Umzugskartons, Rücklieferung: Bietet ein (Umzugs-)Unternehmen seinen Kunden an, von ihm verkaufte Umzugskartons in verwertbarem Zustand gegen ein bestimmtes Entgelt zurückzunehmen, und machen die Kunden davon Gebrauch, ist die Bemessungsgrundlage für die ursprüngliche Lieferung nicht zu berichtigen. Vielmehr liegt eine selbständige sog. Rücklieferung vor. - Urt.; BFH 12.11.2008, XI R 46/07; SIS 08 44 41
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist ein Unternehmen, das
Umzüge durchführt und einen sog. Umzugsshop
unterhält, in dem sie u.a. Falt- und Bücherkartons
verkauft. Für neuwertige Kartons berechnete sie gegen Ende des
Streitzeitraums 4 DM und für gebrauchte Kartons 3,50 DM. Ihre
Angebote und Werbung enthielten Zusätze wie:
„Rückgabe gegen Entgelt“, „Wir erstatten
unsere gebrauchten Kartons im wiederverwertbaren Zustand mit 2,00
DM“ oder „Bei Rückgabe der Kartons erstatten wir
2,00 DM/Stück“. Tatsächlich erstattete sie den
ausgelobten Betrag nur bei Kartons mit dem firmeneigenen Logo. Dies
geschah in geringem Umfang auch bei Kartons, die bei
Schwestergesellschaften der Klägerin erworben worden waren.
Bei größeren Rückgaben prüfte sie, ob die
Umzugsrechnung bereits bezahlt war. Die Anschaffungskosten für
fabrikneue Kartons lagen zwischen 1,80 DM und 2,05 DM, wobei
Bücherkartons ca. 0,10 DM preiswerter waren.
Die Erstattungen für die Kartons, die
in den Streitjahren zwischen 107.731 DM netto und 215.437 DM netto
betrugen, behandelte die Klägerin als
Erlösschmälerung. Bis auf einen relativ geringen Anteil
erfolgten die Erstattungen an Privatpersonen.
Im Anschluss an eine
Außenprüfung behandelte der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) die Erstattungen für
Kartonrückgaben nicht als Erlösschmälerungen. Der
Rückkauf sei ein eigenständiger Umsatz, für den
jedoch mit Ausnahme geringer Beträge für Gutschriften an
Unternehmer keine zum Vorsteuerabzug berechtigenden Rechnungen oder
Gutschriften vorlägen. Der Einspruch der Klägerin gegen
die entsprechenden Umsatzsteueränderungsbescheide für
1995 bis 1999 hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab
(EFG 2007, 297 = SIS 07 01 55).
Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin Verletzung des § 10 Abs. 1 i.V.m. § 17 Abs.
1 des Umsatzsteuergesetzes 1993/1999 (UStG). Das vereinbarte Pfand
für die Kartons gehöre zur Bemessungsgrundlage für
die Kartonüberlassung. Die Abrede, dass der Empfänger
durch die Rückgabe der Kartons den Pfandbetrag
zurückerhalten könne, sei eine Vereinbarung einer
Entgeltminderung. Die herkömmliche Bepfandungspraxis sei nicht
zuletzt im Hinblick auf die Verordnung über die Vermeidung und
Verwertung von Verpackungsabfällen (Verpackungsverordnung) vom
21.8.1998 (BGBl I 1998, 2379) überholt. Die Kartons
hätten nur geringen Wert und könnten im Sinne der
genannten Verordnung nur über den Pfandanreiz an die
Klägerin zurückgelangen. Unerheblich sei die mangelnde
Identität zwischen dem Verkaufs- und Rücknahmepreis.
Beide seien klar vereinbart. Das Urteil des FG widerspreche zudem
den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12.1.2006 V R 3/04
(BFHE 213, 69, BStBl II 2006, 479 = SIS 06 16 30) und vom 13.7.2006
V R 46/05 (BFHE 214, 463, BStBl II 2007, 186 = SIS 06 45 69). Nach
ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der
Europäischen Gemeinschaften (EuGH) dürfe nach geltendem
Umsatzsteuersystem nur der Endverbraucher wirtschaftlich mit der
Umsatzsteuer belastet werden. Für Unternehmer müsse die
Umsatzsteuer neutral wirken, d.h. dem Fiskus dürfe
letztendlich nur der Betrag zufließen, den der Endverbraucher
tatsächlich wirtschaftlich aufwende.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des
FG aufzuheben und unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom
14.10.2003 und der Umsatzsteuerbescheide 1995 bis 1999 vom
30.7.2003 die Umsatzsteuer wie folgt geändert
festzusetzen:
- Umsatzsteuer 1995
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1.037.880 DM/
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530.659,62 EUR
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- Umsatzsteuer 1996
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1.228.967 DM/
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628.360,85 EUR
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- Umsatzsteuer 1997
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1.514.491 DM/
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774.346,95 EUR
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- Umsatzsteuer 1998
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1.831.210 DM/
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936.282,81 EUR
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- Umsatzsteuer 1999
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2.091.240 DM/
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1.069.234,03 EUR
|
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision der Klägerin ist als
unbegründet zurückzuweisen. Das FG hat die Klage zu Recht
abgewiesen. Der Verkauf der Kartons durch die Klägerin wurde
weder rückgängig gemacht (§ 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG),
noch wurde das hierfür vom Kunden zu zahlende Entgelt
nachträglich gemindert, noch gelten die Sonderregelungen
für mit Pfand belegte Gegenstände.
1. Der Verkauf der Umzugs-/Bücherkartons
ist eine „Lieferung“. Nach § 3 Abs. 1 UStG
sind Lieferungen Leistungen, durch die der Unternehmer oder in
seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag
einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen
Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der
Verfügungsmacht). Diese Regelung setzt Art. 5 Abs. 1 der
Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) in nationales Recht um
und erfasst jede Übertragung eines körperlichen
Gegenstandes durch eine Partei, die die andere Partei
ermächtigt, über diesen Gegenstand wie ein
Eigentümer zu verfügen (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom
8.2.1990 Rs. C-320/88 - Shipping and Forwarding Enterprise Safe -,
Slg. 1990, I-285, Randnr. 7). Dies setzt die Übertragung von
Substanz, Wert und Ertrag voraus (vgl. z.B. BFH-Urteil vom
6.12.2007 V R 24/05, BFHE 219, 476 = SIS 08 11 74). Liegt eine
Lieferung vor, scheidet nach § 3 Abs. 9 UStG eine sonstige
Leistung z.B. in Form einer Gebrauchsüberlassung aus.
Die Klägerin hat dem jeweiligen Erwerber
die Verfügungsmacht über die Kartons verschafft. Die
Käufer konnten über die Kartons nach eigenem Belieben
verfügen. Eine Pflicht zur Rückgabe bestand weder
aufgrund des Kaufvertrages noch aufgrund der Verpackungsverordnung.
Aus einer nach § 4 der Verpackungsverordnung bestehenden
Rücknahmepflicht ergibt sich keine korrespondierende
Rückgabepflicht der Erwerber.
2. Bemessungsgrundlage für diese
Lieferung ist das Entgelt. Entgelt ist alles, was der
Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten,
jedoch abzüglich Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Sätze 1
und 2 UStG). Dies ist hier der Preis, den die Erwerber der Kartons
beim Kauf gezahlt haben und der unstreitig ist.
3. Bei dieser Bemessungsgrundlage verbleibt es
auch in solchen Fällen, in denen die Erwerber auf das Angebot
der Klägerin eingegangen sind, die Kartons gegen Zahlung von 2
DM zurückzugeben.
a) Durch die Rückgabe der Umzugskartons
wurde deren ursprüngliche Lieferung durch die Klägerin
nicht i.S. des § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG rückgängig
gemacht.
aa) Die Rückgabe eines gelieferten
Gegenstandes durch den Käufer kann den zugrunde liegenden
Leistungsaustausch berühren (Rückgängigmachung) oder
aber auf einem neuen, also weiteren Leistungsaustausch beruhen
(sog. Rücklieferung; vgl. z.B. Weiss, UR 1982, 76). Ob eine
Rückgängigmachung einer Lieferung oder eine
selbständige Rücklieferung vorliegt, ist aus der Sicht
des Empfängers und nicht aus der Sicht des ursprünglichen
Lieferers (hier: der Klägerin) zu beurteilen. Eine
Rückgängigmachung ist anzunehmen, wenn der Liefernde oder
der Lieferungsempfänger das der Hinlieferung zugrunde liegende
Umsatzgeschäft beseitigt oder sich auf dessen Unwirksamkeit
beruft, die zuvor begründete Erwartung des Lieferers auf ein
Entgelt dadurch entfällt und der Lieferungsempfänger den
empfangenen Gegenstand in Rückabwicklung des
Umsatzgeschäftes zurückgibt. Dagegen liegt eine einen
selbständigen Umsatz auslösende Rücklieferung vor,
wenn die Beteiligten ein neues Umsatzgeschäft eingehen und der
Empfänger der Hinlieferung dieses dadurch erfüllt, dass
er dem ursprünglichen Lieferer die Verfügungsmacht an dem
gelieferten Gegenstand in Erwartung einer Gegenleistung
überträgt (vgl. BFH-Urteil vom 27.6.1995 V R 27/94, BFHE
178, 277, BStBl II 1995, 756 = SIS 95 21 36, m.w.N.). Bei der
Rückgängigmachung liegt typischerweise eine
Vertragsstörung im weiten Sinne vor (vgl. auch z.B.
BFH-Urteile vom 17.12.1981 V R 75/77, BFHE 135, 115, BStBl II 1982,
233 = SIS 82 10 20; vom 8.5.2003 V R 20/02, BFHE 203, 181, BStBl II
2003, 953 = SIS 03 41 38; vom 28.11.2002 V R 51/01, BFH/NV 2003,
515 = SIS 03 18 15; Fischer, jurisPR-SteuerR 51/2006 Anm. 3;
Schwarz in Vogel/Schwarz, UStG, § 17 Rz 168). Sie ist zudem
dadurch gekennzeichnet, dass das ursprüngliche Entgelt
zurückzuzahlen ist. Der Beseitigung eines Leistungsaustauschs
ist ein anderer Kaufpreis als der ursprünglich vereinbarte
fremd (vgl. Weiss, UR 1982, 76, 78 a.E.; Widmann in
Plückebaum/Malitzky/Widmann, Umsatzsteuergesetz, Kommentar,
§ 10 Rz 149 ff.).
Diese Grundsätze gelten unabhängig
davon, ob der Wiederverkäufer ein Unternehmer oder eine
Privatperson ist (vgl. BFH-Beschluss vom 19.6.2002 V B 113/01,
BFH/NV 2002, 1353 = SIS 02 94 58).
bb) Nach diesen Grundsätzen kann von
einer Rückgängigmachung des Kaufs der Kartons i.S. des
§ 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG nicht ausgegangen werden. Weder die
Klägerin noch der jeweilige Käufer haben die Wirksamkeit
des Erstverkaufs in Zweifel gezogen. Der Erstkäufer verkaufte
die Kartons gegen Zahlung eines anderen als den ursprünglichen
Kaufpreis. Die Rückgabe der auch anderweitig nutzbaren Kartons
(z.B. zur Lagerung) entsprang seinem autonomen, von der
Klägerin unabhängigen Entschluss (vgl. auch z.B. Urteil
des Bundesgerichtshofs vom 7.11.2001 VIII ZR 213/00, NJW 2002,
506).
b) Das Angebot der Klägerin,
wiederverwertbare Kartons zurückzunehmen, ist auch kein
(nachträglicher) Preisnachlass für deren
ursprüngliche Lieferung i.S. des § 17 Abs. 1 UStG, Art.
11 Teil C Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG.
Ein Preisnachlass ist dadurch gekennzeichnet,
dass ein Lieferer, ggf. auch der Hersteller, das Entgelt für
seine Lieferung herabsetzt. Das war hier nicht der Fall. Die
Klägerin hat für die zurückübereigneten und
wiederverwertbaren Kartons das versprochene Entgelt gezahlt.
Maßgebliche Bemessungsgrundlage für ihre Lieferung
bleibt, was die Kunden vereinbarungsgemäß für die
Leistung aufgewendet haben (vgl. BFH-Urteil vom 11.5.2006 V R
33/03, BFHE 213, 264, BStBl II 2006, 699 = SIS 06 27 13). Das waren
im Streitfall nach den Feststellungen des FG 4 DM bzw. 3,50 DM je
Karton.
Auch die Voraussetzungen des Art. 11 Teil A
Abs. 3 Buchst. a und b der Richtlinie 77/388/EWG sind nicht
erfüllt. Danach sind in die Besteuerungsgrundlage nicht
miteinzubeziehen das Skonto und die Rabatte und
Rückvergütungen auf den Preis, die dem Abnehmer
eingeräumt werden und die er zu dem Zeitpunkt erhält, zu
dem der Umsatz bewirkt wird. Im Streitfall knüpft die
„Erstattung“ nicht an den Zeitpunkt der
ursprünglichen Lieferung, sondern an die spätere
Rückübereignung an.
c) Entgegen der Auffassung der Klägerin
gelten hier auch nicht die Sonderregelungen für bepfandete
Gegenstände. Art. 11 Teil C Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG
erfasst nach seinem eindeutigen Wortlaut nicht Behältnisse
jedweder Art, sondern nur Warenumschließungen. Solche liegen
vor, wenn aufgrund der Eigenart einer Ware eine bestimmte
Umschließung erforderlich ist, um diese verkaufs- und
absatzfähig zu machen (vgl. BFH-Urteile vom 2.2.1990 III R
126/85, BFHE 160, 356, BStBl II 1990, 593 = SIS 90 12 30; vom
7.5.1987 V R 56/79, BFHE 150, 85, BStBl II 1987, 582 = SIS 87 13 32; Heidner in Bunjes/Geist, UStG, 8. Aufl., § 10 Rz 18;
ähnlich § 10 Abs. 1 der
Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung 1993 vom 11.8.1992 - BGBl
I 1992, 1526 - ; Waza in Offerhaus/Söhn/Lange, § 12 Abs.
2 Nr. 1 UStG Rz 62; Weiss, UR 1987, 230). Die hier streitigen
Kartons umschließen keine Waren der Klägerin.
d) Der ungekürzten Besteuerung der
Einnahmen aus den Kartonverkäufen steht nicht entgegen, dass
durch das Mehrwertsteuersystem im Prinzip nur der Endverbraucher
belastet werden soll (vgl. hierzu im Einzelnen z.B. EuGH-Urteil vom
24.10.1996 Rs. C-317/94 - Elida Gibbs Ltd. -, Slg. 1996, I-5339 =
SIS 97 04 27, Randnr. 19 ff.; vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 214,
463, BStBl II 2007, 186 = SIS 06 45 69). Zur Wahrung der
Neutralität der Mehrwertsteuer auf der Unternehmerebene sehen
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG und Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der
Richtlinie 77/388/EWG einen Vorsteuerabzug vor. Abgezogen werden
können danach aber nur (Vor-)Steuern für Lieferungen oder
sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmen an das Unternehmen
ausgeführt worden sind. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser
Normen bestehen keine Zweifel, dass ein Unternehmer, dem von einer
Privatperson Gegenstände (ohne Inrechnungstellung von
Umsatzsteuer) geliefert werden, letztendlich mit Umsatzsteuer
belastet bleibt, die diese an einen Vorlieferanten gezahlt hat. Im
Übrigen eröffnet § 25a UStG gerade für den hier
vorliegenden Fall der Lieferung von Gebrauchtgegenständen die
Möglichkeit, die Differenzbesteuerung in Anspruch zu nehmen.
Wie die Klägerin aber vorgetragen hat, erfüllt sie die
Voraussetzungen für die Anwendung des § 25a UStG in den
Streitjahren nicht.