Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den
Beschluss des Finanzgerichts Düsseldorf vom 12.05.2023 - 1 V
115/23 A (U) = SIS 23 13 64 wird
als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die
Antragstellerin zu tragen.
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I. Die Antragstellerin und
Beschwerdeführerin (Antragstellerin) bezog in den Jahren 2008
bis 2011 und ebenso im Streitjahr 2014 im Inland steuerpflichtige
Eingangsleistungen, die sie für im Inland steuerpflichtige
Lieferungen wie auch für steuerfreie Ausfuhrlieferungen oder
innergemeinschaftliche Lieferungen verwendete. Für die Jahre
2008 bis 2011 ergaben sich aufgrund von
Vorsteuerüberhängen Vergütungsansprüche zu
Gunsten der Antragstellerin, für die aufgrund einer jeweils
vom Antrags- und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA - )
gemäß § 168 Satz 2 der Abgabenordnung (AO)
erteilten Zustimmung Steuerfestsetzungen unter
Nachprüfungsvorbehalt vorlagen.
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Im Anschluss an eine
Außenprüfung versagte das FA durch die
Änderungsbescheide vom 01.09.2015 für die Jahre 2008 bis
2010 und vom 21.10.2015 für das Jahr 2011 einen von der
Antragstellerin für die Jahre 2008 bis 2011 in Anspruch
genommenen Vorsteuerabzug von insgesamt 53.569.270,94 EUR, da die
diesem zugrunde liegenden Rechnungen mangels hinreichender Angaben
nicht ordnungsgemäß seien und den von den Lieferanten
hierzu im September 2014 vorgenommenen Rechnungsberichtigungen
keine Rückwirkung zukäme. Aufgrund der
Rechnungsberichtigungen stimmte das FA am 03.11.2015 der
Umsatzsteuerjahreserklärung 2014 zu, in welcher der sich
ohnehin für dieses Jahr ergebende Vergütungsanspruch um
53.569.270,94 EUR erhöht wurde. Die sich für die Jahre
2008 bis 2011 ergebenden und zudem nach § 233a AO zu
verzinsenden Nachforderungsansprüche wurden mit dem
betragsgleichen, aber nicht nach § 233a AO zu verzinsenden
Erstattungsanspruch für das Jahr 2014 verrechnet.
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Auf Klage der Antragstellerin gegen die
Abzugsversagung für das Jahr 2008 entschied das Finanzgericht
(FG), dass die Antragstellerin entgegen der Rechtsauffassung des FA
bereits im Jahr 2008 zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen sei. Im
Anschluss hieran änderte das FA die Umsatzsteuerbescheide
für die Jahre 2008 bis 2011 erneut und machte die von ihm
zuvor angenommene Verlagerung des Vorsteuerabzugs aus den Jahren
2008 bis 2011 in das Jahr 2014 rückgängig. Daher wurde in
den Änderungsbescheiden vom 26.07.2018 der Vorsteuerabzug, wie
von der Antragstellerin ursprünglich angenommen, gewährt.
Die für diese Jahre aufgrund der ursprünglichen
Änderungsbescheide vom 01.09.2015 und 21.10.2015 angenommene
Verzinsung zu Lasten der Antragstellerin entfiel. Stattdessen kam
es nunmehr für die Jahre 2008 bis 2011 zu einer Festsetzung
von Erstattungszinsen nach § 233a AO in Höhe von
8.571.075 EUR. Zudem änderte das FA mit Bescheid vom
11.06.2018 die Umsatzsteuerfestsetzung für 2014 und machte
insoweit den nunmehr wieder zeitlich vorverlagerten Vorsteuerabzug
rückgängig. Gleichzeitig wurden in diesem Bescheid
Nachzahlungszinsen nach § 233a AO in Höhe von 6.964.002
EUR festgesetzt. Es kam wiederum zu einer Verrechnung der sich
nunmehr für die Jahre 2008 bis 2011 ergebenden
Erstattungsansprüche mit der Nachforderung für
2014.
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Gegen die Zinsfestsetzung für 2014
legte die Antragstellerin ohne Erfolg Einspruch ein und beantragte
- ebenso ohne Erfolg - Aussetzung der Vollziehung (AdV). Auch die
Klage und der beim FG gestellte Aussetzungsantrag blieben
erfolglos, wie sich aus dem in EFG 2023, 1509 veröffentlichten
Urteil vom 23.06.2023 - 1 K 1869/22 U = SIS 23 15 95 und dem in EFG 2023, 1358 = SIS 23 15 95 veröffentlichten Beschluss vom 12.05.2023 - 1 V
115/23 A (U) = SIS 23 11 23 des FG
ergibt. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer das
Hauptsacheverfahren betreffenden Revision (beim Bundesfinanzhof -
BFH - anhängig unter dem Aktenzeichen V R 14/23) und der
Beschwerde gegen die Ablehnung ihres AdV-Antrags.
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Im Beschwerdeverfahren macht die
Antragstellerin geltend, dass § 233a AO unionsrechtswidrig
sei. Da Nachzahlungszinsen unionsrechtlich als
Sanktionsmaßnahme einzuordnen seien, gelte die
diesbezügliche Rechtsprechung des Gerichtshofs der
Europäischen Union (EuGH). Der BFH habe in seinem Beschluss
vom 03.09.2018 - VIII B 15/18 (BFH/NV 2018, 1279 = SIS 18 16 86, Rz
20) ausgeführt, dass § 233a AO „in Zeiten eines
strukturellen Niedrigzinsniveaus wie ein sanktionierender,
rechtsgrundloser Zuschlag auf die Steuerfestsetzung
wirke“. Auch die Bundesregierung habe das so
gesehen, wie sich aus dem EuGH-Urteil Senatex vom 15.09.2016 -
C-518/14, EU:C:2016:691 = SIS 16 19 41, Rz 42 ergebe. Das FG habe den Charakter der
Zinsvorschriften, die nach rein nationalem Verständnis einen
anderen Zweck als nach unionsrechtlichem Verständnis
verfolgten, zu Unrecht nur nach nationalem Recht, nicht aber nach
Unionsrecht bewertet. Die Zinsfestsetzung verstoße im
konkreten Fall gegen den unionsrechtlichen
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und den
Neutralitätsgrundsatz, weil dem FA zu keinem Zeitpunkt auch
nur ein vorübergehender finanzieller Nachteil infolge der
unzutreffenden Umsatzsteuerfestsetzung entstanden sei, während
sie, die Antragstellerin, zu keinem Zeitpunkt einen auch nur
vorübergehenden finanziellen Vorteil erzielt habe. Auch treffe
sie keinerlei Verschulden, da sie nur aufgrund der (fehlerhaften)
rechtlichen Sichtweise des FA gehandelt und den Vorsteuerabzug
deshalb vorübergehend dem Besteuerungszeitraum 2014 zugeordnet
habe, was aus Sicht des FA nun Nachzahlungszinsen auslösen
solle. Die Zinsfestsetzung führe beim Steuerpflichtigen zu
einer definitiven Belastung. Wenn diese nicht durch ein
sanktionswürdiges und -bedürftiges Verhalten
gerechtfertigt werde, liege hierin ein Verstoß gegen den
Neutralitätsgrundsatz. Der EuGH habe in der Vergangenheit
klargestellt, dass der Neutralitätsgrundsatz verletzt werde,
wenn dem Steuerpflichtigen bei der Erstattung des Vorsteuerabzugs
die Zahlung von Erstattungszinsen versagt werde (EuGH-Urteile INSS
vom 12.05.2021 - C-844/19, EU:C:2021:378 = SIS 21 08 32; HUMDA vom 13.10.2022 - C-397/21,
EU:C:2022:790 = SIS 22 18 77).
Daraus ergebe sich, dass der Neutralitätsgrundsatz auch im
Rahmen der Zinsvorschriften beachtlich sei. An der
Unionsrechtswidrigkeit ändere auch nichts, dass die
Möglichkeit bestehe, ein Billigkeitsverfahren
durchzuführen. Umstände wie beispielsweise das
Verschulden des Steuerpflichtigen oder der Finanzverwaltung
würden hierin gerade nicht berücksichtigt. Das
Billigkeitsverfahren sei seiner Konzeption nach nur für
„Härtefälle“ ausgestaltet.
Unverhältnismäßige Zinsfestsetzungen seien gerade
keine Ausnahmen, die durch das Billigkeitsverfahren ausgeglichen
werden könnten. Das Billigkeitsverfahren stelle darüber
hinaus ein zweites, gesondertes Verfahren dar. Der Verweis darauf
erschwere die Durchsetzbarkeit des Unionsrechts
übermäßig. Zum einen sei ein solches Vorgehen
prozessökonomisch nicht sinnvoll. Zum anderen erlege der
Verweis auf ein weiteres Verfahren dem Steuerpflichtigen das
Prozess- und Kostenrisiko für zwei getrennte Verfahren auf.
Dies gelte insbesondere, weil in einem Eilverfahren im Zusammenhang
mit einem Billigkeitsverfahren gemäß § 114 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) strengere Anforderungen gestellt
würden. Der Verweis auf ein Billigkeitsverfahren
verstoße außerdem gegen den Amtsermittlungsgrundsatz.
Billigkeitsmaßnahmen erfolgten erst auf Antrag.
Unionsrechtlich seien die Mitgliedstaaten jedoch verpflichtet, den
sich unmittelbar aus dem Unionsrecht ergebenden Anspruch von Amts
wegen zu berücksichtigen. Bei der Beurteilung könne nicht
einbezogen werden, dass auch Erstattungszinsen zu ihren, der
Antragstellerin, Gunsten festgesetzt worden seien und diese sogar
die Nachzahlungszinsen überstiegen, denn sie, die
Antragstellerin, berufe sich ausdrücklich nur hinsichtlich der
Nachzahlungszinsen auf das Unionsrecht. Eine solche
„Rosinenpickerei“ sei möglich. Der
EuGH habe bereits entschieden, dass der Steuerpflichtige sich bei
einem einheitlichen Sachverhalt gleichzeitig einmal auf das
Unionsrecht und einmal auf die nationale Rechtslage berufen
dürfe (EuGH-Urteil GMAC UK vom 03.09.2014 - C-589/12,
EU:C:2014:2131 = SIS 14 23 93, Rz
49).
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Die Antragstellerin beantragt
sinngemäß,
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den Beschluss des FG aufzuheben und die
Vollziehung des Bescheids über Zinsen zur Umsatzsteuer 2014
vom 11.06.2018 rückwirkend zum Fälligkeitszeitpunkt in
vollem Umfang ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.
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Das FA beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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§ 233a AO sei nicht
unionsrechtswidrig. Die Antragstellerin berufe sich hierbei zu
Unrecht auf die Rechtsprechung des EuGH. Die angeführten
Urteile seien nicht auf die Verzinsung gemäß § 233a
AO übertragbar, denn bei allen zitierten Urteilen seien
Regelungen betroffen gewesen, die unmittelbar an ein Verhalten des
Unternehmers anknüpften, das repressiv oder präventiv
lenkend geahndet werden solle. Dies treffe auf § 233a AO
jedoch nicht zu. Die Verzinsung nach § 233a AO habe keinen
Sanktionscharakter, auch nicht in unionsrechtlicher Sicht. Die
Verzinsung sanktioniere gerade nicht die Nichtentrichtung der
Steuer (anders als zum Beispiel Säumniszuschläge),
sondern knüpfe allein an den Festsetzungszeitpunkt und damit
nicht an eine Verhaltensweise des Unternehmers an.
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II. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen
den Beschluss des FG ist unbegründet und deshalb
zurückzuweisen. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel daran,
dass der mit dem angefochtenen Zinsbescheid gegen die
Antragstellerin festgesetzte Zinsanspruch für den hier zu
betrachtenden Verzinsungszeitraum (bis zum 31.12.2018) nach dem
nationalen Recht entsprechend dem Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17
(BVerfGE 158, 282 = SIS 21 14 23) rechtmäßig ist und
zudem auch den Anforderungen entspricht, die sich aus dem
Unionsrecht ergeben.
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1. Nach § 128 Abs. 3 i.V.m. § 69
Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO ist die Vollziehung eines
angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise auszusetzen, wenn
ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des
angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung
für den Betroffenen eine unbillige Härte zur Folge
hätte.
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Ernstliche Zweifel im Sinne von § 69 Abs.
2 Satz 2 FGO liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer
Prüfung des angefochtenen Bescheids neben für seine
Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige
Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit
in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der
Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken
(ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom
30.03.2021 - V B 63/20 (AdV), BFH/NV 2021, 1212 = SIS 21 12 83 und
vom 08.04.2009 - I B 223/08, BFH/NV 2009, 1437 = SIS 09 26 67). Die
Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren
gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der
sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl.
BFH-Beschluss vom 07.09.2011 - I B 157/10, BFHE 235, 215, BStBl II
2012, 590 = SIS 11 37 51, Rz 12). Zur Gewährung der AdV ist es
nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit
sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit
überwiegen (BFH-Beschluss vom 07.09.2011 - I B 157/10, BFHE
235, 215, BStBl II 2012, 590 = SIS 11 37 51, Rz 12). Ernstliche
Zweifel können sich auch aus einem möglichen
Verstoß des Steuergesetzes gegen eine unionsrechtliche
Bestimmung ergeben (vgl. BFH-Beschluss vom 12.12.2013 - XI B 88/13,
BFH/NV 2014, 550 = SIS 14 07 34, Rz 15).
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2. Führt die Festsetzung der Umsatzsteuer
zu einem Unterschiedsbetrag, ist dieser gemäß §
233a Abs. 1 Satz 1 AO zu verzinsen. Der Unterschiedsbetrag bestimmt
sich nach § 233a Abs. 3 AO. Der Zinslauf beginnt
gemäß § 233a Abs. 2 Satz 1 AO 15 Monate nach Ablauf
des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist und endet
gemäß § 233a Abs. 2 Satz 3 AO mit Ablauf des Tages,
an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird. Die Zinsen betragen -
soweit der hier streitige Zeitraum betroffen ist - für jeden
Monat einhalb Prozent (§ 238 Abs. 1 Satz 1 AO).
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§ 233a AO dient allein der
Abschöpfung potentieller Liquiditätsvorteile, da es nicht
darauf ankommt, ob und gegebenenfalls durch wen die verzögerte
Steuerfestsetzung schuldhaft oder nicht schuldhaft verursacht
wurde, so dass die bei Anwendung dieser Vorschrift entstehenden
Zinsen weder eine Sanktion noch ein Druckmittel, sondern eine
Entschädigung für die Kapitalnutzung ohne weitergehende
Lenkungsfunktion sind (BVerfG-Beschluss vom 08.07.2021 - 1 BvR
2237/14, 1 BvR 2422/17, BVerfGE 158, 282 = SIS 21 14 23, Rz 126).
Mit den nach § 233a AO entstehenden Nachzahlungs- wie auch
Erstattungszinsen wirkt die Vorschrift entsprechend diesem
Regelungszweck gleichermaßen zu Gunsten und zu Lasten der
Steuerpflichtigen und stellt einen Ausgleich zwischen den zu
unterschiedlichen Zeitpunkten zur Steuer herangezogenen
Steuerschuldnern her (BVerfG-Beschluss vom 08.07.2021 - 1 BvR
2237/14, 1 BvR 2422/17, BVerfGE 158, 282 = SIS 21 14 23, Rz 248).
Dieser Gleichlauf von Nachzahlungs- und Erstattungszinsen
bestätigt die § 233a AO zukommende Ausgleichsfunktion
(BVerfG-Beschluss vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17,
BVerfGE 158, 282 = SIS 21 14 23, Rz 176). Damit unterscheidet sich
die Vollverzinsung nach § 233a AO insbesondere von den
gemäß § 240 AO entstehenden
Säumniszuschlägen, die für Zeiträume einer
festgesetzten, aber bei Fälligkeit nicht entrichteten Steuer
anfallen.
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3. Nach nationalem Recht bestehen keine
ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der
angefochtenen Zinsfestsetzung. Zwischen den Beteiligten besteht zu
Recht kein Streit darüber, dass § 233a AO in Bezug auf
die vorgesehenen Voraussetzungen zutreffend angewendet wurde.
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Zudem entspricht die festgesetzte Verzinsung
für den hier streitigen Zeitraum (bis zum 31.12.2018) der durch das BVerfG
angeordneten Weitergeltung der für den Streitzeitraum
bestehenden Verzinsungsregelung. Zwar sieht das BVerfG § 233a
i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO als verfassungswidrig an, soweit
für Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2014 ein Zinssatz
von einhalb Prozent für jeden Monat zugrunde gelegt wird, da
die mit der Regelung bewirkte Ungleichbehandlung für diesen
Zeitraum verfassungsrechtlich nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1
des Grundgesetzes (GG) nicht zu rechtfertigen ist (BVerfG-Beschluss
vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17, BVerfGE 158, 282 =
SIS 21 14 23, Rz 101). Dabei führt die Anwendung des §
233a i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO zu einer
verfassungsrechtlich relevanten Ungleichbehandlung innerhalb der
Gruppe der Steuerpflichtigen, die dem Fiskus aufgrund einer
Steuerfestsetzung einen bestimmten Steuerbetrag schulden.
Steuerschuldner, deren Steuer erst nach Ablauf der Karenzzeit
festgesetzt wird, werden gegenüber Steuerschuldnern, deren
Steuer innerhalb der Karenzzeit festgesetzt wird, ungleich
behandelt (BVerfG-Beschluss vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR
2422/17, BVerfGE 158, 282 = SIS 21 14 23, Rz 102). Es handelt sich
dabei um eine Ungleichbehandlung der zinszahlungspflichtigen
gegenüber den nicht zinszahlungspflichtigen Steuerschuldnern
(BVerfG-Beschluss vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17,
BVerfGE 158, 282 = SIS 21 14 23, Rz 102). Die Benachteiligung der
Steuerschuldner, deren Steuer erst nach Ablauf der Karenzzeit
(zutreffend) festgesetzt wird und die daher zinszahlungspflichtig
sind, bemisst das BVerfG nach strengeren
Verhältnismäßigkeitsanforderungen (BVerfG-Beschluss
vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17, BVerfGE 158, 282 =
SIS 21 14 23, Rz 109 ff. und Rz 116 ff.). Dabei genügte §
233a i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO anfänglich diesen
Rechtfertigungsanforderungen. Die Regelung ist jedoch
verfassungswidrig geworden und verstößt gegen Art. 3
Abs. 1 GG (BVerfG-Beschluss vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR
2422/17, BVerfGE 158, 282 = SIS 21 14 23, Rz 121), da typisierende
Zinsregelungen in der Lage sein müssen, ihren Erhebungszweck
hinreichend und damit realitätsgerecht abzubilden
(BVerfG-Beschluss vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17,
BVerfGE 158, 282 = SIS 21 14 23, Rz 151 ff.). Dies verneint das
BVerfG für Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2014, da die
Vollverzinsung im Nachzahlungsfall mit dem typisierten Zinssatz
nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO nunmehr insofern eine
überschießende Wirkung entfaltet, als sich der
gesetzliche Zinssatz von monatlich 0,5 % spätestens im Jahr
2014 als evident realitätsfern erweist und nicht mehr in der
Lage ist, den durch eine späte Heranziehung zur Steuer
entstehenden potentiellen Vorteil hinreichend abzubilden
(BVerfG-Beschluss vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17,
BVerfGE 158, 282 = SIS 21 14 23, Rz 214 ff.). Jedoch sah das BVerfG
eine Fortgeltung des § 233a i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO
für Verzinsungszeiträume vom 01.01.2014 bis zum
31.12.2018 - sowohl für Nachzahlungs- als auch für
Erstattungszinsen - als geboten an, ohne dass der Gesetzgeber
verpflichtet wäre, auch für diesen Zeitraum
rückwirkend eine verfassungsgemäße Regelung zu
schaffen (BVerfG-Beschluss vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR
2422/17, BVerfGE 158, 282 = SIS 21 14 23, Rz 246 ff.).
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4. Bei summarischer Prüfung bestehen
für Verzinsungszeiträume bis zum 31.12.2018 auch keine
ernstlichen Zweifel an der Vereinbarkeit von §§ 233a, 238
Abs. 1 AO mit dem - auch in § 1 Abs. 1 Satz 2 AO
erwähnten - Unionsrecht. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie
im Streitfall - bei einer zeitlichen Verlagerung des
Vorsteuerabzugs und der sich hieraus ergebenden zweifachen
Anwendung von § 233a AO in Bezug auf mehrere
Besteuerungszeiträume, die einerseits zum Entstehen von
Erstattungs- und anderseits zum Entstehen von Nachzahlungszinsen
führt, die Erstattungs- die Nachzahlungszinsen erheblich
übersteigen.
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a) Die Antragstellerin kann sich hinsichtlich
der angefochtenen Zinsfestsetzung nicht auf einen Anwendungsvorrang
einer gesonderten Regelung des Unionsrechts berufen (vgl. hierzu
z.B. BFH-Urteile vom 11.10.2012 - V R 9/10, BFHE 238, 570, BStBl II
2014, 279 = SIS 12 30 36 und vom 21.11.2013 - V R 11/11, BFHE 244,
111, BStBl II 2020, 819 = SIS 14 08 62, Leitsatz 2), da das
Unionsrecht keine gesonderte Vorschrift beinhaltet, die unmittelbar
eine Verzinsung für Zeiträume vor der
Umsatzsteuerfestsetzung - und zudem bezogen auf den hier
vorliegenden Verzinsungszeitraum - unter für die
Antragstellerin günstigeren Bedingungen vorsieht.
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b) Im Hinblick auf § 233a AO hat der
nationale Gesetzgeber entgegen der Auffassung der Antragstellerin
keine sich aus Art. 273 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates
vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem
(Mehrwertsteuersystemrichtlinie - MwStSystRL - ) ergebenden
Beschränkungen zu beachten.
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aa) Nach Art. 273 Abs. 1 MwStSystRL
können die Mitgliedstaaten - vorbehaltlich der
Gleichbehandlung der von Steuerpflichtigen bewirkten
Inlandsumsätze und innergemeinschaftlichen Umsätze -
weitere Pflichten vorsehen, die sie für erforderlich erachten,
um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und um
Steuerhinterziehung zu vermeiden, sofern diese Pflichten im
Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu
Formalitäten beim Grenzübertritt führen.
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Bei Ausübung dieser Befugnis sind die
Mitgliedstaaten verpflichtet, das Unionsrecht und seine allgemeinen
Grundsätze und damit zum Beispiel auch den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit zu beachten (EuGH-Urteile
Fontana vom 21.11.2018 - C-648/16, EU:C:2018:932 = SIS 18 18 99, Rz 35; Grupa Warzywna vom
15.04.2021 - C-935/19, EU:C:2021:287 = SIS 21 06 01, Rz 26 und Direktor na Direktsia
„Obzhalvane i danachno-osiguritelna
praktika“ vom 13.10.2022 - C-1/21,
EU:C:2022:788 = SIS 22 18 71, Rz
72).
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bb) Diese in Bezug auf Art. 273 Abs. 1
MwStSystRL bestehenden Verpflichtungen sind für die Anwendung
des § 233a AO unbeachtlich.
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(1) § 233a AO begründet
gleichermaßen das Entstehen von Nachzahlungs- wie auch von
Erstattungszinsen, so dass die Vorschrift aufgrund eines
einheitlichen Regelungszwecks zu Lasten wie auch zu Gunsten des
Unternehmers wirkt (s. oben II.2.) und dementsprechend durch das
BVerfG auch eine einheitliche Fortgeltung angeordnet wurde (s. oben
II.3. und BVerfG-Beschluss vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR
2422/17, BVerfGE 158, 282 = SIS 21 14 23, Rz 248 ff.), so dass
entgegen Art. 273 Abs. 1 MwStSystRL keine - ausschließlich -
pflichtenbegründende Regelung vorliegt.
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(2) Weiter handelt es sich bei der Verzinsung
nach § 233a AO - ungeachtet der steuersystematischen Stellung
dieser Vorschrift im Fünften Teil der Abgabenordnung -
jedenfalls für Zwecke des Art. 273 Abs. 1 MwStSystRL nicht um
eine Pflicht, „um eine genaue Erhebung der Steuer
sicherzustellen“.
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Als derartige Pflicht ist beispielsweise die
Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen anzusehen, da diese bei
einer Nichtabführung der Mehrwertsteuer innerhalb der durch
die Mehrwertsteuersystemrichtlinie festgelegten zwingenden Fristen
dazu beiträgt, gemäß Art. 273 Abs. 1 MwStSystRL
eine genaue Erhebung dieser Steuer dadurch sicherzustellen, dass
zum einen der Staatskasse der - durch die fehlende
Verfügbarkeit der verspätet abgeführten
Mehrwertsteuerbeträge - entstandene Schaden für den
Zeitraum ab Fälligkeit bis zur tatsächlichen Entrichtung
ausgeglichen wird und zum anderen die betroffenen Personen auch
dazu gebracht werden, die Mehrwertsteuer innerhalb dieser Fristen
oder so schnell wie möglich nach Ablauf dieser Fristen zu
entrichten (vgl. EuGH-Urteil Direktor na Direktsia
„Obzhalvane i danachno-osiguritelna
praktika“ vom 13.10.2022 - C-1/21,
EU:C:2022:788 = SIS 22 18 71, Rz
88 ff.).
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Danach bezieht sich die genaue Erhebung der
Steuer auf Maßnahmen ab der Fälligkeit, nicht aber auf
Pflichten für Zeiträume vor der Fälligkeit. Da
§ 233a AO allein der Abschöpfung potentieller
Liquiditätsvorteile dient (s. oben II.2.), ist die
Verzinsungspflicht für Zeiträume vor der Fälligkeit
nach § 233a AO keine Pflicht zur Sicherstellung der
Steuererhebung im Sinne von Art. 273 Abs. 1 MwStSystRL. Sie ist
insbesondere kein Mittel zur Durchsetzung der ab Fälligkeit
bestehenden Zahlungspflicht im Sinne der vorstehenden
EuGH-Rechtsprechung.
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(3) Da es für den Verzinsungstatbestand
des § 233a AO ausschließlich auf den Zeitpunkt der
Steuerfestsetzung ankommt, sanktioniert die Vorschrift weder in
anderer Weise Rechtsverstöße noch werden
„Verhaltensweisen mit einer
Zahlungspflicht“ verbunden. Daher kommt es
entgegen Drüen (UR 2023, 305, 307) nicht in Betracht, der
Vorschrift unionsrechtlich einen
„Funktionswechsel“ von einer reinen
Ausgleichsvorschrift zu einer Sanktionsbestimmung im Sinne von Art.
273 Abs. 1 MwStSystRL zuzuschreiben. Darüber hinaus spricht
hiergegen, dass der Steuerpflichtige durch sein Verhalten wie etwa
bei Außenprüfungen das Entstehen von Nachzahlungszinsen
nicht beeinflussen kann (vgl. hierzu z.B. BVerfG-Beschluss vom
08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17, BVerfGE 158, 282 = SIS 21 14 23, Rz 119). Schließlich hat der EuGH zwar nationalen
Zinsregelungen im Bereich der Mehrwertsteuer Sanktionscharakter
beigemessen. Dies bezieht sich aber ausschließlich auf
Verzugszinsen, Geldbußen und andere Abgaben, die - wie zum
Beispiel Säumniszuschläge nach § 240 AO - aufgrund
der verspäteten Zahlung einer festgesetzten Steuer zu
entrichten sind (EuGH-Urteile Fatorie vom 06.02.2014 - C-424/12,
EU:C:2014:50 = SIS 14 04 45, Rz 50
zu Verzugszinsen; Scialdone vom 02.05.2018 - C-574/15,
EU:C:2018:295 = SIS 18 06 55, Rz
48 ff. zu Geldbußen), nicht aber auf die zum Ausgleich (s.
oben II.2.) vorzunehmende Verzinsung nach § 233a AO.
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(4) Unerheblich für die hier zu
beurteilende Frage ist schließlich entgegen der Auffassung
der Antragstellerin das EuGH-Urteil Senatex vom 15.09.2016 -
C-518/14, EU:C:2016:691 = SIS 16 19 41, Rz 41 f. Danach besteht für die Mitgliedstaaten die
Befugnis, Sanktionen für den Fall der Nichterfüllung der
formellen Bedingungen für die Ausübung des
Vorsteuerabzugsrechts vorzusehen, wobei jedoch zur Ahndung der
Nichtbefolgung formeller Anforderungen andere Sanktionen als die
Versagung des Vorsteuerabzugsrechts für das Jahr der
Rechnungsausstellung in Betracht kommen, wie etwa die Auferlegung
einer Geldbuße oder einer finanziellen Sanktion, die in
angemessenem Verhältnis zur Schwere des Verstoßes steht.
Danach geht eine Regelung, nach der die mit der Anwendung von
Nachzahlungszinsen verbundene spätere Ausübung des
Vorsteuerabzugsrechts in jedem Fall eintritt, ohne
Berücksichtigung der Umstände, die eine Berichtigung der
ursprünglich ausgestellten Rechnung erforderlich machen,
über das hinaus, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich
ist.
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Der EuGH beanstandet damit die Versagung des
Vorsteuerabzugs aufgrund formeller Rechnungsmängel und weist
dabei lediglich ergänzend auf eine sich hieraus ergebende
Verzinsungsfolge hin. Eine Unionsrechtswidrigkeit der Verzinsung
kann diesem Urteil daher nicht entnommen werden kann.
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c) Eine Rechtswidrigkeit von § 233a AO
ergibt sich auch nicht aus allgemeinen Grundsätzen des
Unionsrechts, die trotz der den Mitgliedstaaten zustehenden
Verfahrensautonomie von diesen zu beachten sind.
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30
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aa) Nach der Rechtsprechung des EuGH sind die
Verfahrensmodalitäten, die den Schutz der dem Bürger aus
dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, nach
dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Sache der
innerstaatlichen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaats
(EuGH-Urteil Reemtsma Cigarettenfabriken vom 15.03.2007 - C-35/05,
EU:C:2007:167 = SIS 07 10 88, Rz
40). Mangels Unionsregeln zu einer verfahrensrechtlichen Frage ist
es daher nach diesem Grundsatz Sache der innerstaatlichen
Rechtsordnung jedes Mitgliedstaats, entsprechende Regeln
festzulegen (EuGH-Urteile Farkas vom 26.04.2017 - C-564/15,
EU:C:2017:302 = SIS 17 08 36, Rz
31; PORR Epitesi Kft. vom 11.04.2019 - C-691/17, EU:C:2019:327 =
SIS 19 06 11, Rz 39). So
fällt zum Beispiel die Durchführung des in Art. 183 Abs.
1 MwStSystRL vorgesehenen Anspruchs auf Erstattung des
Mehrwertsteuerüberschusses in die Verfahrensautonomie der
Mitgliedstaaten (EuGH-Urteile Enel Maritsa Iztok 3 vom 12.05.2011 -
C-107/10, EU:C:2011:298 = SIS 11 16 24, Rz 29; Rafinãria Steaua Românã vom
24.10.2013 - C-431/12, EU:C:2013:686 = SIS 13 32 47, Rz 20; Nidera vom 28.02.2018 -
C-387/16, EU:C:2018:121 = SIS 18 02 42, Rz 22; INSS vom 12.05.2021 - C-844/19, EU:C:2021:378 =
SIS 21 08 32, Rz 48; Philips
Orãtie vom 10.02.2022 - C-487/20, EU:C:2022:92 =
SIS 22 01 86, Rz 24).
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31
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Dabei kommt es in Ermangelung einer
unionsrechtlichen Regelung den innerstaatlichen Rechtsordnungen der
einzelnen Mitgliedstaaten zu, die Bedingungen für die Zahlung
solcher Zinsen, insbesondere den Zinssatz und die
Berechnungsmethode für die Zinsen (einfache Verzinsung oder
Zahlung von Zinseszinsen) und damit allgemein die
„Modalitäten der Festsetzung von
Zinsen“ festzulegen (EuGH-Urteil HUMDA vom
13.10.2022 - C-397/21, EU:C:2022:790 = SIS 22 18 77, Rz 33 und Rz 39). Insoweit sieht
der EuGH die Mitgliedstaaten als berechtigt an, zur Sicherstellung
eines Ausgleichs durch Vorschriften, die von der Steuerverwaltung
einfach gehandhabt und kontrolliert werden können,
pauschalierte Verzugszinsen vorzusehen. Übersteigen derartige
Ausgleichszinsen in bestimmten Einzelfällen den
tatsächlichen Schaden, sieht dies der EuGH als unbeachtliche
Folge eines Systems des pauschalierten Schadensersatzes an, der
seinem Wesen nach nicht die tatsächlichen Verluste
widerspiegelt, sondern die Verluste, die der Steuerpflichtige nach
Einschätzung des nationalen Gesetzgebers erleiden kann
(EuGH-Urteil Nidera vom 28.02.2018 - C-387/16, EU:C:2018:121 =
SIS 18 02 42, Rz 36).
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bb) Besteht somit für den nationalen
Gesetzgeber die Möglichkeit, - auch pauschalierte -
Zinsregelungen für den Bereich der Umsatzsteuer zu treffen,
dürfen derartige innerstaatliche Vorschriften - wie vorliegend
§ 233a AO - aber weder ungünstiger sein als diejenigen,
die gleichartige rein innerstaatliche Sachverhalte regeln
(Äquivalenzgrundsatz), noch dürfen sie die Ausübung
der vom Unionsrecht verliehenen Rechte praktisch unmöglich
machen oder sie übermäßig erschweren
(Effektivitätsgrundsatz), wie der EuGH mehrfach entschieden
hat (EuGH-Urteile Farkas vom 26.04.2017 - C-564/15, EU:C:2017:302 =
SIS 17 08 36, Rz 31; PORR Epitesi
Kft. vom 11.04.2019 - C-691/17, EU:C:2019:327 = SIS 19 06 11, Rz 39). Dies ist dahingehend zu
verstehen, dass es auf eine jedenfalls eigenständige
Prüfung anderer unionsrechtlicher Grundsätze zumindest
nach den Verhältnissen des Streitfalls nicht ankommt, da der
Grundsatz der Verfahrensautonomie abgesehen von den vorstehenden
Erfordernissen hiervon freistellt. Soweit der EuGH in seinem Urteil
Nidera vom 28.02.2018 - C-387/16, EU:C:2018:121 = SIS 18 02 42, Rz 20 bis 25 neben dem Grundsatz
der Verfahrensautonomie auch auf den Neutralitätsgrundsatz
abgestellt hat, beruhte dies auf der Verpflichtung, zur Umsetzung
von Art. 183 MwStSystRL Erstattungszinsen vorzusehen. Eine
derartige Umsetzungspflicht fehlt vorliegend (s. oben II.4.a).
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33
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cc) Das nationale Recht entspricht den beiden
somit maßgeblichen Grundsätzen. So wird der
Äquivalenzgrundsatz bereits dadurch gewahrt, dass § 233a
AO unterschiedslos sowohl auf unionsrechtlich harmonisierte als
auch auf nicht harmonisierte Steuern - und damit sowohl auf
grenzüberschreitende als auch auf rein innerstaatliche
Sachverhalte - anzuwenden ist, wie sich bereits aus dessen Absatz 1
Satz 1 ergibt (vgl. Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler -
HHSp -, § 233a AO Rz 25 und 26).
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Es liegt auch kein Verstoß gegen den
Effektivitätsgrundsatz vor, da die Ausübung der vom
Unionsrecht verliehenen Rechte durch die nach § 233a AO
vorzunehmende Verzinsung weder praktisch unmöglich gemacht
noch übermäßig erschwert wird. Dies ergibt sich im
Streitfall entgegen der Auffassung der Antragstellerin bereits
daraus, dass bei einer
zeitlichen Verlagerung des Vorsteuerabzugs und der sich hieraus
ergebenden zweifachen Anwendung von § 233a AO in Bezug auf
dann (mindestens) zwei Besteuerungszeiträume, die einerseits
zum Entstehen von Erstattungs- und anderseits zum Entstehen von
Nachzahlungszinsen führt, bei der Prüfung, ob die
Anwendung dieser Vorschrift zu einer übermäßigen
Erschwernis für die Antragstellerin führt, nicht
außer Betracht bleiben kann, dass die Erstattungs- die
Nachzahlungszinsen, wie im Streitfall, erheblich
übersteigen. Damit fehlt es bei der mit einer zeitlichen
Abzugsverlagerung notwendigerweise vorzunehmenden Gesamtbetrachtung
aufgrund des sich zu Gunsten der Antragstellerin ergebenden
Zinssaldos bereits dem Grunde nach an einer
„Erschwernis“.
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35
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Soweit die Antragstellerin gegen eine
derartige „Gesamtbetrachtung“ auf das
EuGH-Urteil GMAC UK vom 03.09.2014 - C-589/12, EU:C:2014:2131 =
SIS 14 23 93, Rz 49 verweist,
lässt sie außer Betracht, dass sich dieses Urteil
„auf einen anderen, die gleichen Gegenstände
betreffenden Umsatz“ und damit auf
unterschiedliche Umsätze bezieht, während es vorliegend
um die zeitliche Verlagerung ein- und desselben Umsatzes geht.
Weiter erschließt es sich nicht, weshalb der von der
Antragstellerin zudem angeführte Neutralitätsgrundsatz
gegen eine zusammenfassende Betrachtung der Erstattungs- und
Nachzahlungszinsen sprechen sollte.
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36
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Zudem genügt es, dass nach dem nationalen
Recht die Möglichkeit besteht, einen Zinserlass aus
Billigkeitsgründen gemäß §§ 163, 227
i.V.m. § 239 Abs. 1 AO zu beantragen (ständige
BFH-Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 03.12.2019 - VIII R
25/17, BFHE 266, 501, BStBl II 2020, 214 = SIS 20 02 20, Rz 13; vom
23.02.2023 - V R 30/20, BFHE 279, 506, BStBl II 2023, 1079 = SIS 23 10 47 und nunmehr auch § 233a Abs. 8 Satz 4 AO in der Fassung
des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des
Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 12.07.2022, BGBl I
2022, 1142, der gemäß Art. 97 § 15 Abs. 14 des
Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung in allen am 21.07.2022
anhängigen Verfahren anzuwenden ist), so dass
übermäßige Besteuerungsfolgen im Einzelfall
verhindert werden können. Ohne dass hierüber im
vorliegenden Verfahren abschließend zu entscheiden wäre,
sind Zinsfestsetzungs- und Zinsbilligkeitsverfahren in ihrem
jeweiligen Anwendungsbereich auch hinreichend eindeutig abgrenzbar,
wie die Prüfung des vorliegenden Streitfalls durch den Senat
zeigt, so dass die Bestimmung des jeweils zutreffenden
Rechtsschutzverfahrens auch nicht zu Beurteilungsschwierigkeiten
führt. Im Übrigen lässt die Antragstellerin mit
ihren weiteren Einwendungen gegen die Berücksichtigung eines
Billigkeitsverfahrens außer Betracht, dass in diesem
gleichermaßen Gerechtigkeitsgesichtspunkte wie auch der
Widerspruch zu dem der gesetzlichen Regelung zugrunde liegenden
Zweck zu berücksichtigen sind (BFH-Urteil vom 23.02.2023 - V R
30/20, BFHE 279, 506, BStBl II 2023, 1079 = SIS 23 10 47, Rz 14),
so dass sich die Annahme der Antragstellerin, bestimmte
Umstände seien von vornherein nicht
berücksichtigungsfähig, als unzutreffend erweist.
Schließlich ist die Frage, ob sich eine
übermäßige Erschwernis daraus ergeben könnte,
dass einstweiliger Rechtsschutz zu einem Billigkeitsverfahren nur
nach § 114 FGO und nicht gemäß § 69 FGO in
Betracht kommt, vorliegend unerheblich, da Gründe für
einen Billigkeitserlass der festgesetzten Nachzahlungszinsen
jedenfalls im summarischen Verfahren nicht ersichtlich sind.
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37
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d) Weiter ist auf Ebene des Unionsrechts -
ebenso jedenfalls bei summarischer Prüfung - weder eine dem
BVerfG-Beschluss vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17
(BVerfGE 158, 282 = SIS 21 14 23) und Art. 3 Abs. 1 GG
entsprechende Gleichheits- noch eine ergänzende
Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen.
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aa) Zwar sind gemäß Art. 20 der
Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EUGrdRCh) -
Art. 3 Abs. 1 GG im Grundsatz entsprechend - alle Personen vor dem
Gesetz gleich. Die Charta der Grundrechte der Europäischen
Union gilt gemäß Art. 51 Abs. 1 Satz 1 EUGrdRCh für
die Mitgliedstaaten jedoch ausschließlich bei der
Durchführung des Rechts der Union. Auch in Bezug auf den
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 52
EUGrdRCh), der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts
gehört, müssen ausschließlich nationale Regelungen,
die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen oder dieses
durchführen, mit diesem vereinbar sein (EuGH-Urteil Agentia
Nationalã de Integritate vom 04.05.2023 - C-40/21,
EU:C:2023:367, Rz 49).
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39
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bb) Die „Durchführung des Rechts
der Union“ setzt einen Zusammenhang zwischen
einem Unionsrechtsakt und der fraglichen nationalen Maßnahme
voraus, der darüber hinausgeht, dass die fraglichen
Sachbereiche benachbart sind oder dass der eine von ihnen
mittelbare Auswirkungen auf den anderen haben kann. Dabei sind die
Grundrechte der Union im Verhältnis zu einer nationalen
Regelung unanwendbar, wenn die unionsrechtlichen Vorschriften in
dem betreffenden Sachbereich keine spezifischen Verpflichtungen der
Mitgliedstaaten im Hinblick auf den fraglichen Sachverhalt
schaffen. Daher ist allein der Umstand, dass eine nationale
Maßnahme in einen Bereich fällt, in dem die Union
über Zuständigkeiten verfügt, nicht geeignet, diese
Maßnahme in den Anwendungsbereich des Unionsrechts zu bringen
und dadurch die Anwendbarkeit der Charta auszulösen
(EuGH-Urteil Coca-Cola European Partners Deutschland vom 07.07.2022
- C-257/21 und C-258/21, EU:C:2022:529, Rz 40 und 41).
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40
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Bei der Frage, ob die Mitgliedstaaten
Unionsrecht durchführen, ist weiter zu beachten, dass das
Unionsrecht die Vorschriften der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der
Sanktionen wegen Verstoßes gegen steuerliche Verpflichtungen
nicht harmonisiert hat. Deshalb stellen steuerliche Sanktionen und
ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung nur dann eine
Durchführung des Unionsrechts im Sinne von Art. 51 Abs. 1
EUGrdRCh dar, wenn die Mitgliedstaaten hiermit wie im Bereich der
Mehrwertsteuer ihre Verpflichtung erfüllen, alle
Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, die Erhebung
sämtlicher Steuern zu gewährleisten, die den Eigenmitteln
der Union zufließen (EuGH-Urteil MARCAS MC
Szolgáltató Zrt. vom 13.01.2022 - C-363/20,
EU:C:2022:21 = SIS 22 00 27, Rz 35
bis 38 zu Sanktionen und Steuerverfahren im Bereich der
Körperschaftsteuer unter Bezugnahme auf das EuGH-Urteil
Åkerberg Fransson vom 26.02.2013 - C-617/10, EU:C:2013:105 =
SIS 13 07 79, Rz 26 f.).
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41
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cc) Im Streitfall kommt danach eine
Prüfung von Art. 20 EUGrdRCh wie auch des in Art. 52 EUGrdRCh
erwähnten - unionsrechtlichen -
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht in
Betracht.
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(1) Es besteht bereits kein hinreichender
Zusammenhang zwischen § 233a AO und einem Unionsrechtsakt. Als
solcher ist auch nicht Art. 273 MwStSystRL in Betracht zu ziehen,
da sich dieser auf Sanktionen bezieht, während es vorliegend
um eine davon zu unterscheidende Ausgleichsregelung geht (s. oben
II.4.b). Für die Annahme einer Durchführung von
Unionsrecht reicht es daher nicht aus, dass die unionsrechtlich
harmonisierte Mehrwertsteuererhebung ebenso wie andere Steuerarten
der durch § 233a AO geschaffenen Ausgleichsregelung
unterliegt, da durch diese Harmonisierung „keine spezifischen
Verpflichtungen“ für den Sachbereich
dieser Ausgleichregelung geschaffen werden und sich diese
Zinsregelung somit nur mittelbar auf die
Mehrwertsteuerharmonisierung auswirkt.
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(2) Geht der EuGH in Bezug auf das Gebiet der
Sanktionen wegen Verstoßes gegen steuerliche Verpflichtungen
von einer Durchführung des Unionsrechts nur insoweit aus, als
diese - wie im Bereich der Mehrwertsteuer - dazu dienen, alle
Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, die Erhebung
sämtlicher Steuern zu gewährleisten, die den Eigenmitteln
der Union zufließen, ergibt sich auch hieraus in Bezug auf
§ 233a AO keine Durchführung von Unionsrecht. Insoweit
ist wiederum maßgeblich, dass es sich um eine
Ausgleichsregelung für Zeiträume bis zu einer
Steuerfestsetzung und damit nicht um eine die Erhebung
festgesetzter Steuern dienende Sanktion handelt (s. oben
II.4.b).
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(3) Stellen Zinsen nach § 233a AO somit
keine Durchführung von Unionsrecht im Sinne eines Druckmittels
zur Erhebung von Steuern dar, die den Eigenmitteln der Union
zufließen, kommt weitergehend auch keine Durchführung
von Unionsrecht unter dem Aspekt in Betracht, dass diese Zinsen
selbst zu den Eigenmitteln der Union gehören. Denn die nach
§ 233a AO zu vereinnahmenden Zinsen fließen - anders als
der Unionsanteil an der Mehrwertsteuer - nicht den Eigenmitteln der
Union zu.
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Nach § 3 Abs. 5 Satz 2 AO steht das
Aufkommen der Zinsen - mit Ausnahme der Zinsen auf Einfuhr- und
Ausfuhrabgaben - den jeweils steuerberechtigten Körperschaften
zu. Zu diesen gehört die Union nicht, da es sich nach Art. 106
GG bestimmt, wem die Ertragshoheit über die jeweiligen Steuern
zusteht (Wernsmann in HHSp, § 3 AO Rz 504). Dabei ordnet Art.
106 Abs. 3 Satz 1 GG an, dass das Aufkommen der Umsatzsteuer dem
Bund und den Ländern gemeinsam zusteht, so dass der Union nach
der Finanzverfassung des Grundgesetzes keine Ertragskompetenz
hinsichtlich der Umsatzsteuer zusteht.
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46
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Dementsprechend handelt es sich bei den an die
Union abzuführenden Mehrwertsteuer-Eigenmitteln
finanzverfassungsrechtlich um eine „haushaltspflichtige
Staatsausgabe“, die nur allgemein vom Bund zu
finanzieren ist, wobei die Mittel hierfür nicht einmal
notwendig unmittelbar aus dessen Anteil am Umsatzsteueraufkommen zu
entnehmen sind (Seiler
in Dürig/Herzog/Scholz, Komm. z. GG, Art. 106 Rz 71).
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47
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Eine Ertragskompetenz der Union am
Umsatzsteueraufkommen, die gemäß § 3 Abs. 5 Satz 2
AO eine Beteiligung am Zinsaufkommen begründen könnte,
scheidet im Übrigen auch im Hinblick auf die Definition der
Mehrwertsteuer-Eigenmittel aus. Denn diese berechnen sich
insbesondere mangels Harmonisierung der Steuersätze nur nach
Maßgabe einer „normativierten, aber gemeinsamen
Bemessungsgrundlage“, so dass eine
„Quotierung der MwSt-Einnahmen“ nicht
möglich ist (Hidien, Europarecht 1997, 95, 105). So handelt es
sich bei den Mehrwertsteuer-Eigenmitteln nicht um einen Anteil am
tatsächlichen Aufkommen der nationalen Umsatzsteuer, sondern
um „Einnahmen, die sich aus der Anwendung eines für alle
Mitgliedstaaten einheitlichen Satzes auf die nach
Unionsvorschriften bestimmten harmonisierten
MwSt.-Eigenmittelbemessungsgrundlagen ergeben“
(vgl. z.B. Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Beschlusses 2014/335/EU,
Euratom des Rates vom 26.05.2014 über das Eigenmittelsystem
der Europäischen Union, Amtsblatt der Europäischen Union
Nr. L 168 vom 07.06.2014, S. 105) und damit um einen von der
Verzinsung nach § 233a AO unabhängigen - und insoweit
„fiktiven“ - Wert. Auf dieser Grundlage
sind Zinsen nicht in die harmonisierte
Mehrwertsteuer-Eigenmittelbemessungsgrundlage einzubeziehen
(Anzinger in Drüen/Hey/Mellinghoff [Hrsg.], 100 Jahre
Steuerrechtsprechung in Deutschland 1918-2018, Festschrift für
den Bundesfinanzhof, 2018, S. 1801, 1816).
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(4) Offenbleiben kann, ob § 233a AO
insoweit als Durchführung von Unionsrecht anzusehen sein
könnte, als die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, unter
Verstoß gegen Vorschriften des Unionsrechts und damit zu
Unrecht erhobene Steuern nicht nur zu erstatten, sondern auch zu
verzinsen (vgl. z.B. zuletzt EuGH-Urteil Gemeente Dinkelland vom
22.02.2024 - C-674/22, EU:C:2024:147 = SIS 24 03 89, Rz 31 und 31).
Denn im Streitfall geht es nicht um eine Verzinsung zu Gunsten,
sondern zu Lasten der Antragstellerin. Daher handelt es sich auch
nicht um eine Erstattung gemäß Art. 183 MwStSystRL, bei
der gleichfalls die Grundsätze des Unionsrechts zu beachten
sein können (vgl. z.B. EuGH-Urteil INSS vom 12.05.2021 -
C-844/19, EU:C:2021:378 = SIS 21 08 32, Rz 40).
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(5) Einer im Schrifttum vertretenen
Auffassung, die in § 233a AO eine Durchführung von
Unionsrecht sieht (Drüen, UR 2023, 257, 267 und 268
insbesondere insoweit ohne Unterscheidung zwischen den hier
vorliegenden Ausgleichs- und den davon zu trennenden Verzugszinsen;
vgl. auch Krumm in Tipke/Kruse, Einführung zur AO, Rz 47 und
50), schließt sich der Senat aus den vorstehenden
Gründen nicht an. Ob auch bei einer unionsrechtlichen
Verhältnismäßigkeitsprüfung die
Verhältnismäßigkeit zu bejahen ist (so FG Saarland,
Urteil vom 13.11.2023 - 1 K 1313/21, EFG 2024, 272 = SIS 24 00 16),
ist daher nicht zu entscheiden.
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5. Anhaltspunkte dafür, dass die
Vollziehung für die Antragstellerin eine unbillige Härte
zur Folge hätte, sind weder vorgetragen noch sonst
ersichtlich. Abgesehen davon kommt eine AdV wegen unbilliger
Härte mangels ernstlicher Zweifel an der
Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids nicht in
Betracht (vgl. hierzu BFH-Beschlüsse vom 02.11.2004 - XI S
15/04, BFH/NV 2005, 490 = SIS 05 15 56, unter II.3.; vom 26.10.2011
- I S 7/11, BFH/NV 2012, 583 = SIS 12 06 77, Rz 11 sowie vom
19.02.2018 - II B 75/16, BFH/NV 2018, 706 = SIS 18 06 94, Rz
53).
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6. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
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