Strafbefreiende Erklärung, Mängel, Betriebsprüfung: 1. Die strafbefreiende Erklärung nach dem StraBEG und die Selbstanzeige nach § 371 AO konnten wahlweise erfolgen; bei Rechtserheblichkeit der Wahl muss im Einzelfall geprüft werden, ob die Voraussetzungen der strafbefreienden Erklärung nach Form und Inhalt vollständig erfüllt sind. - 2. Strafbefreiung nach dem StraBEG tritt nicht ein, wenn vor Eingang der strafbefreienden Erklärung ein Amtsträger der Finanzbehörde in erkennbarer, ernsthafter Absicht der angeordneten steuerlichen Prüfung erschienen ist; diese Sperrwirkung des § 7 StraBEG erfordert nicht auch den tatsächlichen Beginn von Ermittlungsmaßnahmen (entgegen BMF). - 3. Die - auch formlos mögliche - Bestimmung des Prüfungsbeginns ist ein eigenständiger Verwaltungsakt; wird dieser nicht angefochten, kann die Sperrwirkung des § 7 StraBEG nicht wegen unangemessen kurzer Frist entfallen. - 4. Die Rechtsfolgen einer Strafbefreiungsvorschrift treten nur ein, wenn deren Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind; ein diesbezüglicher Tatbestandsirrtum ist unbeachtlich. - Urt.; BFH 19.6.2007, VIII R 99/04; SIS 08 00 23
I. Die Beteiligten streiten über die
Wirksamkeit einer u.a. das Streitjahr (1998) betreffenden
strafbefreienden Erklärung nach Art. 1 (Gesetz über die
strafbefreiende Erklärung - StraBEG - ) des Gesetzes zur
Förderung der Steuerehrlichkeit vom 23.12.2003 (BGBl I 2003,
2928).
Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) erzielte als Rechtsanwalt und Notar Einkünfte
aus selbständiger Arbeit.
Mit schriftlicher Prüfungsanordnung
vom 12.1.2004 ordnete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) gemäß § 193 Abs. 1 der
Abgabenordnung (AO) die Durchführung einer
Betriebsprüfung beim Kläger hinsichtlich der Einkommen-
und der Umsatzsteuer für die Jahre 2000 bis 2002 an unter
gleichzeitiger Ankündigung des voraussichtlichen
Prüfungsbeginns am 20.1.2004.
Am 18.1.2004 ging beim FA ein formloses
Schreiben des Klägers folgenden Inhalts ein:
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„Nach Durchsicht meiner Konten auf
Zahlungseingänge melde ich folgende Beträge zur
Nachversteuerung an.
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Jahr 2000 EUR 8 500
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Jahr 2001 EUR 11 500
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Jahr 2002 EUR 19 500
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Die auf die Gesamtsumme entfallende
Mehrwertsteuer in Höhe von EUR 5.379,31 habe ich
überwiesen. Für die Einkommensteuer bitte ich um
geänderte Bescheide.“
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Ankündigungsgemäß begann am
20.1.2004 eine Betriebsprüferin des FA mit der Prüfung
beim Kläger für die Jahre 2000 bis 2002.
Am folgenden Tag (21.1.2004) leitete das FA
aufgrund der Selbstanzeige ein Steuerstrafverfahren gegen den
Kläger ein und erließ nach § 4 Abs. 3 der
Betriebsprüfungsordnung (Steuer) eine ergänzende
Prüfungsanordnung hinsichtlich Einkommen- und Umsatzsteuer
für 1998 und 1999, da auch insoweit aufgrund der Selbstanzeige
für die Jahre 2000 ff. mit nicht unerheblichen Änderungen
der Besteuerungsgrundlagen zu rechnen sei. Die Mitteilung über
die Einleitung des Strafverfahrens wie auch die
„Prüfungsanordnung-Ergänzung“ händigte
die Prüferin am Morgen des Donnerstags, den 22.1.2004, dem
Kläger persönlich in dessen Büro aus. Zugleich
forderte sie vom Kläger die Ausgangsrechnungen für 1998
und 1999 an zur Vorlage am Montag, den 26.1.2004.
Am 25.1.2004 (Sonntag) ging beim FA per Fax
ein drei Seiten umfassender, ausgefüllter und vom Kläger
am selben Tag unterschriebener Vordruck „Erklärung nach
dem Strafbefreiungserklärungsgesetz“ für die Jahre
1993 bis 1999 ein, in dem unter der Rubrik
„Lebenssachverhalt“ für die Jahre 1998 und 1999
„Honorareinnahmen Ra + N“ in Höhe von 16.000 EUR
bzw. 17.000 EUR aufgeführt waren. Dem war ein Schreiben
folgenden Inhalts beigefügt:
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„Nach Durchsicht meiner Konten auf
Zahlungseingänge melde ich hilfsweise folgende Beträge
zur Nachversteuerung an:
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Jahr 1999 EUR 17 000
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Jahr 1998 EUR 16 000
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Diese Erklärung erfolgt nur für
den Fall, dass eine strafbefreiende Erklärung für die
Jahre 99 und 98 nicht mehr möglich ist.“
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Wegen der Jahre 1998 und 1999 leitete das
FA am 26.1.2004 ein weiteres Strafverfahren ein. Den
Prüfungsfeststellungen folgend erließ es sodann am
9.3.2004 u.a. einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten
Bescheid für das Streitjahr über Einkommensteuer und
Solidaritätszuschlag, in dem es auch die vom Kläger
nacherklärten Honorareinnahmen in Höhe von 16.000 EUR der
Besteuerung zugrunde legte.
Die dagegen nach erfolglosem Einspruch
eingelegte Klage wies das Finanzgericht (FG) mit seinem in EFG
2005, 15 = SIS 05 06 58 veröffentlichten Urteil ab.
Mit der - vom FG zugelassenen - Revision
rügt der Kläger die fehlerhafte Anwendung von § 8
i.V.m. § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a (Alternative 1) StraBEG.
Seiner Erklärung vom 25.1.2004 komme strafbefreiende Wirkung
zu; demzufolge habe sie auch abgeltende Wirkung i.S. von § 8
StraBEG. Die Voraussetzungen eines Ausschlusses der Strafbefreiung
nach § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG seien nicht
erfüllt. Die Prüferin habe vor Abgabe der
strafbefreienden Erklärung noch keine Prüfungsabsicht
besessen. Vielmehr beginne eine Außenprüfung nach Nr. 1
zu § 198 des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung
grundsätzlich erst im Zeitpunkt der Vornahme konkreter
Ermittlungshandlungen, an denen es im Streitfall vor dem 26.1.2004
gefehlt habe. Die Prüferin habe für 1998 zunächst
die Ausgangsrechnungen angefordert und im Übrigen
angekündigt, am 26.1.2004 (Montag) mit den
Prüfungshandlungen zu beginnen. Vorher stelle ihr Verhalten
bezüglich des Streitjahres noch keine Ermittlungshandlung dar,
die den gesetzlichen Anforderungen an das „Erscheinen des
Prüfers“ genüge.
Angesichts der Einigung mit der
Prüferin auf den Prüfungsbeginn am 26.1.2004 und das
Herbeischaffen der Unterlagen zu diesem Zeitpunkt habe es für
den Kläger keinen Grund gegeben, an der
Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung zu zweifeln.
Dass sich nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist Streitigkeiten wegen
der Festsetzung des Prüfungsbeginns ergeben würden, sei
für ihn nicht absehbar gewesen. Die fehlende Fixierung des
Prüfungsbeginns in der erweiterten Prüfungsanordnung
könne nicht zu seinen Lasten gehen.
Ein Zusammenfallen von
Prüfungsanordnung und Prüfungsbeginn verstoße schon
gegen den Wortlaut des § 197 Abs. 1 AO. Dem Kläger sei
auch für den erweiterten Prüfungszeitraum eine
angemessene Zeit vor Prüfungsbeginn zuzubilligen.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung
des Urteils des FG Bremen vom 6.10.2004 2 K 152/04 (1) = SIS 05 06 58 den geänderten Einkommensteuerbescheid 1999 vom 9.3.2004 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7.6.2004 ersatzlos
aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Eine Einigung zwischen der Prüferin
und dem Kläger auf einen Prüfungsbeginn am 26.1.2004 sei
die Einführung eines neuen Sachverhalts, den das FG weder
festgestellt habe noch hätte feststellen können, da eine
derartige Vereinbarung nicht getroffen worden sei. Die
Prüferin habe am 22.1.2004 Unterlagen zur Prüfung des
Zeitraums 1998 und 1999 angefordert und sich dann mit dem
Kläger auf deren Vorlage am 26.1.2004 geeinigt.
Nach gefestigter Rechtsprechung zu §
371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO komme es für den Eintritt der
Sperrwirkung entscheidend auf die ernsthafte Prüfungsabsicht
des Prüfers an; nicht erforderlich sei der
Prüfungsbeginn.
II. Die Revision des Klägers ist nicht
begründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -
).
Zu Recht hat das FA die Steuer für das
Streitjahr nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG)
festgesetzt ohne Berücksichtigung des Verwertungsverbots nach
§ 13 StraBEG und der in §§ 1, 8 StraBEG geregelten
Vergünstigung.
1. § 13 StraBEG findet im Streitfall
keine Anwendung. Nach dieser Vorschrift darf der Inhalt einer
strafbefreienden Erklärung nur zur Durchführung des
Verfahrens nach dem StraBEG oder für
Besteuerungszeiträume nach dem Jahr 2002 verwandt werden.
Für frühere Jahre unterliegt die strafbefreiende
Erklärung einem umfassenden Verwertungsverbot (vgl. auch
Merkblatt des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - zur Anwendung
des StraBEG vom 3.2.2004, BStBl I 2004, 225, 237 = SIS 04 05 49 Rz
14.7). Im Streitfall war die Nachmeldung von Einnahmen der Jahre
2000 ff. (in der ersten Erklärung vom 18.1.2004) aber weder
nach Form und Inhalt noch hinsichtlich der gebotenen
Selbsterrechnung der Einkommensteuer eine strafbefreiende
Erklärung nach dem StraBEG, sondern vielmehr eine
Selbstanzeige nach § 371 AO. Davon ist auch das FG
ausgegangen, was in der wegen § 13 StraBEG vereinzelt
vorgetragenen Urteilskritik (vgl. Adamek, EFG 2005, 18, 19)
offenbar verkannt wird.
Auch während des zeitlichen
Anwendungsbereichs des StraBEG bestand alternativ weiterhin die
Möglichkeit einer Selbstanzeige nach § 371 AO (s.
BMF-Merkblatt in BStBl I 2004, 225, 237 = SIS 04 05 49 Rz 15;
Joecks/Randt, DStR 2004, 337, 340; Lausterer/Haisch, DStZ 2004,
215, 228; Adamek, EFG 2005, 18, 20). Die Wahl zwischen den beiden
Alternativen lag beim Betroffenen (vgl. BMF-Merkblatt in BStBl I
2004, 225, 237 = SIS 04 05 49 Rz 15.2). Ob sich der Kläger im
Zeitpunkt der Selbstanzeige über die alternative
Möglichkeit einer Erklärung nach dem StraBEG im Klaren
war, bleibt unerheblich, weil eine Umdeutung in eine solche
Erklärung wegen der gesetzlichen Anforderungen in § 3
StraBEG an deren Form und Inhalt nicht möglich ist. Dass
umgekehrt die notleidende Erklärung nach dem StraBEG u.U. in
eine Selbstanzeige umgedeutet werden kann (s. BMF-Merkblatt in
BStBl I 2004, 225, 237 = SIS 04 05 49 Rz 14.4; Lausterer/Haisch,
DStZ 2004, 215, 228), ändert hieran nichts.
2. Nach § 1 Abs. 1 StraBEG wird u.a.
derjenige, der gegenüber den Finanzbehörden unrichtige
oder unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche
Tatsachen gemacht oder die Finanzbehörden pflichtwidrig
über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen
und dadurch - im Streitfall einschlägig - Einkommensteuer
verkürzt hat, nicht nach §§ 370, 370a AO oder §
26c des Umsatzsteuergesetzes bestraft, soweit
1.
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er nach dem 31.12.2003 und vor dem 1.1.2005
die auf Grund seiner unrichtigen, unvollständigen oder
unterlassenen Angaben zu Unrecht nicht besteuerten Einnahmen
gegenüber der Finanzbehörde erklärt und
|
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2.
|
innerhalb von zehn Tagen nach Abgabe der
Erklärung 25 v.H. der Summe der erklärten Beträge
entrichtet werden.
|
Entsprechend gilt dies nach § 6 StraBEG
bei einer Steuerordnungswidrigkeit u.a. nach § 378 AO
(leichtfertige Steuerverkürzung).
Nach § 8 StraBEG hat die strafbefreiende
Erklärung bei fristgerechter Entrichtung des gemäß
§ 1 StraBEG zu zahlenden Betrags steuerliche
Abgeltungswirkung.
a) Unstreitig hat der Kläger
unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche
Tatsachen gemacht, indem er Teile seiner im Streitjahr erzielten
Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit nicht in seine
Einkommensteuererklärung aufgenommen hatte. Diese Einnahmen
hat er am 25.1.2004 nachträglich erklärt. Die
Erklärung konnte aber nicht strafbefreiend wirken und in der
Folge auch keine Abgeltungswirkung nach § 8 StraBEG entfalten,
weil die Strafbefreiung gemäß § 7 Satz 1 Nr. 1
Buchst. a StraBEG ausgeschlossen war. Es kann deshalb dahingestellt
bleiben, ob der Auffassung im BMF-Merkblatt (in BStBl I 2004, 225,
231 = SIS 04 05 49 Rz 5.2) zu folgen wäre, wonach die
Erklärungsabgabe per Fax schon durch ihre Form die
Strafbefreiung und die Abgeltungswirkung der Steuerzahlung
ausschließen würde (ggf. mit einer ebenfalls nicht
gesetzlich geregelten Heilungsmöglichkeit nach Rz 12.5 des
BMF-Merkblatts in BStBl I 2004, 225, 235 = SIS 04 05 49).
In der im Streitfall einschlägigen ersten
Alternative des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG tritt die
Straf- oder Bußgeldfreiheit nicht ein, soweit vor Eingang der
strafbefreienden Erklärung bei dem Erklärenden ein
Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen
Prüfung erschienen ist. Diese Regelung entspricht derjenigen
in § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO zum Befreiungsausschluss
bei Selbstanzeige (Urteil des FG München vom 31.5.2006 1 K
3948/05, EFG 2006, 1401 = SIS 06 35 48; s. auch BMF-Merkblatt in
BStBl I 2004, 225, 233 = SIS 04 05 49 Rz 9.1; Jesse/Geuenich, FR
2004, 497, 504, m.w.N.), weshalb Rechtsprechungserkenntnisse und
Literaturmeinungen zu jener Vorschrift bei der Auslegung des §
7 Satz 1 Nr. 1 StraBEG herangezogen werden können (s.
Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 371 AO Rz 123 ff.; Seipl/Wiese,
Praxis Steuerstrafrecht - PStR - 2005, 34; Jesse/Geuenich, FR 2004,
497, 504).
b) Zutreffend hat das FG erkannt, dass ein
Erscheinen des Prüfers „zur steuerlichen
Prüfung“ eine entsprechende Prüfungsanordnung
voraussetzt. Nur soweit die Prüfungsanordnung reicht, kann das
Erscheinen eines Amtsträgers der Finanzbehörde die
Strafbefreiung ausschließen. In Bezug auf die ergänzende
Prüfungsanordnung, die ein selbständiger, neben die
ursprüngliche Prüfungsanordnung tretender Verwaltungsakt
ist (s. Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung,
Finanzgerichtsordnung, § 196 AO Rz 30, m.w.N.; Seipl/Wiese,
PStR 2005, 34, 36), muss sich das Erscheinen des Prüfers
deshalb gerade (auch) auf die steuerliche Prüfung des
Prüfungsgegenstands der ergänzenden Anordnung richten, um
die Sperrwirkung auslösen zu können.
aa) Zu Recht hat das FG das Erscheinen der
Prüferin „zur steuerlichen Prüfung“
des Streitjahres bereits am 22.1.2004 - und damit vor Abgabe der
Erklärung des Klägers - angenommen, als sie den
Kläger in dessen Kanzleiräumen antraf und ihm
persönlich die ergänzende Prüfungsanordnung wegen
1998 und 1999 übergab. Die finale Ausrichtung des Erscheinens
verlangt, dass der Amtsträger seine ernsthafte
Prüfungsabsicht (vgl. Vogelberg in Wannemacher,
Steuerstrafrecht, 5. Aufl., Rz 2173; Stahlschmidt,
Steuerstrafrecht, S. 123) bei seinem Erscheinen durch eine
entsprechende Erklärung oder durch schlüssiges Verhalten
erkennbar zum Ausdruck bringt (s. Kohlmann, a.a.O., § 371 AO
Rz 131, 133, m.w.N.). Dies ist im Streitfall geschehen.
Während die Übergabe der
Prüfungsanordnung oder die Mitteilung des Prüfungstermins
alleine noch kein Erscheinen „zur steuerlichen
Prüfung“ in diesem Sinne bewirken (Kohlmann, a.a.O.,
§ 371 AO Rz 131), hat die Prüferin im Streitfall ein
Übriges getan, nämlich den Kläger aufgefordert,
bestimmte Unterlagen u.a. für das Streitjahr vorzulegen. Sie
hat damit ihre ernsthafte Prüfungsabsicht kundgetan und
darüber hinaus bereits in eine konkrete Aufforderung zur
Mitwirkung umgesetzt und nicht nur eine spätere Prüfung
angekündigt. Der Prüfer, der den Steuerpflichtigen zur
Vorlage von Unterlagen für einen bestimmten
Prüfungszeitraum auffordert (z.B. von Bankbelegen oder wie
hier: von Ausgangsrechnungen), ist insoweit auch zur steuerlichen
Prüfung erschienen (s. Beschluss des Bayerischen Obersten
Landgerichts - BayObLG - vom 17.9.1986 RReg 4 St 155/86,
Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht - wistra -
1987, 77, 78; Vogelberg in Wannemacher, a.a.O., Rz 2174).
bb) Das Erscheinen der Prüferin in diesem
Sinne genügt, um die Sperrwirkung nach § 7 StraBEG
herbeizuführen. Hierfür ist es entgegen der offenbar vom
BMF (s. Merkblatt in BStBl I 2004, 225, 233 = SIS 04 05 49 Rz 9.2)
vertretenen und vom Kläger geteilten Auffassung nicht
erforderlich, dass der Prüfungsbeamte bereits erkennbar mit
ersten Ermittlungsmaßnahmen begonnen hat. Das Gesetz stellt
aus Gründen der Beweisklarheit bewusst nicht auf den
Prüfungsbeginn ab, sondern als entscheidendes Kriterium auf
das leichter feststellbare physische Erscheinen des Prüfers
(s. Rottpeter/Webel in Schwarz, AO, Anhang zu § 371 - § 7
StraBEG - Rz 4; Dumke in Schwarz, a.a.O., § 371 Rz 70; Hoyer
in Beermann/Gosch, AO, § 371 Rz 31; Klein/Gast-de Haan, AO, 9.
Aufl., § 371 Rz 26 und 27; Kohlmann, a.a.O., § 371 AO Rz
132; Seipl/Wiese, PStR 2005, 34). Das in diesem Punkt abweichende
BMF-Merkblatt ist eine Verwaltungsrichtlinie, die das Gericht nicht
binden kann, wenn und soweit sie das Gesetz fehlerhaft auslegt.
cc) Unbeachtlich ist der Vortrag des
Klägers in der Revisionsbegründung, er habe sich mit der
Prüferin auf einen Prüfungsbeginn für die Jahre 1998
und 1999 erst auf den 26.1.2004 geeinigt. Aus den zuvor
dargestellten Gründen kommt es bei Anwendung des § 7 Satz
1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG nicht maßgeblich auf den
Prüfungsbeginn an. Im Übrigen hat das FG keine
Tatsachenfeststellung zu einem Prüfungsbeginn erst am
26.1.2004 getroffen; es hat vielmehr in seinem Urteil
ausgeführt, dass der Prüfungsbeginn mündlich
„am 22.1.2004“ festgelegt wurde. Es genügt,
wenn eine solche tatsächliche Feststellung, an die der
Bundesfinanzhof (BFH) gemäß § 118 Abs. 2 FGO
grundsätzlich gebunden ist, - wie hier - aus den
Entscheidungsgründen hervorgeht (s. etwa BFH-Urteil vom
8.7.1982 IV R 20/78, BFHE 136, 252, 260, BStBl II 1982, 700, 704 =
SIS 82 19 08; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl.,
§ 118 Rz 37, m.w.N.). Die Feststellung des FG fügt sich
widerspruchsfrei in den im Übrigen festgestellten Sachverhalt
des Erscheinens der Prüferin am 22.1.2004 und der an diesem
Tag erfolgten Aufforderung zur Vorlage der Unterlagen ein. Es gibt
deshalb auch keinen vernünftigen Grund, diese Feststellung
dahin zu interpretieren, dass am 22.1.2004 zwar die Festsetzung des
Prüfungsbeginns erfolgte, dies aber für einen
späteren Zeitpunkt geschehen wäre. Zu den
Tatsachenfeststellungen sind keine zulässigen und
begründeten Verfahrensrügen vorgebracht worden. In
Anbetracht der Ausführungen des Klägers in seinem
Schriftsatz vom 8.2.2005 unter Nr. 1 muss zudem davon ausgegangen
werden, dass er keine Tatsachenbehauptung einer Einigung auf einen
Prüfungsbeginn erst am 26.1.2004 (mehr) aufstellt, sondern
insofern nur seine aus sonstigen Tatsachen abgeleitete
Rechtsansicht über den Zeitpunkt des Prüfungsbeginns
wiedergibt.
Die Rüge hätte aber selbst dann
keinen Erfolg haben können, wenn es entsprechend den -
insoweit unzutreffenden - Ausführungen im BMF-Merkblatt (in
BStBl I 2004, 225, 233 = SIS 04 05 49 Rz 9.2) auf den
Prüfungsbeginn ankäme. Bei genauer Betrachtung ist die
Prüferin am Tag der Übergabe der ergänzenden
Prüfungsanordnung über die erkennbare Äußerung
ernsthafter Prüfungsabsicht hinausgegangen und hat mit der
Prüfung begonnen, indem sie den Kläger zur Vorlage von
den Erweiterungszeitraum betreffenden Unterlagen aufforderte. Sie
konnte dies parallel zur Fortsetzung der zuvor begonnenen
Prüfung wegen der Jahre 2000 ff. tun. Die Durchführung
der Prüfung wegen des Erweiterungszeitraums setzt
verfahrensrechtlich nicht etwa den vorherigen Abschluss der
Prüfung wegen des von der ersten Prüfungsanordnung
betroffenen Prüfungszeitraums voraus. Die Aufforderung selbst
ist - im Unterschied zu einer Einzelprüfungsmaßnahme im
Rahmen eines Steuerfestsetzungsverfahrens - eine Aufforderung auf
der Grundlage und in Vollzug der Prüfungsanordnung im Rahmen
der in § 200 AO konkretisierten Pflichten des
Steuerpflichtigen zur Mitwirkung. Als ein solcher
(Teil-)Vollzugsakt kündigt sie die Prüfung nicht erst an
und ist auch nicht bloße Vorbereitungshandlung (a.A.
Müller, Die steuerliche Betriebsprüfung - StBp - 2005,
75, 78), sondern die erste, dem Prüfungszweck dienende
Prüfungsmaßnahme in Gestalt eines
Verfahrens-Verwaltungsakts (s. BFH-Urteil vom 23.2.1984 IV R
154/82, BFHE 140, 505, BStBl II 1984, 512 = SIS 84 12 34, m.w.N.,
und Tipke in Tipke/ Kruse, a.a.O., § 200 AO Rz 6) und damit
tatsächlicher Prüfungsbeginn.
dd) Im Streitfall wird der
Befreiungsausschluss des § 7 StraBEG nicht seinerseits durch
ein rechtswidriges Behördenhandeln ausgeschlossen. Gründe
für eine verfahrens- oder materiell-rechtliche
Rechtswidrigkeit der erweiternden Prüfungsanordnung selbst
sind nach den zutreffenden Ausführungen des FG nicht
ersichtlich und werden auch vom Kläger ausdrücklich
verneint.
Hingegen rügt er die Unangemessenheit der
Zeit zwischen Bekanntgabe der erweiternden Anordnung und dem
Prüfungsbeginn, sollte dieser vor dem 26.1.2004 anzunehmen
sein.
Diese Rüge greift im Streitfall aus zwei
Gründen nicht durch. Zum einen kommt es bei Anwendung des
§ 7 Satz 1 Nr. 1 StraBEG nicht maßgeblich auf den
Prüfungsbeginn an (s.o. unter II. 2. b bb der Gründe).
Zum anderen ist der Kläger verfahrensrechtlich am Einwand der
Unangemessenheit des sofortigen Prüfungsbeginns gehindert,
weil er keinen Einspruch gegen dessen Bestimmung eingelegt hat.
Insoweit kommt unangefochtenen Prüfungs-Verwaltungsakten
Bindungswirkung zu (vgl. BFH-Urteil vom 18.10.1988 VII R 123/85,
BFHE 154, 446, BStBl II 1989, 76 = SIS 88 24 37). Dementsprechend
gibt es im Steuerrecht nach der ständigen Rechtsprechung des
BFH grundsätzlich nur ein verfahrensrechtliches
Verwertungsverbot, auf das sich nur derjenige berufen kann, der die
Prüfungsanordnung - oder einzelne Prüfungsmaßnahmen
mit Verwaltungsaktcharakter - erfolgreich angefochten hat bzw. der
nach Abschluss der Prüfung oder Erledigung des betreffenden
Prüfungs-Verwaltungsakts dessen Rechtswidrigkeit nach §
100 Abs. 1 Satz 4 FGO hat feststellen lassen (s. BFH-Urteile vom
4.10.2006 VIII R 53/04, BStBl II 2007, 227, 233 = SIS 06 47 45,
unter II. 4. b der Gründe; vom 25.11.1997 VIII R 4/94, BFHE
184, 255, BStBl II 1998, 461 = SIS 98 06 37; in BFHE 154, 446,
BStBl II 1989, 76 = SIS 88 24 37).
In diesem Zusammenhang steht auch die
Bestimmung des Prüfungsbeginns. Prüfungsanordnung und
Bestimmung des Prüfungsbeginns sind getrennte Regelungen; die
Festlegung des Prüfungsbeginns ist ein eigenständiger
Verwaltungsakt (s. BFH-Urteile vom 18.12.1986 I R 49/83, BFHE 149,
104, BStBl II 1987, 408 = SIS 87 12 40; vom 24.2.1989 III R 36/88,
BFHE 156, 54, BStBl II 1989, 445 = SIS 89 09 40; Tipke in
Tipke/Kruse, a.a.O., § 197 AO Rz 3). Im Unterschied zur
Prüfungsanordnung ist für die Bestimmung des
Prüfungsbeginns keine Schriftform angeordnet, weshalb sie auch
mündlich (BFH-Urteil in BFHE 154, 446, BStBl II 1989, 76 = SIS 88 24 37; a.A. möglicherweise Tipke in Tipke/Kruse, a.a.O.,
§ 197 AO Rz 3) oder durch schlüssiges Handeln erfolgen
kann. Im Streitfall ist nach den vom FG getroffenen
tatsächlichen Feststellungen mit der Anforderung der
Unterlagen für 1998 und 1999 von einer Festlegung des
Prüfungsbeginns auf den 22.1.2004 auszugehen, so, wie ihn die
Prüferin auch in ihren Akten festgehalten hat. Diese
Festlegung ist mangels Anfechtung bestandskräftig geworden und
bestimmt deshalb mit ihrem Regelungsgehalt verbindlich das
Rechtsverhältnis zwischen FA und Kläger, der in Bezug auf
die Regelung in § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG nicht
verlangen kann, so gestellt zu werden, als ob es diesen
Verwaltungsakt (Festlegung des Prüfungsbeginns) nicht gegeben
hätte bzw. als ob er aufgehoben worden oder die Prüferin
nicht zur angeordneten steuerlichen Prüfung erschienen
wäre.
3. Aus den vorstehenden Gründen nicht
entscheidungserheblich ist die Frage nach der
Rechtmäßigkeit der Bestimmung des Prüfungsbeginns.
Käme es hierauf an, wäre sie im Streitfall allerdings zu
bejahen. Unter der „angemessenen Zeit“ i.S. von
§ 197 Abs. 1 AO ist der Zeitraum zu verstehen, der im
Allgemeinen unter Berücksichtigung der Verhältnisse des
zu prüfenden Steuerpflichtigen für die
Vorbereitungsmaßnahmen des Steuerpflichtigen erforderlich ist
(BFH-Urteil in BFHE 149, 104, BStBl II 1987, 408 = SIS 87 12 40).
Als derartige Vorbereitungsmaßnahmen kommen insbesondere die
Freimachung von Räumen und das Freihalten von Terminen in
Betracht (s. BFH-Urteil in BFHE 149, 104, BStBl II 1987, 408 = SIS 87 12 40). Da sich der Kläger ohnehin in geeigneter Weise
schon für die Prüfung der Jahre 2000 ff. vorbereiten
musste, hat das FG zutreffend erkannt, dass es keiner
zusätzlichen Vorbereitungsmaßnahmen des Klägers
bedurfte, die einen Aufschub des Prüfungsbeginns wegen des
Erweiterungszeitraums geboten hätten; der Senat folgt nicht
der Auffassung von Seipl/Wiese (in PStR 2005, 34, 37), die im
Streitfall in der Anforderung von Unterlagen für die
Folgewoche die Dokumentation der Anerkennung einer notwendigen
Vorbereitungszeit sehen wollen. In der Rechtsprechung ist
anerkannt, dass Bekanntgabe der Prüfungsanordnung und
Prüfungsbeginn zusammenfallen können (BFH-Beschluss vom
4.2.1988 V R 57/83, BFHE 152, 217, BStBl II 1988, 413 = SIS 88 15 49; Urteil des FG Niedersachsen vom 22.2.1989 XI 389/87, DStR 1989,
533), insbesondere bei erweiternden und ergänzenden
Prüfungsanordnungen (s. BFH-Beschluss in BFHE 152, 217, BStBl
II 1988, 413 = SIS 88 15 49). Die angemessene Zeit i.S. von §
197 Abs. 1 AO hat nicht den Zweck, dem Steuerpflichtigen eine
Überlegungsfrist einzuräumen, ob er eine Selbstanzeige
erstatten bzw. eine strafbefreiende Erklärung abgeben will
(ebenso Adamek, EFG 2005, 18, 19).
4. Der Kläger kann nicht deshalb in den
Genuss der Abgeltungswirkung des § 8 StraBEG kommen, weil er
nach seinem Vortrag von einer anderen Sach- oder Rechtslage
ausgegangen ist, nämlich zunächst reinen
Vorbereitungshandlungen der Prüferin und einem Erscheinen zur
steuerlichen Prüfung erst am 26.1.2004. In einer solchen
Annahme läge nur ein Irrtum über die tatbestandlichen
Voraussetzungen der Strafbefreiungsvorschrift im konkreten
Einzelfall. Ein solcher Irrtum führt indes nicht zur
Strafbefreiung; er bleibt irrelevant, weil Unrechtstatbestand und
Schuld (hier: bezüglich Steuerhinterziehung oder
leichtfertiger Steuerverkürzung) hiervon nicht berührt
werden (vgl. Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts,
Allgemeiner Teil, 5. Aufl., S. 553 f.). Bei
Strafausschließungs- oder -aufhebungsgründen kommt es
vielmehr auf das objektive Vorhandensein der jeweiligen
Voraussetzungen an (s. Jescheck/Weigend, a.a.O., S. 554,
m.w.N.).
5. Der Senat ist an einer Sachentscheidung
nicht gehindert durch die nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes
(GG) erfolgte Vorlage des FG Köln an das
Bundesverfassungsgericht - BVerfG - (Beschluss vom 22.9.2005 10 K
1880/05, EFG 2005, 1878 = SIS 05 46 67) zur Prüfung der
Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von
Kapitaleinkünften nach §§ 20 Abs. 1, 32a EStG im
Vergleich zur niedrigeren steuerlichen Belastung nach dem StraBEG.
Eine unmittelbare Auswirkung der Entscheidung des BVerfG auf den
vorliegenden Streitfall ist ausgeschlossen, weil der für
Einkünfte aus selbständiger Arbeit hier einschlägige
§ 18 EStG nicht Gegenstand jenes Verfahrens ist. Sollte
Ergebnis der verfassungsgerichtlichen Prüfung - gegen die
überwiegende Meinung (s. etwa Weber-Grellet, DB 2004, 1574,
und die weiteren Nachweise im Beschluss des FG Köln in EFG
2005, 1878 = SIS 05 46 67) - die Verfassungswidrigkeit sein wegen
Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz (so etwa Seer in
Tipke/Kruse, a.a.O., vor StraBEG Rz 3 und weitere Nachweise im
Beschluss des FG Köln in EFG 2005, 1878 = SIS 05 46 67) und
damit die Nichtigkeit oder Unvereinbarkeit des StraBEG mit dem
Grundgesetz, könnte dies keine Besserstellung des Klägers
gegenüber der für das Streitjahr bereits nach den
Vorschriften des EStG erfolgten Steuerfestsetzung bewirken.