Vermittlung von Reisen, Preisnachlass, Bemessungsgrundlage: 1. Erstattet der erste Unternehmer in einer Leistungskette dem Endverbraucher einen Teil des von diesem gezahlten Leistungsentgelts oder gewährt er ihm einen Preisnachlass, mindert sich dadurch die Bemessungsgrundlage für den Umsatz des ersten Unternehmers (an seinen Abnehmer der nächsten Stufe). Der erste Unternehmer hat deshalb den für seinen Umsatz geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. - 2. Preisnachlässe, die dem Abnehmer von Reiseleistungen vom Reisebüro für eine von ihm lediglich vermittelte Reise gewährt werden, mindern die Bemessungsgrundlage des Umsatzes der vom Reisebüro dem Reiseveranstalter gegenüber erbrachten Vermittlungsleistung. - Urt.; BFH 12.1.2006, V R 3/04; SIS 06 16 30
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) betreibt ein Reisebüro mit vier Filialen. Im
Rahmen dieser Betätigung vermittelte sie ihren Kunden unter
anderem Reisen, die von verschiedenen Reiseveranstaltern angeboten
wurden. Je nach Reiseveranstalter zahlte der Kunde die von ihm
gebuchte Reise entweder direkt in dem Reisebüro oder er musste
den entsprechenden Reisepreis unmittelbar an den Reiseveranstalter
überweisen (so genanntes Direktinkasso). Für die
Vermittlung der Reise erhielt die Klägerin von den
Reiseveranstaltern eine Provision, die im Durchschnitt 10 % des
Reisepreises betrug. Bei der Buchung von Reisen gewährte die
Klägerin ihren Kunden Preisnachlässe von bis zu 3 % des
jeweiligen Reisepreises, wobei die Höhe des Preisnachlasses im
Ermessen des jeweiligen Mitarbeiters der Klägerin lag. Sofern
der Kunde den Reisepreis unmittelbar in dem Reisebüro
bezahlte, wurde der Preisnachlass von dem zu zahlenden Betrag in
Abzug gebracht. In den Fällen des Direktinkassos zahlten die
Mitarbeiter der Klägerin den Kunden den Preisnachlass gegen
Vorlage der von dem Reiseveranstalter zugesandten Reiseunterlagen
in bar aus oder erteilten hierüber eine Gutschrift. Eine
Weiterberechnung der Preisnachlässe gegenüber den
Reiseveranstaltern erfolgte nicht. Zwischen der Klägerin und
dem Reiseveranstalter bestand keine Absprache über zu
gewährende Preisnachlässe, wenngleich diesem die Praxis
aufgrund der allgemeinen Üblichkeit bekannt war.
In den abgegebenen
Umsatzsteuererklärungen kürzte die Klägerin ihre
Umsätze aus den erhaltenen Provisionen um die gewährten
Preisnachlässe. Dies stellte der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) anlässlich einer
bei der Klägerin durchgeführten Betriebsprüfung
fest. Das FA vertrat die Auffassung, dass sich die
Preisnachlässe nicht umsatzmindernd auswirken dürften,
weil sie weder das Entgelt der Reiseunternehmen noch die Provision
des Reisebüros herabsetzten. Es schätzte die
umsatzmindernd geltend gemachten Preisnachlässe im Rahmen
einer tatsächlichen Verständigung und gelangte zu dem
Ergebnis, dass die Umsätze zu 15 % Umsatzsteuer für 1996
um 32.480 DM, für 1997 um 40.000 DM und für 1998 um 7.440
DM sowie die Umsätze zu 16 % Umsatzsteuer für 1998 um
22.320 DM und für 1999 um 22.627 DM zu erhöhen seien.
Dementsprechend setzte es die Umsatzsteuer 1996 bis 1999 neu fest.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung wies
das FA ergänzend darauf hin, dass die Klägerin auch nicht
berechtigt sei, den Kunden eine Gutschrift über den
Preisnachlass mit Ausweis der Umsatzsteuer zu erteilen und hieraus
die Vorsteuer geltend zu machen, weil zwischen der Klägerin
und den Kunden kein Leistungsaustausch stattfinde.
Mit der Klage machte die Klägerin im
Wesentlichen geltend, dass der Gerichtshof der Europäischen
Gemeinschaften (EuGH) wiederholt betont habe, dass es der Grundsatz
der Neutralität der Mehrwertsteuer erfordere, dass nur
derjenige Betrag der Umsatzsteuer unterworfen werde, den der
Endverbraucher zu zahlen habe. Demzufolge wirkten sich die
gewährten Preisnachlässe entgeltmindernd aus. Hinzu
komme, dass zwischen ihr, der Klägerin, und den Kunden
durchaus eine Leistungsbeziehung bestehe. Diese zeige sich etwa
daran, dass die Kunden bei niedrigpreisigen Geschäften, wie
etwa den bloßen Verkauf von Fahrkarten, ein
Bearbeitungsentgelt zu zahlen hätten.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt
und setzte unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 16.5.2002
und Änderung der Steuerbescheide vom 9.8.2001
die Umsatzsteuer 1996 auf 67.326,00
DM,
die Umsatzsteuer 1997 auf 75.711,00
DM,
die Umsatzsteuer 1998 auf 86.151,80 DM
und
die Umsatzsteuer 1999 auf 51.895,68
DM
fest.
Das Urteil des FG ist abgedruckt in EFG
2004, 374 = SIS 04 08 42.
Hiergegen wendet sich die Revision des FA:
§§ 10 Abs. 1 und 17 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes
(UStG) 1993/1999 seien eindeutig dahin gehend zu verstehen, dass
Entgeltminderungen nur in der jeweiligen Leistungsbeziehung
zwischen leistendem Unternehmer und Leistungsempfänger zu
berücksichtigen seien; eine Leistungsbeziehung bestehe hier
aber gerade nicht zwischen der Klägerin und den Kunden,
sondern nur zwischen der Klägerin und den Reiseveranstaltern,
denen sie die Reisen vermittle. Soweit der EuGH in den vom FG
genannten Urteilen zu Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a und Teil C
Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.5.1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem:
einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (Richtlinie
77/388/EWG) eine andere Auffassung vertrete, seien die
entschiedenen Fälle nicht mit dem vorliegenden Fall
vergleichbar, da hier keine „Herstellerrabatte“
vorlägen. Eine Minderung der Bemessungsgrundlage käme nur
dann in Betracht, wenn letztendlich die Gewährung eines
Rabattes auf die Ausgangsrechnung des Reiseveranstalters
gegenüber dem Kunden (Reisepreis) eine Auswirkung hätte.
Dies sei auch der EuGH-Rechtsprechung zu Art. 26 der Richtlinie
77/388/EWG zu entnehmen (Urteil vom 19.6.2003 Rs. C-149/01, First Choice Holidays, Slg. 2003, I-6289,
UR 2003, 456 = SIS 03 29 32).
Das FA beantragt, das Urteil des FG vom
25.11.2003 aufzuheben, die Klage abzuweisen und die Kosten des
Verfahrens der Klägerin aufzuerlegen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
abzuweisen und die Kosten des Verfahrens dem FA
aufzuerlegen.
Die Parteien haben auf mündliche
Verhandlung verzichtet.
II. Die Revision ist unbegründet. Sie ist
deshalb nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückzuweisen.
Das FG hat zu Recht entschieden, dass die von
der Klägerin an die Kunden gewährten Preisnachlässe
die Bemessungsgrundlage der von der Klägerin an die
Reiseveranstalter erbrachten Vermittlungsleistungen mindert
(§§ 10 Abs. 1 und 17 Abs. 1 UStG; Art. 11 Teil A Abs. 1
Buchst. a und Teil C Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG).
1. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG wird der
Umsatz bei Lieferungen und sonstigen Leistungen nach dem Entgelt
bemessen; nach Satz 2 der Bestimmung ist Entgelt alles, was der
Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten
(abzüglich der Umsatzsteuer). Hat sich die Bemessungsgrundlage
für einen steuerpflichtigen Umsatz geändert, so haben
nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG
(1.) der Unternehmer, der diesen Umsatz
ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag
und
(2.) der Unternehmer, an den dieser Umsatz
ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen
Vorsteuerabzug
entsprechend zu berichtigen.
Zur Auslegung dieser Vorschriften sind Art. 11
Teil A Abs. 1 Buchst. a und Teil C Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG
und die dazu ergangene Rechtsprechung des EuGH heranzuziehen.
Besteuerungsgrundlage ist nach Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der
Richtlinie 77/388/EWG „bei Lieferungen von
Gegenständen und Dienstleistungen ... alles, was den Wert der
Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende
für diese Umsätze vom Abnehmer oder
Dienstleistungsempfänger ... erhält“; nach Teil
C Abs. 1 dieser Bestimmung wird „im Falle ... des
Preisnachlasses nach der Bewirkung des Umsatzes die
Besteuerungsgrundlage unter von den Mitgliedsstaaten festgelegten
Bedingungen entsprechend vermindert“.
Nach den EuGH-Urteilen vom 15.10.2002 Rs.
C-427/98, Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland (Slg. 2002,
I-8315, BStBl II 2004, 328 = SIS 02 98 74) und vom 24.10.1996 Rs.
C-317/94, Elida Gibbs (Slg. 1996, I-5339, BStBl II 2004, 324, UR
1997, 265 = SIS 97 04 27) ist das Umsatzsteuersystem darauf
angelegt, dass nur der Endverbraucher wirtschaftlich mit der
Umsatzsteuer belastet wird (Elida Gibbs Rdnrn. 19, 22, 23; Rs.
C-427/98 Rdnr. 53). Für Unternehmer, die auf den Produktions-
und Vertriebsstufen vor der Endverbrauchsstufe tätig sind,
muss die Umsatzbesteuerung neutral sein (Elida Gibbs Rdnrn. 26-28).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze darf dem Fiskus
aus allen Umsatzgeschäften von der Herstellung bis zum
Endverbrauch nur der Umsatzsteuerbetrag zufließen, den der
Endverbraucher letztlich wirtschaftlich aufwendet (Elida Gibbs
Rdnr. 24; Rs. C-427/98 Rdnr. 53). Der EuGH hat es deshalb nicht
für erforderlich gehalten, dass ein Preisnachlass oder eine
Preiserstattung (ggf. über einen
„Gutschein“) in der unmittelbaren
Leistungsbeziehung gewährt werden muss, um sich
entgeltmindernd auszuwirken; auch der vom Hersteller direkt an den
Endverbraucher gewährte Preisnachlass mindert die
Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer des Herstellers
für seinen Umsatz an seinen unmittelbaren Abnehmer
(Zwischenhändler), ohne dass sich dadurch der Vorsteuerabzug
des Abnehmers ändert oder die vom Hersteller an seinen
Abnehmer erteilte Rechnung unrichtig wird (Elida Gibbs Rdnr. 33;
Rs. C-427/98 Rdnr. 41). Der EuGH hat für derartige Fälle
klargestellt, dass es kein allgemeines Korrespondenzprinzip
zwischen der Bemessungsgrundlage des Lieferanten und dem
Vorsteuerabzug seines Abnehmers gibt, diese vielmehr
unabhängig voneinander zu beurteilen sind. Diese
Grundsätze hat der EuGH zwar in Fallgestaltungen entschieden,
in denen der Hersteller eines Produkts Gutscheine ausgegeben hat
und diese im Falle eines Endumsatzes vom Hersteller dem
Endverbraucher - ggf. über den letzten Einzelhändler -
vergütet wurden. Gleichwohl hat der EuGH für derartige
Fälle ein allgemein gültiges Prinzip des
Mehrwertsteuersystems zum Ausdruck gebracht, das sich auf alle
Fälle der Leistungserstellung auf verschiedenen Vorstufen,
einschließlich etwaiger Vermittlungsleistungen anwenden
lässt: Wenn ein an der Leistungserstellung beteiligter
Unternehmer dem Endverbraucher unmittelbar Preisnachlässe
gewährt, mindert sich dadurch die Bemessungsgrundlage für
den von ihm erbrachten Umsatz. Vorliegend ist die Klägerin als
Reisebüro mit ihren Vermittlungsleistungen als erster
Unternehmer in der Kette von Dienstleistungen anzusehen, die
letztlich als Einheit beim Endverbraucher (Reisekunden)
ankommen.
Bei der Auslegung und Anwendung der
§§ 10 Abs. 1 und 17 Abs. 1 UStG ist deshalb von folgenden
Grundsätzen auszugehen:
a) Das „Entgelt“ i.S. des
§ 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 UStG vermindert sich auch um solche
Preisnachlässe, die ein in der Leistungskette beteiligter
Unternehmer direkt dem Endverbraucher gewährt. Diese
Interpretation des Begriffes „Entgelt“ folgt aus
dem materiellen Charakter der Umsatzsteuer als Endverbrauchssteuer;
sie darf daher nicht höher sein als der in dem Gesamtbetrag
enthaltene Umsatzsteuerbetrag, den der Endverbraucher letztlich
aufwendet.
b) Erstattet der erste Unternehmer in einer
Leistungskette dem Endverbraucher einen Teil des von diesem
gezahlten Leistungsentgelts oder gewährt er ihm einen
Preisnachlass, mindert sich dadurch die Bemessungsgrundlage
für den Umsatz des ersten Unternehmers (an seinen Abnehmer der
nächsten Stufe). Der erste Unternehmer hat deshalb den
für seinen Umsatz geschuldeten Steuerbetrag zu
berichtigen.
2. Unter Anwendung dieser Grundsätze
mindert sich die Bemessungsgrundlage der von der Klägerin an
die Reiseveranstalter erbrachten Vermittlungsumsätze um die
Beträge, die den Endverbrauchern (Reisekunden) von der
Klägerin vergütet wurden. Der Vorsteuerabzug der
Reiseveranstalter für die von der Klägerin diesen in
Rechnung gestellten Vermittlungsleistungen ändert sich dadurch
nicht, auch wird die Rechnung durch die Änderung der
Bemessungsgrundlage bei der Klägerin nicht unrichtig, so dass
sie die Umsatzsteuer etwa nach § 14 Abs. 2 UStG (jetzt: §
14c UStG 2005) schulden würde. Im Gesamtergebnis erhält
der Fiskus damit die Umsatzsteuer, die in dem vom Endverbraucher
aufgewendeten Betrag enthalten ist. Dies zeigt folgendes Beispiel:
Stellt der Reiseveranstalter dem Endverbraucher (bei einem
Umsatzsteuersatz von 16 %) 1.000 DM zzgl. 160 DM Umsatzsteuer in
Rechnung und vergütet dem Reisebüro eine Provision von
100 DM zzgl. 16 DM, führt der Reiseveranstalter 160 DM - 16 DM
= 144 DM an das FA ab. Das Reisebüro gewährt dem
Kunden 3 % Nachlass auf den Reisepreis, d.h. von 1.160 DM (brutto)
= 34,80 DM; sein Bruttoentgelt beträgt damit 116 DM - 34,80 DM
= 81,20 DM oder netto 70 DM. Das Reisebüro führt damit an
das FA 16 % von 70 DM = 11,20 DM ab. Insgesamt erhält
der Fiskus damit 144 DM + 11,20 DM = 155,20 DM. Dies
entspricht der Umsatzsteuer, die in dem vom Reisekunden letztlich
aufgewendeten Betrag von 1.160 DM - 34,80 DM = 1.125,20 DM
enthalten ist (netto 970 DM, Umsatzsteuer 155,20 DM).
3. Der Senat ist in seinem Beschluss vom
14.4.1983 V B 28/81 (BFHE 138, 113, BStBl II 1983, 393 = SIS 83 11 23) noch von dem Grundsatz ausgegangen, dass sich eine
Entgeltminderung nur in der jeweiligen Leistungsbeziehung ergeben
könne. An dieser Rechtsprechung wird angesichts der oben
genannten, vom EuGH aufgestellten Grundsätze des
Mehrwertsteuersystems nicht mehr festgehalten.
4. Der Hinweis des FA auf die
EuGH-Rechtsprechung zu Art. 26 der Richtlinie 77/388/EWG
stützt sein Begehren nicht, weil diese Regelung nur eingreift,
soweit Reisebüros gegenüber den Reisenden im eigenen
Namen auftreten, was vorliegend nicht der Fall ist. Deshalb ist
auch § 25 UStG nicht einschlägig.