1
|
I. Streitig ist der Ort der von der
Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) in den
Streitjahren (2003 bis 2005) erbrachten sonstigen
Leistungen.
|
|
|
2
|
Die Klägerin ist eine juristische
Person in der Rechtsform einer GmbH, ihre
Geschäftstätigkeit besteht u.a. in der Übernahme und
Verwertung von radioaktiven Strahlenquellen. In den Streitjahren
übernahm sie über 200 Strahlenquellen von im Ausland
ansässigen Auftraggebern und beförderte diese ins Inland.
Zwischen 10 % und 20 % der Strahlenquellen waren nicht mehr
für die weitere Nutzung geeignet und wurden entsorgt, der Rest
wurde wieder aufbereitet und befand sich noch im Bestand der
Klägerin.
|
|
|
3
|
Mit ihren Auftraggebern vereinbarte die
Klägerin in einem einheitlichen Vertrag gegen Zahlung eines
Gesamtpreises im Wesentlichen die Erbringung folgender
Leistungen:
|
|
|
4
|
Einholung von Genehmigungen, Bereitstellung
eines Spezialcontainers, Ausbau und Umladung der Strahlenquelle in
den Container, mit Besitzübergang auf die Klägerin, in
einigen Fällen, auch Rückbau der Einheit, Abtransport des
Containers aus dem Bestrahlungsraum, Freimessung (Nachweis, dass
der Raum, in dem sich die, Strahlenquelle befunden hat, frei von
radioaktiven Stoffen ist), Transportleistungen (Gefahrguttransport
der Strahlenquelle, einschließlich Versicherung) im Aus- und
Inland.
|
|
|
5
|
In Erfüllung dieser Vereinbarungen
holte die Klägerin zunächst behördliche
Transportgenehmigungen ein, organisierte dann einen
Spezialcontainer, baute bei dem jeweiligen Auftraggeber die
Strahlenquelle - und ggf. auch die sonstigen im Bestrahlungsraum
vorhandenen Gerätschaften - aus, brachte diese in den
Transportcontainer und schloss mit dem Auftraggeber einen sog.
Abgrenzungsvertrag, wonach die von der Strahlenquelle ausgehende
Gefahr auf die Klägerin übergeht. Die Strahlenquellen
wurden zunächst zur Prüfung einer Wiederverwendung in das
H-Institut nach X/Inland gebracht und anschließend entweder
aufbereitet, entsorgt oder bei der Klägerin gelagert.
|
|
|
6
|
Die aus dieser Tätigkeit erzielten
Umsätze behandelte die Klägerin als nicht steuerbare
Umsätze. Die im Gemeinschaftsgebiet ansässigen
Leistungsempfänger verwendeten gegenüber der
Klägerin keine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Im Ausland
wurde die Klägerin insoweit nicht zur Umsatzsteuer
herangezogen.
|
|
|
7
|
Im Anschluss an eine
Umsatzsteuer-Sonderprüfung und eine Betriebsprüfung ging
der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) davon
aus, dass die im Zusammenhang mit der Übernahme der
Strahlenquellen im Gemeinschaftsgebiet erzielten Umsätze
steuerbar seien und änderte daher am 11.7.2007 die
Umsatzsteuerbescheide der Streitjahre nach § 164 Abs. 2 der
Abgabenordnung. Die hiergegen erhobenen Einsprüche wies das FA
als unbegründet zurück.
|
|
|
8
|
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das
Finanzgericht (FG) war der Auffassung, die den ausländischen
Auftraggebern erbrachten Leistungen seien nach § 3a Abs. 1 des
Umsatzsteuergesetzes 1999/2005 (UStG) im Inland ausgeführt und
damit steuerbar und steuerpflichtig.
|
|
|
9
|
Die Klägerin habe gegenüber ihren
Auftraggebern jeweils eine einheitliche Leistung erbracht.
Hauptzweck der von der Klägerin erbrachten Leistungen sei -
aus Sicht des Leistungsempfängers - die Übertragung der
ausgedienten Strahlenquellen auf einen anderen Besitzer. Denn
Besitzer ausgedienter Strahlenquellen seien aufgrund Art. 6 Buchst.
e der Richtlinie 2003/122/EURATOM zur Kontrolle hochradioaktiver
umschlossener Strahlenquellen nach Beendigung der Nutzung zur
Rückgabe an den Lieferanten bzw. zur Weitergabe an einen
anderen zugelassenen Besitzer verpflichtet. In der Weitergabe der
Strahlenquellen und ggf. der mit diesen in Kontakt gekommenen
Geräte an einen anderen zugelassenen Besitzer erschöpfe
sich daher der Zweck, der für die Qualifizierung der Leistung
der Klägerin heranzuziehen sei. Ob und wo die Klägerin
die ausgedienten Strahlenquellen und Geräte entsorge, weiter-
oder wiederverwende, spiele für die Auftraggeber keine Rolle.
Für diese sei nur entscheidend, dass sie mit der Weitergabe
der Strahlenquellen an die Klägerin ihren atomrechtlichen
Verpflichtungen nachgekommen seien. Die hierfür notwendigen
Teilleistungen (Ausbau der Strahlenquelle, Anmietung eines
Spezialcontainers, Einholen der Genehmigungen, Freimessung der
Räumlichkeiten, Transport usw.) hätten für die
Auftraggeber keinen eigenen Zweck, sondern stellten lediglich das
Mittel dar, um die Hauptleistung - die Übergabe an einen
zugelassenen Übernehmer - unter optimalen Bedingungen in
Anspruch nehmen zu können und teilten damit das Schicksal
dieser Hauptleistung.
|
|
|
10
|
Bei der einheitlichen Leistung handele es
sich nicht um Arbeiten an beweglichen körperlichen
Gegenständen i.S. des § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c Satz 1
UStG. Strahlenquellen und Geräte seien zwar bewegliche
Gegenstände, die Weitergabe stelle aber mangels
körperlichen Eingriffs in den Gegenstand keine Arbeit an einem
beweglichen körperlichen Gegenstand dar. Der Ausbau der
Strahlenquelle und der Geräte falle zwar unter den Begriff
„Arbeiten an einem Gegenstand“, er stelle jedoch
für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck dar,
sondern das Mittel, um die Hauptleistung „Weitergabe“
in Anspruch nehmen zu können. Als „Arbeiten“ an
einem Gegenstand sei auch nicht die Entsorgung der radioaktiven
Strahlenquellen anzusehen. Maßgebend für die Beurteilung
der Leistungen könne nur sein, welche Leistungen
gegenüber dem Auftraggeber aus dessen Sicht erbracht
würden. Im Streitfall zählten dazu weder die
Verschrottung noch die Wiederverwertung oder Lagerung der
Strahlenquellen.
|
|
|
11
|
Auch § 3a Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Nr. 3
UStG für Leistungen aus der Tätigkeit als Ingenieur
greife im Streitfall nicht ein. Bei den von der Klägerin
erbrachten Leistungen handele es sich um eine Vielzahl von
Leistungen, die einheitlich zu beurteilen seien und deren
Hauptleistung in der Weitergabe der Strahlenquellen liege. Diese
Hauptleistung sei keine Leistung aus der Tätigkeit eines
Ingenieurs.
|
|
|
12
|
Das Urteil ist veröffentlicht in EFG
2010, 1362 = SIS 09 39 13.
|
|
|
13
|
Mit ihrer Revision macht die Klägerin
im Wesentlichen geltend:
|
|
|
14
|
Bei den von ihr erbrachten Leistungen
handele es sich um Arbeiten an beweglichen Gegenständen. Dazu
zähle auch die Entsorgung, die Verschrottung oder die
Vernichtung beweglicher Gegenstände. Der Abbau der
Strahleneinrichtung (mit anschließendem Recycling bzw.
Entsorgung) stelle den intensivsten körperlichen Eingriff in
die Strahlenvorrichtung dar, sodass auch nach der
Begriffsbestimmung des Gerichtshofs der Europäischen Union -
EuGH - (Urteil vom 6.3.1997 C-167/95, Linthorst, Slg. 1997, I-1195
= SIS 97 10 38) Arbeiten an beweglichen Gegenständen
vorlägen. Die Strahlenquelle selbst einschließlich der
sie umgebenden Betriebsvorrichtung würden - wie bei der
Verschrottung - vollständig demontiert und die Voraussetzungen
für den Einbau einer anderen Bestrahlungsvorrichtung
vorbereitet. Der Ausbau der Strahlenquelle einschließlich
Demontage der Einheit bildete das prägende
Leistungselement.
|
|
|
15
|
Soweit keine Arbeiten an beweglichen Sachen
vorliegen sollten, handele es sich jedenfalls um Leistungen aus der
Tätigkeit als Ingenieur i.S. von § 3a Abs. 3 i.V.m. Abs.
4 Nr. 3 UStG. Im Zusammenhang mit der Begutachtung und dem Ausbau
der Strahlenquelle seien nur Ingenieure und unter deren Aufsicht
ingenieurmäßig vorgebildete Personen eingesetzt
worden.
|
|
|
16
|
Die Klägerin beantragt, unter
Aufhebung des Urteils des Sächsischen FG vom 11.11.2009 die
Umsatzsteuerbescheide 2003 bis 2005 vom 11.7.2007 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 12.6.2008 dahingehend zu ändern,
dass die Umsatzsteuer für 2003 um 252.241,76 EUR, für
2004 um 155.174,32 EUR und für 2005 um 69.857,76 EUR
herabgesetzt wird.
|
|
|
17
|
Das FA beantragt sinngemäß, die
Revision zurückzuweisen.
|
|
|
18
|
Es verweist auf die Einspruchsentscheidung
vom 11.7.2007 und trägt ergänzend vor: Es liege eine
einheitliche, komplexe sonstige Leistung im Sinne des EuGH-Urteils
vom 25.1.2001 C-429/97, Kommission/Frankreich (Slg. 2001, I-00637 =
SIS 01 05 51) vor, deren Ortsbestimmung sich nach § 3a Abs. 1
UStG richte. Das Wesen der komplexen Leistung „Abholung der
Strahlenquelle“ liege nicht in der Arbeit an beweglichen
Gegenständen oder in einer Begutachtung dieser
Gegenstände.
|
|
|
19
|
II. Die Revision ist unbegründet und war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu Recht entschieden,
dass die sonstigen Leistungen steuerbar sind, da die Klägerin
ihr Unternehmen von einem Ort im Inland (L) aus betreibt (§ 3a
Abs. 1 UStG).
|
|
|
20
|
1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG
unterliegen der Umsatzsteuer Lieferungen und sonstige Leistungen,
die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines
Unternehmens ausführt.
|
|
|
21
|
a) Die von der Klägerin gegenüber
ihren Auftraggebern erbrachten Leistungen sind vom FG zu Recht als
einheitliche Leistung beurteilt worden.
|
|
|
22
|
Nach der Rechtsprechung des EuGH, der sich der
Bundesfinanzhof (BFH) angeschlossen hat, ist jeder Umsatz in der
Regel als eigene, selbständige Leistung zu betrachten;
allerdings darf eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung im
Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht
künstlich aufgespalten werden. Eine einheitliche Leistung
liegt insbesondere dann vor, wenn ein oder mehrere Teile die
Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile dagegen
Nebenleistungen sind, die das steuerliche Schicksal der
Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer
Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den
Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck erfüllt, sondern
das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter
optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (vgl. EuGH-Urteile vom
25.2.1999 C-349/96, Card Protection Plan (CPP), Slg. 1999, I-973 =
SIS 99 10 25 Rdnrn. 29, 30; vom 27.10.2005 C-41/04, Levob, Slg.
2005, I-9433, BFH/NV Beilage 2006, 38 = SIS 06 02 01 Rdnrn. 19 bis
22; BFH-Urteile vom 15.10.2009 XI R 52/06, BFHE 227, 231, BStBl II
2010, 869 = SIS 09 39 20; vom 13.7.2006 V R 24/02, BFHE 213, 430,
BStBl II 2006, 935 = SIS 06 35 35, unter II.2.c aa).
|
|
|
23
|
Die nach dieser Rechtsprechung erforderliche
Gesamtbetrachtung, ob aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers eine
einheitliche Leistung vorliegt (vgl. EuGH-Urteil Levob in Slg.
2005, I-9433, BFH/NV Beilage 2006, 38 Rdnr. 19, m.w.N.), ist im
Wesentlichen das Ergebnis einer tatsächlichen Würdigung
durch das FG, die den BFH grundsätzlich gemäß
§ 118 Abs. 2 FGO bindet (z.B. BFH-Urteile vom 17.4.2008 V R
39/05, BFH/NV 2008, 1712 = SIS 08 36 15, unter II.2.d; vom
24.1.2008 V R 12/05, BFHE 221, 310, BStBl II 2009, 60 = SIS 08 14 79, unter II.2.b; vom 6.9.2007 V R 14/06, BFH/NV 2008, 624 = SIS 08 14 54, unter II.2. und 3.; vom 6.12.2007 V R 66/05, BFHE 221, 60,
BStBl II 2008, 638 = SIS 08 12 04, unter II.3.).
|
|
|
24
|
b) Ausgehend hiervon ist die Würdigung
des FG, dass die Übertragung der ausgedienten Strahlenquellen
auf die Klägerin aus der maßgeblichen Sicht des
Durchschnittsverbrauchers den Hauptzweck der klägerischen
Leistungen darstellt und die in diesem Zusammenhang erbrachten
weiteren Leistungen als Nebenleistungen anzusehen sind,
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden:
|
|
|
25
|
aa) Das FG ist von den dargelegten
Abgrenzungsgrundsätzen des EuGH und des BFH ausgegangen und
dabei zu dem Ergebnis gelangt, es liege eine aus Haupt- und
Nebenleistung zusammengesetzte einheitliche Leistung vor, weil der
Ausbau der Strahlenquelle, die Anmietung eines Spezialcontainers,
das Einholen der erforderlichen Genehmigungen, die Freimessung der
Räumlichkeiten, der Transport und die übrigen
Teilleistungen keinen eigenen Zweck erfüllen, sondern aus
Sicht der Leistungsempfänger lediglich das Mittel darstellten,
um die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch nehmen
zu können. Das FG hat hierzu weiter ausgeführt, dass die
jeweiligen Besitzer ausgedienter Strahlenquellen aufgrund Art. 6
Buchst. e) der Richtlinie 2003/122/EURATOM zur Kontrolle
hochradioaktiver umschlossener Strahlenquellen nach Beendigung der
Nutzung zur Weitergabe der Strahlenquellen an einen anderen
zugelassenen Besitzer verpflichtet seien. In der Abgabe der
Strahlenquellen und ggf. der mit diesen in Kontakt gekommenen
Geräte an einen zugelassenen Besitzer erschöpfe sich der
für die Qualifizierung der Leistung der Klägerin
maßgebende Zweck. Ob und wo die Klägerin die
ausgedienten Strahlenquellen und Geräte entsorge, ob sie diese
weiter- oder wiederverwende, spiele für die Auftraggeber keine
Rolle. Für diese sei nur entscheidend, dass sie mit der
Weitergabe der Strahlenquellen ihren atomrechtlichen
Verpflichtungen nachkomme.
|
|
|
26
|
bb) Diese Würdigung des FG lässt
Rechtsfehler nicht erkennen, sie verstößt insbesondere
nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze (vgl.
§ 118 Abs. 2 FGO; BFH-Urteile vom 6.3.2007 IX R 38/05, BFH/NV
2007, 1281 = SIS 07 19 90, unter II.2.c; vom 4.12.2001 IX R 70/98,
BFH/NV 2002, 635 = SIS 02 62 17, unter II.2., m.w.N.).
|
|
|
27
|
cc) Auch wenn - entgegen der Würdigung
des FG - keines der von der Klägerin erbrachten
Leistungselemente dominierte und damit der einheitlichen Leistung
als Hauptleistung das Gepräge gäbe, würde sich der
Ort der sonstigen Leistung nach § 3a Abs. 1 UStG bestimmen.
Denn in diesem Fall wäre von einer komplexen sonstigen
Leistung im Sinne des EuGH-Urteils Kommission/ Frankreich in Slg.
2001, I-00637 auszugehen. Danach bestimmt sich der Ort der Leistung
für verschiedene Dienstleistungen auf dem Gebiet der
Abfallbehandlung - wie das Einsammeln, das Sortieren, die
Beförderung, die Lagerung, die Bearbeitung, die
Wiederverwertung und die eigentliche Beseitigung - gemäß
Art. 9 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.5.1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) nach dem Ort,
an dem das Hauptunternehmen den Sitz seiner wirtschaftlichen
Tätigkeit hat (EuGH-Urteil Kommission/ Frankreich in Slg.
2001, I-00637 Rdnr. 49).
|
|
|
28
|
2. Eine von § 3a Abs. 1 UStG abweichende
Ortsbestimmung nach § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c UStG oder
§ 3a Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Nr. 3 UStG hat das FG zu Recht
abgelehnt.
|
|
|
29
|
a) Nach § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c Satz
1 UStG werden Arbeiten an beweglichen körperlichen
Gegenständen und die Begutachtung dieser Gegenstände dort
ausgeführt, wo der Unternehmer jeweils ausschließlich
oder zum wesentlichen Teil tätig wird. Unionsrechtliche
Grundlage dieser Vorschrift ist Art. 9 Abs. 2 Buchst. c vierter
Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG. Danach befindet sich der
Ort der Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen
dort, wo diese Dienstleistungen tatsächlich bewirkt
werden.
|
|
|
30
|
aa) Die in § 3a Abs. 2 UStG verwendeten
Begriffe „Arbeiten an beweglichen körperlichen
Gegenständen“ sind unionsrechtlich auszulegen. Nach
der EuGH-Entscheidung Linthorst in Slg. 1997, I-1195 wird mit
„Arbeiten an beweglichen körperlichen
Gegenständen“ im Allgemeinen ein Eingriff in
bewegliche körperliche Gegenstände bezeichnet, der
grundsätzlich nicht wissenschaftlicher oder intellektueller
Natur ist. Dazu gehören insbesondere Reparatur- und
Wartungsarbeiten an Maschinen und sonstigen beweglichen Sachen
(vgl. Birkenfeld in Umsatzsteuer-Handbuch, § 74 UStG Rz 633;
Leonard in Bunjes/Geist, UStG, 9. Aufl., § 3a Rz 22).
|
|
|
31
|
bb) Die Voraussetzungen des § 3a Abs. 2
UStG liegen - entgegen der Ansicht der Klägerin - nicht vor.
Denn nach den vom FG in Bezug genommenen Vereinbarungen der
Klägerin mit den Leistungsempfängern gehören weder
die Entsorgung noch die Vernichtung der ausgedienten
Strahlenquellen zu den von ihr geschuldeten Leistungen. Mit
körperlichen Einwirkungen auf bewegliche Sachen verbunden ist
lediglich der Ausbau der jeweiligen Strahlenquelle. Insoweit
handelt es sich jedoch um eine Nebenleistung, die auch hinsichtlich
der Ortsbestimmung das Schicksal der Hauptleistung teilt. Diese
besteht in der Übernahme von Strahlungsquellen und ist, wie
das FG zu Recht entschieden hat, kein körperlicher Eingriff in
den Gegenstand.
|
|
|
32
|
b) Die Leistungen der Klägerin fallen
auch nicht unter § 3a Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Nr. 3 UStG. Danach
werden u.a. die sonstigen Leistungen aus der Tätigkeit als
Ingenieur, sofern deren Empfänger ein Unternehmer ist, dort
ausgeführt, wo der Empfänger sein Unternehmen betreibt.
Diese Norm dient der Umsetzung von Art. 9 Abs. 2 Buchst. e dritter
Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG. Abweichend von der
Grundregel des Leistungsortes für sonstige Leistungen in Abs.
1 gilt danach als Ort der Leistungen von Beratern, Ingenieuren,
Studienbüros, Anwälten, Buchprüfern und sonstigen
ähnlichen Leistungen der Ort, an dem der Empfänger den
Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste
Niederlassung hat, für welche die Dienstleistung erbracht
worden ist, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer
solchen Niederlassung sein Wohnort oder sein üblicher
Aufenthaltsort.
|
|
|
33
|
aa) Art. 9 Abs. 2 Buchst. e dritter
Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG bezieht sich nach der
Rechtsprechung des EuGH nicht auf Berufe wie Anwalt, Berater,
Buchprüfer oder Ingenieur, sondern auf Leistungen. Der
Unionsgesetzgeber habe nicht alle freiberuflichen Tätigkeiten,
sondern nur die hauptsächlich und gewöhnlich zu diesem
Beruf gehörenden Leistungen erfassen wollen. Entscheidend sei
deshalb, ob die betreffenden Leistungen zu den Leistungen
gehören, die hauptsächlich und gewöhnlich im Rahmen
der in Art. 9 Abs. 2 Buchst. e dritter Gedankenstrich der
Richtlinie 77/388/EWG angeführten Berufe erbracht werden
(EuGH-Urteile vom 7.10.2010 C-222/09, Kronospan, BFH/NV 2010, 2377
= SIS 10 33 41 Rdnr. 19; vom 16.9.1997 C-145/96, Hoffmann, Slg.
1997, I-4857 = SIS 97 22 39 Rdnrn. 16 und 17; EuGH-Urteil Levob in
Slg. 2005, I-9433, BFH/NV Beilage 2006, 38 Rdnr. 37). Diese
Grundsätze sind auch bei der Auslegung des § 3a Abs. 3
und Abs. 4 Nr. 3 UStG zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom
5.6.2003 V R 25/02, BFHE 202, 191, BStBl II 2003, 734 = SIS 03 36 32, unter II.2.b a.E.).
|
|
|
34
|
bb) Die Ausübung des Ingenieurberufs ist
nach der EuGH-Rechtsprechung dadurch gekennzeichnet, Kenntnisse und
bestehende Prozesse auf konkrete Probleme anzuwenden sowie neue
Kenntnisse zu erwerben und neue Prozesse zur Lösung dieser und
neuer Probleme zu entwickeln (EuGH-Urteil Kronospan in BFH/NV 2010,
2377 = SIS 10 33 41 Rdnr. 19). Dies ist insbesondere der Fall, wenn
auf der Grundlage natur- und technikwissenschaftlicher Erkenntnisse
und unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Belange technische
Werke geplant, konstruiert, oder ihre Fertigung überwacht wird
oder aufgrund dieser Kenntnisse konkrete Probleme gelöst oder
entwickelt werden (vgl. z.B. auch BFH-Urteile vom 17.1.2007 XI R
5/06, BFHE 216, 334, BStBl II 2007, 519 = SIS 07 13 11; vom
4.5.2004 XI R 9/03, BFHE 206, 233, BStBl II 2004, 989 = SIS 04 37 78; vom 9.2.2006 IV R 27/05, BFH/NV 2006, 1270 = SIS 06 25 73 zu
den charakteristischen Merkmalen des Ingenierberufs).
|
|
|
35
|
cc) Das FG hat im Ergebnis zu Recht
entschieden, dass die einheitliche Leistung der Klägerin nicht
unter § 3a Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Nr. 3 UStG fällt. Die im
Streitfall maßgebliche Hauptleistung der Klägerin, die
Übernahme der Strahlenquellen, gehört nicht zu den
Tätigkeiten, die im Rahmen des Ingenieurberufs
hauptsächlich und gewöhnlich erbracht werden. Es ist
daher nicht entscheidungserheblich, ob einzelne Teilleistungen
typischerweise auch von Ingenieuren ausgeführt werden. Auch
wenn für den Ausbau der Strahlenquellen natur- und
technikwissenschaftliche Erkenntnisse erforderlich sein können
und Arbeiten an Strahlenquellen gemäß den
atomrechtlichen Vorschriften nur von Ingenieuren bzw. unter deren
Aufsicht von ingenieurmäßig vorgebildeten Fachpersonen
ausgeführt werden dürfen, hat das FG zu Recht
ausgeführt, dass der Ausbau für den
Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck, sondern nur das
Mittel darstellt, um die Hauptleistung in Anspruch nehmen zu
können. Andere Arbeiten an Strahlenquellen fallen erst nach
der Übernahme der Strahlenquellen und deren Beförderung
ins Inland im Rahmen einer etwaigen Entsorgung bzw.
Wiederverwertung an und gehören somit - wie bereits
ausgeführt wurde - nicht zu den von der Klägerin
geschuldeten Leistungen.
|
|
|
36
|
3. Nach den Verhältnissen des Streitfalls
ist nicht darüber zu entscheiden, ob im Hinblick auf die der
Klägerin zur weiteren Verwendung überlassenen
Strahlenquellen eine Lieferung der Leistungsempfänger an die
Klägerin vorliegt. Dies würde zu einem
tauschähnlichen Umsatz und damit ggf. zu einer Erhöhung
der Bemessungsgrundlage für die erbrachten Leistungen
führen. Im Hinblick auf das auch im Revisionsverfahren
geltende Verböserungsverbot (§ 121 Satz 1 i.V.m. §
96 Abs. 1 Satz 2 FGO) ist es dem BFH jedoch versagt, über das
erstinstanzliche Klagebegehren hinauszugehen.
|
|
|