1
|
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) betrieb im Streitjahr 2000 ein Fitness-Sportstudio
und erbrachte umsatzsteuerpflichtige Leistungen. Die Steuer
berechnete er gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b des
Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) nach vereinnahmten Entgelten. Im
Fall des Zahlungsverzugs seiner Kundinnen trat er seine
Gegenleistungsansprüche an ein Inkassobüro für 25 %
des Forderungsnennwerts ab. Das Ausfallrisiko für die
Forderungen ging auf das Inkassobüro über.
|
|
|
2
|
Aufgrund der Abtretung ging der Kläger
davon aus, dass er seine Umsätze nur in Höhe des
tatsächlich von ihm vereinnahmten Forderungskaufpreises zu
versteuern habe. Dem folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) im Anschluss an eine Außenprüfung
nicht, sondern ging davon aus, dass der Kläger nach
Maßgabe der mit seinen Leistungsempfängern (den
Kundinnen des Fitnessstudios) vereinbarten Entgelte zu besteuern
sei, weil diese mit der Abtretung als vereinnahmt gelten und nur im
Umfang der Uneinbringlichkeit eine Berichtigung möglich sei.
Das FA erließ einen entsprechend geänderten
Umsatzsteuerjahresbescheid.
|
|
|
3
|
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) stützte die Klageabweisung darauf, dass
sich das Entgelt trotz der Abtretung nach den von den
Leistungsempfängern entrichteten Zahlungen bestimme. Ein
möglicher Forderungsausfall beim Inkassobüro sei nur im
Rahmen der Uneinbringlichkeit nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG
beachtlich, wofür der Kläger beweispflichtig sei. Dass
der Kläger diesen Nachweis nicht führen könne, gehe
zu seinen Lasten.
|
|
|
4
|
Mit seiner Revision rügt der
Kläger Verletzung materiellen und formellen Rechts.
Bemessungsgrundlage könne nur sein, was er tatsächlich
und letztendlich erhalten habe; dies sei der Kaufpreis für die
Forderung, der 25 % des Nennwerts der Forderungen betrage. Das
Ausfallrisiko und die Chance einer weitergehenden Beitreibung
hätten beim Erwerber der Forderungen gelegen. Durch den
Forderungsverkauf sei die gegenseitige Verknüpfung zwischen
seiner Leistung und dem von seinen Kundinnen geschuldeten
Gegenleistungen aufgelöst worden. Die Kundinnen hätten
auf einen eigenen Anspruch des Forderungserwerbers gezahlt. Es
mache keinen Unterschied, ob die Kundin nur 25 % an ihn zahle oder
der Forderungserwerber. Das FG habe weiter zu Unrecht unterstellt,
dass der Forderungserwerber die Forderungen vollständig
eingezogen habe. Es sei aufgrund einer Aufstellung zum Stichtag
18.11.2004 bekannt gewesen, dass der Forderungserwerber die
Forderungen nur zu ca. 53 % einziehen konnte. Nach den
Verwaltungsregelungen zum Factoring habe er, der Kläger, nur
das zu versteuern, was er tatsächlich erlangt habe.
Darüber hinaus beruhe das Urteil des FG auf einem
Verfahrensfehler, da der nur teilweise Forderungseinzug durch den
Forderungserwerber aktenkundig gewesen sei.
|
|
|
5
|
Der Kläger beantragt, das Urteil des
FG aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid 2000 vom 31.5.2005 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8.7.2005 dahingehend zu
ändern, dass die Umsatzsteuer um 16.715,68 DM (8.546,59 EUR)
herabgesetzt wird.
|
|
|
6
|
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
7
|
Maßgeblich sei die vom
Leistungsempfänger erbrachte Gegenleistung. Die
Leistungsbeziehungen zwischen Kläger und Kundin sowie zwischen
Kläger und Forderungserwerber dürften nicht vermischt
werden. Die Zahlung des Forderungserwerbers stelle keine
Gegenleistung für die vom Kläger erbrachte Leistung dar,
vielmehr erbringe der Forderungserwerber eine Leistung an den
Kläger. Der Forderungskauf habe keinen Einfluss auf die von
den Kundinnen zu erbringenden Gegenleistungen; die Kundinnen seien
an den zwischen Kläger und Forderungserwerber getroffenen
Vereinbarungen auch nicht beteiligt gewesen. Abschließende
Feststellungen zu den Voraussetzungen einer Minderung nach §
17 UStG aufgrund nicht beigetriebener Forderungen gegen die
Kundinnen lägen nicht vor. Die Zahlung des Forderungserwerbers
sei nicht als Entgelt für die Leistung des Klägers an die
Kundinnen anzusehen. Auf die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung des
sog. Factoring komme es im Streitfall nicht an.
|
|
|
8
|
II. Die Revision des Klägers ist
begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an
das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Zwar hat das FG zu Recht
entschieden, dass es auch bei einer Abtretung des Entgeltanspruchs
aus einer umsatzsteuerpflichtigen Leistung für die Bestimmung
des Entgelts auf die Zahlungen des Leistungsempfängers und
nicht auf den für die Abtretung vereinbarten
Forderungskaufpreis ankommt. Das FG hat jedoch keine Feststellungen
zu den Zahlungen der Leistungsempfänger getroffen.
|
|
|
9
|
1. Tritt ein Unternehmer eine Forderung aus
einem Umsatzgeschäft gegen einen unter dem Nennwert der
Forderung liegenden Forderungskaufpreis ab, mindert sich hierdurch
nicht die Bemessungsgrundlage für die an den Schuldner des
Entgelts ausgeführte Leistung (Urteil des Bundesfinanzhofs -
BFH - vom 27.5.1987 X R 2/81, BFHE 150, 375, BStBl II 1987, 739 =
SIS 87 19 30, Leitsatz).
|
|
|
10
|
2. a) Bei dem „Entgelt“,
dessen Vereinnahmung bei der Besteuerung nach vereinnahmten
Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG
für den Unternehmer die Steuerschuld begründet, handelt
es sich um das Entgelt i.S. von § 10 Abs. 1 UStG. Zum Entgelt
gehört gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG alles,
was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu
erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. Diese
Vorschriften beruhen auf Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der
Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach ist
Besteuerungsgrundlage bei Lieferungen von Gegenständen und
Dienstleistungen ... „alles, was den Wert der
Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende
für diese Umsätze vom Abnehmer oder
Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält
oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem
Preis dieser Umsätze zusammenhängenden
Subventionen“.
|
|
|
11
|
Trotz der zwischen § 10 Abs. 1 Satz 2
UStG und Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG
bestehenden Formulierungsunterschiede führen beide Regelungen
zum selben Ergebnis, da weder § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG die
Berücksichtigung der Sicht des Leistenden verbietet noch Art.
11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG eine
Berücksichtigung der Aufwendungen des Leistungsempfängers
ausschließt (Urteil des Gerichtshofes der Europäischen
Gemeinschaften, seit 1.12.2009: Gerichtshof der Europäischen
Union - EuGH - vom 15.5.2001 C-34/99, Primback Ltd., Slg. 2001,
I-3833, BFH/NV Beilage 2001, 173 = SIS 01 08 77 Rdnr. 43;
BFH-Urteil vom 19.10.2001 V R 48/00, BFHE 196, 376, BStBl II 2003,
210 = SIS 02 02 58, unter II.3.c).
|
|
|
12
|
Dementsprechend richtet sich die Höhe des
Entgelts nach dem zwischen Leistendem und Leistungsempfänger
bestehenden Rechtsverhältnis, aus dem sich der für die
Steuerbarkeit der Leistung maßgebliche unmittelbare
Zusammenhang zwischen der Leistung und dem erhaltenen Gegenwert
ergibt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 196, 376, BStBl II 2003, 210 = SIS 02 02 58, unter II.3.c, und vom 16.1.2003 V R 36/01, BFH/NV 2003,
667 = SIS 03 22 64, unter II.2.a; vgl. auch EuGH-Urteil Primback in
Slg. 2001, I-3833, BFH/NV Beilage 2001, 173 Rdnr. 25).
|
|
|
13
|
b) Bestimmen sich Höhe und Umfang des
Entgelts nach dem zwischen den Parteien des Leistungsaustausches
bestehenden Rechtsverhältnis, ist eine Abtretung des dem
leistenden Unternehmer zustehenden Entgeltanspruchs an einen
Forderungserwerber für die Bestimmung des Entgelts ohne
Bedeutung.
|
|
|
14
|
Durch eine Vereinbarung, an der der
Leistungsempfänger nicht beteiligt ist, kann das zwischen dem
Leistenden und dem Leistungsempfänger bestehende
Rechtsverhältnis nicht geändert werden. Tritt daher der
leistende Unternehmer seine Forderung aus dem seiner Leistung
zugrunde liegenden Rechtsgeschäft ohne Beteiligung des
Leistungsempfängers an einen Forderungserwerber für einen
unter dem Nennwert der abgetretenen Forderung liegenden Kaufpreis
ab, sind Abtretung und Verkauf der Forderung für die
Bestimmung der Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 1 Satz 2
UStG ohne Bedeutung. Hierdurch wird die erforderliche
Übereinstimmung zwischen dem vom Unternehmer zu versteuernden
und dem vom Leistungsempfänger aufgewendeten Entgelt
gewährleistet (vgl. hierzu z.B. BFH-Urteil vom 12.1.2006 V R
3/04, BFHE 213, 69, BStBl II 2006, 479 = SIS 06 16 30, unter
II.1.).
|
|
|
15
|
c) Der von Wagner in Sölch/Ringleb (UStG,
§ 10 Rz 173 f.) vertretenen Auffassung, nach der im Falle der
Übernahme des Ausfallrisikos durch den Forderungserwerber
(sog. echtes Factoring) „das Schicksal der
Entgeltsforderung nur noch ein Inkassobüro, nicht aber den
Lieferer [berührt]“ und eine „Nicht- oder
Minderzahlung des Leistungsempfängers an das
Inkassounternehmen nicht zur Vorsteuerberichtigung, sondern nur zur
Wertberichtigung beim Inkassounternehmer [führt]“,
so dass „Besteuerung des Lieferers und Vorsteuerabzug auf
Grund der Nennwertveräußerung an das Inkassobüro im
neutralen Gleichgewicht [bleiben]“, schließt sich
der Senat nicht an (vgl. Schuhmann in Rau/Dürrwächter,
UStG, § 10 Rz 65 „Forderungsabtretung“;
ebenso Stadie, UStG, Kommentar 2009, § 10 Rz 30).
|
|
|
16
|
Hiergegen spricht bereits, dass weder das
nationale Umsatzsteuerrecht noch die Richtlinie 77/388/EWG eine
Rechtsgrundlage für eine „Wertberichtigung beim
Inkassounternehmer“ im Fall einer Abweichung zwischen
Forderungskaufpreis und tatsächlicher Zahlung des
Leistungsempfängers enthalten. Veräußert der
Unternehmer seinen Entgeltanspruch im Rahmen eines
Forderungsverkaufs, obliegt es ihm im Übrigen, mit dem
Forderungserwerber einen Auskunftsanspruch hinsichtlich des Umfangs
der Zahlungen des Leistungsempfängers zu vereinbaren. Ob sich
ein derartiger Informationsanspruch bei der Abtretung von
Forderungen aus steuerpflichtigen Umsatzgeschäften bereits
nach Treu und Glauben (§ 242 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs) aus einer vertraglichen Nebenpflicht des
Forderungserwerbers ergibt (vgl. z.B. Urteil des Bundesgerichtshofs
vom 14.11.1984 IVa ZR 179/82, NJW 1986, 423, unter II.2.), hat der
Senat im Streitfall nicht zu entscheiden.
|
|
|
17
|
3. Das Urteil des FG ist gleichwohl aufzuheben
und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
|
|
|
18
|
Der Kläger versteuert nach den
Feststellungen des FG seine Umsätze gemäß § 13
Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG i.V.m. § 20 UStG nach
vereinnahmten Entgelten, so dass die Steuer für Lieferungen
und sonstige Leistungen mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums
entsteht, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind.
|
|
|
19
|
Daher sind Feststellungen zum Umfang der von
den Leistungsempfängern geleisteten Zahlungen - und damit
aufgrund der Forderungsabtretung zu den Zahlungen an den
Forderungserwerber - zu treffen. Dabei wird zu berücksichtigen
sein, dass das FA B dem beklagten FA mit Schreiben vom 30.11.2004
mitgeteilt hatte, dass der Forderungserwerber die abgetretenen
Forderungen zu ca. 53 % einziehen konnte. Können keine
weiteren Feststellungen zum Umfang der Zahlungen der
Leistungsempfänger getroffen werden, ist nach § 162 der
Abgabenordnung zu schätzen.
|
|
|
20
|
Aufgrund der Besteuerung nach vereinnahmten
Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG
ist schließlich die Frage der Uneinbringlichkeit nach §
17 Abs. 2 Nr. 1 UStG im Streitfall unerheblich.
|
|
|
21
|
4. Auf den geltend gemachten Verfahrensfehler
kommt es somit nicht mehr an.
|