Umsätze aus sog. Mailingaktionen als einheitliche sonstige Leistungen: Ein Unternehmer, der im Rahmen sog. "Mailingaktionen" an gemeinnützige Organisationen in Italien ein Bündel von Leistungen zur Planung, Herstellung, Verteilung und Erfolgskontrolle von Serienbriefen erbringt, um deren Adressaten zur Zahlung von Spenden zu bewegen, führt gegenüber seinen Auftraggebern eine einheitliche sonstige Leistung i.S. des § 3 Abs. 9 UStG und keine steuerermäßigte Lieferung von Druckschriften aus. - Urt.; BFH 15.10.2009, XI R 52/06; SIS 09 39 20
I. Streitig ist
die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Leistungen im
Zusammenhang mit der Planung, Herstellung und Distribution sog.
Mailings (Serienbriefe zum Zwecke der Information und des
Spendensammelns) für
gemeinnützige Organisationen in Italien.
Im Streitjahr 2001 gründete die S-AG
die im Inland ansässige S-GmbH. Unternehmensgegenstand der S-GmbH war der
Aufbau und Betrieb von Direktmarketing-Aktivitäten in Italien.
Während des Revisionsverfahrens wurde sie auf die K-GmbH, die
(nunmehrige) Klägerin und Revisionsklägerin
(Klägerin), verschmolzen.
Die S-GmbH erstellte in Abstimmung mit dem
jeweiligen Auftraggeber eine Informationsschrift, wobei sie die
gesamte Redaktion übernahm. Sie mietete von Listeneignern die
Adressen „spendenaffiner“ Personen zum einmaligen
Gebrauch an. Sie vergab den Druckauftrag an eine Druckerei. Zur
Versendung wurden die Briefe entweder an einen
„Lettershop“ nach Italien übersandt, der die
Briefe kuvertierte, oder sie wurden bereits in der Druckerei
kuvertiert und von dort direkt nach Italien geschafft.
Anhand der Kennziffern der in den
versandten Briefen enthaltenen Überweisungsträger
ermittelte die S-GmbH, welche der angeschriebenen Personen
gespendet hatten. Sie erstellte hierüber für ihre
Auftraggeber eine Statistik. Diese nachbereitenden Arbeiten dienten
wiederum der Vorbereitung weiterer Mailings (sog. Housemailings) im
Rahmen des jeweiligen Mailplans.
Für den Voranmeldungszeitraum August
2001 erklärte die S-GmbH nicht steuerbare und nicht
steuerpflichtige Umsätze, die den Vorsteuerabzug nicht
ausschließen, und machte gleichzeitig Vorsteuern in Höhe
von 26.541 EUR geltend. Im Verlauf einer anschließenden
Umsatzsteuer-Sonderprüfung reichte sie weitere Voranmeldungen
für September bis Dezember 2001 ein, in denen sie ebenfalls
nicht steuerbare und nicht steuerpflichtige Umsätze, die den
Vorsteuerabzug nicht ausschließen, sowie Vorsteuern in
Höhe von insgesamt 60.480 EUR geltend machte.
Im Anschluss an die
Umsatzsteuer-Sonderprüfung gelangte der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) zu dem Ergebnis, dass die
S-GmbH gemäß § 3a Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes
1999 (UStG) im Inland steuerpflichtige sonstige Leistungen
ausführe, die dem Regelsteuersatz unterlägen. Mit ihren
Leistungen erbringe sie - auch aus Sicht der
Leistungsempfänger - nicht nur die Lieferung von
versandfertigen Werbedrucksachen, sondern ein Leistungsbündel,
das eine einheitliche sonstige Leistung in Gestalt einer jeweils
strategisch angelegten, individuell abgestimmten und auf Dauer
ausgerichteten Werbekampagne beinhalte. Die Kunden seien nicht an
dem körperlichen Erhalt der Mailings, sondern an der
damit verknüpften
Geistestätigkeit der S-GmbH und dem erhofften Effekt
eines Anstiegs der Mitgliedschaften und des Spendeneingangs
interessiert. Das FA erließ hierauf entsprechend
geänderte Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für Juli
bis Dezember 2001.
Ebenso wurde im Steuerbescheid vom
17.7.2003 hinsichtlich der - während des Einspruchsverfahrens
abgegebenen - Umsatzsteuerjahreserklärung für 2001
verfahren.
In der mündlichen Verhandlung vor dem
Finanzgericht (FG) verständigten sich die Beteiligten
dahingehend, dass der Anteil der Adressenbeschaffung 25 % der
Ausgangsumsätze betragen habe.
Die Klage hatte keinen Erfolg (die
Entscheidung ist abgedruckt in EFG 2006, 1014 = SIS 06 27 36). Die
Umsätze aus den Mailingaktionen seien gemäß §
3 Abs. 9 Satz 1 i.V.m. § 3a Abs. 1 UStG in Deutschland
steuerbar. Zu Recht habe das FA die streitigen Leistungen der
S-GmbH als einheitliche Gesamtleistung beurteilt, bei der weder die
Adressengestellung noch die Herstellung und der Versand der
Informationsschriften als selbständige Leistungen anzusehen
seien. Diese Leistungen seien zwar am
Markt auch getrennt zu bekommen, im Streitfall aber
eingebettet in eine Komplettdienstleistung im Rahmen des
Spendenmarketings. Die Information über die Organisationen und
ihre aktuellen Projekte sei kein Selbstzweck, sondern bezwecke,
Spendengelder und Mitgliedschaften einzuwerben, wie sich den
regelmäßig beigefügten Spendenaufrufen mit
vorbereiteten Überweisungsträgern und deren Auswertung
entnehmen lasse.
Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Dem
FG könne zwar darin gefolgt werden, dass es sich bei den
Tätigkeiten der S-GmbH um eine einheitliche Leistung handele
und - im Gegensatz zu dem Urteil des FG Köln vom 13.2.2003 15
K 600/99 (EFG 2003, 810 = SIS 03 25 31) - dass die
Adressengestellung nicht als selbständige Hauptleistung
anzusehen sei, sondern in eine komplette Dienstleistung eingebettet
sei.
Leistungsgegenstand sei aber immer die
Herstellung der Informationsschriften bzw. das Endprodukt
„Mailing“ gewesen, vergleichbar der Erstellung einer
Zeitschrift. Die damit einhergehenden notwendigen Nebenleistungen
hätten für ihre Kunden keine eigenen Zwecke gehabt,
sondern nur ermöglicht, die Hauptleistung
„Mailing“ unter optimalen Bedingungen zu erhalten.
Diese unterliege gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG
i.V.m. Nr. 49 der dazugehörigen Anlage zum UStG dem
ermäßigten Steuersatz. Die Bezeichnung
Komplettdienstleistung durch das FG sei irreführend, da
Lieferungen typischerweise stets mit Dienstleistungen verbunden
seien, die auch individuell und kundenspezifisch ausgerichtet
seien. Das FG habe versäumt, Beweis über die Tatsache zu
erheben, ob es sich im Streitfall um
„Komplettdienstleistungen im Bereich des
Spendenmarketings“ gehandelt habe.
Selbst wenn die Spendeneinwerbung im
Vordergrund gestanden haben sollte, so wäre die Tätigkeit
der S-GmbH jedenfalls deshalb gemäß § 12 Abs. 2 Nr.
1 UStG i.V.m. Nr. 49 der dazugehörigen Anlage zum UStG
steuerbegünstigt, weil gemeinnützige Organisationen keine
Werbungtreibende im Sinne dieser Vorschrift seien. Es sei zu
unterscheiden zwischen Druckerzeugnissen zur Werbung für
entgeltliche Leistungen (geschäftliche Werbung) und solchen
für andere Zwecke, wie z.B. Beitrittswerbung. Spendenwerbung
sei keine Werbung, die eine entgeltliche Leistung betreffe.
Während des Revisionsverfahrens hat
das FA den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid vom 17.7.2003 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.8.2003 durch Bescheide
vom 24.4.2006 und vom 17.7.2006 geändert. Die Beteiligten
haben erklärt, die Änderungsbescheide berührten die
tatsächlichen Grundlagen des Streitfalls nicht.
Die Klägerin beantragt, unter
Aufhebung der Vorentscheidung die Umsatzsteuer 2001 auf ./.
70.447,72 EUR herabzusetzen, hilfsweise die erbrachte Leistung
entsprechend dem Urteil des FG Köln in EFG 2003, 810 = SIS 03 25 31 zu beurteilen, indem 25 % der Umsätze als Lieferung
behandelt und nur die restlichen 75 % dem ermäßigten
Steuersatz unterworfen werden.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Die S-GmbH habe eine Komplettdienstleistung
im Rahmen des Spendenmarketings (sog. Fundraising) erbracht, die
nicht in ihre Einzelbestandteile zergliedert werden könne.
Eine Bewertung der Bereitstellung der angemieteten Adressen als
selbständige Hauptleistung verstoße gegen den Grundsatz
der Einheitlichkeit der Leistung. Dass Informationsschriften
isoliert betrachtet als Druckerzeugnisse in die Nr. 49 der Anlage
zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG einzureihen seien, besage nichts
für die Frage, ob die Leistung im Streitfall eine einheitliche
sonstige Leistung sei.
II. Die Revision führt zwar aus
verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der
Vorentscheidung, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Der Senat
entscheidet aufgrund seiner Befugnis aus § 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der Sache selbst und weist
die Klage auf der Grundlage der fortgeltenden finanzgerichtlichen
Feststellungen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
12.9.2007 VIII R 38/04, BFH/NV 2008, 37 = SIS 08 04 60, m.w.N.) als
unbegründet ab. Die streitigen
Umsätze sind einheitliche sonstige Leistungen und im Inland
mit dem Regelsteuersatz steuerbar (§ 3 Abs. 9 Satz 1 i.V.m.
§ 3a Abs. 1, § 12 Abs. 1 UStG).
1. Das FG hat über den angefochtenen
Umsatzsteuerbescheid vom 17.7.2003 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 18.8.2003 entschieden. An die Stelle
dieses Bescheids traten während des Revisionsverfahrens die
Änderungsbescheide vom 24.4.2006 und vom 17.7.2006. Damit
liegt dem FG-Urteil ein in seiner Wirkung suspendierter Bescheid
zugrunde mit der Folge, dass auch das FG-Urteil insoweit keinen
Bestand mehr haben kann (vgl. BFH-Urteile vom 6.12.2007 V R 61/05,
BFHE 221, 55, BStBl II 2008, 695 = SIS 08 16 95; in BFH/NV 2008, 37
= SIS 08 04 60; vom 13.12.2006 VIII R 62/04, BFHE 216, 199, BStBl
II 2007, 568 = SIS 07 06 10, und vom 28.8.2003 IV R 20/02, BFHE
203, 143, BStBl II 2004, 10 = SIS 03 42 92).
Die Änderungsbescheide vom 24.4.2006 und
vom 17.7.2006 wurden nach § 68 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1
FGO Gegenstand des Revisionsverfahrens (vgl. BFH-Urteil in BFHE
221, 55, BStBl II 2008, 695 = SIS 08 16 95). Da sich hinsichtlich
der streitigen Punkte durch diese Bescheide keine Änderungen
ergeben haben und die Klägerin auch keinen weitergehenden
Antrag gestellt hat, bedarf es keiner Zurückverweisung der
Sache gemäß § 127 FGO. Das finanzgerichtliche
Verfahren leidet nicht an einem Verfahrensmangel, sodass die vom FG
getroffenen tatsächlichen Feststellungen durch die Aufhebung
des Urteils nicht weggefallen sind; sie bilden nach wie vor die
Grundlage für die Entscheidung des Senats (vgl. BFH-Urteil in
BFH/NV 2008, 37 = SIS 08 04 60, m.w.N.).
Die Verschmelzung der ursprünglichen
Klägerin, der S-GmbH, auf die K-GmbH führte zur
Gesamtrechtsnachfolge (vgl. BFH-Urteil vom 9.8.2007 V R 27/04, BFHE
217, 314 = SIS 07 31 80) und damit zum gesetzlichen
Beteiligtenwechsel (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 1 des
Umwandlungsgesetzes). Die K-GmbH ist daher an Stelle der S-GmbH
nunmehr als Klägerin beteiligt.
2. Die
Mailingaktionen der S-GmbH sind vom FG zu Recht als jeweils
einheitliche Leistung beurteilt worden.
a) Für
die Annahme einer einheitlichen Leistung sind im Wesentlichen die
folgenden gemeinschaftsrechtlich geklärten Grundsätze zu
berücksichtigen (vgl. z.B. Urteile des Gerichtshofs der
Europäischen Gemeinschaften - EuGH - vom 25.2.1999 Rs.
C-349/96 - CPP -, Slg. 1999, I-973, UR 1999, 254 = SIS 99 10 25,
Randnrn. 28 ff., und vom 27.10.2005 Rs. C-41/04 - Levob
Verzekeringen und OV Bank -, Slg. 2005, I-9433, BFH/NV Beilage
2006, 38 = SIS 06 02 01, Randnrn. 19 ff.; BFH-Urteile vom 9.6.2005
V R 50/02, BFHE 210, 182, BStBl II 2006, 98 = SIS 05 39 64; vom
6.12.2007 V R 66/05, BFHE 221, 60, BStBl II 2008, 638 = SIS 08 12 04, und vom 24.1.2008 V R 12/05, BFHE 221, 310, BStBl II 2009, 60 =
SIS 08 14 79, m.w.N.): Zum einen ist jede Leistung in der Regel als
eigene, selbständige Leistung zu betrachten, zum anderen darf
eine wirtschaftlich einheitliche Leistung im Interesse eines
funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich
aufgespalten werden. Daher ist das Wesen bzw. sind die
charakteristischen Merkmale des fraglichen Umsatzes zu ermitteln,
um festzustellen, ob der Steuerpflichtige dem Verbraucher mehrere
selbständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung
erbringt. Dabei ist auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers
abzustellen.
Tragen mehrere, untereinander gleich zu
wertende Faktoren zur Erreichung eines Zieles bei und gehören
sie aus diesem Grunde zusammen, so ist die Annahme einer
einheitlichen Leistung nur gerechtfertigt, wenn die einzelnen
Faktoren so ineinander greifen, dass sie bei natürlicher
Betrachtung hinter dem Ganzen zurücktreten (vgl. BFH-Urteil
vom 15.9.1994 XI R 51/91, BFH/NV 1995, 553; BFH-Beschluss vom
18.12.1980 V B 24/80, BFHE 132, 147, BStBl II 1981, 197 = SIS 81 09 22). Nach dem EuGH-Urteil in Slg. 2005, I-9433, BFH/NV Beilage
2006, 38 = SIS 06 02 01 (Levob Verzekeringen und OV Bank) ist bei
einem Umsatz, der ein Leistungsbündel darstellt, eine
Gesamtbetrachtung vorzunehmen, um zu bestimmen, ob zwei oder
mehrere getrennte Leistungen vorliegen oder eine einheitliche
Leistung und ob im letztgenannten Fall diese einheitliche Leistung
als Dienstleistung einzustufen ist.
b) Auf der Grundlage der tatsächlichen
Feststellungen des FG ist im Streitfall bei der jeweiligen
Mailingaktion von einer einheitlichen Leistung auszugehen. Aus der
maßgeblichen Sicht des Durchschnittsverbrauchers bot die
S-GmbH ein Leistungsbündel an, in dem die einzelnen Leistungen
aufeinander abgestimmt waren, um die Spendenbereitschaft der
Adressaten der Spendenbriefe zu wecken. Dadurch, dass die S-GmbH
anhand der Kennziffern auf den Überweisungsträgern die
Spender feststellen konnte, war sie in der Lage, gezielt erneute
Spendenbriefe als sog. Housemailings nur an diejenigen Adressaten
zu versenden (Nachfassaktion), die bereits auf frühere
Mailings der jeweiligen Organisation reagiert hatten. Grundlage
hierfür war aber die erstmalige Beschaffung der Adressen
geeigneter potentieller Spender von den Listeneignern durch die
S-GmbH. Die Leistungen der S-GmbH bauten somit aufeinander auf und
gingen über die schlichte Herstellung und Versendung der
Informationsschriften bzw. Mailings hinaus, wobei die einzelnen
Leistungen jeweils ineinander griffen. Eine Herauslösung etwa
der Beschaffung der Adressenlisten aus dem von der S-GmbH
geschuldeten Leistungsbündel erschiene danach künstlich.
Das wird im Revisionsverfahren von der Klägerin auch zu Recht
nicht mehr in Frage gestellt.
3. Die jeweiligen
Mailingaktionen der S-GmbH sind einheitliche sonstige
Leistungen und keine steuerbegünstigten Lieferungen von
Druckwerken (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 49 der Anlage
zum UStG).
a) Gemäß § 3 Abs. 1 UStG sind
Lieferungen eines Unternehmers Leistungen, durch die er oder in
seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag
einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen
Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der
Verfügungsmacht). Sonstige Leistungen sind gemäß
§ 3 Abs. 9 UStG Leistungen, die keine Lieferungen sind.
Ob bei einer
einheitlichen Leistung, die sowohl Lieferungselemente als auch
Elemente sonstiger Leistungen aufweist, der Umsatz als Lieferung
von Gegenständen oder als Dienstleistung (sonstige Leistung)
zu beurteilen ist, richtet sich im Wesentlichen nach folgenden
gemeinschaftsrechtlich geklärten Grundsätzen: Im Rahmen
einer Gesamtbetrachtung ist das Wesen des Vorgangs zu ermitteln;
maßgebend ist die Sicht des Durchschnittsverbrauchers
(vgl. EuGH-Urteile in Slg. 1999, I-973, UR 1999, 254 = SIS 99 10 25, Randnr. 28; vom 17.5.2001 Rs. C-322/99 und C-323/99 -
Fischer und Brandenstein -, Slg. 2001, I-4049, BFH/NV Beilage 2001,
177 = SIS 01 08 79, Randnr. 62, und in Slg. 2005, I-9433, BFH/NV
Beilage 2006, 38 = SIS 06 02 01; BFH-Urteile vom 9.10.2002 V R
5/02, BFHE 200, 135, BStBl II 2004, 470 = SIS 03 09 03, und in BFHE
210, 182, BStBl II 2006, 98 = SIS 05 39 64). Wenn die Lieferungen nur einen Teil des
Umsatzes darstellen, die Dienstleistungen aber qualitativ
überwiegen, ist der Umsatz als Dienstleistung zu beurteilen
(vgl. EuGH-Urteile in Slg. 2001, I-4049, BFH/NV Beilage 2001, 177 =
SIS 01 08 79, Randnr. 62; vom 2.5.1996 Rs. C-231/94 -
Faaborg-Gelting Linien -, Slg. 1996, I-2395, BStBl II 1998, 282 =
SIS 96 15 24, Randnr. 14; BFH-Urteil vom 18.12.2008 V R 55/06, BFHE
223, 539 = SIS 09 08 71).
b) Ausgehend
von diesen Grundsätzen stellt sich bei einer Gesamtbetrachtung
der von der S-GmbH entfalteten komplexen Tätigkeit die
jeweilige Mailingaktion ihrem gesamten Wesen und ihrer Zielsetzung
nach als einheitliche sonstige Leistung dar.
Bei einer qualitativen Abwägung zwischen
den Lieferelementen und den Leistungselementen überwiegen die
Dienstleistungselemente. Denn der wirtschaftliche Gehalt des
Umsatzes liegt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht in
der Zuwendung eines in den Werbebriefen verkörperten Sachwerts
und dem Bedrucken von Papier durch die damit beauftragten
Druckereien (Lieferung), sondern darin, durch ein abgestuftes und
aufeinander abgestimmtes Vorgehen möglichst gezielt geeignete
potentielle Spender der jeweiligen Organisationen anzusprechen und
ein möglichst hohes Spendenaufkommen zu erreichen. Unter den
Einzelleistungen überwiegen diejenigen mit
Dienstleistungscharakter, nämlich die Anmietung der
Adressenlisten „spendenaffiner“ Personen, die
Erfolgskontrolle anhand der Spendeneingänge zur Optimierung
weiterer Aktionen und die der Durchführung zugrunde liegende
Gesamtkonzeption; der Lieferung der Informationsschriften allein
ist im Vergleich hierzu kein vergleichbares Gewicht beizumessen.
Dass die Informationsschriften einen für die Gesamtleistung
notwendigen Teil darstellen, ändert insoweit nichts, denn dies
gilt gleichermaßen für die Anmietung der Adressen und
die nachträgliche Erfolgskontrolle.
c) Gemäß § 3a Abs. 1 UStG
wurden die streitigen Dienstleistungen an dem Ort ausgeführt,
von dem aus die S-GmbH ihr Unternehmen betrieben hat. Sie sind
somit im Inland steuerbar und steuerpflichtig. Dass sich der
Leistungsort im Streitfall aufgrund von Sonderregelungen - etwa des
§ 3a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3a Abs. 4 UStG - nicht nach
§ 3a Abs. 1 UStG bestimmt, ist weder vorgetragen noch anhand
der Feststellungen des FG ersichtlich.
4. Das Vorbringen, das FG habe es
versäumt, Beweis zu erheben über die
„Tatsachenfrage“, ob die S-GmbH
„Komplettdienstleistungen im Bereich des
Spendenmarketings“ erbrachte, ist nicht geeignet, einen
Verfahrensmangel des FG darzulegen. Die Frage, ob es sich im
Streitfall um „Komplettdienstleistungen im Bereich des
Spendenmarketings“ handelt, ist anhand der einzelnen vom
FG festgestellten Teilelemente des Leistungsprogramms der S-GmbH
und der sonstigen Begleitumstände zu beurteilen. Welche
konkreten Sachverhalte noch weiterer Aufklärung bedurften und
was dazu zu veranlassen gewesen wäre, hat die Klägerin
nicht dargetan. Sie trägt insoweit lediglich vor, die
Herstellung und der Versand der Informationsschriften seien das
Ziel gewesen und die anderen Tätigkeiten lediglich das Mittel
zu diesem Zweck. Damit gibt sie aber nur ihre Wertung des
Sachverhalts wieder und benennt keine Tatsachen, die
zusätzlich zu den Feststellungen des FG konkret zu beweisen
wären. Im Grunde wendet sie sich gegen die rechtliche Wertung
ihrer Leistungen als Dienstleistungen und nicht als Lieferungen.
Dies ist aber keine Tat- sondern eine Rechtsfrage.
5. Aus den von der Klägerin vorgelegten
unverbindlichen Zolltarifauskünften, in denen die Mailings
zolltariflich als steuerbegünstigte Lieferungen klassifiziert
wurden, folgt nicht, dass die Leistungen der S-GmbH dem
ermäßigten Steuersatz unterliegen. Ausgangspunkt
für die Bestimmung des Steuersatzes ist zunächst die
umsatzsteuerrechtliche Beurteilung, ob eine Lieferung oder sonstige
Leistung vorliegt. Erst wenn geklärt ist, dass die Lieferung
eines Gegenstands vorliegt, kann geprüft werden, ob der
Gegenstand unter eine Nummer der Liste der dem
ermäßigten Steuersatz unterliegenden Gegenstände
fällt (vgl. Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 141 Rz
116 und 121). Da die S-GmbH im Streitfall sonstige Leistungen
erbracht und es somit bereits an der Lieferung eines Gegenstands
gefehlt hat, kommt der zollrechtlichen Tarifierung keine Bedeutung
zu.
6. Die Revision hat auch mit ihrem Hilfsantrag
keinen Erfolg. Der Auffassung, die jeweils erbrachte Leistung sei
entsprechend dem Urteil des FG Köln in EFG 2003, 810 = SIS 03 25 31 als zwei (selbständige) - unterschiedlichen
Steuersätzen unterliegende - Hauptleistungen zu beurteilen (25
% der Umsätze für die Adressengestellung und die
restlichen 75 % für die Informationsschriften), ist aus dem
unter II.2. angeführten Gründen nicht zu folgen.