Außenprüfung, Verwertung von Ergebnissen, Auskunft von Dritten: 1. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 25.11.1997 VIII R 4/94, BFHE 184 S. 255, BStBl 1998 II S. 461 = SIS 98 06 37) fest, dass im Rahmen einer Außenprüfung ermittelte Tatsachen bei der Änderung eines unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Steuerbescheides nur ausnahmsweise nicht verwertet werden dürfen, wenn ein sog. qualifiziertes materiell-rechtliches Verwertungsverbot zum Zuge kommt. - 2. Auskunftsbegehren dürfen auch an Dritte gerichtet werden, wenn der Steuerpflichtige unbekannt ist und ein hinreichender Anlass aufgrund konkreter Umstände oder allgemeiner, auch branchenspezifischer, Erfahrungen besteht. - 3. Liegen die Voraussetzungen für ein qualifiziertes Verwertungsverbot vor, weil ein weiteres Beweismittel nur unter Verletzung von Grundrechten oder in strafbarer Weise von der Finanzbehörde erlangt worden ist, so kann dieses Verwertungsverbot ausnahmsweise im Wege einer sog. Fernwirkung auch der Verwertung dieses nur mittelbaren - isoliert betrachtet rechtmäßig erhobenen - weiteren Beweismittels entgegenstehen. - Urt.; BFH 4.10.2006, VIII R 53/04; SIS 06 47 45
I. Die steuerlich beratene Klägerin
und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Tanzkapelle in der
Rechtsform einer GbR mit zwei bzw. drei Mitgliedern. Für die
Streitjahre 1995 bis 1998 stellte der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) die gewerblichen
Einkünfte nach Erklärung unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung einheitlich und gesondert fest. In dem Bescheid
für 1995 vom 26.7.1996 unter Abschn. B wird die Klägerin
aufgefordert, binnen vier Wochen nach Erhalt des Bescheides noch
eine Aufstellung über die Auftritte im Jahr 1995 mit Angaben
zum Ort, Datum und zur Höhe der einzelnen Gagen vorzulegen. In
einer Anlage zum Feststellungsbescheid für 1996 verlangte das
FA ebenfalls weitere Angaben u.a. bezüglich der Höhe der
Einnahmen und gab der Klägerin Gelegenheit, die bisherigen
Angaben auf ihre Vollständigkeit hin zu überprüfen.
In gleicher Weise hat die Klägerin erst auf Anforderung des FA
für 1997 in Kopie eine Aufstellung über die Auftritte in
diesem Jahr nachgereicht.
Im Zeitraum von November 1997 bis Oktober
1998 wurden etliche Saalbetriebe ohne Bezug auf die Klägerin
für eine Außenprüfung gemeldet. Im Rahmen der
anschließenden Außenprüfungen stellten die
Prüfer fest, dass Auftraggeber der dort aufgetretenen
Tanzkapellen nicht die Gastwirte, sondern die jeweiligen Saalmieter
sind. In den Jahren 1998 und 1999 richtete das FA an die von den
Prüfern mit Namen und Anschrift erfassten Mieter auf § 93
der Abgabenordnung (AO 1977) gestützte Auskunftsbegehren
hinsichtlich der aufgetretenen Musikkapelle sowie des Entgelts. Das
FA stellte außerdem klar, dass die Auskünfte nicht
für die eigene Besteuerung der Adressaten benötigt
würden. Nach Auswertung der Antworten waren ca. 40
Auskunftsbegehren der Klägerin zuzuordnen. Die Auskünfte
wurden teilweise schriftlich, überwiegend aber telefonisch
erteilt und sodann handschriftlich, oftmals ohne Datum und
Namenszeichen, festgehalten. Danach hat die Klägerin Auftritte
entweder gar nicht oder mit geringeren Beträgen erfasst.
Daraufhin ordnete das FA eine Außenprüfung bei der
Klägerin für die Veranlagungszeiträume 1996 bis 1998
u.a. bezüglich der einheitlichen und gesonderten Feststellung
der Einkünfte aus Gewerbebetrieb an. Außerdem leitete
das FA noch vor Beginn der Außenprüfung ein
steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Mitglieder
der Klägerin ein (lt. Aktenvermerk vom 23.2.2000). Mangels
Mitwirkung der Klägerin war eine zutreffende Ermittlung des
Sachverhalts nicht möglich. In einer Besprechung beim
Steuerberater der Klägerin erklärte dieser, die
Klägerin bzw. ihre Gesellschafter wollten zur Höhe der
bislang nicht erklärten Einnahmen keine Aussagen machen, weil
sie sich an weitere Auftritte nicht erinnern könnten (vgl.
Schreiben der Betriebsprüfung vom 2.3.2000). Mit Schreiben vom
9.3.2000 teilte der Steuerberater mit, nach Einleitung des
steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens seien die
Gesellschafter gemäß § 393 Abs. 1 AO 1977 nicht
mehr zur Mitwirkung verpflichtet. Da das FA rechtliche Folgerungen
gezogen habe, werde auch eine Schlussbesprechung keine neuen
Erkenntnisse bringen, weshalb hierauf verzichtet werde.
Der Prüfer ging trotz des
umfangreichen Kontrollmaterials davon aus, dass weitere Einnahmen
von der Klägerin nicht erklärt worden seien (zu den
Gründen vgl. Aktenvermerk vom 23.2.2000). Deshalb nahm der
Prüfer Hinzuschätzungen vor und setzte zusätzlich
Unsicherheitszuschläge in folgender Höhe fest:
in
DM
|
nicht erfasst
|
Hinzuschätzung
|
Summe
|
|
|
|
(nach Rundung)
|
1995
|
10
100
|
13
000
|
24
000
|
1996
|
17
500
|
14
000
|
31
000
|
1997
|
10
995
|
15
000
|
28
000
|
1998
|
5 250
|
3 600
|
8 000
|
Das FA folgte den
Prüfungsfeststellungen und erließ entsprechend
gemäß § 164 Abs. 2 AO 1977 geänderte
Gewinnfeststellungsbescheide für 1995 bis 1998.
Nach erfolglosem Einspruch
(Einspruchsentscheidung vom 23.10.2000) gab das Finanzgericht (FG)
mit in EFG 2004, 1419 = SIS 04 37 10 veröffentlichtem Urteil
der Klage statt.
Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts.
Das FA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Gewinnfeststellungsbescheide mit der
Maßgabe zu bestätigen, dass die Besteuerungsgrundlagen -
nach gewinnminderndem Abzug der Umsatzsteuer - in folgender
Höhe festgestellt werden:
Einkünfte aus Gewerbebetrieb
1995
|
37.565 DM
|
Einkünfte aus Gewerbebetrieb
1996
|
43.364 DM
|
Einkünfte aus Gewerbebetrieb
1997
|
45.324 DM
|
Einkünfte aus Gewerbebetrieb
1998
|
53.508 DM
|
Die Klägerin beantragt,
die Revision des FA als unbegründet
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Die Hinzuschätzungen und
Unsicherheitszuschläge beruhen auf der Grundlage der an die
Saalmieter gerichteten Auskunftsbegehren und deren Beantwortung.
Die Auskunftsbegehren nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 sind
rechtlich - was das FG offen gelassen hat - nicht zu beanstanden.
Ihre Rechtmäßigkeit wird auch nicht durch die nach
Ansicht des FG unzulässige, rasterfahndungsähnliche
Erhebung der Namen und Anschriften der Saalmieter im Rahmen von
Außenprüfungen bei Gastwirten und die darauf beruhenden
Kontrollmitteilungen in Frage gestellt.
Der Senat kann zwar anhand der knappen
Feststellungen des FG nicht abschließend prüfen, ob die
Schlussfolgerung des FG, die Prüfungen bei den Gastwirten
seien von vornherein auch mit dem Ziel angeordnet worden,
die steuerlichen Verhältnisse der Tanzkapellen zu erforschen,
möglich ist.
Abgesehen davon, dass im Rahmen von
Vorbehaltsfestsetzungen ein lediglich verfahrensrechtliches
Verwertungsverbot nicht anzuerkennen ist, kommt im Streitfall ein
Verwertungsverbot im Wege einer sog. Fernwirkung einer
möglicherweise im Rahmen des § 194 Abs. 3 AO 1977
rechtswidrigen Anfertigung von Kontrollmitteilungen jedenfalls
nicht in Betracht.
Der Senat kann allerdings in der Sache nicht
abschließend entscheiden, da das FG - von seinem
Rechtsstandpunkt aus zu Recht - keine Feststellungen zu den vom FA
für die vorgenommenen Hinzuschätzungen (vgl. dazu Urteil
des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26.10.1994 X R 114/92, BFH/NV
1995, 373 = SIS 94 26 00) zugrunde gelegten, auf den von den
Saalmietern erteilten Auskünften beruhenden tatsächlichen
Schätzungsgrundlagen getroffen hat (vgl. dazu BFH-Beschluss
vom 1.12.1998 III B 78/97, BFH/NV 1999, 741 = SIS 98 57 07). Ebenso
wenig hat das FG Feststellungen zu den die Höhe der
Schätzungen und die Festsetzung von
Unsicherheitszuschlägen beeinflussenden Gesamtumständen,
wie sie u.a. dem Aktenvermerk des Betriebsprüfers vom
23.2.2000 zu entnehmen sind, getroffen.
Fehlende ausreichende Feststellungen stellen
einen materiellen Mangel des Urteils dar, der auch ohne Rüge
zur Aufhebung der Vorentscheidung führt (BFH-Urteil vom
27.4.1999 III R 21/96, BFHE 189, 255, BStBl II 1999, 670 = SIS 99 18 82).
1. Der Senat braucht nicht abschließend
zu entscheiden, ob die Erhebung der Namen und Anschriften der
Saalmieter durch die Regelungen in § 194 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3
AO 1977 gedeckt war; denn auch bei Annahme eines insoweit
rechtswidrigen Vorgehens der verschiedenen Prüfer führt
dieses weder zur Rechtswidrigkeit der späteren
Auskunftsbegehren noch zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich der
wesentlich auf der Grundlage der Auskünfte der Saalmieter
beruhenden Hinzuschätzungen bei der Klägerin.
a) Nach § 194 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 dient
die Außenprüfung grundsätzlich der Ermittlung der
steuerlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen. Werden
anlässlich einer Außenprüfung Verhältnisse
anderer als der in Abs. 1 genannten Personen festgestellt, so ist
die Auswertung dieser Feststellungen insoweit zulässig, als
ihre Kenntnis für die Besteuerung (vgl. § 199 Abs. 1 AO
1977) dieser anderen Personen von Bedeutung ist (§ 194 Abs. 3
1. Halbsatz AO 1977).
Das Merkmal
„anlässlich“ verlangt neben einem
zeitlichen Zusammenhang zwischen der Außenprüfung und
der Feststellung steuerrelevanter Verhältnisse Dritter auch
einen sachlichen Zusammenhang in der Art, dass bei einer konkreten
und im Aufgabenbereich des Prüfers liegenden Tätigkeit
ein Anlass auftaucht, der den Prüfer veranlasst, solche
Feststellungen zu treffen.
Hierzu muss es sich nicht um einen besonderen
Anlass handeln. Vielmehr genügt es, wenn die vom Prüfer
einzusehenden Geschäftsunterlagen des Steuerpflichtigen
Hinweise auf die Verhältnisse dritter Personen zu geben
vermögen, die bei objektiver Betrachtung für deren
Besteuerung von Bedeutung sein können (BFH–Beschluss vom
2.8.2001 VII B 290/99, BFHE 196, 4, BStBl II 2001, 665, 667 = SIS 01 12 21).
Als Ausfluss des
Verhältnismäßigkeitsprinzips darf der Prüfer
die Geschäftsunterlagen der Steuerpflichtigen nicht gezielt
einerseits unter Anlegung eines vorgegebenen Rasters und
andererseits nicht „ins Blaue hinein“, d.h. als
beliebige Stichprobe, nach steuererheblichen Verhältnissen
Dritter durchforsten. Unzulässig ist eine
Prüfungstätigkeit, die losgelöst von der konkret
angeordneten Außenprüfung unmittelbar und
ausschließlich auf die Feststellung der steuerlichen
Verhältnisse Dritter und die Fertigung von
Kontrollmitteilungen gerichtet ist (BFH-Beschlüsse in BFHE
196, 4, BStBl II 2001, 665 = SIS 01 12 21; vom 4.4.2005 VII B
305/04, BFH/NV 2005, 1226 = SIS 05 31 45; vom 28.4.2004 VII B
198/03, BFH/NV 2004, 1216 = SIS 04 32 41).
Dementsprechend verlässt auch ein an den
Steuerpflichtigen zu diesem Zweck gerichtetes Mitwirkungsverlangen
den Rahmen des § 200 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 und ist deshalb
rechtswidrig. Ein solches Mitwirkungsverlangen liegt
außerhalb der durch einen Prüfungsauftrag verliehenen
Befugnisse des Prüfers (BFH-Urteil vom 4.11.2003 VII R 29/01,
juris = SIS 03 61 00).
Wie die Außenprüfung hängen
auch die aufgrund beliebiger Stichproben gemachten
Kontrollmitteilungen nicht von der Steuerpflicht des von der
Mitteilung Betroffenen ab (vgl. Tipke in Tipke/Kruse,
Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 194 AO Tz. 31;
Eckhoff in Hübschmann/Hepp/Spitaler - HHSp -, § 194 AO
Rz. 228; Gosch in Beermann/Gosch, AO § 194 Rz. 221; Frotscher
in Schwarz, AO, § 194 Rz. 48; Klein/Rüsken, AO, 8. Aufl.,
§ 194 Rz. 30); denn sie dienen gerade Kontrollzwecken und der
Sicherstellung einer gleichmäßigen und
gesetzmäßigen Besteuerung. Ihnen kommt deshalb die
Funktion als Mittel des Verifikationsprinzips zu (Eckhoff in HHSp,
§ 194 AO Rz. 224).
§ 194 Abs. 3 AO 1977 setzt auch keinen
Zusammenhang zwischen den Steuerfaktoren bei dem geprüften
Steuerpflichtigen und dem Dritten voraus (vgl. Tipke in
Tipke/Kruse, a.a.O., § 194 AO Tz. 32). § 194 Abs. 3 AO
1977 kommt keine abschließende und im Übrigen nur eine
klarstellende Bedeutung zu; seine einzige Schranke besteht in
§ 30 AO 1977 (vgl. Frotscher in Schwarz, a.a.O., § 194
Rz. 46).
Erstrecken sich indes die
Prüfungshandlungen in erster Linie auf die Ermittlung der
steuerlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen, so ist der
Prüfer im Rahmen dieser konkreten Prüfungstätigkeit
befugt, Einsicht in sämtliche relevanten Erlöskonten zu
nehmen, um so den steuererheblichen Sachverhalt hinsichtlich des
Steuerpflichtigen vollständig und umfassend festzustellen
(vgl. auch Eckhoff in HHSp, § 194 AO Rz. 224 a.E.).
Kann aus den Umständen des Einzelfalles
nicht geschlossen werden, dass die Vorlage eines Erlöskontos
hauptsächlich darauf abgezielt hat, aus den daraus gewonnenen
Erkenntnissen Kontrollmitteilungen zu erstellen, so stellt sich die
Offenlegung steuerlicher Verhältnisse Dritter lediglich als
Reflexwirkung einer rechtmäßigen
Prüfungstätigkeit bzw. eines rechtmäßigen
Vorlageverlangens dar und hält sich innerhalb der dem
Prüfer durch den Prüfungsauftrag verliehenen Befugnisse
nach § 194 Abs. 1 und 3 AO 1977.
Allerdings hat der Prüfer, sofern er
rechtmäßig tatsächliche Erkenntnisse über
steuerrelevante Daten Dritter gewinnt, weiterhin zu prüfen, ob
er diese Erkenntnisse mittels Kontrollmitteilungen verwerten darf
(BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 1226 = SIS 05 31 45).
b) Ausweislich des Tatbestandes des
angefochtenen Urteils des FG waren die Saalbetriebe aus bestimmten
Gründen als prüfungswürdig gemeldet worden, u.a. -
wie das FA es nochmals in der Revisionsbegründung verdeutlicht
- aufgrund von Kontrollmaterial, von hohen Nachzahlungen, hohen
Privatentnahmen, schwankenden Gewinnen und zu niedrigen
Aufschlagsätzen.
Im Rahmen dieser Außenprüfungen
stellten die Prüfer indes fest, dass die Gastwirte in keinen
unmittelbaren Rechtsbeziehungen zu den Tanzkapellen standen.
Erst danach schrieben die Prüfer Namen
und Anschrift der Saalmieter aus den ihnen zu Prüfungszwecken
bezüglich der Saalbetriebe vorliegenden
Geschäftsunterlagen heraus.
Nach den Feststellungen des FG besteht kein
Anlass für die Annahme, die Prüfungen seien lediglich zum
Schein durchgeführt worden, um eigentlich Feststellungen (nur)
hinsichtlich der Tanzkapellen zu treffen (vgl. dazu auch Tipke in
Tipke/Kruse, a.a.O., § 194 AO Tz. 30).
Ebenso wenig bieten die Feststellungen des FG
eine Grundlage dafür, dass die Prüfer sich die
Geschäftsunterlagen der tatsächlich geprüften
Saalwirte ausschließlich zu dem Zweck hätten vorlegen
lassen, um die Saalmieter herauszuschreiben. Vielmehr entspricht es
den sachlichen Gegebenheiten einer Außenprüfung, die
Erlöskonten für den Prüfungszeitraum zu
überprüfen.
Wenn im Zusammenhang mit diesen eindeutig im
Rahmen des Prüfungsauftrages liegenden Prüfungshandlungen
auch Namen und Anschriften von Saalmietern herausgeschrieben
wurden, so liegt jedenfalls die Vermutung nicht ohne weiteres nahe,
die Prüfungen hätten eigentlich und primär darauf
abgezielt. Im Übrigen bestehen insoweit Zweifel, dass bereits
das Festhalten dieser reinen Personendaten Feststellungen
bezüglich steuerrelevanter Verhältnisse Dritter
darstellen (s.a. Eckhoff in HHSp, § 194 AO Rz. 212).
c) Das FG hat trotz dieser Aspekte aus im
Einzelnen nicht dargestellten Gesamtumständen gefolgert, die
Prüfungshandlungen hätten von vornherein auch auf die
Erforschung der steuerlichen Verhältnisse der Tanzkapellen
abgezielt.
Es mag durchaus sein, dass die Prüfer im
Rahmen von Außenprüfungen bei Gastwirten auch ein
Augenmerk auf die steuerlichen Verhältnisse der Tanzkapellen
richten sollten. Vom Zufallsprinzip gedeckt ist es zudem, bestimmte
Geschäftsbeziehungen zu Dritten systematisch aufzuarbeiten. Es
besteht keine Beschränkung der Prüfungs- und
Kontrollmitteilungsdichte (vgl. Gosch in Beermann/Gosch, a.a.O.,
§ 194 Rz. 239; ausführlich Eckhoff in HHSp, § 194 AO
Rz. 221 und 222, der sich gegen eine zu enge Auslegung des §
194 Abs. 3 AO 1977 ausspricht).
Indes hätte es für die
weiterreichende Schlussfolgerung des FG deutlicherer und
konkreterer Feststellungen bedurft. So fehlen bereits Angaben zu
der Zahl der geprüften Gastwirte, vor allem gemessen an der
Gesamtzahl derartiger Betriebe im Einzugsbereich der
Betriebsprüfung. Für eine Prüfung aller Gastwirte in
einem bestimmten Gebiet („flächendeckende“
Überprüfung) gibt es keine Anhaltspunkte.
Ausführungen zu dem genauen Ablauf der Prüfungen und
möglichen Kriterien, anhand derer etwa bestimmte Mieter
erfasst worden sind, enthält das Urteil nicht.
Soweit das FG in diesem Zusammenhang
ausführt, das FA habe kurz vor Beginn der
Außenprüfungen bei den Saalbetrieben Zweifel an der
Vollständigkeit der von der Klägerin erklärten
Umsätze geäußert, wird damit nicht belegt, dass die
Außenprüfungen bei den Gastwirten nicht der Ermittlung
der steuerlichen Verhältnisse dieser Personen dienen
sollten.
Selbst wenn mit dem FG von einer
rasterfahndungsähnlichen flächendeckenden Prüfung
von Gastwirten ohne konkreten Anlass („ins Blaue
hinein“) auszugehen wäre, so leitet das FG hieraus
aber zu Unrecht ein zu Gunsten des Dritten, der Klägerin,
wirkendes absolutes Verwertungsverbot ab (dazu im Einzelnen unter
II.4. der Gründe dieses Urteils).
d) § 194 Abs. 3 AO 1977 stellt im
Übrigen eine zu Gunsten des geprüften Steuerpflichtigen
bestehende Schutzvorschrift dar (Urteil des FG
Baden–Württemberg vom 28.3.2003 3 K 240/98, EFG 2003,
1140 = SIS 03 35 47; Eckhoff in HHSp, § 194 AO Rz. 222).
Der Schutzbereich erfasst somit nicht
Geschäftspartner des Steuerpflichtigen; § 194 Abs. 3 AO
1977 soll lediglich verhindern, dass ein Steuerpflichtiger im
Verlauf einer wegen seiner Besteuerung durchgeführten
Prüfung auch noch unbeschränkt als Auskunftsperson
über die Geschäfte weiterer Steuerpflichtiger herhalten
soll.
Der Steuerpflichtige kann schließlich
ein Mitwirkungsverlangen anfechten und sich gegen das Erstellen von
Kontrollmitteilungen mit einer Unterlassungsklage wehren (Frotscher
in Schwarz, a.a.O., § 194 Rz. 49).
Selbst wenn das Erstellen von
Kontrollmitteilungen gegen gesetzliche Verpflichtungen
verstoßen hätte, so könnten sie jedenfalls dann
ausgewertet werden, wenn sich der eigentlich betroffene
Steuerpflichtige nicht gegen diese Maßnahmen gewehrt hat
(vgl. Frotscher in Schwarz, a.a.O., § 194 Rz. 49; a.A.
Klein/Rüsken, a.a.O., § 194 Rz. 33, wonach eine
Verwertung rechtswidriger Kontrollmitteilungen entgegen der
Rechtsprechung und herrschenden Meinung im Schrifttum im Interesse
der Folgenbeseitigung im Besteuerungsverfahren einem
Verwertungsverbot unterliegen soll; ferner Schwaben, DB 2002,
1908).
2. a) Nach § 93 Abs. 1 AO 1977 haben
Beteiligte und andere Personen der Finanzbehörde die zur
Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen
Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Im Rahmen
ihrer Verpflichtung, den maßgebenden Sachverhalt zur
Durchsetzung materiell-rechtlich begründeter
Steueransprüche aufzuklären (§§ 85, 88 AO
1977), darf sich die Finanzbehörde derjenigen Beweismittel
bedienen, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur
Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält (§
92 Satz 1 AO 1977). Zu diesen Beweismitteln zählen auch
Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten im
Besteuerungsverfahren (§ 92 Satz 2 Nr. 1 AO 1977). Die
rechtliche Befugnis zu solchen Auskunftsverlangen ergibt sich aus
§ 93 Abs. 1 Satz 1 AO 1977. Die Inanspruchnahme dieser
Befugnisse verstößt grundsätzlich nicht gegen
verfassungsrechtliche Grundsätze (BFH-Urteil vom 22.2.2000 VII
R 73/98, BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366 = SIS 00 09 36, m.w.N.;
dazu Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG -
vom 15.11.2000 1 BvR 1213/00, BStBl II 2002, 142 = SIS 01 03 61).
Die Auskunftspflicht anderer Personen ist -
wie die allgemeine Zeugenpflicht - eine allgemeine
Staatsbürgerpflicht und verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie
verstößt insbesondere nicht gegen das Recht des
Bürgers auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. BFH-Urteil
in BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366 = SIS 00 09 36).
b) Nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 soll
die Finanzbehörde zunächst versuchen, die zur
Aufklärung des Sachverhalts notwendigen Auskünfte von dem
Steuerpflichtigen selbst zu erlangen, ehe andere Personen zur
Auskunft angehalten werden. Ein Auskunftsersuchen an Dritte, d.h.
an dem Besteuerungsverfahren nicht beteiligte Personen, soll erst
ergehen, wenn die Sachverhaltsaufklärung nicht zum Ziel
führt oder keinen Erfolg verspricht. Für ihr
Tätigwerden bedürfen die Finanzbehörden eines
hinreichenden Anlasses. Ermittlungen „ins Blaue
hinein“ sind unzulässig (BFH-Urteile vom 23.10.1990
VIII R 1/86, BFHE 162, 539, BStBl II 1991, 277 = SIS 91 05 51; vom
18.2.1997 VIII R 33/95, BFHE 183, 45, BStBl II 1997, 499 = SIS 97 13 01; Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 6.4.1989 1 BvR 33/87,
HFR 1989, 440 zum BFH-Urteil vom 29.10.1986 VII R 82/85, BFHE 148,
108, BStBl II 1988, 359 = SIS 87 04 57). Nach ständiger
Rechtsprechung des BFH ist zwischen der weiter gehenden
Aufgabenzuweisung für die Steuerfahndung nach § 208 Abs.
1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 AO 1977, im Rahmen von Prüfungen
unbekannte Steuerquellen aufzudecken (vgl. BFH-Urteil vom 17.3.1992
VII R 122/91, BFH/NV 1992, 791 = SIS 92 22 48; BFH-Beschluss vom
4.9.2000 I B 17/00, BFHE 192, 260, BStBl II 2000, 648 = SIS 00 13 46, m.w.N.) und den zur Erfüllung dieser Aufgaben verliehenen
Befugnissen andererseits (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO 1977) zu
unterscheiden (BFH-Beschluss vom 21.3.2002 VII B 152/01, BFHE 198,
42, BStBl II 2002, 495 = SIS 02 09 17).
In steuerverfahrensrechtlicher Hinsicht stehen
der Steuerfahndung grundsätzlich diejenigen
Ermittlungsbefugnisse zu, die die Finanzämter im
Besteuerungsverfahren auch haben (§ 93 Abs. 1 Satz 3 AO 1977).
Deshalb kann auch insoweit auf die Rechtsprechung des BFH zu
Auskunftsersuchen der Steuerfahndung nach § 93 Abs. 1 AO 1977
zurückgegriffen werden. Umgekehrt lässt die
Aufgabenzuweisung an die Fahndungsstellen die Aufgaben und
Befugnisse der Finanzämter unberührt (vgl. § 208
Abs. 3 AO 1977). Die Finanzämter sind nicht gehindert, in
derselben Sache wie die Fahndung tätig zu werden oder sich
sogar bestimmte Ermittlungen vorzubehalten. Sie können z.B.
eine Außenprüfung anordnen oder selbst
Einzelermittlungen gemäß § 88 Abs. 1 AO 1977
durchführen (zur Abgrenzung vgl. BFH–Urteil vom
25.11.1997 VIII R 4/94, BFHE 184, 255, BStBl II 1998, 461 = SIS 98 06 37, m.w.N.). Die Finanzbehörden dürfen das nach ihrer
Auffassung zweckmäßigste Mittel für die
Feststellung der Besteuerungsgrundlagen, und zwar auch im Hinblick
auf eine mögliche Steuerstraftat, auswählen. Dies gilt
gleichermaßen, wenn nicht zu erwarten ist, dass der
Steuerpflichtige den steuerlich erheblichen Sachverhalt offenlegt.
Auch in einem solchen Fall besteht regelmäßig kein
zwingender Anlass, die Verwaltung von vornherein
ausschließlich auf den Einsatz der Steuerfahndung zu
verweisen (vgl. BFH-Urteil vom 19.8.1998 XI R 37/97, BFHE 186, 506,
BStBl II 1999, 7 = SIS 98 23 54, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 3.4.2003
XI B 60/02, BFH/NV 2003, 1034 = SIS 03 32 35, m.w.N.; Seer in
Tipke/Kruse, a.a.O., § 208 AO Tz. 129 und 130, m.w.N.; Kock in
Beermann/Gosch, a.a.O., § 208 AO Rz. 73 ff.).
Ein hinreichender Anlass liegt nicht erst vor,
wenn ein begründeter Verdacht dafür besteht, dass
steuerrechtliche Unregelmäßigkeiten gegeben sind.
Vielmehr genügt es, wenn aufgrund konkreter Umstände oder
aufgrund allgemeiner Erfahrung ein Auskunftsersuchen
angezeigt ist (BFH–Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002,
495 = SIS 02 09 17; BFH-Urteile in BFHE 183, 45, BStBl II 1997, 499
= SIS 97 13 01; vom 7.8.1990 VII R 106/89, BFHE 161, 423, BStBl II
1990, 1010 = SIS 90 22 52; in BFH/NV 1992, 791 = SIS 92 22 48;
ferner bereits der Beschluss des Großen Senats des BFH vom
13.2.1968 GrS 5/67, BFHE 91, 351, BStBl II 1968, 365, 369 = SIS 68 02 42).
Danach dürfen Auskünfte von anderen
Personen schon dann eingeholt werden, wenn die Finanzbehörde
im Rahmen ihrer Tätigkeit - sei es aufgrund konkreter Momente,
sei es aufgrund allgemeiner Erfahrung - zu dem Ergebnis gelangt
ist, die Auskünfte könnten zur Aufdeckung
steuererheblicher Tatsachen führen (ferner Urteil des BVerfG
vom 9.3.2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56 = SIS 04 13 59, unter C.III.3.ee der Gründe).
Das Schrifttum stimmt dieser Rechtsprechung
ganz überwiegend zu (vgl. Schuster in HHSp, § 93 AO Rz.
11 und die nachgewiesene Rechtsprechung in Fn. 4).
Zu den steuerlich erheblichen Tatsachen
zählt alles, was die finanzbehördlichen Entscheidungen in
einem steuerrechtlichen Verwaltungsverfahren beeinflussen kann
(vgl. Schuster in HHSp, § 93 AO Rz. 10).
Die in diesem Sinne erheblichen,
mitzuteilenden „Tatsachen“ müssen lediglich
im Rahmen einer Prognoseentscheidung möglich sein
(BFH–Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359 = SIS 87 04 57, ständige Rechtsprechung). Die Finanzbehörde hat
hierüber im Wege einer vorweggenommenen Beweiswürdigung
zu befinden (BFH–Urteile in BFHE 183, 45, BStBl II 1997, 499
= SIS 97 13 01; vom 30.3.1989 VII R 89/88, BFHE 156, 88, BStBl II
1989, 537 = SIS 89 14 55, ständige Rechtsprechung). Im
Interesse der gesetzmäßigen und gleichmäßigen
Besteuerung und zur Verwirklichung des verfassungsrechtlich
gebotenen Verifikationsprinzips sind die Anforderungen an diese
Prognoseentscheidung nicht zu hoch anzusetzen (vgl.
BFH–Urteil in BFHE 162, 539, BStBl II 1991, 277 = SIS 91 05 51). Insbesondere darf noch unklar sein, ob der Vorgang steuerbar
ist und ob er im Ergebnis zu einer Steuerpflicht führt. §
93 Abs. 1 AO 1977 ist nicht auf die Fälle beschränkt, in
denen Anhaltspunkte vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass
möglicherweise eine Steuerschuld entstanden oder die Steuer
verkürzt worden ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 162, 539, BStBl
II 1991, 277 = SIS 91 05 51).
Nur dann, wenn klar und eindeutig jeglicher
Anhaltspunkt für die Steuererheblichkeit fehlt, ist das
Auskunftsverlangen rechtswidrig (BFH-Urteil in BFHE 162, 539, BStBl
II 1991, 277 = SIS 91 05 51).
Für die notwendige Prognoseentscheidung
darf auch auf eine branchenspezifische Erfahrung
zurückgegriffen werden (BFH-Urteile vom 24.10.1989 VII R 1/87,
BFHE 158, 502, BStBl II 1990, 198 = SIS 90 02 50, m.w.N.; in BFHE
161, 423, BStBl II 1990, 1010 = SIS 90 22 52; in BFH/NV 1992, 791 =
SIS 92 22 48; Tipke in Tipke/Kruse, a.a.O., § 93 AO Tz. 5;
Schuster in HHSp, § 93 AO Rz. 3; ausführlich Söhn in
HHSp, § 86 AO Rz. 45, wonach für die Veranlassung zu
Ermittlungsmaßnahmen abstrakte Anhaltspunkte ausreichen). Der
I. Senat des BFH lässt im Urteil vom 11.10.1989 I R 101/87
(BFHE 159, 98, BStBl II 1990, 280 = SIS 90 08 50) sogar
Sammelauskunftsersuchen nach § 93 AO 1977 zu, verlangt
allerdings, dass für die Prognoseentscheidung entweder ein
Erfahrungssatz festgestellt oder zumindest offenkundig sein
müsse. Die bloße Tatsache, dass Gesetze allgemein und
Steuergesetze im Besonderen nicht immer beachtet werden, reiche
nicht aus.
Auch das BVerfG hat die Rechtsprechung
verfassungsrechtlich als unbedenklich gebilligt (Beschluss des
BVerfG in HFR 1989, 440).
Ist die Identität des Beteiligten nicht
bekannt, sondern soll sie durch das Auskunftsersuchen erst
festgestellt werden, sind Aufklärungsmaßnahmen unter
Zuhilfenahme des Beteiligten nicht durchführbar. Die Auskunft
soll gerade dazu dienen, den Beteiligten festzustellen. Eine
wortgetreue Anwendung des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO 1977
könnte nicht zu dem angestrebten Ziel führen und
wäre folglich sinnwidrig (BFH-Urteile vom 26.8.1980 VII R
42/80, BFHE 131, 187, BStBl II 1980, 699 = SIS 80 03 65; vom
27.10.1981 VII R 2/80, BFHE 134, 231, BStBl II 1982, 141 = SIS 82 25 34). Als „Soll-Vorschrift“ bringt § 93
Abs. 1 Satz 3 AO 1977 zum Ausdruck, dass die Behörde zwar in
der Regel nach ihr verfahren muss, jedoch in atypischen Fällen
von ihr abweichen darf. Ob ein atypischer Fall vorliegt, ist am
Zweck der Regelung zu messen. Ein für § 93 Abs. 1 Satz 3
AO 1977 atypischer Fall ist gegeben, wenn der Beteiligte unbekannt
ist und deshalb schon eine Auskunft über seine Person
erforderlich wird. Die Behörde muss bei der Ermittlung der
Person des Beteiligten nicht solange auf die Inanspruchnahme einer
anderen Person verzichten, bis sie alle Möglichkeiten, den
Beteiligten selbst zur Auskunft über seine Person zu
veranlassen, ausgeschöpft hat (BFH-Urteil in BFHE 134, 231,
BStBl II 1982, 141 = SIS 82 25 34).
Für das Auskunftsersuchen reicht die
allgemeine Erfahrung der Verwaltung, dass der Bereich der privaten
Musikkapellen für steuerliche Unregelmäßigkeiten
besonders anfällig ist (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 158, 502,
BStBl II 1990, 198 = SIS 90 02 50).
Es bedarf keiner weiteren Erläuterung,
dass die Steuerverwaltung über die notwendige allgemeine,
insbesondere aber eine branchenspezifische Erfahrung verfügt
und bei welchen Betrieben steuerunehrliches Verhalten gehäuft
in Erscheinung tritt (vgl. z.B. auch BFH-Beschluss in BFH/NV 1992,
791 = SIS 92 22 48, wonach es allgemeiner Erfahrung entspreche, der
Bereich „Yachten“ sei für steuerliche
Unregelmäßigkeiten besonders anfällig).
c) Das Auskunftsrecht unterliegt den
allgemeinen rechtsstaatlichen Grenzen. Die verlangte Auskunft muss
zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die
Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und die
Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und
zumutbar sein (BFH-Urteile in BFHE 162, 539, BStBl II 1991, 277 =
SIS 91 05 51; in BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366 = SIS 00 09 36).
Die Inanspruchnahme Dritter zur Auskunftserteilung bedarf
darüber hinaus einer Interessenabwägung zwischen den
besonderen Belastungen, denen ein Auskunftspflichtiger ausgesetzt
ist und den Interessen der Allgemeinheit an einer möglichst
gleichmäßigen Festsetzung und Verwirklichung der
Steueransprüche (BFH-Beschluss vom 21.10.2003 VII B 85/03,
BFHE 203, 257, BStBl II 2004, 36 = SIS 03 50 33).
d) Gemäß § 92 Satz 1 i.V.m.
§ 93 Abs. 1 AO 1977 steht es im pflichtgemäßen
Ermessen der Finanzbehörde (§ 5 AO 1977), ob sie den
Dritten und ggf. von mehreren welchen sie zur Auskunftserteilung in
Anspruch nimmt. Die Ermessensentscheidung ist zu begründen
(§ 93 Abs. 2, § 121 Abs. 1 AO 1977). Der BFH (Urteil in
BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366 = SIS 00 09 36) hat es allerdings
offen gelassen, ob im Hinblick auf die Verwirklichung des
Tatbestandes in § 93 Abs. 1 AO 1977 und aufgrund der Beachtung
der rechtsstaatlichen Erfordernisse durch die Behörde die
Ermessensausübung durch die getroffene Rechtsentscheidung
bereits in der Weise vorgeprägt ist, dass auf eine weitere
Begründung im Auskunftsersuchen verzichtet werden kann.
Jedenfalls reicht es bei Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen
des § 93 Abs. 1 Sätze 1 und 3 AO 1977 aus, dass die
Begründungsanforderungen aus § 93 Abs. 2 und Abs. 1 Satz
3 AO 1977 beachtet werden. Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 ist
in dem Auskunftsersuchen anzugeben, worüber Auskünfte
erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung
des Auskunftspflichtigen oder einer anderen Person angefordert wird
(BFH-Urteil in BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366 = SIS 00 09 36).
3. Nach diesen Maßstäben sind die
Auskunftsersuchen an die Saalmieter rechtlich nicht zu
beanstanden.
Das beklagte FA hatte jeweils für die
Streitjahre 1995 bis 1997 Aufstellungen von der Klägerin
über die Zahl der Auftritte und die dabei vereinnahmten
Entgelte angefordert. Die Klägerin hat sowohl für diese
drei Jahre als auch für das weitere Streitjahr 1998
Aufstellungen ein- bzw. nachgereicht. Konkrete Anhaltspunkte
dafür, ob und ggf. in welcher Höhe die Klägerin
zusätzliche, bislang noch nicht erklärte Einnahmen aus
weiteren Auftritten erzielt hatte, bestanden für das beklagte
FA nicht. Das FA hatte allerdings allgemein die Erkenntnis
gewonnen, dass privat auftretende Musikgruppen ihren
Erklärungspflichten nicht, zumindest aber nicht in vollem
Umfang nachkommen. Für das FA stellte sich im Zeitpunkt des
Auskunftsersuchens auch nicht die Alternative, erneut an die
Klägerin wegen zusätzlicher Auskünfte heranzutreten.
Vielmehr musste es sich an die Saalmieter als die potentiellen
Auftraggeber von Musikkapellen wenden, um überhaupt die
Beteiligten feststellen zu können. Die verlangten
Auskünfte waren geeignet, mögliche, bislang nicht
erklärte Einnahmen von Musikkapellen aufzudecken.
Die Auskunftsersuchen waren notwendig, weil
eine weitere Aufklärung durch die Klägerin bzw. andere
Musikkapellen über bislang verschwiegene Einnahmen nicht zu
erwarten war. Die Erwägung des FG, das FA hätte
stattdessen eine Außenprüfung bei der Klägerin
durchführen und dabei konkrete Feststellungen treffen
können, erscheint angesichts der Vorgehensweise der
Klägerin, nämlich die Honorare ohne Quittungen bar zu
vereinnahmen und den Auftritt nicht buchmäßig zu
erfassen, kaum erfolgversprechend. Ebenso wenig vermag der Hinweis
des FG weiterzuführen, bei den Gaststätten im Wege von
Einzelermittlungen gemäß § 88 Abs. 1 Satz 1 AO 1977
anhand der aufgezeichneten Auftritte und deren Anzahl
Nachforschungen anzustellen, ob diese Angaben zutreffend seien. Wie
das FG festgestellt hat, bestanden keine Rechtsbeziehungen zwischen
den Saalwirten und der Klägerin bzw. anderen Musikgruppen. Ein
anderes Aufklärungsmittel als die Auskunftsersuchen an die
Saalmieter stand dem FA nicht zur Verfügung; nur die Mieter
konnten als Auftraggeber der Musikgruppen überhaupt
Auskünfte erteilen.
Die Anfragen an die einzelnen Mieter waren
auch nicht unverhältnismäßig. Die Auskünfte
verursachten allenfalls bei den ersuchten Mietern einen geringen
Aufwand und führten keinesfalls zu einer für diese
unangemessenen Belastung. Insbesondere konnten den Mietern keine
steuerlichen Nachteile aus etwaigen Auskünften erwachsen.
Die Auskunftserteilung war den Mietern auch
zumutbar. Außerordentliche Umstände in der Person der
Auskunftspflichtigen oder aufgrund der Art der begehrten Auskunft,
die ausnahmsweise ein Verschweigen hätten rechtfertigen
können, wie z.B. ein Eindringen in die durch Art. 2 Abs. 1 des
Grundgesetzes (GG) geschützte persönliche
Intimsphäre der Auskunftsverpflichteten oder auch einer
anderen Person sind nicht festgestellt worden und auch nicht
erkennbar.
Die Auskunftsersuchen entbehren auch nicht
deshalb einer Rechtsgrundlage, weil sie im Rahmen sog.
Rasterfahndungen oder ähnlicher Ermittlungen „ins
Blaue hinein“ gestellt worden wären (vgl. dazu
Urteil des Senats in BFHE 183, 45, BStBl II 1997, 499 = SIS 97 13 01, m.w.N.). Unbeschadet der fehlenden genauen Feststellungen, ob
sämtliche bei den geprüften Gastwirten erfassten
Saalmieter auch um Auskunft ersucht worden sind, war jedenfalls der
Kreis der als Auskunftspflichtige in Anspruch zu nehmenden Personen
insoweit zwangsläufig begrenzt. Die Auskunftsersuchen betrafen
eine homogene Gruppe, nämlich Tanzkapellen (vgl. auch Urteil
des Niedersächsischen FG vom 11.11.2005 6 K 21/05, EFG 2006,
232 = SIS 06 09 60, Revision VII R 63/05).
Das FA hat sein Ermessen bei der
Inanspruchnahme fehlerfrei ausgeübt und seine
Ermessensentscheidung auch ausreichend begründet. Aus den
Auskunftsersuchen ist für die Adressaten eindeutig erkennbar,
worüber eine Auskunft begehrt wurde und dass die erteilten
Auskünfte nicht für die Besteuerung der
Auskunftspflichtigen bedeutsam seien.
Der Senat braucht danach nicht auf die weitere
Rechtsfrage einzugehen, ob sich die Klägerin schon deshalb
nicht auf eine vermeintliche Rechtswidrigkeit der Auskunftsersuchen
berufen darf, weil sie mangels Anfechtung durch die Adressaten
selbst bestandskräftig geworden sind.
Der BFH hat im Übrigen mehrfach die
Berufung eines Dritten auf ein Verwertungsverbot verneint, wenn der
unmittelbar Betroffene die Maßnahme selbst nicht angefochten
hat (vgl. BFH–Urteile vom 9.11.1984 VI R 157/83, BFHE 142,
402, BStBl II 1985, 191 = SIS 85 04 39; vom 23.2.1984 IV R 154/82,
BFHE 140, 505, BStBl II 1984, 512 = SIS 84 12 34).
4. Das FA war auch nicht an der Verwertung der
erteilten Auskünfte im Rahmen der bei der Klägerin
durchgeführten Außenprüfung und der darauf
beruhenden Schätzung der Besteuerungsgrundlagen für die
Streitjahre 1995 bis 1998 gehindert.
a) Ungeachtet der gegen die Gesellschafter der
Klägerin eingeleiteten Ermittlungsverfahren (vgl.
Einleitungsverfügungen vom 3.2.2000) bleiben die beschuldigten
Steuerpflichtigen im Besteuerungsverfahren entsprechend der in der
AO 1977 enthaltenen gesetzlichen Regelung zur Mitwirkung,
insbesondere bei der Aufklärung des Sachverhalts, verpflichtet
(BFH-Beschlüsse vom 19.9.2001 XI B 6/01, BFHE 196, 200, BStBl
II 2002, 4 = SIS 02 02 48, m.w.N.; vom 17.7.2003 X B 19/03, BFH/NV
2003, 1594 = SIS 03 49 86; BFH-Urteil vom 23.1.2002 XI R 10, 11/01,
BFHE 198, 7, BStBl II 2002, 328 = SIS 02 07 95).
Nach § 393 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 sind im
Besteuerungs- und im Strafverfahren die für das jeweilige
Verfahren geltenden Vorschriften anzuwenden. Besteuerungs- und
Steuerstrafverfahren stehen grundsätzlich unabhängig und
gleichrangig nebeneinander. Die Gesellschafter der Klägerin
sind im Rahmen der Einleitungsverfügungen vom 3.2.2000
betreffend die steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren
über ihre Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren
gemäß § 393 Abs. 1 AO 1977 ordnungsgemäß
belehrt worden. Soweit die Finanzbehörde die
Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, ist sie
gemäß § 162 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 berechtigt, die
Besteuerungsgrundlagen im Schätzungswege zu ermitteln. Die
Betriebsprüfung des beklagten FA hatte den steuerlichen
Beratern der Klägerin wunschgemäß mit Schreiben vom
2.3.2000 eine Aufstellung der Schätzungsbeträge
übermittelt. Diese haben mit Schriftsatz vom 9.3.2000 dem FA
mitgeteilt, die Gesellschafter seien nach § 393 Abs. 1 AO 1977
nicht zur Mitwirkung verpflichtet und verzichteten auf eine
Schlussbesprechung. Der Klägerin bzw. ihren Gesellschaftern
ist damit hinreichend Gelegenheit gegeben worden, zu den
Ergebnissen der Auskunftsersuchen und den Schlussfolgerungen des
Prüfers vor Abschluss der Außenprüfung und
insbesondere vor Erlass der auf den Prüfungsfeststellungen
beruhenden Änderungsbescheide ihren Anspruch auf rechtliches
Gehör wahrzunehmen.
b) Entgegen der Rechtsauffassung des FG liegen
keine derart schwerwiegenden Gründe vor, dass ausnahmsweise,
sofern die erstellten Kontrollmitteilungen - isoliert betrachtet -
rechtswidrig wären und einem Verwertungsverbot
unterlägen, auch die aufgrund der anschließenden
rechtmäßigen Auskunftsersuchen gewonnenen Erkenntnisse
infiziert wurden und damit gleichfalls einem Verwertungsverbot
unterlägen.
aa) Für die Frage, ob rechtswidrig
ermittelte Tatsachen einem Verwertungsverbot unterliegen, ist nach
der Rechtsprechung zwischen einem materiell-rechtlichen und einem
formellen Verwertungsverbot zu unterscheiden.
Der Senat hat in seinem Grundsatzurteil in
BFHE 184, 255, BStBl II 1998, 461 = SIS 98 06 37 sowohl diese
differenzierende Rechtsauffassung ausführlich begründet
als auch die Unterscheidung zwischen einfachen
verfahrensrechtlichen Mängeln, die nicht zu einem
endgültigen Verwertungsverbot führen, und qualifizierten
materiell-rechtlichen Verwertungsverboten herausgearbeitet. Den
dort entwickelten Grundsätzen haben sich weitere Senate des
BFH uneingeschränkt angeschlossen (vgl. BFH-Urteile in BFHE
198, 7, BStBl II 2002, 328 = SIS 02 07 95, wonach das Steuerrecht
kein generelles Verwertungsverbot kennt; vom 28.4.1998 IX R 24/94,
BFH/NV 1998, 1192 = SIS 98 17 48, wonach bei Vorbehaltsbescheiden
generell kein Verwertungsverbot zum Zuge kommt; BFH-Beschlüsse
vom 2.4.2004 II B 13/02, BFH/NV 2005, 58 = SIS 05 04 21; vom
15.5.2002 V B 74/01, BFH/NV 2002, 1279 = SIS 02 93 69, wonach ein
Verwertungsverbot trotz Durchsuchung von Geschäftsräumen
ohne Vorliegen eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses zu
verneinen sei; vom 26.2.2001 VII B 265/00, BFHE 194, 40, BStBl II
2001, 464 = SIS 01 07 02).
Ein qualifiziertes materielles
Verwertungsverbot liegt vor, wenn die Ermittlung der Tatsachen
einen verfassungsrechtlich geschützten Bereich des
Steuerpflichtigen verletzen. Die so ermittelten Tatsachen sind
schlechthin und ohne Ausnahme unverwertbar. Der Verstoß kann
auch nicht durch zulässige, erneute Ermittlungsmaßnahmen
geheilt werden (Söhn in HHSp, § 88 AO Rz. 309, m.w.N.;
Frotscher in Schwarz, a.a.O., § 196 Rz. 17a).
Handelt es sich hingegen nur um formelle
Verstöße gegen Verfahrensvorschriften - wie sich dies im
Regelfall im Steuerrecht darstellen wird -, so kann es lediglich zu
einem „einfachen“ Verwertungsverbot kommen,
sofern die Prüfungsmaßnahmen erfolgreich angefochten
oder nach Beendigung der Prüfung zumindest ihre
Rechtswidrigkeit gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO
festgestellt worden ist. Fehlt es an einer Prüfungsanordnung
oder stellen die beanstandeten Prüfungsmaßnahmen keine
Verwaltungsakte dar, so ist die Rechtmäßigkeit inzident
im Rahmen der Anfechtung der Steuerbescheide mitzuprüfen
(BFH-Urteile in BFHE 184, 255, BStBl II 1998, 461 = SIS 98 06 37;
in BFHE 198, 7, BStBl II 2002, 328 = SIS 02 07 95).
Mitwirkungsverlangen im Rahmen von
Außenprüfungen sind in aller Regel als selbständig
anfechtbare Verwaltungsakte zu qualifizieren (vgl. BFH-Urteil vom
10.11.1998 VIII R 3/98, BFHE 187, 386, BStBl II 1999, 199 = SIS 99 07 40, m.w.N., sofern es sich nicht ausnahmsweise um nicht
erzwingbare Auskünfte über steuermindernde Sachverhalte
handelt).
bb) Darüber hinaus hat der Senat mit
Urteil in BFHE 184, 255, BStBl II 1998, 461 = SIS 98 06 37,
ausgehend von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum
Erstbescheid (vgl. BFH-Urteile vom 10.5.1991 V R 51/90, BFHE 164,
495, BStBl II 1991, 825 = SIS 91 20 33; vom 13.12.1995 XI R
43-45/89, BFHE 179, 353, BStBl II 1996, 232 = SIS 96 09 20), auch
für nach § 164 Abs. 2 AO 1977 ergehende
Änderungsbescheide grundsätzlich ein Verwertungsverbot
verneint (vgl. BFH–Beschluss vom 17.1.2002 V B 88/01, BFH/NV
2002, 748 = SIS 02 67 03, m.w.N.), auch wenn die zur Änderung
führenden Tatsachen im Rahmen einer Außenprüfung
verfahrensfehlerhaft ermittelt worden sein sollten.
Diese Einschränkung des allgemeinen
verfahrensrechtlichen Verwertungsverbots beruht auf der
Überlegung, dass das FA zur Ermittlung des Sachverhalts
für eine erstmalige Steuerfestsetzung keiner förmlichen
Prüfungsanordnung bedarf. Vielmehr ist es zur Erforschung des
steuerrechtlich erheblichen Sachverhalts nach den §§ 85,
88 f. AO 1977 von Amts wegen verpflichtet und darf den
Steuerpflichtigen dazu gemäß § 90 Abs. 1 AO 1977
heranziehen. Die Berechtigung zur umfassenden Aufklärung des
Sachverhalts für die erstmalige Steuerfestsetzung wird auch
nicht durch eine eventuelle fehlerhafte Begründung für
die Sachverhaltsermittlung beeinträchtigt.
Verfahrensrechtliche Verstöße bei der Aufklärung
des Sachverhalts, selbst wenn sie ein Verwertungsverbot zur Folge
hätten, könnten im Rahmen der nach § 367 Abs. 2 Satz
1 AO 1977 gebotenen vollständigen neuen Sach- und
Rechtsprüfung im Einspruchsverfahren - wiederum unter
Mitwirkung des Steuerpflichtigen (§ 365 Abs. 1, § 90 Abs.
1 AO 1977) - geheilt werden.
In gleicher Weise bleibt die Pflicht zur
unbeschränkten Aufklärung des Sachverhalts bei einer
Anfechtung der erstmaligen Steuerfestsetzung für das FG
bestehen (§ 76 Abs. 1 FGO; BFH-Urteil in BFHE 179, 353, BStBl
II 1996, 232, 236 = SIS 96 09 20).
Nicht anders ist die verfahrensrechtliche
Situation bei Vorbehaltsbescheiden (BFH-Urteile vom 23.8.1994 VII R
93/93, BFH/NV 1995, 572; in BFH/NV 1998, 1192 = SIS 98 17 48;
BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2002, 1279 = SIS 02 93 69; in BFH/NV
2002, 748 = SIS 02 67 03).
Der Senat hat unter Heranziehung des
Rechtsgedankens aus § 127 AO 1977 angenommen, dass das
Interesse an einer gesetz- und gleichmäßigen
Steuerfestsetzung dasjenige der Steuerpflichtigen an einem formal
rechtmäßigen Verfahren überwiegt. Zusätzlich
sieht er sich durch den weiteren Gesichtspunkt in seiner
Rechtsauffassung bestärkt, dass gerade in Fällen, in
denen der Verwaltung lediglich formelle Mängel unterlaufen
sind, die Rechtsprechung grundsätzlich eine
Wiederholungsprüfung als zulässig erachtet. Der formelle
Rechtsfehler führt mithin regelmäßig zu keinem
endgültigen materiell-rechtlichen Verwertungsverbot
(BFH-Urteil in BFHE 184, 255, BStBl II 1998, 461 = SIS 98 06 37,
m.w.N.).
Die Rechtsprechung verneint nicht nur in
Besteuerungsverfahren ein allgemeines gesetzliches
Verwertungsverbot für Tatsachen, die unter Verletzung von
Verfahrensvorschriften ermittelt worden sind, sondern ebenso ein
allgemeines steuerrechtliches Verwertungsverbot aufgrund einer
Verletzung der steuerrechtlichen Pflichten bei der
Informationsgewinnung (vgl. auch BVerfG–Beschluss vom
30.6.2005 2 BvR 1502/04, NJW 2005, 3205, wonach sogar im
Strafverfahren kein generelles Verwertungsverbot bei fehlerhafter
Beweiserhebung besteht).
Zu Recht hat das FA darauf hingewiesen, dass
im Streitfall keine schwerwiegenden sonstigen Verstöße
vorliegen, wie z.B. grundgesetzwidrige Aufklärungsmethoden,
die - ausnahmsweise - die Ermittlungsergebnisse einem
materiell-rechtlichen (endgültigen) Beweisverwertungsverbot
unterwerfen würden (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 184, 255,
BStBl II 1998, 461 = SIS 98 06 37, m.w.N.).
cc) Danach braucht der Senat bereits aus
diesem Grunde, da sämtliche angefochtenen
Gewinnfeststellungsbescheide unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung standen, nicht abschließend zu entscheiden,
ob die Kontrollmitteilungen auf Feststellungen beruhen, die unter
Verstoß gegen die in der Rechtsprechung zur Auslegung und
Anwendung des § 194 Abs. 3 AO 1977 entwickelten
Maßstäbe getroffen worden sind.
Im Übrigen liegen die Voraussetzungen
für ein qualifiziertes materielles Verwertungsverbot auch
nicht vor.
Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
soll den Bürger davor schützen, nicht mehr zu wissen, wer
was wann und bei welchen Gelegenheiten über ihn erfährt.
Darum geht es indes bei Kontrollmitteilungen und Auskunftsverlangen
der Finanzbehörden gerade nicht; denn diese Daten dürfen
ausschließlich für das Besteuerungsverfahren verwendet
werden und die Finanzbehörde ist insoweit an das
Steuergeheimnis nach § 30 AO 1977 gebunden (vgl. auch
BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359 = SIS 87 04 57).
Unter diesen Umständen besteht gerade keine Gefahr dafür,
die sonst insbesondere mit modernen Technologien der
Informationsverarbeitung verbunden sind. Vor allem aber geht es
nicht um Auskünfte, die die Intimsphäre oder eine
zumindest erhöhte schutzwürdige Privatsphäre
betreffen (s. auch BFH-Urteil in BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366
= SIS 00 09 36). Vielmehr betätigen sich die Musikkapellen
typischerweise erwerbswirtschaftlich und damit marktoffen (vgl.
BVerfG–Urteil vom 27.6.1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239,
268, BStBl II 1991, 654, 664 = SIS 91 14 01; Tipke, Die
Steuerrechtsordnung, Bd. III, § 27 Rz. 2.222; Kirchhof in
Vogelgesang, Perspektiven der Finanzverwaltung, S. 1, 15; Breuer in
Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. v.
J. Isensee und P. Kirchhof, Bd. VI, § 148 Rz. 26 und 27).
Insbesondere ist dem Anspruch auf Wahrung des
informationellen Selbstbestimmungsrechts des Einzelnen das
verfassungsrechtliche Gebot einer gleichmäßigen und
gesetzmäßigen Besteuerung aller Steuerpflichtigen
gegenüberzustellen. Die gleichmäßige Besteuerung
beginnt indes zu allererst mit der besseren Erfassung und
Ermittlung der Verhältnisse der Steuerpflichtigen (vgl. Tipke,
a.a.O., § 27 Rz. 2.3).
dd) Nach den mit zulässigen und
begründeten Verfahrensrügen nicht angefochtenen
Feststellungen des FG soll das FA (auch) zielgerichtet die
Außenprüfung bei den Gastwirten zur
Überprüfung der Tanzkapellen durchgeführt haben.
Es kann dahingestellt bleiben, ob diese anhand
der Gesamtumstände vorgenommene tatsächliche
Würdigung des FG zumindest vertretbar ist und deshalb den
Senat bindet (§ 118 Abs. 2 FGO; vgl. dazu BFH-Beschluss vom
10.2.2005 VI B 113/04, BFHE 209, 211, BStBl II 2005, 488 = SIS 05 17 03, m.w.N.). Denn die möglicherweise rechtswidrig
erstellten Kontrollmitteilungen entfalten jedenfalls keine
Fernwirkung in dem Sinne, dass die darauf beruhenden
Auskunftsbegehren nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 an die
Saalmieter und die darauf beruhenden weiteren Feststellungen des FA
ebenfalls allein deshalb als rechtswidrig zu beurteilen wären
und ggf. einem Verwertungsverbot unterliegen könnten.
In der finanzgerichtlichen Rechtsprechung ist
die Frage derartiger sog. Fernwirkungen für das
Besteuerungsverfahren bislang noch nicht geklärt worden.
Im Strafprozess wird eine Fernwirkung sog.
Beweisverwertungsverbote vom Bundesgerichtshof - BGH - (Urteile vom
28.4.1987 5 StR 666/86, BGHSt 34, 362; vom 24.8.1983 3 StR 136/83,
BGHSt 32, 68, 71: Generell keine Fernwirkung; krit. dazu Anm. von
Wolter in Neuen Zeitschrift für Strafrecht - NStZ - 1984, 276;
ferner BGH-Urteil vom 18.4.1980 2 StR 731/79, BGHSt 29, 244, das
aufgrund einer Abwägung zwischen dem öffentlichen
Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung einerseits und dem
Maß zulässiger Beschränkung der betroffenen
Grundrechte entscheiden will) im Regelfall abgelehnt und bislang
nur für Beweisverwertungsverbote bei Verstößen
gegen das Fernmeldegeheimnis nach Art. 10 Abs. 1 GG angenommen
(vgl. auch BFH–Beschluss in BFHE 194, 40, BStBl II 2001, 464
= SIS 01 07 02). Teilweise wird auch geprüft, ob das
Beweismittel auf rechtmäßige Weise hätte erlangt
werden können - sog. hypothetischer Ersatzeingriff - (vgl.
Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 48. Aufl., Einleitung Rz.
57 und 57a, m.w.N.; § 136a Rz. 31). Im strafprozessualen
Schrifttum wird überwiegend eine Abwägung zwischen den
bei der Ermittlung begangenen Rechtsverletzungen und der Bedeutung
des Tatvorwurfs befürwortet (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O.,
§ 136a Rz. 31; Reinecke, Die Fernwirkung von
Beweisverwertungsverboten, 1990, S. 14 ff.).
Im steuerrechtlichen Schrifttum werden
unterschiedliche Ansichten vertreten (vgl. Schenk,
Beweisverwertungsverbote im Abgabenrecht, 2006, S. 47 ff. mit
Nachw. zum deutschen Schrifttum; Bruder, Beweisverwertungsverbote
im Steuerrecht und Steuerstrafrecht, 2000, S. 35 f. und 63 f.).
Teilweise wird generell eine Fernwirkung verlangt und dabei auf die
nordamerikanische Doktrin „fruit of the poisonous
tree-doctrine“ zurückgegriffen, nach der auch
mittelbare Beweisergebnisse stets einem Verwertungsverbot
unterliegen. Auch spätere, isoliert betrachtet,
rechtmäßige Ermittlungsmaßnahmen bzw.
Wiederholungsprüfungen sollen an dem Verwertungsverbot nichts
ändern können (Gosch in Beermann/Gosch, a.a.O., §
196 Rz. 131; Schröder/Muuss, Handbuch der steuerlichen
Betriebsprüfung, Praxis des Verwertungsverbotes, Fach 6055 C
IV: Aus präventiven Gründen; Streck, Die
Außenprüfung, 2. Aufl., Rz. 154 und 778; Hellmann in
HHSp, § 393 AO Rz. 124 ff. und 127, tritt für das
Besteuerungsverfahren - anders als für den Strafprozess -
für eine generelle Nichtverwertbarkeit rechtswidrig gewonnener
Erkenntnisse ein, weil der Sicherstellung des staatlichen
Steueraufkommens ein geringeres Gewicht zukomme als dem staatlichen
Strafverfolgungsinteresse).
Überwiegend wird eine differenzierte
Auffassung in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH vertreten
(vgl. Söhn in HHSp, § 88 AO Rz. 334, m.w.N.; Eckhoff in
HHSp, Vor §§ 193 bis 203 AO Rz. 608, m.w.N.; Wenzig, DStZ
1984, 172). Was unter Verletzung eines Ermittlungsverbots ermittelt
worden sei, soll nicht verwertet werden dürfen. D.h.
unmittelbar auf rechtswidrige Weise verschaffte
Tatsachenerkenntnisse oder Beweismittel dürfen nicht verwertet
werden. Bei qualifizierten Grundrechtsverstößen oder
für in strafbarer Weise von der Finanzbehörde erlangte
Erkenntnismittel wird eine Fernwirkung auch bezüglich
bloß mittelbar - isoliert betrachtet rechtmäßig -
erlangter Beweismittel bejaht, weil anderenfalls die zur Wahrung
verfassungsrechtlich geschützter Positionen notwendigen
Verwertungsverbote ausgehöhlt werden könnten (vgl.
Söhn in HHSp, § 88 AO Rz. 308, 309 und 334; Wenzig, DStZ
1984, 172).
Hingegen sollen Ermittlungsergebnisse, die
gleichzeitig oder im Nachhinein aufgrund einer als solcher
rechtmäßig durchgeführten
Aufklärungsmaßnahme und in Form eines selbständigen
Erkenntnismittels gewonnen oder bestätigt worden sind,
verwertbar bleiben. Insoweit wird eine Fernwirkung von
Verwertungsverboten abgelehnt (vgl. Söhn in HHSp, § 88 AO
Rz. 335, m.w.N.; im Ergebnis ebenso Eckhoff in HHSp, Vor
§§ 193 bis 203 AO Rz. 610; Wenzig, DStZ 1984, 172, 175;
Hildebrandt, DStR 1982, 20, 24; Beschluss des FG Düsseldorf
vom 29.10.1976 II 502/76 A, EFG 1977, 191, 192).
Der Senat schließt sich der Auffassung
an, dass eine Fernwirkung von Verwertungsverboten allenfalls bei
qualifizierten, grundrechtsrelevanten
Verfahrensverstößen in Betracht kommt.
Fehlt es an einem derart schwerwiegenden
Verfahrensmangel, insbesondere an einem grundrechtsrelevanten
Verstoß, einer unmittelbaren Ermittlungsmaßnahme, so
ist es bei der gebotenen Abwägung zwischen den
Individualinteressen von Steuerpflichtigen, nicht aufgrund
verfahrensfehlerhafter Ermittlungsmaßnahmen mit einer
materiell-rechtlich an sich zutreffenden Steuer belastet zu werden,
und der Pflicht des Staates, eine gesetzmäßige und
gleichmäßige Steuerfestsetzung zu gewährleisten
(vgl. dazu auch BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, 271, BStBl II
1991, 654, 665 = SIS 91 14 01, unter C.I.1.c der Gründe;
Tormöhlen, DStZ 2001, 850, 855; ferner Wilcke, Steuerliche
Vierteljahresschrift - StVj - 1990, 341, 357), gerechtfertigt, eine
Fernwirkung eventueller Verwertungsverbote auch auf spätere,
rechtmäßig erlangte Ermittlungsergebnisse zu verneinen.
Die nordamerikanische „fruit of the poisonous
tree-doctrine“ verfolgt einen anderen Zweck; sie soll
nämlich vornehmlich der Disziplinierung der Polizei dienen
(vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., Einleitung Rz. 57, m.w.N.).
Im Ergebnis haben die Kontrollmitteilungen
zwar zu den Musikkapellen hingeführt. Da diese im Zeitpunkt
der Erstellung der Kontrollmitteilungen indessen noch unbekannt
waren, kann darin noch keine schwerwiegende Beeinträchtigung
der Klägerin selbst gesehen werden. Die bloße Benennung
durch die Auskunftsverpflichteten enthält ebenfalls keinen
nachhaltigen inkriminierenden Vorwurf. Ansonsten müssen die
gesetzlichen Meldepflichten etwa von Verlagen bezüglich von
Honoraren an die Finanzämter sämtlich
verfassungsrechtlich bedenklich erscheinen, weil sie den
stillschweigenden Vorwurf enthielten, die Empfänger
könnten diese Beträge eventuell nicht erklären und
versteuern. Ebenso wäre der millionenfache Lohnsteuerabzug
inkriminierend.
Soweit das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung ins Feld geführt wird, ist die Musikkapelle
gerade nicht privat aus Gefälligkeit aufgetreten, sondern
wurde nachhaltig erwerbswirtschaftlich am Markt tätig. Wer
öffentlich seinem Gelderwerb nachgeht und sich entsprechend
anbietet, ist nicht in besonderer Weise schutzbedürftig, wenn
es um die Feststellung dieses Tatbestandes geht.
Art. 3 Abs. 1 GG verlangt für das
Steuerrecht, dass die Steuerpflichtigen durch ein Steuergesetz
rechtlich und tatsächlich gleich belastet werden. Zu diesem
Zweck werden von Verfassungs wegen erhebliche Anforderungen an die
Steuerehrlichkeit der Steuerpflichtigen gestellt. Diesen
Grundsätzen würde es aber eklatant widersprechen,
Auskünfte von Steuerehrlichen uneingeschränkt der
Besteuerung zugrunde zu legen, Auskünfte hingegen z.B. eines
einer Straftat Verdächtigen, der nach § 393 Abs. 1 Satz 4
AO 1977 lediglich nicht ordnungsgemäß belehrt worden
ist, unberücksichtigt zu lassen (dazu BFH-Urteil in BFHE 198,
7, BStBl II 2002, 328 = SIS 02 07 95; ferner Urteil des FG
Baden–Württemberg in EFG 2003, 1140 = SIS 03 35 47).
Ist ein Steuerpflichtiger unbekannt, so kann
bei ihm unbestreitbar nicht ermittelt werden. Ist ein
Steuerpflichtiger zwar bekannt, gibt aber unzutreffende
Erklärungen und auf Anforderung der Finanzbehörde
weiterhin - so nicht erkennbare - unvollständige Aufstellungen
ab, so besteht allenfalls aufgrund von Zufallserkenntnissen ein
Anlass zu weiteren Ermittlungen. Vor allem aber können selbst
durch Einzelermittlungen buchmäßig nicht erfasste
Bargeschäfte kaum festgestellt werden. Indes muss nach der
Rechtsprechung die Finanzbehörde auf die Inanspruchnahme eines
Dritten als Auskunftsverpflichteten nicht etwa so lange verzichten,
bis alle nur denkbaren Möglichkeiten ausgeschlossen sind, den
Beteiligten selbst zu einer vollständigen Auskunft über
seine Verhältnisse zu veranlassen (vgl. BFH–Urteil in
BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366 = SIS 00 09 36, m.w.N.).
5. Das angefochtene Urteil des FG war
gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO aufzuheben und
die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung
zurückzuverweisen. Das beklagte FA war nicht aufgrund eines
Verwertungsverbotes gehindert, die im Zuge der
Außenprüfung bei der Klägerin verwerteten
Ergebnisse aus dem rechtmäßigen Auskunftsersuchen an die
Saalmieter seinen Schätzungen der gewerblichen Einkünfte
der Klägerin zugrunde zu legen.
Das FG wird nunmehr im zweiten Rechtsgang die
Schätzungsgrundlagen festzustellen und die Schätzung auch
der Höhe nach zu überprüfen haben (§ 96 Abs. 1
Satz 1 2. Halbsatz FGO).