Preisnachlass in Leistungskette, USt-Bemessungsgrundlage: 1. Erstattet der erste Unternehmer in einer Leistungskette dem Endverbraucher einen Teil des von diesem gezahlten Leistungsentgelts oder gewährt er ihm einen Preisnachlass, mindert sich dadurch die Bemessungsgrundlage für den Umsatz des ersten Unternehmers (an seinen Abnehmer der nächsten Stufe). Der erste Unternehmer hat deshalb den für seinen Umsatz geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen (Bestätigung des BFH-Urteils vom 12.1.2006 V R 3/04, BStBl 2006 II S. 479 = SIS 06 16 30). - 2. Preisnachlässe, die dem Telefonkunden vom Vermittler des Telefonanbietervertrages gewährt werden, mindern die Bemessungsgrundlage des Umsatzes der vom Vermittler dem Telefonunternehmen gegenüber erbrachten Vermittlungsleistung. - Urt.; BFH 13.7.2006, V R 46/05; SIS 06 45 69
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig,
ob der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) zu
Recht die von dem Kläger und Revisionskläger
(Kläger) beantragte Änderung der Umsatzsteuerbescheide
für die Jahre 1997 und 1998 (Streitjahre) auf Grund von
Minderungen der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 1 Satz 1
des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1999 abgelehnt hat.
Gegenstand des Unternehmens des
Klägers war der Vertrieb, der Service und die Verwaltung von
Telekommunikationselektronik. In den Streitjahren vermittelte er im
Wesentlichen verschiedenen Telefongesellschaften Kunden, die mit
der entsprechenden Gesellschaft einen Vertrag zum Betrieb eines
Mobiltelefons abschlossen. Die Laufzeit dieser Verträge belief
sich im Regelfall auf 24 Monate. Der Kläger erhielt beim
Abschluss eines entsprechenden Vertrages von den
Telefongesellschaften jeweils eine Vermittlungsprovision inklusive
gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer, über die die
Telefongesellschaften mittels Gutschriften abrechneten. Um die
Kunden zum Abschluss eines Vertrages zu bewegen, zahlte der
Kläger den von ihm vermittelten Kunden je Monat der
Vertragslaufzeit, in dem der entsprechende Vertrag vom Kunden
ordnungsgemäß eingehalten wurde, eine Vergütung von
20 DM. In seinen Umsatzsteuererklärungen für die
Streitjahre erfasste der Kläger die erhaltenen
Vermittlungsprovisionen als dem Regelsteuersatz unterliegende
Entgelte. Das FA hat den eingereichten Umsatzsteuererklärungen
zugestimmt.
Mit Schreiben vom 6.3.2000 beantragte der
Kläger, die Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre zu
ändern und die Bemessungsgrundlage für das Jahr 1997 um
181.052 DM und die des Jahres 1998 um 1.674.000 DM (davon zum
Steuersatz von 15 v.H.: 418.500 DM und zum Steuersatz von 16 v.H.:
1.255.500 DM) zu mindern. Bei diesen Beträgen handele es sich
um die Zahlungen des Klägers an die von ihm geworbenen Kunden
und damit um Preisnachlässe, die die umsatzsteuerliche
Bemessungsgrundlage minderten. Nach dem Urteil des Gerichtshofes
der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) in Sachen Elida Gibbs
Ltd. vom 24.10.1996 Rs. C-317/94 (BStBl II 2004, 324 = SIS 97 04 27) seien gewährte Preisnachlässe von der
Bemessungsgrundlage abzusetzen.
Mit Bescheid vom 22.5.2000 lehnte das FA
die beantragte Änderung der Umsatzsteuerbescheide für die
Streitjahre ab und führte zur Begründung aus, zwischen
den Telefonanbietern und dem Vermittler finde ein
Leistungsaustausch statt, nicht jedoch zwischen dem Vermittler und
den Kunden. Der den Kunden von dem Kläger gewährte
Preisnachlass mindere weder das Entgelt des Telefonanbieters noch
die Provision des Vermittlers.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Im Klageverfahren trug der Kläger
ergänzend zu seinen bisherigen Ausführungen vor, die
Telefongesellschaften rechneten damit, dass ihre Vermittler die
Kunden durch finanzielle Zuwendungen zum Abschluss der
Verträge bewegten. Die Provisionssätze würden
derartige Rückvergütungen ersichtlich enthalten. Nach der
Rechtsprechung des EuGH seien nur die Beträge in die
Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer einzubeziehen, die
dem Unternehmer wirtschaftlich aus dem Geschäft verblieben
seien.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage in
seinem in EFG 2005, 1977 = SIS 05 34 98 veröffentlichten
Urteil aus folgenden Gründen ab: Durch das Zahlungsversprechen
des Klägers sei es zwischen ihm und den Telefonkunden zu einem
Leistungsaustausch gekommen, bei dem die Telefonkunden dem
Kläger eine Leistung erbrachten - Abschluss und Einhaltung des
Telefonanbietervertrages - und der Kläger hierfür ein
Entgelt von 20 DM monatlich bezahlt habe. Die Leistung der
Telefonkunden sei nachhaltig gewesen, so dass diese zumindest
überwiegend (Klein-)Unternehmer gewesen seien. Deshalb habe
der Kläger von den Telefonkunden Leistungen bezogen, die dem
Kläger unter der Voraussetzung formgültiger Rechnungen
durch die Telefonkunden zum Vorsteuerabzug berechtigt hätten.
Neben diesem Leistungsaustausch habe sich der Provisionsanspruch
des Klägers gegenüber den Telefongesellschaften aber
nicht vermindert; andernfalls hätte auch der Vorsteuerabzug
der Telefongesellschaften zwangsläufig nach § 17 Abs. 1
Satz 1 UStG 1993 korrigiert werden müssen.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit
der vom FG zugelassenen Revision. Das FA ist der Revision
entgegengetreten.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung des FG und des
Ablehnungsbescheides des FA vom 22.5.2000 in der Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 14.12.2000 sowie zur Verpflichtung des
FA, die beantragte Änderung der Umsatzsteuerbescheide für
1997 und 1998 vorzunehmen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
1. Der Senat folgt nicht der Auffassung des
FG, dass das Zahlungsversprechen des Klägers zu einer
vertraglichen Beziehung zwischen diesem und den Endkunden mit der
Folge führt, dass Letztere dem Kläger nachhaltige
Leistungen in Gestalt des Abschlusses und der Einhaltung des
Telefonanbietervertrages erbringen und die Vergütung des
Klägers von monatlich 20 DM das Entgelt für diese
Leistung ist.
Diese rechtliche Würdigung wird vom
festgestellten Sachverhalt nicht getragen und berücksichtigt
nicht die Grundsätze der EuGH-Rechtsprechung zur
Entgeltsminderung durch „Vergütungen“ an
sog. Endkunden als
„Verkaufsförderungsmaßnahmen“ (z.B.
EuGH-Urteil vom 15.10.2002 C-427/98 - Kommission gegen
Bundesrepublik Deutschland -, BStBl II 2004, 328 = SIS 02 98 74).
Diese Rechtsprechung des EuGH, der sich der Bundesfinanzhof (BFH)
im Urteil vom 12.1.2006 V R 3/04 (BStBl II 2006, 479 = SIS 06 16 30) angeschlossen hat, geht davon aus, dass nach dem
Umsatzsteuersystem nur der Endverbraucher wirtschaftlich mit der
Umsatzsteuer belastet wird. Für Unternehmer, die auf den
Produktions- und Vertriebsvorstufen vor der Endverbrauchsstufe
tätig sind, muss die Umsatzbesteuerung neutral sein. Unter
Berücksichtigung dieser Grundsätze darf dem Fiskus aus
allen Umsatzgeschäften (z.B. über einen Gegenstand) von
der Herstellung bis zum Endverbrauch nur der Umsatzsteuerbetrag
zufließen, den der Endverbraucher letztlich wirtschaftlich
aufwendet. Es ist deshalb nicht erforderlich, dass ein
Preisnachlass oder eine Preiserstattung (ggf. über einen
„Gutschein“) in der unmittelbaren
Leistungsbeziehung gewährt werden muss, um sich
entgeltmindernd auszuwirken.
2. Die von dem Kläger an die Endkunden
gewährten „Vergütungen“ stellen
vielmehr Preisnachlässe dar und mindern die
Bemessungsgrundlage der von dem Kläger an die
Telefongesellschaften erbrachten Vermittlungsleistungen
(§§ 10 Abs. 1 und 17 Abs. 1 UStG 1993; Art. 11 Teil A
Abs. 1 Buchst. a und Teil C Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des
Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG - Richtlinie
77/388/EWG - ).
Der Senat hat diese Grundsätze in seinem
Urteil in BStBl II 2006, 479 = SIS 06 16 30 auch auf vergleichbare
„Absatzförderungsmaßnahmen“ für
sonstige Leistungen, die mehrere Umsatzstufen umfassen, angewandt.
Nach dem Urteil gilt u.a. Folgendes:
Erstattet der erste Unternehmer in einer
Leistungskette dem Endverbraucher einen Teil des von diesem
gezahlten Leistungsentgelts oder gewährt er ihm einen
Preisnachlass, mindert sich dadurch die Bemessungsgrundlage
für den Umsatz des ersten Unternehmers (an den zweiten
Unternehmer der Leistungskette). Der erste Unternehmer hat deshalb
den für seinen Umsatz geschuldeten Steuerbetrag zu
berichtigen.
Der Vorsteuerabzug des zweiten Unternehmers in
der Leistungskette ändert sich dadurch nicht, auch wird die
Rechnung durch die Änderung der Bemessungsgrundlage beim
ersten Unternehmer nicht unrichtig, so dass dieser die Umsatzsteuer
auch nicht nach § 14 Abs. 2 UStG (jetzt: § 14c UStG)
schuldet.
Auch Vermittlungsleistungen können zur
relevanten Leistungskette gehören.
3. Unter Anwendung dieser Grundsätze ist
der Kläger in der hier maßgebenden Leistungskette erster
Unternehmer. Er erbringt Vermittlungsleistungen an die
Telefongesellschaften. Diese schließen die (von dem
Kläger vermittelten) Telefonverträge mit den Endkunden.
Damit mindert sich die Bemessungsgrundlage der von dem Kläger
an die Telefongesellschaften erbrachten Vermittlungsumsätze um
die Beträge, die den Endverbrauchern (Telefonkunden) von dem
Kläger vergütet wurden. Der Vorsteuerabzug der
Telefongesellschaften für die von dem Kläger diesen in
Rechnung gestellten Vermittlungsleistungen ändert sich dadurch
nicht, auch wird die Rechnung durch die Änderung der
Bemessungsgrundlage bei dem Kläger nicht unrichtig. Im
Gesamtergebnis erhält der Fiskus damit die Umsatzsteuer, die
in dem vom Endverbraucher aufgewendeten Betrag enthalten ist.
Aus der vom FG herangezogenen Entscheidung des
EuGH vom 19.6.2003 Rs. C-149/01 - First Choice Holidays - (UR 2003,
456 = SIS 03 29 32) kann nichts anderes hergeleitet werden, weil
diese Entscheidung nur die Leistungsbeziehung des
Reiseveranstalters (hier analog: der Telefongesellschaft) zum
Endkunden betrifft und nicht die hier streitige Frage, ob das
Vermittlungsentgelt des Verkaufsagenten gemindert wird; auch im
Streitfall bleibt es konsequenterweise beim ungekürzten
Entgelt im Verhältnis zwischen Endkunden und den
Telefongesellschaften.
4. Die Umsatzsteuerfestsetzungen 1997 und 1998
stehen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164
Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977); der Ablauf der
Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO 1977) ist nach
§ 171 Abs. 3 AO 1977 gehemmt, weil über den
Änderungsantrag vom 6.3.2000 noch nicht unanfechtbar
entschieden war. Die Änderung der Umsatzsteuerbescheide 1997
und 1998 ist daher nach § 164 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 noch
möglich und kann vom FA mit der abschließenden
Prüfung des Steuerfalles verbunden werden (§ 164 Abs. 2
Satz 3 AO 1977), wobei es für die rechtliche Beurteilung der
Vergütungen des Klägers an die Endkunden an diese
Entscheidung gebunden ist.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 2 FGO.