Beschränkt steuerpflichtige Künstler, Steuerabzug, Rechtmäßigkeit bis 2007: Es ist derzeit nicht ernstlich zweifelhaft, dass der Steuerabzug nach § 50 a Abs. 4 EStG 2002 unter Beachtung der Grundsätze, die der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in seinen Urteilen vom 3.10.2006 Rs. C-290/04 "FKP Scorpio Konzertproduktionen GmbH" (IStR 2006, 743 = SIS 06 44 26) und vom 15.2.2007 Rs. C-345/04 "Centro Equestre da Lezíria Grande Lda." (IStR 2007, 212 = SIS 07 08 92) für die Jahre 1993 und 1996 aufgestellt hat, trotz des zwischenzeitlichen Inkrafttretens der EG-Beitreibungsrichtlinie 2001/44/EG vom 15.6.2001 (ABlEG Nr. L 175, 17) auch im Jahr 2007 mit Gemeinschaftsrecht in Einklang steht. - Urt.; BFH 29.11.2007, I B 181/07; SIS 08 05 38
I. Unternehmensgegenstand der
Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin), einer
GmbH, ist die Durchführung von Tourneen mit ausländischen
Künstlern im Inland. Die Antragstellerin meldete beim
Antragsgegner und Beschwerdeführer (Finanzamt - FA - )
für das 1. Quartal 2007 (streitgegenständlicher Zeitraum)
gemäß § 50a des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002)
i.V.m. § 73e der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung
(EStDV 2000) unter anderem einen Steuerabzug gemäß
§ 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 in Höhe von 2.673,74
EUR an, der auf Vergütungen beruhte, welche sie an
Künstler gezahlt hatte, die in Großbritannien
ansässig waren. Gegen die - gemäß § 168 Satz 1
i.V.m. § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) einer
Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung
gleichstehende - Steueranmeldung erhob sie unter Hinweis auf das
Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH)
vom 3.10.2006 Rs. C-290/04 „FKP Scorpio Konzertproduktionen
GmbH“ (IStR 2006, 743 = SIS 06 44 26) und die Richtlinie
2001/44/EG des Rates vom 15.6.2001 zur Änderung der Richtlinie
76/308/EWG über die gegenseitige Unterstützung bei der
Beitreibung von Forderungen im Zusammenhang mit Maßnahmen,
die Bestandteil des Finanzierungssystems des Europäischen
Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft sind,
sowie von Abschöpfungen und Zöllen und bezüglich der
Mehrwertsteuer und bestimmter Verbrauchsteuern -
EG-Beitreibungsrichtlinie - (ABlEG Nr. L 175, 17) Einspruch und
beantragte zugleich die Aussetzung der Vollziehung (AdV) der
Anmeldung, soweit diese auf die an die Künstler aus
Großbritannien gezahlten Vergütungen entfiel.
Das FA lehnte den AdV-Antrag ab. Der
daraufhin beim Finanzgericht (FG) gestellte Antrag gemäß
§ 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) war hingegen
erfolgreich. Der Beschluss des FG Berlin-Brandenburg vom 29.8.2007
12 V 12132/07 ist in IStR 2007, 679 = SIS 07 36 69
veröffentlicht.
Das FA beantragt mit seiner dagegen
gerichteten und vom FG zugelassenen Beschwerde, den AdV-Antrag
abzulehnen.
Die Antragstellerin beantragt, die
Beschwerde zurückzuweisen.
II. Die Beschwerde ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur
Antragsablehnung.
1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das
Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen
Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll
- u.a. und soweit hier einschlägig - erfolgen, wenn ernstliche
Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes
bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO).
Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu
bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen
Steuerbescheides neben für seine Rechtmäßigkeit
sprechende Umstände gewichtige Gründe zutage treten, die
Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der
Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen
bewirken (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10.2.1967
III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182 = SIS 67 01 06,
seitdem ständige Rechtsprechung).
2. Derartige ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steueranmeldung
bestehen nicht, auch nicht, soweit diese Vergütungen betrifft,
die an Vergütungsgläubiger, welche in
Großbritannien ansässig sind, gezahlt wurden.
a) Gemäß § 50a Abs. 4 Satz 1
Nr. 1 EStG 2002 wird die Einkommensteuer bei beschränkt
Steuerpflichtigen bei Einkünften, die durch im Inland
ausgeübte oder verwertete künstlerische, sportliche,
artistische oder ähnliche Darbietungen erzielt werden (vgl.
§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG 2002), im Wege des
Steuerabzugs erhoben. Gemäß § 50a Abs. 5 EStG 2002
entsteht die Steuer in dem Zeitpunkt, in dem die Vergütungen
dem Gläubiger der Vergütungen zufließen. In diesem
Zeitpunkt hat der Schuldner der Vergütungen den Steuerabzug
für Rechnung des beschränkt steuerpflichtigen
Gläubigers (Steuerschuldner) vorzunehmen. Er hat die innerhalb
eines Kalendervierteljahres einbehaltene Steuer jeweils bis zum 10.
des dem Kalendervierteljahr folgenden Monats an das für ihn
zuständige Finanzamt abzuführen. Gemäß §
73e Satz 2 EStDV 2000 hat der Vergütungsschuldner dem
Finanzamt eine Steueranmeldung über den Gläubiger und die
Höhe der Vergütungen i.S. des § 50a Abs. 4 EStG 2002
sowie die Höhe des Steuerabzugs zu übersenden. Diese
Steueranmeldung steht gemäß § 168 Satz 1 AO einer
Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach
§ 164 Abs. 1 AO gleich.
Die von der Antragstellerin mit dem Einspruch
angegriffene Steueranmeldung für das 1. Quartal 2007 steht im
Einklang mit diesen gesetzlichen Bestimmungen. Darüber besteht
unter den Beteiligten kein Streit.
b) Es ist derzeit nicht ernstlich zweifelhaft,
dass die Regelungslage auch in Einklang mit höherrangigem
Gemeinschaftsrecht steht.
aa) Wie der EuGH in seinem Urteil in IStR
2006, 743 = SIS 06 44 26 ausgeführt hat, stellen
Rechtsvorschriften, die die Verpflichtung des
Dienstleistungsempfängers, von der Vergütung eines in
einem anderen Mitgliedsstaat ansässigen Dienstleisters die
Steuer einzubehalten, sowie die eventuelle Haftung des
Dienstleistungsempfängers normieren, grundsätzlich eine
nach Art. 59 und Art. 60 des Vertrages zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaft (EGV = Art. 49, 50 des Vertrages von
Nizza zur Änderung des Vertrages über die
Europäische Union, der Verträge zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit
zusammenhängender Rechtsakte - EG - ) verbotene
Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar, da sie
Auftraggeber davon abhalten könnten, in anderen
Mitgliedstaaten ansässige Dienstleister in Anspruch zu nehmen.
Bei dem nationalen Steuerabzugsverfahren handele es sich gleichwohl
um ein legitimes und geeignetes Mittel, um die steuerliche
Erfassung der Einkünfte einer außerhalb des
Besteuerungsstaats ansässigen Person sicherzustellen und um zu
verhindern, dass die betreffenden Einkünfte sowohl im
Wohnsitzstaat als auch im Staat der Leistungserbringung
unversteuert blieben (Tz. 36 des Urteils). Es sei durch die
Notwendigkeit gerechtfertigt, die Effizienz der Beitreibung der
Einkommensteuer zu gewährleisten (Tz. 35 des Urteils).
Allerdings steht diese zuletzt genannte Aussage des EuGH u.U. unter
einer einschränkenden Bedingung: Der EuGH hat (ebenfalls unter
Tz. 36 seines Urteils) „in diesem Zusammenhang (...) daran
... (erinnert), dass im entscheidungserheblichen Zeitraum, d. h.
1993, eine Gemeinschaftsrichtlinie oder andere in den Akten
genannte Regelungen zwischen dem Königreich der Niederlande
und der Bundesrepublik Deutschland über die gegenseitige
Amtshilfe zur Beitreibung steuerlicher Forderungen
fehlten“. Diese Einschränkung wird im Schrifttum
allseits so verstanden, dass das Steuerabzugsverfahren mit
Inkrafttreten der EG-Beitreibungsrichtlinie 2001/44/EG i.V.m. dem
Gesetz zur Durchführung der EG-Beitreibungsrichtlinie
(EG-Beitreibungsgesetz) i.d.F. vom 3.5.2003 (BGBl I 2003, 654)
nicht mehr gemeinschaftsrechtskonform sein könnte (vgl. z.B.
Intemann/Nacke, DB 2007, 1430, 1433; Petutschnig/Röthlin/Six,
Steuer und Wirtschaft International - SWI - 2007, 302;
Cloer/Lavrelashvili, Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht
2007, 357; Cordewener/Grams/Molenaar, IStR 2006, 739; Grams, IStR
2007, 408; Grams/Schön, IStR 2007, 658; M. Lang, SWI 2007, 17,
24 f.; Kofler, Österreichische Steuer-Zeitung 2007, 79;
Hohenwarter, (Österreichisches) Recht der Wirtschaft 2006,
783; Röhrbein, Recht der Internationalen Wirtschaft 2007, 194;
Molenaar/Grams, SWI 2007, 57; Eicker/Seiffert, BB 2007, 358; anders
die Erwartung von Thömmes/Nakhai, Internationale
Wirtschafts-Briefe Fach 11A, 1107; s. auch Gosch, Entscheidungen
des Bundesfinanzhofs für die Praxis der Steuerberatung -
BFH-PR - 2006, 490, BFH-PR 2007, 252, sowie BFH-PR 2007, 301;
derselbe in Kirchhof, EStG, 7. Aufl., § 50 Rz 1 a.E.).
bb) Auch nach Auffassung des erkennenden
Senats sind solche Zweifel an der
Gemeinschaftsrechtmäßigkeit des Steuerabzugsverfahrens
(die sich auch auf den streitgegenständlichen Zeitraum
auswirken würden) nicht ohne weiteres und von vornherein von
der Hand zu weisen (vgl. - die Frage mangels
Entscheidungserheblichkeit jeweils offenlassend - das in der
Rechtssache „Gerritse“ - im Anschluss an das
EuGH-Urteil vom 12.6.2003 Rs. C-234/01, EuGHE I 2003, 5933, BStBl
II 2003, 859 = SIS 03 29 10 - ergangene Schlussurteil des Senats
vom 10.1.2007 I R 87/03, BFHE 216, 312 = SIS 07 15 04; das in der
Rechtssache „FKP Scorpio Konzertproduktionen
GmbH“ ergangene Schlussurteil des Senats vom 24.4.2007 I
R 39/04, DStR 2007, 1951 = SIS 07 36 23; das in der Rechtssache
„Centro Equestre da Lezíria Grande Lda.“
- im Anschluss an das EuGH-Urteil vom 15.2.2007 Rs. C-345/04, IStR
2007, 212 = SIS 07 08 92, - ergangene Schlussurteil des Senats vom
24.4.2007 I R 93/03, BFH/NV 2007, 1576 = SIS 07 23 51, sowie das
Senatsurteil vom 22.8.2007 I R 46/02, juris = SIS 08 00 18,
sämtlich zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt). Diese
Zweifel sind nach gegenwärtigem Stand der Erkenntnis
allerdings keine ernstlichen. Denn danach ist jedenfalls nach
Maßgabe der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes
genügenden summarischen Prüfung eher umgekehrt zu
bezweifeln, ob die zwischenstaatlich vereinbarte Amtshilfe bei der
Beitreibung von Steuerforderungen geeignet ist, die auch vom EuGH
geschilderten und anerkannten Vorteile des Steuerabzugsverfahrens
in Frage stellen zu können. Eher ist vielmehr anzunehmen, dass
die zwischenstaatliche Amtshilfe in ihrer Intensität und
Umsetzung (vor allem angesichts heterogener Verwaltungsabläufe
in den einzelnen Mitgliedstaaten, sprachlicher Schwierigkeiten und
ähnlichen Unabgestimmtheiten) gegenwärtig noch
unzulänglich und nicht geeignet ist, die auch vom EuGH
ausdrücklich bestätigte Effizienz des Abzugssystems zu
substituieren, und dass sie infolgedessen strukturelle (und
deswegen gleichheitswidrige, vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil
vom 27.6.1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654 =
SIS 91 14 01; Senatsurteil vom 20.12.2006 I R 94/02, DStR 2007, 438
= SIS 07 07 84; BFH-Beschluss vom 9.5.2007 XI R 56/05, IStR 2007,
599 = SIS 07 24 59) Defizite des Steuervollzugs und der
Steueraufsicht befürchten lässt. Der Senat verweist dazu
auch auf den Bericht der EU-Kommission an den Rat und das
Europäische Parlament vom 8.2.2006 KOM(2006)43 = SIS 06 49 09
über die Anwendung der Bestimmungen über die gegenseitige
Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf
bestimmte Abgaben, Zölle, Steuern und sonstige Maßnahmen
<http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/com/2006/com2006_0043de01.pdf>
und die dort wiedergegebenen statistischen Daten für 2003 und
2004 (s. auch die Verfügung der Oberfinanzdirektion
Münster vom 9.10.2007, IStR 2007, 792 = SIS 07 38 62), denen
auch für das laufende Jahr 2007 eine gewisse Aussagekraft
zukommen dürfte. Aus der erwähnten einschränkenden
Bemerkung des EuGH in dessen Urteil in IStR 2006, 743 = SIS 06 44 26 zur Relevanz seiner Ausführungen bei Existenz einer
wechselseitigen zwischenstaatlichen Amtshilfe kann Gegenteiliges
jedenfalls nicht mit jener Gewissheit herausgelesen werden, die
erforderlich ist, um ein Obsiegen der Antragstellerin im
Hauptsachverfahren mindestens ebenso wahrscheinlich sein zu lassen
wie ein Unterliegen (s. dazu z.B. Gosch in Beermann/ Gosch,
Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO Rz 123;
Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO und FGO, § 69
FGO Rz 287 ff., jeweils m.w.N).
Auch aus der nachfolgenden Entwicklung ergibt
sich bei summarischer Prüfung nichts anderes. Das betrifft
zunächst das im Anschluss an das Urteil in IStR 2006, 743 =
SIS 06 44 26 ergangene Urteil des EuGH vom 9.11.2006 Rs. C-433/04,
„Kommission vs. Belgien“ (DStRE 2007, 655 = SIS 06 47 55) zur Erhebung einer belgischen Bauabzugssteuer durch den
inländischen Auftraggeber und Unternehmern, die nicht in
Belgien registrierte Vertragspartner beauftragen. Der EuGH weist in
jenem Urteil zwar darauf hin, dass „die allgemeine und
präventive Anwendung der Abzugspflicht ... auf alle
Dienstleister, die weder in Belgien ansässig noch dort
registriert sind, obwohl ein Teil von ihnen grundsätzlich
nicht steuer- oder anderweit abgabenpflichtig ist, (...) nicht
allein damit gerechtfertigt werden (kann), dass die Bekämpfung
der Steuerhinterziehung erforderlich ist“ (Tz. 37 des
Urteils). Der EuGH führt auch weiter aus, „in Bezug
auf die Abzugspflicht hätte ein Mittel, das weniger
einschneidend gewesen wäre, als den Dienstleistern die
Möglichkeit zu nehmen, über einen erheblichen Teil ihrer
Einkünfte sofort zu verfügen, in der Einführung
eines Systems bestanden, das auf dem Austausch von Informationen
zwischen den Auftraggebern und den Unternehmern, den Dienstleistern
und den belgischen Finanzbehörden beruht und z. B. den
Auftraggebern und Unternehmern ermöglicht, sich über
etwaige Steuerschulden ihrer Vertragspartner zu informieren, oder
eine Informationspflicht gegenüber den belgischen
Finanzbehörden über jeden mit nicht registrierten
Vertragspartnern geschlossenen Vertrag oder jede an sie geleistete
Zahlung einführt“ (Tz. 39 des Urteils). Zudem hat
die Kommission der EG am 26.3.2007 im Hinblick auf die nach
deutschem Recht bestehende Steuerabzugspflicht des
Vergütungsschuldners bei der Honorierung ausländischer
Künstler und Sportler gegen Deutschland wegen drohender
Verletzung der Dienstleistungsfreiheit ein
Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 226 EG eingeleitet (Az.
1999/4852
<www.europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/07/413&format=HTML&aged=0&language=DE&guiLanguage=DE>).
Gleichwohl erscheint es derzeit eher als
wahrscheinlich, dass der EuGH die in Deutschland bestehenden
gesetzlichen Regelungen - zunächst Abzug der Quellensteuer,
sodann die Möglichkeit der anschließenden Erstattung
(vgl. § 50d Abs. 1 EStG 2002) oder von vornherein Verzicht auf
den Steuerabzug bei Beantragung einer Freistellungsbescheinigung
(vgl. § 50d Abs. 2 EStG 2002) - auch weiterhin als
„effizient“ und im Endeffekt jedenfalls dann als
noch verhältnismäßig ansieht, wenn der Steuerabzug
auf Nettobasis unter Berücksichtigung derjenigen dem
Vergütungsschuldner mitgeteilten Aufwendungen erfolgt, welche
mit der erbrachten Leistung wirtschaftlich unmittelbar
zusammenhängen, und wenn darüber hinaus die
nachträgliche Erstattungsmöglichkeit ebenso wie die
vorherige Freistellungsmöglichkeit nicht von weiteren
qualitativen und quantitativen Hürden abhängen. Diese
Regelungsvorbehalte hat der deutsche Gesetzgeber derzeit zwar noch
nicht in positives Recht umgesetzt (vgl. § 50a Abs. 4 Satz 2
und 3 sowie § 50 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 EStG 2002). Sie sind aber
infolge des Anwendungsvorrangs von Gemeinschaftsrecht vor dem
Hintergrund der EuGH-Urteile in IStR 2006, 743 = SIS 06 44 26 sowie
in IStR 2007, 212 = SIS 07 08 92 und der darin aufgestellten
Maßstäbe bereits jetzt geltendes Recht (vgl. die
Senatsurteile in DStR 2007, 1951 = SIS 07 36 23, sowie in BFH/NV
2007, 1576 = SIS 07 23 51; vom 20.12.2006 I R 13/06, BFHE 216, 259,
BStBl II 2007, 616 = SIS 07 16 72; Gosch, DStR 2007, 1553, 1554
ff.). Nichts anderes und nicht mehr verlangt auch die EU-Kommission
in dem erwähnten Vertragsverletzungsverfahren Az. 1999/4852,
wenn sie darin (nur) die Anpassung der derzeitigen deutschen
Regelungslage an die EuGH-Urteile in IStR 2006, 743 = SIS 06 44 26
sowie in IStR 2007, 212 = SIS 07 08 92 einfordert. Dies entspricht
schließlich im Prinzip der augenblicklichen
Verwaltungspraxis, welche sich, was die Steuererstattung auf
Bruttobasis anbelangt, über die gesetzlichen Regelungen
hinwegsetzt (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen -
BMF - vom 3.11.2003, BStBl I 2003, 553 = SIS 03 46 68). Soweit der
Steuerabzug hiernach (vgl. BMF-Schreiben vom 5.4.2007, BStBl I
2007, 449 = SIS 07 12 93) nach wie vor und entgegen dem EuGH-Urteil
in IStR 2006, 743 = SIS 06 44 26, sowie dem Senatsurteil in DStR
2007, 1951 = SIS 07 36 23, in wohl vertragsverletzender Weise (s.
z.B. Intemann/Nacke, DB 2007, 1430; Gosch in Kirchhof, a.a.O.,
§ 50a Rz 36) durch Ansatz eines höheren Steuersatzes
erschwert wird, kommt es darauf jedenfalls für die
Entscheidung über den Streitfall nicht an; der Antragstellerin
sind nach Aktenlage seitens der britischen
Vergütungsgläubiger keine Betriebsausgaben mitgeteilt
worden, die in unmittelbarem Zusammenhang mit deren
künstlerischen Auftritten stehen und die es deshalb bereits im
Zuge des Steuerabzugs zu berücksichtigen gälte.
3. Da die Vorinstanz ihrer Entscheidung ein
abweichendes Rechtsverständnis zugrunde gelegt hat, war diese
Entscheidung aufzuheben. Der AdV-Antrag war abzulehnen, und zwar
wegen des summarischen Verfahrens ohne den Senat zu veranlassen,
die ggf. klärungsbedürftigen gemeinschaftsrechtlichen
Fragen dem EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens
gemäß Art. 234 Abs. 3 EG vorzulegen (vgl. z.B.
Senatsbeschluss vom 17.12.1997 I B 108/97, BFHE 185, 30, BStBl II
1998, 558 = SIS 98 09 86; vom 30.12.1996 I B 61/96, BFHE 181, 511,
BStBl II 1997, 466 = SIS 97 08 27).