Ausgabe von Parkchips, keine Minderung des ustl. Entgelts: Eine Minderung des Kaufpreises einer Ware liegt nicht vor, wenn der Käufer vom Verkäufer zur Ware einen Chip erhält, der zum verbilligten Bezug von Leistungen eines Dritten berechtigt, und der Kunde den vereinbarten Kaufpreis für die Ware unabhängig davon, ob er den Chip annimmt, zu zahlen hat und die Rechnung über den Warenkauf diesen Kaufpreis ausweist. - Urt.; BFH 11.5.2006, V R 33/03; SIS 06 27 13
I. Streitig ist, ob sich der Kaufpreis
einer Ware mindert, wenn der Käufer zur Ware einen Chip
erhält, der ihn zum verbilligten Bezug von Leistungen Dritter
berechtigt.
Die Klägerin, Revisionsbeklagte und
Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb in den Streitjahren
1991 bis 1995 in R ein Kaufhaus. Sie wurde Mitglied der
„Gemeinschaft Handelsstadt R e.V.“, die Trägerin
des „R Chip-Systems“ war. Zweck dieses Systems war die
Förderung des öffentlichen Nahverkehrs und der
Parkmöglichkeiten in den Parkhäusern der Stadt. Hierzu
wurde die „Fachgruppe Chip-System in der Gemeinschaft
Handelsstadt R e.V.“ gegründet. Nach deren
Geschäftsordnung gaben die Beteiligten, zu denen auch die
Klägerin gehörte, an ihre Kunden bei einem Kauf- oder
Dienstleistungsgeschäft mit einem Mindestumsatz von 25 DM
einen Chip aus. Der Chip wurde an die Beteiligten des Chip-Systems
zu einem Betrag von 0,55 DM ausgegeben, von dem 0,05 DM auf die
Werbung und Verwaltung des Systems entfielen; jeder
zurücklaufende Chip wurde von der Stadt R mit 0,20 DM
bezuschusst, so dass die Beteiligten für den Chip im Ergebnis
0,35 DM (zuzüglich Umsatzsteuer auf die Kosten für
Werbung und Verwaltung von 0,05 DM) zu zahlen hatten.
Der Wert des Chips war nach § 9 der
Geschäftsordnung auf 0,50 DM festgelegt; zu diesem Wert
konnten die Kunden den Chip bei Unternehmen des öffentlichen
Nahverkehrs und verschiedenen Parkhausbetreibern einlösen. Die
Unternehmen, bei denen die Chips in Zahlung genommen wurden,
reichten diese bei der Kreissparkasse zu Lasten des Kontos der
Gemeinschaft Handelsstadt R e.V. zum Wert von 0,50 DM ein.
Im Streitjahr 1994 wurde eine GmbH
gegründet, welche fortan die Abwicklung des Chip-Systems
übernahm.
Die Klägerin sah in der Ausgabe der
Chips an ihre Kunden eine Entgeltminderung für ihre
Warenlieferungen. Die Umsatzsteuer auf die Kosten für
Verwaltung und Werbung (0,05 DM pro Chip) machte sie als Vorsteuer
geltend.
Im Anschluss an eine
Außenprüfung verneinte der Beklagte,
Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - )
eine Entgeltminderung.
Die nach erfolglosen Einsprüchen
erhobene Klage, mit der die Klägerin eine Entgeltminderung in
Höhe von 0,50 DM pro ausgegebenem Chip geltend machte, hatte
zum Teil Erfolg (vgl. SIS 03 48 29). Das Finanzgericht (FG)
erkannte eine Entgeltminderung in Höhe von 0,30 DM pro
ausgegebenem Chip an.
Gegen dieses Urteil haben das FA und die
Klägerin Revision eingelegt.
Das FA meint, es liege keine
Entgeltminderung vor, die Klägerin gebe den Chip nur aus
Anlass der Warenlieferung zur übergreifenden Kundenpflege als
Zugabe im Sinne einer freigebigen Leistung hin.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der
Vorentscheidung die Klage als unbegründet abzuweisen.
Die Klägerin tritt der Revision
entgegen und verfolgt ihr ursprüngliches Klageziel weiter. Sie
meint, die Chips seien entsprechend den Grundsätzen der
Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften
(EuGH) vom 15.10.2002 Rs. C-427/98, Kommission gegen Bundesrepublik
Deutschland (Slg. 2002, I-8315, BStBl II 2004, 328 = SIS 02 98 74)
und vom 16.1.2003 Rs. C-398/99, Yorkshire Cooperatives Ltd. (Slg.
2003, I-427, BStBl II 2004, 335 = SIS 03 09 07) in Höhe ihres
Wertes als Zahlungsmittel zu behandeln und führten zu einer
entsprechenden Entgeltminderung.
Die Klägerin beantragt, die
Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre 1991 bis 1995 dahin
gehend abzuändern, dass die Umsatzsteuer im Verhältnis
zur Vorentscheidung
für das Jahr 1991 um weitere 1.743,90
DM (891,64 EUR)
für das Jahr 1992 um weitere 2.117,60
DM (1.082,71 EUR)
für das Jahr 1993 um weitere 3.155,68
DM (1.613,47 EUR)
für das Jahr 1994 um weitere 2.399,36
DM (1.226,77 EUR) und
für das Jahr 1995 um weitere 2.336,67
DM (1.194,72 EUR)
niedriger festgesetzt wird.
II. A. Revision des FA
Die Revision des FA ist begründet. Die
Chips, die die Klägerin ihren Kunden ausgegeben hat,
führen zu keinen Minderungen des Entgelts für die
Warenlieferungen der Klägerin.
1. Hat sich die Bemessungsgrundlage für
einen steuerpflichtigen Umsatz i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3
des Umsatzsteuergesetzes 1991/1993 (UStG) geändert, so
haben
- der Unternehmer,
der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten
Steuerbetrag und
- der Unternehmer,
an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in
Anspruch genommenen Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen
(§ 17 Abs. 1 Satz 1 UStG).
Bei Lieferungen und sonstigen Leistungen
(§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG) wird der Umsatz nach dem
Entgelt bemessen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 UStG). Entgelt ist alles,
was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu
erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1
Satz 2 UStG).
Maßgebend für die Höhe des
Entgelts ist, was der Leistungsempfänger
vereinbarungsgemäß für die Leistung aufwendet. Dem
entspricht, dass die zunächst maßgebende vereinbarte
Bemessungsgrundlage durch eine nachträgliche Vereinbarung mit
umsatzsteuerrechtlicher Wirkung verändert (erhöht oder
ermäßigt) werden kann, und dass diese die
endgültige Bemessungsgrundlage für die Besteuerung ergibt
(vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16.1.2003 V R 72/01,
BFHE 201, 335, BStBl II 2003, 620 = SIS 03 19 28; vom 30.11.1995 V
R 57/94, BFHE 179, 453, BStBl II 1996, 206 = SIS 96 09 49, m.w.N.;
vom 12.1.2006 V R 3/04, BFH/NV 2006, 1029 = SIS 06 16 30).
2. Die Kunden der Klägerin haben für
die von ihr gelieferten Waren den vereinbarten Kaufpreis
aufgewendet. Soweit sie zusätzlich zur Ware noch einen Chip
bekamen, haben sie weder zusätzlich zur Ware auch noch den
Chip (zu einem Gesamtkaufpreis) gekauft noch einen Teil des in der
Rechnung ausgewiesenen Kaufpreises für die Ware in Form des
Chips zurückerstattet bekommen.
Legt der Unternehmer der verkauften Ware ein
Werbegeschenk oder einen sonstigen Gegenstand von geringem Wert
bei, so berührt dies den vereinbarten Kaufpreis
regelmäßig nicht; vielmehr ist das Werbegeschenk eine
zusätzliche unentgeltliche Leistung. Eine Minderung des
Entgelts für den Warenbezug liegt insoweit nicht vor. Dasselbe
gilt, wenn der Ware im allgemeinen Werbeinteresse ein Gutschein
oder ein Chip beigelegt wird, der für Leistungen eines Dritten
eingelöst werden kann (vgl. EuGH-Urteil vom 27.4.1999 Rs.
C-48/97, Kuwait Petroleum, Slg. 1999, I-2323, UR 1999, 278 = SIS 99 17 22 und Umsatzsteuer-Richtlinien - UStR - 2005 Abschn. 224 Abs. 1
Beispiel 2).
Dies gilt nicht nur für unentgeltliche
Zuwendungen, die nach Art. 5 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie des
Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie
77/388/EWG) - ab 1999 § 3 Abs. 1 b Nr. 3 UStG - besteuert
werden, sondern für alle unentgeltlichen Leistungen, die mit
einem Kauf verbunden sind, gleichgültig, ob die unentgeltliche
Leistung der Besteuerung unterliegt oder nicht. Entscheidend ist,
dass die Kunden den vereinbarten Endverkaufspreis für die Ware
unabhängig davon, ob sie den Gutschein oder Chip annehmen, zu
zahlen haben und die Rechnungen über den Warenkauf diesen
Endverkaufspreis ausweisen; die Rechnungen berechtigen dann unter
den Voraussetzungen des § 15 UStG auch insoweit zum
Vorsteuerabzug (vgl. RandNr. 31 des EuGH-Urteils Kuwait Petroleum
in Slg. 1999, I-2323, UR 1999, 278 = SIS 99 17 22 und RandNr. 75
des EuGH-Urteils Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland in
Slg. 2002, I-8315, BStBl II 2004, 328 = SIS 02 98 74).
Dementsprechend liegt auch keine Minderung des Kaufpreises einer
Ware vor, wenn der Verkäufer der Ware einen Gutschein oder
Chip beilegt, der zum verbilligten Bezug von Leistungen eines
Dritten berechtigt, und der Kunde den vereinbarten Kaufpreis
für die Ware unabhängig davon, ob er den Gutschein oder
Chip annimmt, zu zahlen hat und die Rechnung über den
Warenkauf diesen Kaufpreis ausweist.
So lagen die Dinge auch im Streitfall.
Insbesondere können die Chips nicht als allgemeines
Zahlungsmittel - und damit als „Bargeld“ -
angesehen werden. Denn sie berechtigten nur dazu, bestimmte
Leistungen Dritter (Parkhäuser und öffentlicher
Nahverkehr) verbilligt zu beziehen.
3. Die streitigen Chips können nicht mit
den Preisnachlassgutscheinen gleichgesetzt werden, die Gegenstand
des EuGH-Urteils vom 24.10.1996 Rs. C-317/94, Elida Gibbs (Slg.
1996, I-5339 = SIS 97 04 27, BStBl II 2004, 324 = SIS 97 04 27)
sowie der Urteile Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland in
Slg. 2002, I-8315, BStBl II 2004, 328 = SIS 97 03 68 und Yorkshire
Cooperatives Ltd. in Slg. 2003, I-427, BStBl II 2004, 335 = SIS 03 09 07 waren. Ein derartiger Preisnachlassgutschein scheidet bereits
deshalb aus, weil die Chips nicht von den Kunden der Klägerin
bei dieser beim Kauf von Waren eingelöst werden können,
die Kunden vielmehr den vollen Warenpreis zahlen müssen (s.
dazu auch BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 1029 = SIS 06 16 30).
Ebenso wenig können die Chips mit
Preiserstattungsgutscheinen i.S. des EuGH-Urteils Elida Gibbs in
Slg. 1996, I-5339, BStBl II 2004, 324 = SIS 02 98 74 gleichgesetzt
werden. Unter derartigen Preiserstattungsgutscheinen sind
Gutscheine zu verstehen, die der gekauften Ware beiliegen, und in
denen der Hersteller der Ware (oder sein Vertreter) dem Käufer
verspricht, gegen Einsendung des Gutscheins einen Teil des an den
Einzelhändler gezahlten Kaufpreises in bar zu erstatten (vgl.
RandNr. 11 des Urteils Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland
in Slg. 1996, I-5339, BStBl II 2004, 324 = SIS 02 98 74). Ein
derartiger Preiserstattungsgutschein scheidet aus, weil der Kunde
der Klägerin den Chip weder bei der Klägerin noch bei
einem vorgeschalteten Warenlieferanten (oder sonstigen Unternehmen
in der Unternehmerkette) einlösen kann, die Einlösung
nicht in Geld erfolgt und mit ihm nicht der bezahlte Kaufpreis zum
Teil zurückerstattet wird, sondern lediglich das Recht
erworben wird, Leistungen Dritter kostenlos oder verbilligt zu
beziehen.
B. Revision der Klägerin
Die Revision der Klägerin hat keinen
Erfolg. Da eine Entgeltminderung nicht vorliegt, ist die Frage, ob
diese mit dem Wert des Chips oder mit den Aufwendungen der
Klägerin zu bemessen ist, gegenstandslos.