Zentralregulierer, USt-Bemessungsgrundlage bei Preisnachlass: Preisnachlässe, die eine Einkaufsgenossenschaft (Zentralregulierer) ihren Mitgliedern - zusätzlich zu dem von den Warenlieferanten an die Mitglieder eingeräumten Skonto - für den Warenbezug gewährt ("Zusatzskonto"), mindern die Bemessungsgrundlage des Umsatzes der von der Einkaufsgenossenschaft gegenüber den Warenlieferanten erbrachten Leistungen (Zentralregulierung, Bürgschaftsübernahme etc.). - Fortführung des BFH-Urteils vom 12.1.2006 V R 3/04 (BFHE 213 S. 69, BStBl 2006 II S. 479 = SIS 06 16 30). - Urt.; BFH 13.3.2008, V R 70/06; SIS 08 31 27
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt in der Rechtsform
einer Genossenschaft das Zentralregulierungsgeschäft. Ihr sind
als Mitglieder zahlreiche Fachhändler angeschlossen, für
deren Warenbestellungen sie den gesamten Abrechnungs- und
Zahlungsverkehr (sog. Zentralregulierung) einschließlich
einer Bürgschaft übernimmt.
Die Rechtsbeziehungen zwischen Mitgliedern,
Lieferanten und Klägerin gestalteten sich im Streitjahr (1995)
wie folgt:
a) Verhältnis: Mitglieder -
Lieferanten
Die Mitglieder bestellten die Waren
unmittelbar bei den Lieferanten, die diese an die Mitglieder
auslieferten. Die Rechnungen wurden auf den Namen der Mitglieder
erstellt und über die Klägerin an die Mitglieder
versandt, um die Klägerin in die Lage zu versetzen, die
Kaufpreisforderungen zentral zu regulieren.
b) Verhältnis: Klägerin -
Lieferanten
Die Klägerin übernahm nach den
vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommenen sog.
„Kooperationsverträgen“ gegenüber den
Lieferanten das Delkredere (selbstschuldnerische Bürgschaft)
und die Zentralregulierung für die Aufträge ihrer
Mitglieder sowie Maßnahmen zur Verkaufsförderung. Als
Gegenleistung erhielt sie eine „Leistungs-Provision“ in
Höhe von 4 % des Warenpreises. Die Klägerin erteilte
über ihre Leistungen den Lieferanten eine Rechnung in
Höhe der vereinbarten Provision zuzüglich gesondert
ausgewiesener Umsatzsteuer. Die Rechnungen der Lieferanten bezahlte
die Klägerin den Lieferanten vereinbarungsgemäß
nach Abzug von 3 % Skonto.
c) Verhältnis: Klägerin -
Mitglieder
Gegenüber ihren Mitgliedern
verpflichtete sich die Klägerin, möglichst günstige
Konditionen mit den Lieferanten auszuhandeln und das gesamte
Abrechnungs- und Zahlungsgeschäft zu übernehmen.
Hierfür zahlten die Mitglieder der Klägerin ein
pauschales Monatsentgelt sowie einen umsatzbezogenen
Verwaltungsbeitrag. Die Klägerin gab nicht nur das von den
Warenlieferanten eingeräumte Skonto von 3 % an ihre
Mitglieder, die Empfänger der Warenlieferungen, weiter,
sondern gewährte diesen zusätzlich einen Preisnachlass
von 1 % des Warenpreises. Die Mitglieder hatten danach nur einen um
insgesamt 4 % geminderten Warenpreis zuzüglich Umsatzsteuer zu
bezahlen.
Die Klägerin behandelte die
„Leistungs-Provision“ von 4 % als Entgelt für
steuerpflichtige Umsätze. Die von den Lieferanten
eingeräumten Skontobeträge in Höhe von 3 %
berücksichtigte sie durch eine entsprechende
„Vorsteuerkürzung“ und die den Mitgliedern
gewährten „Skontobeträge“ von insgesamt 4 %
(das weitergeleitete Lieferantenskonto und der von ihr
zusätzlich gewährte Preisnachlass von 1 %) erklärte
sie als „negativen Umsatz“.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) vertrat im Anschluss an eine
Außenprüfung zunächst die Rechtsauffassung, dass
die den Mitgliedern insgesamt eingeräumten Skontobeträge
(4 %) bei der Klägerin lediglich durchlaufende Posten ohne
umsatzsteuerrechtliche Auswirkung seien; dementsprechend
erhöhte sich die Umsatzsteuer entsprechend dem von der
Klägerin den Mitgliedern zusätzlich gewährten
Preisnachlass von 1 % des Warenpreises (von den Beteiligten als
„Skontounterschuss“ bezeichnet). Daraus ergab sich eine
Erhöhung der Umsatzsteuer um 28.648,20 DM (14.647,60
EUR).
Im Verlauf des Einspruchsverfahrens
änderte das FA seine Rechtsauffassung und vertrat nunmehr die
Meinung, bei der Gewährung des zusätzlichen
„Skontobetrages“ von 1 % durch die Klägerin an die
Mitglieder handele es sich um die Gegenleistung für eine
Leistung der Mitglieder an die Klägerin (Verpflichtung zur
Abrechnung von Warenbestellungen über die Klägerin). Da
die Mitglieder der Klägerin über diese Leistung jedoch
keine Rechnung mit Umsatzsteuerausweis erteilt hätten, sei
insoweit - noch - kein Vorsteuerabzug möglich.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren
erhobene Klage, mit der die Klägerin in richtlinienkonformer
Auslegung des § 17 Abs. 1 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes 1993
(UStG) begehrte, in den „Skontounterschüssen“
negative Umsätze zu sehen, wies das FG aus den in EFG 2006,
1620 = SIS 06 29 18 veröffentlichten Gründen ab.
Mit der Revision bringt die Klägerin
vor, bei zutreffender Würdigung der Leistungsbeziehungen
ergebe sich, dass das von ihr gewährte
„Zusatzskonto“ von 1 % als Minderung ihrer Provision
für ihre Leistungen an die Lieferanten (u.a. Delkredere) nach
§ 17 UStG berücksichtigt werden müsse.
Entgegen der Ansicht des FG und des FA
hätten nicht ihre Mitglieder Leistungen an sie, die
Klägerin, erbracht. Vielmehr erbringe sie selbst
gegenüber ihren Mitgliedern durch die Zentralregulierung
entgeltliche Leistungen an die Mitglieder.
Die Klägerin beantragt, unter
Aufhebung des Urteils der Vorinstanz und der Einspruchsentscheidung
vom 22.11.2005 die im Umsatzsteuerbescheid 1995 vom 10.9.2003
festgesetzte Umsatzsteuer von 1.773.645,97 EUR um 14.647,60 EUR auf
1.758.998,37 EUR herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
antragsgemäßen Herabsetzung der Steuer (§ 126 Abs.
3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ), denn die
Klägerin begehrt zu Recht die Minderung der
Bemessungsgrundlage für ihre Leistungen an die
Warenlieferanten aufgrund des ihren Mitgliedern gewährten
zusätzlichen Preisnachlasses (§§ 10, 17 UStG).
1. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1
UStG wird der Umsatz bei Lieferungen und sonstigen Leistungen nach
dem Entgelt bemessen. Hat sich die Bemessungsgrundlage für
einen steuerpflichtigen Umsatz geändert, so hat der
Unternehmer, der einen Umsatz ausgeführt hat, den dafür
geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen (§ 17 Abs. 1 Nr. 1
UStG).
a) Die Klägerin hat als
Einkaufsgenossenschaft gegenüber den Lieferanten sonstige
Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG) erbracht. Sie hat zugunsten
der Lieferanten eine Bürgschaft für die
Zahlungsverpflichtungen ihrer Mitglieder sowie die
Zentralregulierung übernommen und
Verkaufsförderungsaktionen der Lieferanten unterstützt.
Als Gegenleistung hierfür erhielt sie die als steuerpflichtig
behandelten Provisionen in Höhe von 4 % des Warenpreises
(§§ 4 Nr. 8 Buchst. g, 9 Abs. 1 UStG).
Dass die Klägerin als
Einkaufsgenossenschaft zugleich auch Leistungen an ihre Mitglieder
erbrachte (s. unter II. 2.), steht dieser Beurteilung nicht
entgegen.
b) Die Bemessungsgrundlage für die
gegenüber den Warenlieferanten ausgeführten Umsätze
der Klägerin hat sich geändert, weil die Klägerin
deren Kunden, den Mitgliedern der Klägerin, einen
zusätzlichen Preisnachlass von 1 % des Kaufpreises
gewährt und sich hierdurch ihre Provision gemindert hat.
aa) Wie der Bundesfinanzhof (BFH) bereits im
Zusammenhang mit der Vermittlungsprovision eines Reisebüros
(Urteil vom 12.1.2006 V R 3/04, BFHE 213, 69, BStBl II 2006, 479 =
SIS 06 16 30) und eines Telefonvermittlers (Urteil vom 13.7.2006 V
R 46/05, BFHE 214, 463, BStBl II 2007, 186 = SIS 06 45 69) im
Anschluss an die Rechtsprechung des Gerichtshofs der
Europäischen Gemeinschaften - EuGH - (Urteile vom 15.10.2002
C-427/98, Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland, Slg. 2002,
I-8315, BStBl II 2004, 328 = SIS 02 98 74, und vom 24.10.1996
C-317/94, Elida Gibbs, Slg. 1996, I-5339 = SIS 97 04 27, BStBl II
2004, 324 = SIS 97 04 27 zu Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a und
Teil C Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.5.1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
die Umsatzsteuern 77/388/EWG - Richtlinie 77/388/EWG - )
entschieden hat, ist es nicht erforderlich, dass ein Preisnachlass
oder eine Preiserstattung vom leistenden Unternehmer an den
Empfänger seiner Leistung gewährt werden muss, um sich
entgeltmindernd nach den §§ 10, 17 UStG auszuwirken. Denn
nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteile Kommission gegen
Bundesrepublik Deutschland in Slg. 2002, I-8315, BStBl II 2004, 328
= SIS 02 98 74, und Elida Gibbs in Slg. 1996, I-5339, BStBl II
2004, 324 = SIS 97 04 27) ist der Grundsatz der Neutralität
der Umsatzsteuer innerhalb der Unternehmerkette - ggf.
einschließlich etwaiger Vermittlungsstufen - zu beachten.
Erstattet deshalb z.B. der erste Unternehmer in einer
Leistungskette dem Endverbraucher einen Teil des von diesem
gezahlten Leistungsentgelts oder gewährt er ihm einen
Preisnachlass, mindert sich dadurch die Bemessungsgrundlage
für den Umsatz des ersten Unternehmers an den ersten Abnehmer
in der Leistungskette. Der erste Unternehmer hat deshalb den
für seinen Umsatz geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen.
Gleiches gilt, wenn der erste Unternehmer in der Kette nicht dem
Endverbraucher, sondern einem Zwischenhändler den
Preisnachlass gewährt. Beim Empfänger des Preisnachlasses
mindert sich allerdings auch im entsprechenden Umfang der
Vorsteuerabzug bzw. ist im entsprechenden Umfang zu berichtigen
(§ 17 Abs. 1 UStG).
bb) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf
den Streitfall vermindert sich die Bemessungsgrundlage für die
Leistung der Klägerin an die Warenlieferanten (Delkredere und
Zentralregulierung). Die Provision in Höhe von 4 % der
Warenpreise vermindert sich um den zusätzlich den Mitgliedern
für den Bezug der Waren gewährten Preisnachlass in
Höhe von 1 %. Die Rechnung der Klägerin an die
Warenlieferanten wird durch diese Änderung der
Bemessungsgrundlage (bei der Klägerin) nicht unrichtig, so
dass sie die Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 2 UStG (jetzt: §
14c UStG 2005) schulden würde (vgl. BFH-Urteil in BFHE 213,
69, BStBl II 2006, 479 = SIS 06 16 30, unter II. 2.).
cc) Bemessungsgrundlage für die
Umsätze der Lieferanten an ihre Kunden (die Mitglieder der
Klägerin) ist der um das Skonto von 3 % geminderte Kaufpreis.
Den Kunden steht der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der
Lieferanten jedoch nur vermindert um das Lieferantenskonto von 3 %
und den zusätzlich von der Klägerin eingeräumten
Preisnachlass von 1 %, also insgesamt vermindert um 4 % zu. Dass
der zusätzliche Preisnachlass von 1 % nicht in der
unmittelbaren Leistungsbeziehung zwischen den Warenlieferanten und
deren Kunden, den Mitgliedern der Klägerin, sondern von einem
anderen Unternehmer in der Vorstufe, der Klägerin,
gewährt wird, ist, wie unter II. 1. b aa ausgeführt,
nicht entscheidend.
dd) Im Gesamtergebnis wirkt sich die
Behandlung in der Unternehmerkette neutral aus und das FA
erhält schließlich die Umsatzsteuer, die beim
Weiterverkauf der an die Mitglieder der Klägerin
(Zwischenhändler) gelieferten Waren an Endkunden enthalten
ist.
2. Aus den vorstehend genannten Gründen
folgt der Senat nicht der Auffassung des FG und des FA, der von der
Klägerin ihren Mitgliedern gewährte zusätzliche
Preisnachlass sei Entgelt für eine Leistung der Mitglieder an
die Klägerin, nämlich dafür, dass die Mitglieder
ihre Bestellungen bei den Warenlieferanten über die
Klägerin abrechnen (im Ergebnis bereits BFH-Urteil vom
24.2.1966 V 77/63, BFHE 85, 553, BStBl III 1966, 471 = SIS 66 02 97). Dies verdreht die tatsächliche Leistungsbeziehung.
Vorliegend ist es die Klägerin, die als Einkaufsgenossenschaft
eine Leistung an ihre Mitglieder erbringt - die Förderung des
Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder durch
gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb (vgl. § 1 des
Gesetzes betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften) -
und hierfür als Gegenleistung monatliche
Mitgliedsbeiträge sowie eine umsatzabhängige
Verwaltungsprovision erhält (§ 9 der vom FG in Bezug
genommenen „Geschäftsbedingungen der
Klägerin“).
Danach waren das Urteil des FG und die
Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Minderung der
Bemessungsgrundlage für die Leistungen der Klägerin an
die Warenlieferanten durch antragsgemäße Herabsetzung
der Umsatzsteuer für 1995 zu berücksichtigen.