Beschränkte Steuerpflicht, Steuerabzug, Vereinbarkeit mit EU-Recht, Haftung des Vergütungsschuldners: 1. Ficht ein Vergütungsschuldner einen gegen ihn gemäß § 50 a Abs. 5 EStG 1990 ergangenen Haftungsbescheid an, so ist der Vergütungsgläubiger, auf den sich die Inanspruchnahme aus dem Haftungsbescheid bezieht, zu dem finanzgerichtlichen Verfahren nicht notwendig beizuladen (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung). - 2. Die Haftung des Vergütungsschuldners gemäß § 50 a Abs. 5 EStG 1990 wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Besteuerungsrecht für die von dem Vergütungsgläubiger erzielten Einkünfte nach Maßgabe des betreffenden Doppelbesteuerungsabkommens dem Ansässigkeitsstaat zusteht und Deutschland daher diese Einkünfte nicht besteuern darf. - 3. Ein beschränkt Steuerpflichtiger mit Einkünften gemäß § 50 a Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 EStG 1990 n.F. unterliegt im Anmeldungszeitraum 1993 dem Steuerabzug nach § 50 a Abs. 4 Sätze 3, 5 und 6 EStG 1990 n.F. mit seinen Bruttoeinnahmen. Nur wenn der beschränkt Steuerpflichtige Ausgaben hat, welche unmittelbar mit der betreffenden wirtschaftlichen Tätigkeit zusammenhängen, aus der die zu versteuernden Einkünfte erzielt worden sind, und wenn diese Ausgaben dem Vergütungsschuldner mitgeteilt werden, sind die Ausgaben bereits im Rahmen des Abzugs- bzw. eines ggf. nachfolgenden Haftungsverfahrens zu berücksichtigen. Soweit § 50 a Abs. 4 Satz 5 und 6 EStG 1990 n.F. dies ausschließt, verstößt die Vorschrift gegen Gemeinschaftsrecht und ist sie deswegen in normerhaltender Weise zu reduzieren (Anschluss an EuGH-Urteil vom 3.10.2006 Rs. C-290/04 Scorpio, IStR 2006 S. 743 = SIS 06 44 26). - Urt.; BFH 24.4.2007, I R 39/04; SIS 07 36 23
I. Es handelt sich um jenes
Revisionsverfahren, das dem Vorabentscheidungsersuchen des Senats
an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom
28.4.2004 I R 39/04 (BFHE 206, 120, BStBl II 2004, 878 = SIS 04 27 01) sowie dem anschließenden Urteil des EuGH vom 3.10.2006
Rs. C-290/04 „FKP Scorpio Konzertproduktionen“ (IStR
2006, 743 = SIS 06 44 26) zugrunde lag:
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH mit Sitz und
Geschäftsleitung in Deutschland (Inland). Sie veranstaltete im
Inland Konzerte mit einer Popmusikergruppe. Deren
künstlerische Darbietungen wurden ihr von ihrem als E
firmierenden Vertragspartner zur Verfügung gestellt. E war
eine nicht zur Musikergruppe gehörende natürliche Person,
die in den Niederlanden ansässig war, im Inland weder einen
Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte und dort
auch keine Betriebsstätte unterhielt.
In den streitgegenständlichen
Anmeldungszeiträumen, dem ersten und dem dritten Quartal 1993,
zahlte die Klägerin E für die erbrachten Leistungen
insgesamt 438.600 DM. Einen Steuerabzug gemäß § 50a
Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes 1990 i.d.F. des
Steueränderungsgesetzes 1992 vom 25.2.1992 - EStG 1990 - (BGBl
I 1992, 297, BStBl I 1992, 146) unterließ sie, obwohl E keine
Freistellungsbescheinigung gemäß § 50d Abs. 3 EStG
1990 vorgelegt hatte.
Nachdem die seinerzeit für die
Besteuerung der Klägerin zuständige Finanzbehörde
von diesem Sachverhalt erfahren hatte, forderte sie durch
Haftungsbescheid vom 21.3.1997 gemäß § 50a Abs. 5
EStG 1990 i.V.m. § 73g der
Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) von der
Klägerin die Zahlung von insgesamt 70.395,30 DM. Bei der
Berechnung des Haftungsbetrags ging die Finanzbehörde davon
aus, dass die Klägerin für die betreffende Leistung eine
Bruttovergütung von insgesamt 469.302 DM (= 438.600 DM
Nettovergütung zuzüglich 7 v.H. Umsatzsteuer) geschuldet
habe und der Steuerabzug gemäß § 50a Abs. 4
Sätze 3, 5 und 6 EStG 1990 15 v.H. der Bruttovergütung (=
16,05 v.H. der Nettovergütung) hätte betragen
müssen. Allerdings wurde die abgegoltene Leistung im
Haftungsbescheid nicht dem E, sondern einem anderen
Vergütungsempfänger (der X-Inc., USA) zugeordnet.
Auf den Einspruch der Klägerin hin
änderte der inzwischen zuständig gewordene Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) den Haftungsbescheid vom
21.3.1997 in der Weise, dass er nunmehr E als Gläubiger der
betreffenden Vergütung bezeichnete und statt der
ursprünglich geltend gemachten Haftung für
Körperschaftsteuer eine Haftung für Einkommensteuer
geltend machte. Im Übrigen wies das FA den Einspruch jedoch in
diesem Punkt zurück. Auch die daraufhin erhobene Klage war
erfolglos, da die Klägerin weiterhin keine
Freistellungsbescheinigungen des (seinerzeitigen) Bundesamtes
für Finanzen (BfF) gemäß § 50d Abs. 3 EStG
1990 vorgelegt hatte, nach denen sie den Steuerabzug hätte
unterlassen dürfen. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) Hamburg
vom 26.7.2001 II 377/00, das auch andere Haftungsansprüche
wegen eines unterlassenen Steuerabzugs betrifft, ist in EFG 2001,
1553 = SIS 02 82 97 veröffentlicht.
Die Klägerin hat Revision eingelegt.
Sie beantragt, das FG-Urteil und den Haftungsbescheid
aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
Das dem Revisionsverfahren beigetretene
Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat sich in der Sache dem FA
angeschlossen, jedoch keine eigenen Anträge gestellt.
Im Laufe des Revisionsverfahrens ist
bekannt geworden, dass es sich bei E um einen in den Niederlanden
ansässigen niederländischen Staatsangehörigen
handelt. E hat während des Revisionsverfahrens mit Schriftsatz
vom 29.12.2006 seine Beiladung zum Revisionsverfahren
gemäß § 60 Abs. 3, hilfsweise gemäß
§ 60 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beantragt.
Zugleich hat er mitgeteilt, am 27.12.2006 gegen den
streitgegenständlichen, ihm gegenüber nicht bekannt
gegebenen Haftungsbescheid des seinerzeit für die Besteuerung
der Klägerin zuständigen Finanzamts vom 21.3.1997
Einspruch eingelegt zu haben. Im Rahmen dieses Einspruchsverfahrens
hat er (erstmals) seine Betriebsausgaben im Zusammenhang mit den
Auftritten der Musikergruppe mitgeteilt.
Die Klägerin hat daraufhin beantragt,
das Revisionsverfahren bis zur Entscheidung über den
Beiladungsantrag zum Ruhen zu bringen.
II. Das durch Beschluss des Senats in BFHE
206, 120, BStBl II 2004, 878 = SIS 04 27 01 gemäß §
121 Satz 1 i.V.m. § 74 FGO ausgesetzte Revisionsverfahren ist
durch Senatsbeschluss vom 22.11.2006 fortgeführt worden. Der
Aussetzungsgrund war entfallen, nachdem der EuGH durch Urteil in
IStR 2006, 743 = SIS 06 44 26 über die ihm vom Senat durch
jenen Senatsbeschluss in BFHE 206, 120, BStBl II 2004, 878 = SIS 04 27 01 nach Art. 234 Abs. 3 des Vertrages von Nizza zur
Änderung des Vertrages über die Europäische Union,
der Verträge zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender
Rechtsakte (EG) zur Vorabentscheidung vorgelegten Rechtsfragen
entschieden hat.
III. Der Antrag des E auf Beiladung ist
abzulehnen.
1. Eine - auch im Revisionsverfahren
grundsätzlich mögliche (vgl. § 123 Abs. 1 Satz 2
FGO) - sog. notwendige Beiladung des E gemäß § 60
Abs. 3 FGO scheidet für die im Streitfall in Rede stehende
Konstellation aus.
a) Gegenstand des Rechtsstreits ist der gegen
die Klägerin als Vergütungsschuldnerin gemäß
§ 50a Abs. 5 EStG 1990 ergangene Haftungsbescheid. E als
(möglicher) Vergütungsgläubiger ist zwar prinzipiell
berechtigt, diesen Bescheid aus eigenem Recht anzufechten (vgl.
Senatsbeschlüsse vom 13.8.1997 I B 30/97, BFHE 184, 92, BStBl
II 1997, 700 = SIS 98 02 90; vom 25.11.2002 I B 69/02, BFHE 201,
114, BStBl II 2003, 189 = SIS 03 07 83; Gosch in Kirchhof, EStG, 7.
Aufl., § 50a Rz 46, jeweils m.w.N.; abgrenzend Senatsurteil
vom 28.1.2004 I R 73/02, BFHE 205, 174, BStBl II 2005, 550 = SIS 04 17 30). Der Haftungsbescheid enthält jedoch ebenso wenig wie
die gemäß § 50a Abs. 4 EStG 1990 vom
Vergütungsschuldner abzugebende Steueranmeldung eine
Steuerfestsetzung gegen den Vergütungsgläubiger. In der
Haftungsschuld realisiert die Finanzbehörde vielmehr (nur) die
(eigene) Entrichtungssteuerschuld des Vergütungsschuldners auf
Anmeldung und Abführung der Abzugssteuer gemäß
§ 50a Abs. 4 EStG 1990.
b) Der sog. notwendigen Beiladung (§ 60
Abs. 3 FGO) des Vergütungsgläubigers und Steuerschuldners
zu diesem Verfahren bedarf es infolgedessen nicht; die
Voraussetzungen hierfür liegen nicht vor. Eine Beiladung ist
nur dann notwendig, wenn an dem streitigen Rechtsverhältnis
Dritte derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen
gegenüber nur einheitlich ergehen kann (§ 60 Abs. 3 Satz
1 FGO). Nach ständiger Rechtsprechung (z.B. Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19.4.1988 VII R 56/87, BFHE 153, 472,
BStBl II 1988, 789 = SIS 88 17 33) ist das nur dann der Fall, wenn
die Entscheidung notwendigerweise und unmittelbar Rechte Dritter
gestaltet, verändert oder zum Erlöschen bringt,
insbesondere in Fällen, in denen das, was einen
Prozessbeteiligten begünstigt oder benachteiligt,
zwangsläufig umgekehrt den Dritten benachteiligen oder
begünstigen muss (s. Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung,
Finanzgerichtsordnung, § 60 FGO Rz 19, m.w.N.). Ein solches
Verhältnis gegenseitiger Abhängigkeit (vgl. zu diesem
Erfordernis: BFH-Beschluss vom 23.1.2004 VII B 184/03, BFH/NV 2004,
795 = SIS 04 29 54) ist in der hier in Rede stehenden
Verfahrenskonstellation aber nicht gegeben. Denn in dem
vorliegenden Klage- und Revisionsverfahren über die
Inhaftungnahme der Klägerin als Vergütungsschuldnerin
kann durchaus anders entschieden werden als in einem etwaigen
Freistellungs- oder Erstattungsverfahren des E (vgl. auch
BFH-Beschlüsse vom 15.5.1997 VII B 5/97, BFH/NV 1997, 867; vom
29.7.2004 VI B 174/02, BFH/NV 2004, 1547 = SIS 04 38 95). Für
die Inanspruchnahme als Schuldner und als Haftungsschuldner sind
unterschiedliche Voraussetzungen gegeben, die jedenfalls teilweise
nicht im Zusammenhang miteinander stehen und die keine
wechselseitigen Bindungswirkungen auslösen (s. im Einzelnen
BFH-Beschluss vom 7.2.1980 VI B 97/79, BFHE 129, 310, BStBl II
1980, 210 = SIS 80 01 17; Senatsbeschluss vom 17.5.2005 I B 108/04,
BFH/NV 2005, 1778 = SIS 05 40 35; vgl. auch BFH-Urteil vom
29.6.1973 VI R 311/69, BFHE 109, 502, BStBl II 1973, 780 = SIS 73 04 25). Soweit die Haftung des Vergütungsschuldners sich auf
die Höhe der Vergütung des Vergütungsgläubigers
auswirkt, ist der Vergütungsgläubiger - je nach
Verfahrensstadium - auf das Freistellungs- oder
Erstattungsverfahren zu verweisen, in welchem er seine Rechte
eigenständig durchsetzen kann.
Dass der BFH in seinem Urteil in BFHE 109,
502, BStBl II 1973, 780 = SIS 73 04 25 die notwendige Beiladung des
Arbeitgebers als Haftungsschuldner in einem allein vom Arbeitnehmer
als Steuerschuldner durchgeführten Anfechtungsverfahren gegen
den gegen den Arbeitgeber ergangenen Haftungsbescheid bejaht hat,
erzwingt nichts anderes. Denn in jener Verfahrenslage war der
Arbeitgeber Adressat des angefochtenen Bescheides und der
rechtsmittelführende Arbeitnehmer lediglich Drittbetroffener;
die Entscheidung über jenes Rechtsmittel wirkte also
unmittelbar gegenüber dem Arbeitgeber. Entgegen der Annahme
des E ist diese Unterscheidung unabhängig davon, ob der
Drittbetroffene gebietsansässig oder gebietsfremd ist. Eine
Beschneidung speziell von Rechten Gebietsfremder ist folglich nicht
gegeben und gemeinschaftsrechtliche Grundfreiheiten sind nicht
betroffen.
2. Die von E hilfsweise beantragte sog.
einfache Beiladung gemäß § 60 Abs. 1 FGO kann im
Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden (§ 123 Abs. 1 Satz
1 FGO).
IV. Die Revision ist unbegründet.
1. Natürliche Personen, die - wie im
Streitfall E - im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren
gewöhnlichen Aufenthalt haben, sind gemäß § 1
Abs. 4 EStG 1990 beschränkt einkommensteuerpflichtig, wenn sie
inländische Einkünfte i.S. des § 49 EStG 1990 haben.
Zu den inländischen Einkünften i.S. des § 49 EStG
1990 gehören Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die durch
künstlerische Darbietungen im Inland oder durch hiermit
zusammenhängende Leistungen erzielt werden (§ 49 Abs. 1
Nr. 2 Buchst. d EStG 1990). Solche Leistungen hat E im Streitfall
erbracht.
2. Die Einkommensteuer wird bei
beschränkt Steuerpflichtigen im Wege des Steuerabzugs erhoben
(§ 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG 1990). Der Steuerabzug
beträgt 15 v.H. des vollen Betrags der Einnahmen; Abzüge
für Betriebsausgaben und Steuern sind nicht zulässig
(§ 50a Abs. 4 Sätze 3, 5 und 6 EStG 1990). Zu den
Einnahmen gehört auch die Umsatzsteuer für die von dem
beschränkt einkommensteuerpflichtigen Unternehmer im Inland
erbrachten Leistungen. Das gilt nach der Rechtsprechung des Senats
(s. Senatsurteile vom 30.5.1990 I R 57/89, BFHE 161, 97 = SIS 90 20 58; vom 8.5.1991 I R 14/90, BFH/NV 1992, 291) unabhängig
davon, ob der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer an den
Vergütungsgläubiger gezahlt hat oder ob auf Grund der
sog. Nullregelung des § 52 Abs. 2 der
Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1993 (UStDV) von der
Entrichtung des Steuerbetrags und seiner Geltendmachung als
Vorsteuer abgesehen wurde.
3. Der Einkommensteueranspruch entsteht in dem
Zeitpunkt, in dem die Vergütung dem Gläubiger der
Vergütung zufließt; in diesem Zeitpunkt hat der
Schuldner der Vergütung den Steuerabzug für Rechnung des
beschränkt steuerpflichtigen Vergütungsgläubigers,
der Steuerschuldner ist, vorzunehmen (§ 50a Abs. 5 Sätze
1 und 2 EStG 1990). Der Vergütungsschuldner hat die innerhalb
eines Kalendervierteljahrs einbehaltene Steuer jeweils bis zum 10.
Tag des dem Kalendervierteljahr folgenden Monats an das für
ihn zuständige Finanzamt abzuführen und haftet für
die Einbehaltung und Abführung der Steuer (§ 50a Abs. 5
Sätze 3 und 5 EStG 1990).
Sind die Einkünfte in Deutschland nach
einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) nicht
oder nur zu einem niedrigeren Steuersatz als dem des § 50a
Abs. 4 Satz 3 EStG 1990 zu besteuern, darf der
Vergütungsschuldner den Steuerabzug unterlassen oder nach dem
niedrigeren Steuersatz vornehmen, wenn das BfF auf Antrag
bescheinigt hat, dass die Voraussetzungen des DBA dafür
vorliegen (§ 50d Abs. 3 Satz 1 EStG 1990). Fehlt eine
derartige Bescheinigung (sog. Freistellungsbescheinigung), sind die
Vorschriften über den Steuerabzug sowie die Inhaftungnahme
auch dann anzuwenden, wenn die betreffenden Einkünfte nach
einem DBA nicht oder nur zu einem niedrigeren Steuersatz besteuert
werden dürfen (§ 50d Abs. 1 Satz 1 EStG 1990). Daher ist
es dem Vergütungsschuldner im Haftungsverfahren verwehrt, sich
auf die Rechte des Vergütungsgläubigers aus dem DBA zu
berufen (§ 50d Abs. 1 Satz 4 EStG 1990).
Die Haftung der Klägerin wird somit nicht
dadurch ausgeschlossen, dass gemäß Art. 5 Abs. 1 i.V.m.
Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Art. 2 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 des
Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem
Königreich der Niederlande zur Vermeidung der
Doppelbesteuerungen auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und
vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur
Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiete (DBA-Niederlande)
das Besteuerungsrecht für die von E erzielten
inländischen Einkünfte aus Gewerbebetrieb dem
Ansässigkeitsstaat (= Niederlande) zusteht und Deutschland
daher diese Einkünfte nicht besteuern darf (Art. 20 Abs. 1
DBA-Niederlande). Aufgrund der Regelung in § 50d Abs. 1 Satz 1
EStG 1990 verliert der Vergütungsgläubiger jedoch nicht
seine Rechte auf Steuerfreistellung oder niedrigere Besteuerung
nach dem DBA. Ihm ist vielmehr auf Antrag die einbehaltene und
abgeführte Steuer in dem sich aus dem Abkommen ergebenden
Umfang zu erstatten (§ 50d Abs. 1 Satz 2 EStG 1990).
4. Die Klägerin ist ihrer Einbehaltungs-,
Anmeldungs- und Abführungspflicht nicht nachgekommen. Sie hat
das Entgelt für die künstlerischen Darbietungen der
Musikergruppe, die ihr in den streitgegenständlichen
Anmeldungszeiträumen von E zur Verfügung gestellt worden
ist, brutto ausbezahlt. Sie ist deswegen nach Maßgabe der
geschilderten Regelungslage zu Recht durch Haftungsbescheid (vgl.
§ 191 der Abgabenordnung - AO - ) in Anspruch genommen worden.
Dieses ist im Übrigen weder der Form noch der Höhe nach
von der Klägerin in substantiierter Weise angegriffen worden
und bleibt aus revisionsrechtlicher Sicht auch insoweit
unbeanstandet.
5. Der Umstand, dass es sich bei E um die
Einzelfirma eines in den Niederlanden wohnenden
niederländischen Staatsangehörigen handelt, ändert
an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen
Haftungsbescheides auch vor dem Hintergrund der zwischenzeitlichen
Entwicklung des Gemeinschaftsrechts nichts.
a) Zwar könnte E dadurch, dass er der
Abzugssteuer gemäß § 50a Abs. 4 EStG 1990 in
Höhe von 15 v.H. der Bruttovergütung unterfällt,
schlechter gestellt sein als ein vergleichbarer unbeschränkt
Steuerpflichtiger. Denn ein solcher Steuerpflichtiger ist keinem
vergleichbaren Steuerabzug unterworfen. Überdies bestimmt sich
bei ihm die Höhe der Einkommensteuer unter Abzug von
Ausgabenpositionen.
Wie der EuGH in seinem Urteil in IStR 2006,
743 = SIS 06 44 26 entschieden hat, bleiben jedoch das
Steuerabzugsverfahren, dem beschränkt steuerpflichtige
Künstler unterworfen sind, sowie ein sich ggf.
anschließendes Haftungsverfahren gegenüber dem
Vergütungsschuldner jedenfalls bis zur Geltung der Richtlinie
2002/94/EG der Kommission vom 9.12.2002 zur Festlegung
ausführlicher Durchführungsbestimmungen zu bestimmten
Artikeln der Richtlinie 76/308/EWG über die gegenseitige
Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen im
Zusammenhang mit bestimmten Abgaben, Zöllen, Steuern und
sonstigen Maßnahmen - EG-Beitreibungsrichtlinie - (Amtsblatt
der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG Nr. L 337, 41) i.V.m.
dem Gesetz zur Durchführung der EG-Beitreibungsrichtlinie
(EG-Beitreibungsgesetz) i.d.F. vom 3.5.2003 (BGBl I 2003, 654) und
damit auch für die streitgegenständlichen
Besteuerungszeiträume aus Sicht des EG-Rechts unbeanstandet.
Der EuGH hat das Abzugsprinzip - als „angemessene Weise
(...), (um) die Effizienz dieser Erhebung zu
gewährleisten“ (Tz. 35 und 38 des Urteils) -
ausdrücklich als „verhältnismäßiges
Mittel zur Beitreibung steuerlicher Forderungen des
Besteuerungsstaates“ angesehen und als solches nicht in
Frage gestellt (Tz. 37 des Urteils).
Hatte der beschränkt Steuerpflichtige
allerdings Ausgaben, welche unmittelbar mit der wirtschaftlichen
Tätigkeit zusammenhängen, aus der die zu versteuernden
Einkünfte erzielt worden sind (zur Abgrenzung von Ausgaben in
nur mittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang s. EuGH-Urteil vom
15.2.2007 Rs. C-345/04 „Centro Equestre da Lezíria
Grande Lda.“, IStR 2007, 212 = SIS 07 08 92), so sind
diese Ausgaben regelmäßig bereits im Rahmen des Abzugs-
sowie des Haftungsverfahrens zu berücksichtigen,
vorausgesetzt, sie wurden dem Vergütungsschuldner mitgeteilt.
Eine nationale Regelung, die dem entgegensteht, verstößt
gegen Art. 59 und Art. 60 des Vertrages zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaft - EGV - (jetzt Art. 49 EG und Art.
50 EG). Weitere - nur mittelbar mit jener Tätigkeit
zusammenhängende - Betriebsausgaben sind hingegen
„gegebenenfalls in einem anschließenden
Erstattungsverfahren“ zu berücksichtigen (Tz. 51 des
Urteils in IStR 2006, 743 = SIS 06 44 26).
b) § 50a Abs. 4 Satz 5 und 6 EStG 1990
ist nach Maßgabe dieser - aufgrund des Vorrangs von
Gemeinschaftsrecht verbindlichen - Auslegung von Art. 59 und Art.
60 EGV durch den EuGH in gemeinschaftsrechtskonformer Weise zu
verstehen: Dem Vergütungsschuldner mitgeteilte
Aufwandspositionen sind in dem vorgenannten Umfang bereits bei
Vornahme des Steuerabzugs oder in einem ggf. nachfolgenden
Haftungsverfahren zu berücksichtigen. Ansonsten bleibt es
für den Vergütungsgläubiger bei dem Erfordernis, ein
Freistellungs- oder Erstattungsverfahren einzuleiten und innerhalb
dieses Verfahrens seine beschränkte Steuerpflicht zu
klären. Ein Grund dafür, das Abzugs- und
Haftungsverfahren wegen dessen vorbehaltloser tatbestandlicher
Orientierung an der geleisteten Bruttovergütung innerhalb der
Europäischen Gemeinschaften gänzlich unangewandt zu
lassen, besteht hingegen nicht (ebenso Entscheid des
österreichischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19.10.2006
2006/14/0109, Beilage zur Österreichischen Steuerzeitung 2007,
117). Es genügt, den Tatbestand des Gesetzes in
normerhaltender Weise zu reduzieren, die einschlägigen
Regelungen aber als solche weiter anzuwenden. Eine weiter gehende
Rechtswirkung kommt dem prinzipiellen Anwendungsvorrang des
Gemeinschaftsrechts vor nationalem Recht nicht zu.
c) Im Streitfall ist nicht erkennbar oder
geltend gemacht, dass E der Klägerin irgendwelche konkreten
und spezifizierten Aufwandspositionen im unmittelbaren
wirtschaftlichen Zusammenhang mit den ihr zur Verfügung
gestellten Leistungen der Musikergruppe mitgeteilt hätte. Die
Haftungsinanspruchnahme der Klägerin auf Bruttobasis des
geleisteten Entgelts war deswegen aus Sicht des E nicht zu
beanstanden. Für eine seitens der Klägerin eingeforderte
Schätzung einschlägiger Betriebsausgaben
(gemäß § 162 AO) bestand für das FA mangels
entsprechender Anhaltspunkte keine Veranlassung. Das dazu von der
Klägerin angeführte Urteil des EuGH vom 22.3.2007 Rs.
C-383/05 „Raffaele Talotta“ (IStR 2007, 368 =
SIS 07 14 90) besagt nichts Gegenteiliges: Dort ging es um die mit
dem Gemeinschaftsrecht unvereinbare Anwendung einer
Mindestbemessungsgrundlage nach belgischem Steuerrecht bei
beschränkt Steuerpflichtigen, wovon für die hier zu
beurteilende Situation unter Beachtung der sich aus den
EuGH-Urteilen in IStR 2006, 743 = SIS 06 44 26 sowie in IStR 2007,
212 = SIS 07 08 92 ergebenden Grundsätze gerade keine Rede
sein kann. Denn dem Steuerschuldner ist es hiernach unbenommen,
seine Erwerbsaufwendungen mitzuteilen, entweder vorab zur
Berücksichtigung im Abzugsverfahren oder aber im Nachhinein im
Rahmen eines Erstattungsbegehrens.
Ob sich an diesem Ergebnis etwas ändern
würde, falls entsprechende Aufwandspositionen im Vorwege
mitgeteilt worden wären, kommt es infolgedessen nicht an.
Insbesondere kann dahinstehen, ob es sich auswirkt, wenn - wie das
dem Revisionsverfahren beigetretene BMF vorträgt (vgl. nunmehr
auch dessen Schreiben vom 5.4.2007, BStBl I 2007, 449 = SIS 07 12 93) - der (abgeltende) Abzugssteuersatz von 15 v.H. vom Gesetzgeber
nach der Regelungskonzeption des § 50a Abs. 4 Satz 3 EStG 1990
tatsächlich auf der Basis eines typisierten und unterstellten
Aufwands von 70 v.H. bestimmt worden ist. Die zwischenzeitliche
Mitteilung von Betriebsausgaben im Zusammenhang mit den Auftritten
der Musikergruppe durch E kann im Rahmen des Revisionsverfahrens
jedenfalls nicht mehr berücksichtigt werden.
6. Der erneuten Anrufung des EuGH bedarf es
nach alledem nicht (vgl. EuGH-Urteil vom 6.10.1982 Rs. 283/81
„C.I.L.F.I.T.“, EuGHE 1982, 3415). Die
aufgezeigte Gemeinschaftsrechtslage ist jedenfalls für den
hier zu beurteilenden Sachverhalt zwischenzeitlich eindeutig. Sie
entspricht den Aussagen des Urteils des EuGH in IStR 2006, 743 =
SIS 06 44 26 und war damit bereits Gegenstand einer Auslegung durch
diesen.