehmen handelte, so dass aufgrund dieser
besonderen einzelfallbezogenen Umstände eine Schätzung an
Hand des Stuttgarter Verfahrens dann nicht in Betracht kommt, wenn
in Zukunft ein erheblich höherer Ertrag zu erwarten ist (vgl.
BFH-Urteile in BFH/NV 2011, 765 = SIS 11 12 34, Rz 15; in BFHE 215,
508, BStBl II 2007, 635 = SIS 07 10 74).
|
|
|
46
|
c) Nicht gefolgt werden kann dem FG aber,
soweit es die auf der fachprüferlichen Stellungnahme des FA
für Groß- und Konzernbetriebsprüfung Z basierende
Schätzung des FA als eigene übernommen hat. Denn diese
Schätzung wurde allein auf Basis der Ertragsaussichten
erstellt, weshalb das FA diese zu Recht mittlerweile selbst nicht
mehr als für die Wertermittlung des streitigen GmbH-Anteils
geeignet ansieht.
|
|
|
47
|
Nach den vorstehenden Ausführungen hat
die Schätzung gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG
vielmehr unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten und auch
des Vermögens zu erfolgen; eine Schätzung, die
ausschließlich am Ertrag ausgerichtet ist, scheidet mithin
von vornherein als nicht mit dem Gesetz vereinbar aus
(BFH-Beschluss vom 18.11.2005 II B 134/04, BFH/NV 2006, 501 = SIS 06 11 52).
|
|
|
48
|
Dessen ungeachtet hat das FG weder die
Grundlagen seiner Schätzung erörtert noch sich mit den
Einwendungen hiergegen und der abweichenden Wertermittlung des
Klägers auseinandergesetzt. Es hat auch nicht dargelegt, dass
und weshalb es über die erforderliche Sachkunde verfügt,
den Wert eines Unternehmens in der Größenordnung der
X-GmbH zu schätzen.
|
|
|
49
|
d) Damit wird das FG im 2. Rechtsgang eine
diesen Anforderungen entsprechende Schätzung des gemeinen
Werts des streitigen Geschäftsanteils auf den 29.4.2000
nachzuholen haben. Sollte dem FG für eine Anteilsbewertung
nach bürgerlich-rechtlichen Bewertungsgrundsätzen die
erforderliche Sachkunde fehlen, wird es ein entsprechendes
Sachverständigengutachten einzuholen haben (BFH-Urteil vom
16.12.2015 IV R 18/12, BFHE 252, 408, BStBl II 2016, 346 = SIS 16 04 61).
|
|
|
50
|
Bei der Bewertung nach
bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen spielen Prognosen
für künftige Entwicklungen eine entscheidende Rolle
(BFH-Urteil vom 27.8.2014 II R 43/12, BFHE 246, 506, BStBl II 2015,
241 = SIS 14 29 69, Rz 48, m.w.N.). Gibt es mehrere anerkannte,
auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für
nichtsteuerliche Zwecke übliche Bewertungsmethoden, ist
für die Überprüfung die Methode anzuwenden, die ein
Erwerber des Geschäftsanteils der Bemessung des Kaufpreises
zugrunde gelegt hätte (BFH-Urteil in BFHE 246, 506, BStBl II
2015, 241 = SIS 14 29 69). Diese Beurteilung entspricht der
Regelung in § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG i.d.F. des Art. 2 Nr. 2
des Erbschaftsteuerreformgesetzes vom 24.12.2008 (BGBl I 2008,
3018). Dabei ist im Hinblick auf § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG in
der für das Streitjahr (noch) geltenden Fassung eine Methode
zu wählen, bei der die Bewertung unter Berücksichtigung
des Vermögens und der Ertragsaussichten der
Kapitalgesellschaft erfolgt (Senatsurteil in BFHE 255, 125, BStBl
II 2017, 69 = SIS 16 22 87; BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 501 = SIS 06 11 52).
|
|
|
51
|
5. Die Übertragung der Kostenentscheidung
beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
|
|
|
52
|
Hinweis: Sämtliche DM- und
EUR-Beträge in diesem Urteil wurden ebenfalls neutralisiert.
Die Proportionen der Beträge zueinander wurden gewahrt.
|