Die Revision des Klägers gegen das Urteil
des Finanzgerichts Hamburg vom 05.12.2019 - 5 K 222/18 =
SIS 21 17 91 wird als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der
Kläger zu tragen.
1
|
I. Streitig ist der Vorsteuerabzug des
Klägers und Revisionsklägers (Kläger) für eine
von ihm im Jahr 2015 (Streitjahr) veranstaltete betriebliche
Weihnachtsfeier.
|
|
|
2
|
Der Kläger ist ein Verband in der
Rechtsform des eingetragenen Vereins, … Er führte im
Dezember 2015 für seine Arbeitnehmer aus den Bereichen
Vorstand sowie Steuer- und Rechtsabteilung und Innendienst der
Prüfungsabteilung (jeweils einschließlich der Leitungen)
eine Weihnachtsfeier durch. Von den eingeladenen Arbeitnehmern
meldeten sich 32 zur Feier an, 31 Personen nahmen tatsächlich
an ihr teil.
|
|
|
3
|
Zur Durchführung der Weihnachtsfeier
mietete der Kläger für ein
„Kochevent“ bei einem Veranstalter ein
entsprechendes Kochstudio. Dort bereiteten die Teilnehmer unter
Anleitung von zwei Köchen gemeinsam das Abendessen zu, das sie
anschließend gemeinsam verzehrten. Mit einer Rechnung vom
21.12.2015 wurden dem Kläger für das „Kochevent
für 32 Personen“ folgende Aufwendungen
als Leistung berechnet:
|
|
|
|
(inklusive Personal und Miete für
fünf Stunden)
|
2.880,00 EUR
|
|
|
Getränke
|
465,90 EUR
|
|
|
zwei Stunden extra Miete
|
400,00 EUR
|
|
|
zwei Stunden extra Personal
|
174,00 EUR
|
|
|
Summe
|
3.919,90 EUR
|
|
|
Umsatzsteuer
|
744,78 EUR
|
|
|
Bruttobetrag
|
4.664,68 EUR
|
|
|
|
|
|
4
|
In seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung
für Dezember 2015 berücksichtigte der Kläger keinen
Vorsteuerbetrag aus der für die Weihnachtsfeier erteilten
Rechnung. Den Vorsteuerabzug beantragte er jedoch mit Schreiben vom
12.02.2016. Eine Berechtigung zum Vorsteuerabzug aus dieser
Rechnung in Höhe von 744,78 EUR bestehe auch dann, wenn die
Kosten der Veranstaltung die Freigrenze von 110 EUR je Arbeitnehmer
überstiegen.
|
|
|
5
|
Der Beklagte und Revisionsbeklagte
(Finanzamt - FA - ) lehnte diesen Antrag unter Hinweis auf das
Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 14.10.2015 (BStBl
I 2015, 832 = SIS 15 23 12) ab. Danach seien Zuwendungen im Rahmen
einer Betriebsveranstaltung überwiegend durch den privaten
Bedarf des Arbeitnehmers veranlasst, wenn die Aufwendungen pro
Arbeitnehmer die Freigrenze von 110 EUR (inklusive Umsatzsteuer)
überstiegen. In solchen Fällen entfalle sowohl der
Anspruch auf Vorsteuerabzug als auch die Besteuerung der
unentgeltlichen Wertabgabe. Über den dagegen eingelegten
Einspruch des Klägers entschied das FA zunächst
nicht.
|
|
|
6
|
In seiner zu einer Vorbehaltsfestsetzung
führenden Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2015 vom
21.07.2016, die zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens wurde,
machte der Kläger keinen Vorsteuerabzug für die
Weihnachtsfeier 2015 geltend.
|
|
|
7
|
Den Einspruch des Klägers wies das FA
durch Einspruchsentscheidung vom 08.11.2018 als unbegründet
zurück. Aufwendungen für Betriebsveranstaltungen stellten
bei Überschreitung des Betrags von 110 EUR je Arbeitnehmer
keine Aufmerksamkeiten dar, insoweit bestehe auch kein Anspruch auf
Vorsteuerabzug.
|
|
|
8
|
Die Klage, mit der sich der Kläger
auch gegen die Einbeziehung der Kosten des äußeren
Rahmens der Weihnachtsfeier in die Berechnung der 110 EUR-Grenze
wandte, wies das Finanzgericht (FG) mit seinem in EFG 2022, 64 =
SIS 21 17 91 veröffentlichten
Urteil als unbegründet ab. Dem Kläger stehe der begehrte
Vorsteuerabzug für die Weihnachtsfeier 2015 nicht zu, denn die
im Rahmen der Weihnachtsfeier bezogenen Leistungen seien nicht
für dessen Unternehmen ausgeführt worden.
Betriebsveranstaltungen wie Weihnachtsfeiern stellten
grundsätzlich eine Leistung für den privaten Bedarf des
Personals dar, die Verbesserung des Betriebsklimas als nur
mittelbar verfolgter Zweck genüge insoweit nicht (Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 09.12.2010 - V R 17/10, BFHE 232, 243,
BStBl II 2012, 53 = SIS 11 06 15, Rz 38). Etwas Anderes folge auch
nicht aus der Beurteilung von
„Aufmerksamkeiten“ im Sinne von § 3
Abs. 9a des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Die Durchführung der
Weihnachtsfeier stelle weder bei Annahme der vom Kläger
begehrten Fortführung der bisherigen Rechtsprechung noch bei
der vom FA vertretenen Übertragung der Neuregelung des §
19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des
Gesetzes zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der
Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom
22.12.2014 (BGBl I 2014, 2417, BStBl I 2015, 58) - EStG - in das
Umsatzsteuerrecht eine derartige Aufmerksamkeit dar: Nach den
bisherigen Rechtsprechungsgrundsätzen lägen keine
Aufmerksamkeiten vor. Die Abspaltung dieser Kosten (Raum- und
Personalkosten) sei umsatzsteuerrechtlich ausgeschlossen, da es
sich beim Kochevent um eine einheitliche Leistung handele
(„marktfähiges Gesamtpaket“). Die
Aufwendungen der einheitlichen Leistung lägen dann bei 145,77
EUR pro Teilnehmer und überschritten deutlich die 110
EUR-Grenze. Auch bei abweichender Würdigung des Sachverhalts
im Sinne einer Abtrennbarkeit der Raum- und Personalkosten (Kosten
des äußeren Rahmens) hätte die Klage keinen Erfolg.
Die mit Wirkung vom 01.01.2015 eingeführte
lohnsteuerrechtliche Neuregelung des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a
EStG sei dann mit der Maßgabe auf den umsatzsteuerlichen
Begriff der Aufmerksamkeit zu übertragen, dass an die Stelle
des einkommensteuerlichen Freibetrags eine umsatzsteuerrechtliche
Freigrenze trete. Einer Übertragung der Freibetragsregelung in
das Umsatzsteuerrecht stehe der Wortlaut des § 3 Abs. 9a Nr. 2
UStG entgegen. Die Auslegung als
„Freigrenze“ sei hingegen mit dem
Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG zu
vereinbaren. Diese Freigrenze sei im Streitfall überschritten.
Bei Gesamtkosten in Höhe von 4.664,68 EUR brutto und unter
Berücksichtigung der Kosten für den äußeren
Rahmen sowie der Umsatzsteuer ergäben sich Kosten pro Person
von 145,74 EUR (bei 32 angemeldeten Teilnehmern) beziehungsweise
von 150,44 EUR (bei 31 teilnehmenden Personen). Es könne daher
offenbleiben, ob die Zahl der angemeldeten oder die der
teilnehmenden Personen maßgeblich sei.
|
|
|
9
|
Mit seiner Revision rügt der
Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 15 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 9a UStG). Das FG habe den
Vorsteuerabzug für eine unternehmerische Veranstaltung zu
Unrecht nicht anerkannt. Eine
„Spiegelung“ der
einkommensteuerrechtlichen Neuregelung für
Betriebsveranstaltungen auf das Umsatzsteuerrecht sei nicht
möglich, da dieses keine Freibeträge kenne. Da die
einkommensteuerrechtliche Neuregelung nicht auf das
Umsatzsteuerrecht übertragbar sei, gelte stattdessen
umsatzsteuerrechtlich weiterhin die bisherige BFH-Rechtsprechung
zur Nichtberücksichtigung der Aufwendungen für den
äußeren Rahmen einer Betriebsveranstaltung. Blieben
diese Aufwendungen für den äußeren Rahmen in
Höhe von insgesamt 1.873,06 EUR (Miete 1.400 EUR,
Personalkosten zur Verbesserung des Ambientes 174 EUR,
zuzüglich Umsatzsteuer 299,06 EUR) bei der Ermittlung der
Bemessungsgrundlage außer Ansatz, betrügen die
Eingangsleistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a UStG pro
Teilnehmer 90,05 EUR und überschritten damit nicht die
Freigrenze von 110 EUR. Jedenfalls seien die Aufwendungen für
den „No-Show“-Anteil (Vorsteueranteil
23,27 EUR) nicht vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, da diese von
den Regelungen des § 3 Abs. 9a UStG nicht erfasst seien. Diese
vergeblichen Aufwendungen berührten ausschließlich die
unternehmerische Sphäre, da sie dem Personal nie zugewandt
worden seien.
|
|
|
10
|
Der Kläger beantragt,
|
|
das Urteil des FG Hamburg vom 05.12.2019 -
5 K 222/18 aufzuheben und in der Sache zu entscheiden, den
Ablehnungsbescheid vom 14.04.2016 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung des FA vom 08.11.2018 aufzuheben und das FA
zu verpflichten, die Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2015 vom
21.07.2016 dahingehend zu ändern, dass weitergehende
Vorsteuerbeträge in Höhe von 744,78 EUR
berücksichtigt werden und die Umsatzsteuer entsprechend
niedriger festzusetzen ist.
|
|
|
11
|
Das FA beantragt,
|
|
die Revision zurückzuweisen.
|
|
|
12
|
Entgegen der Auffassung des Klägers
habe das FG § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 9a
UStG nicht unzutreffend ausgelegt. Für den Bereich der
Betriebsveranstaltungen sei ein exakter Gleichklang von Umsatz- und
Lohnsteuerrecht nicht möglich. Die im Bereich des
Einkommensteuerrechts eingefügte Freibetragsregelung des
§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG sei nicht in das
Umsatzsteuerrecht übertragbar. Zuwendungen im Rahmen von
Betriebsveranstaltungen könnten nur entweder insgesamt
unternehmerisch oder insgesamt nichtunternehmerisch veranlasst
sein, eine gemischte Veranlassung sei nicht denkbar. Soweit der
Kläger die Ansicht vertrete, dass auf Grundlage der
früheren BFH-Rechtsprechung nur solche
Veranstaltungsbestandteile in die Berechnung einbezogen werden
dürften, die von den Teilnehmern unmittelbar konsumiert werden
könnten, habe das FG ausreichend dargelegt, dass es sich beim
Kochevent um eine einheitliche Leistung handele. Eine Aufspaltung
in einzelne Veranstaltungsbestandteile sei daher nicht
möglich.
|
|
|
13
|
II. Der Senat entscheidet in der
geschäftsplanmäßigen Besetzung ohne den nach §
51 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 41 Nr. 6
der Zivilprozessordnung (ZPO) ausgeschlossenen Richter am
Bundesfinanzhof X mit dem nach dem Geschäftsverteilungsplan
des BFH 2023 für dessen Vertretung zuständigen Richter am
Bundesfinanzhof Y.
|
|
|
14
|
Nach § 51 Abs. 1 FGO gelten für die
Ausschließung oder Ablehnung der Gerichtspersonen die
§§ 41 bis 49 ZPO sinngemäß. Auf der Grundlage
des § 41 Nr. 6 ZPO ist ein Richter unter anderem
ausgeschlossen in Sachen, in denen er in einem früheren
Rechtszug bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt
hat, sofern es sich nicht um die Tätigkeit eines beauftragten
oder ersuchten Richters handelt. Die Regelung betrifft nur die
Mitwirkung beim Erlass der angefochtenen Entscheidung selbst in
einer früheren (unteren) Instanz (BFH-Urteil vom 04.07.2013 -
V R 8/10, BFHE 242, 271, BStBl II 2015, 969 = SIS 13 24 87, Rz 23
sowie BFH-Beschlüsse vom 31.01.2001 - II R 49/00, BFH/NV 2001,
931 = SIS 01 66 46 und vom 06.02.1996 - X B 95/95, BFH/NV 1996,
752). Dies trifft auf den Richter am Bundesfinanzhof X zu, der
ausweislich des Rubrums als Beisitzer an dem Urteil der Vorinstanz
vom 05.12.2019 - 5 K 222/18 beteiligt war.
|
|
|
15
|
III. Die Revision des Klägers ist
unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2
FGO). Das FG hat den Vorsteuerabzug aus dem Bezug der
Eingangsleistungen für die Weihnachtsfeier 2015 zu Recht
versagt.
|
|
|
16
|
1. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG
kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für
Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein
Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen.
Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1
Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für
steuerfreie Umsätze verwendet.
|
|
|
17
|
Unionsrechtliche Grundlage hierfür ist
Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom
28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem
(MwStSystRL). Danach ist der Steuerpflichtige (Unternehmer)
berechtigt, die im Inland geschuldete oder entrichtete
Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die
ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert beziehungsweise
erbracht wurden oder werden, von der von ihm geschuldeten Steuer
abzuziehen. Dieses Recht auf Vorsteuerabzug besteht für den
Unternehmer, soweit er Leistungen für sein Unternehmen (§
2 Abs. 1 UStG) und damit für seine wirtschaftlichen
Tätigkeiten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL zur
Erbringung entgeltlicher Leistungen zu verwenden beabsichtigt
(ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 30.06.2022 - V
R 32/20, BFHE 276, 428,
BStBl II 2023, 45 = SIS 22 17 24, Rz 15 f. sowie vom 06.05.2010
- V R 29/09, BFHE 230, 263, BStBl II 2010, 885 = SIS 10 23 34, Rz
16; Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union - EuGH -
Securenta vom 13.03.2008 - C-437/06, EU:C:2008:166 = SIS 08 16 67, Leitsatz 1).
|
|
|
18
|
2. Für den Vorsteuerabzug muss
grundsätzlich ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang
(Zusammenhang) des Eingangs- zum Ausgangsumsatz bestehen, wobei wie
folgt zu unterscheiden ist:
|
|
|
19
|
a) Besteht der erforderliche Zusammenhang zu
einzelnen Ausgangsumsätzen der wirtschaftlichen Tätigkeit
des Unternehmers, die steuerpflichtig sind (gleichgestellt:
Umsätze im Sinne von § 15 Abs. 3 UStG), ist er zum
Vorsteuerabzug berechtigt (BFH-Urteil in BFHE 232, 243, BStBl II
2012, 53 = SIS 11 06 15, Rz 13).
|
|
|
20
|
b) Besteht dieser Zusammenhang
demgegenüber nicht zur wirtschaftlichen Tätigkeit,
sondern ausschließlich und unmittelbar zu einer
unentgeltlichen Entnahme im Sinne von § 3 Abs. 9a UStG (oder
§ 3 Abs. 1b UStG), besteht keine Berechtigung zum
Vorsteuerabzug (BFH-Urteil in BFHE 232, 243, BStBl II 2012, 53 =
SIS 11 06 15, Rz 17). Unterbleibt allerdings die
Entnahmebesteuerung nach § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG im Hinblick
auf sogenannte Aufmerksamkeiten, fehlt es an einem direkten und
unmittelbaren Zusammenhang mit einem konkreten Ausgangsumsatz
(Entnahme), so dass über den Vorsteuerabzug nach der
wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Unternehmers zu
entscheiden ist (BFH-Urteil in BFHE 232, 243, BStBl II 2012, 53 =
SIS 11 06 15, Rz 23).
|
|
|
21
|
c) Hieran hat sich durch die in der Folgezeit
ergangene Rechtsprechung des EuGH (Urteil Mitteldeutsche
Hartstein-Industrie vom 16.09.2020 - C-528/19, EU:C:2020:712 =
SIS 20 12 33) sowie des BFH
(Urteil vom 16.12.2020 - XI R 26/20 (XI R 28/17), BFHE 272, 240 =
SIS 21 07 67) nichts geändert. Denn dem dort genannten
Kriterium eines „unversteuerten
Endverbrauchs“ (EuGH-Urteil Mitteldeutsche
Hartstein-Industrie, EU:C:2020:712 = SIS 20 12 33, Rz 59 und Rz 66 f., und BFH-Urteil in BFHE 272,
240 = SIS 21 07 67, Rz 38) kommt keine weitergehende Bedeutung zu,
als dass die Verwendung von Eingangsleistungen, die „vor
allem für die Bedürfnisse des Steuerpflichtigen
genutzt“ werden (BFH-Urteil in BFHE 272,
240 = SIS 21 07 67, Rz 38), keine Entnahme begründet
(BFH-Urteil vom 15.03.2022 - V R 34/20, BFHE 276, 369 = SIS 22 12 07, Rz 27).
|
|
|
22
|
3. Auf dieser Grundlage hat das FG den
Vorsteuerabzug zutreffend versagt. Bezieht der Unternehmer
Leistungen für sogenannte Betriebsveranstaltungen, ist er nur
zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn die bezogenen Leistungen nicht
ausschließlich dem privaten Bedarf der
Betriebsangehörigen dienen, sondern durch die besonderen
Umstände seiner wirtschaftlichen Tätigkeit bedingt
sind.
|
|
|
23
|
a) Für den Vorsteuerabzug aus
Betriebsveranstaltungen ist zu prüfen, ob und gegebenenfalls
in welchem Umfang die hierfür bezogenen Leistungen
ausschließlich dem privaten Bedarf der
Betriebsangehörigen dienten oder durch besondere Umstände
der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens bedingt
sind.
|
|
|
24
|
aa) Ein die Entnahmebesteuerung
ausschließendes vorrangiges Unternehmensinteresse hat die
Rechtsprechung bejaht, wenn die Übernahme der Beförderung
des Arbeitnehmers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte unter
besonderen Umständen durch die Erfordernisse der
wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens bedingt ist und
der durch den Arbeitnehmer erlangte persönliche Vorteil
gegenüber dem Bedarf des Unternehmens als nebensächlich
erscheint (EuGH-Urteil Fillibeck vom 16.10.1997 - C-258/95,
EU:C:1997:491 = SIS 97 23 47, Rz
26 ff.), ebenso dann, wenn bei der Abgabe von Mahlzeiten
ausnahmsweise der persönliche Vorteil, den die Arbeitnehmer
daraus ziehen, gegenüber den Bedürfnissen des
Unternehmens als nur untergeordnet erscheint (EuGH-Urteil Danfoss
und AstraZeneca vom 11.12.2008 - C-371/07, EU:C:2008:711 =
SIS 09 03 21 sowie BFH-Urteil in
BFHE 232, 243, BStBl II 2012, 53 = SIS 11 06 15, Rz 31) oder wenn
der private Bedarf der Arbeitnehmer bei der Übernahme von
Maklerkosten hinter dem unternehmerischen Interesse
zurücktritt, erfahrene Mitarbeiter des Konzerns
unabhängig von deren bisherigem Arbeits- und Wohnort für
den Aufbau eines Konzerndienstleisters umzusiedeln (BFH-Urteil vom
06.06.2019 - V R 18/18, BFHE 265, 538, BStBl II 2020, 293 = SIS 19 15 05, Rz 22).
|
|
|
25
|
bb) Dient eine Betriebsveranstaltung
demgegenüber lediglich dazu, das Betriebsklima durch
gemeinsame Freizeitgestaltung zu verbessern, liegt ein
ausschließlicher Zusammenhang der für den
Betriebsausflug bezogenen Leistungen zum privaten Bedarf des
Personals und damit zu einer Entnahme nach § 3 Abs. 9a Nr. 2
UStG vor, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Handelt es sich
danach um einen zur Entnahmebesteuerung führenden
Betriebsausflug, ist der Unternehmer nur dann zum Vorsteuerabzug
berechtigt, wenn die Entnahmebesteuerung nach § 3 Abs. 9a Nr.
2 UStG unterbleibt, weil es sich um eine
„Aufmerksamkeit“ im Sinne des
§ 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG handelt. Aufgrund des dann fehlenden
unmittelbaren Zusammenhangs zu einem konkreten Ausgangsumsatz ist
über den Vorsteuerabzug nach der wirtschaftlichen
Gesamttätigkeit des Unternehmers zu entscheiden (BFH-Urteil in
BFHE 232, 243, BStBl II 2012, 53 = SIS 11 06 15, Rz 35 bis 39).
|
|
|
26
|
b) Die streitgegenständliche
Weihnachtsfeier war nicht auf den Verzehr von Speisen und
Getränken in festlichem Rahmen beschränkt, sondern
erfolgte im Rahmen eines
„Kochevents“, bei dem die
Teilnehmer unter Anleitung von professionellen Köchen das
gemeinsame Abendessen selbst zubereiteten. Derartige
„Teambuilding-Events“ sind
allgemein dafür bekannt, dass sie die Leistungsfähigkeit
und -bereitschaft der Mitarbeiter in der jeweiligen Abteilung und
zwischen den verschiedenen Abteilungen verbessern können und
sollen. Die Teilnehmer arbeiten an einem gemeinsamen Ziel, lernen
sich dabei besser kennen und entwickeln so ein Gefühl der
Zusammengehörigkeit, das zur Verbesserung des Betriebsklimas
führen kann.
|
|
|
27
|
c) Obwohl der Kläger nach Maßgabe
seiner wirtschaftlichen Gesamttätigkeit zum Vorsteuerabzug
berechtigt ist, wird dieses Recht durch die Verwendung der
Eingangsleistung für eine Dienstleistungsentnahme im Sinne von
§ 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG ausgeschlossen. Denn die Zuwendungen
anlässlich der Weihnachtsfeier erfolgten nicht im Rahmen eines
vorrangigen Unternehmensinteresses, hinter dem das Interesse der
Beschäftigten an der Feier zurücktritt.
|
|
|
28
|
Der Streitfall ist mit der vom EuGH
entschiedenen Fallgestaltung einer unentgeltlichen Abgabe von
Mahlzeiten an das Personal (Danfoss und AstraZeneca, EU:C:2008:711
= SIS 09 03 21) nicht
vergleichbar. Der EuGH hat die unentgeltliche Abgabe einer Mahlzeit
an das Personal dann als überwiegend betrieblich motiviert
bezeichnet, wenn der Arbeitnehmer an einer Arbeitssitzung
teilnehmen muss und diese nicht durch eine privat veranlasste
Mahlzeit unterbrochen werden soll. Zudem bestimmte der Unternehmer
den Ort, die Uhrzeit und die Art der Mahlzeit, so dass die private
Bedürfnisbefriedigung des Arbeitnehmers deutlich im
Hintergrund und das unternehmerische Motiv nach ungestörter
Fortsetzung der Sitzung ohne allzu große Zeitverluste im
Vordergrund steht. Anders als in diesem Fall geht es vorliegend
jedoch um die Abgabe von Speisen und Getränken im
außerunternehmerischen Bereich und nicht während der
Dienstzeit. Die besondere Qualität der Speisen und
Getränke hat einen eigenständigen Charakter, so dass die
Zuwendung an die Arbeitnehmer nicht bloß als Reflex des
überwiegenden betrieblichen Eigeninteresses und damit
„nebensächlich“ erscheinen.
Dies gilt auch für das
„Kochevent“ als solches.
|
|
|
29
|
d) Das FG hat zu Recht entschieden, dass die
Zuwendungen anlässlich der Weihnachtsfeier auch keine
„Aufmerksamkeiten“ im Sinne des
§ 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG darstellen.
|
|
|
30
|
aa) Der Begriff der Aufmerksamkeit ist
gesetzlich nicht definiert und findet auch keine wortgetreue
Stütze im Unionsrecht (Nieskens in Rau/Dürrwächter,
Umsatzsteuergesetz, § 3 Rz 1345). Im Hinblick auf Art. 16
Unterabs. 2 MwStSystRL als unionsrechtliche Grundlage dieser
Einschränkung entsprechen Aufmerksamkeiten den
„Geschenken von geringem Wert“
(Nieskens in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, Rz
1346; Lippross, Umsatzsteuer, 25. Aufl., unter 2.6.5.5., Widmann in
Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG, § 3 Abs. 1b Rz 43).
|
|
|
31
|
bb) Zur „Wahrung einer einheitlichen
Rechtsanwendung“ hatte sich der Senat
hinsichtlich der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von
Aufmerksamkeiten bisher an der Rechtsprechung des VI. Senats des
BFH zum Lohnsteuerrecht orientiert. Dies hat zur Folge, dass
Zuwendungen, die auf Arbeitnehmerseite keinen Lohn darstellen, auf
Arbeitgeberseite nicht als Entnahme an sein Personal
umsatzsteuerbar sind. Danach lag beim Unterschreiten der seinerzeit
geltenden Freigrenze von 110 EUR für Zuwendungen im Rahmen von
Betriebsveranstaltungen kein Arbeitslohn vor (BFH-Urteil in BFHE
232, 243, BStBl II 2012, 53 = SIS 11 06 15). Zudem waren nach dem
Grundsatzurteil vom 16.05.2013 - VI R 94/10 (BFHE 241, 519, BStBl
II 2015, 186 = SIS 13 27 40) die Kosten für die Ausgestaltung
der Betriebsveranstaltung - insbesondere Mietkosten und Kosten
für die organisatorischen Tätigkeiten eines
Eventveranstalters - grundsätzlich nicht zu
berücksichtigen (BFH-Urteil in BFHE 241, 519 = SIS 13 27 40,
Leitsatz 3).
|
|
|
32
|
Diese Rechtsprechung zur Freigrenze für
Aufmerksamkeiten steht mit dem Unionsrecht im Einklang, das
Geschenke von geringem Wert erlaubt. Bei der Auslegung des Begriffs
des „geringen Werts“ haben die
Mitgliedstaaten einen gewissen Ermessensspielraum, der auch
betragsmäßige Beschränkungen in Form einer
Jahresobergrenze für die jeweils beschenkte Person erlaubt
(EuGH-Urteil EMI Group vom 30.09.2010 - C-581/08, EU:C:2010:559 =
SIS 10 33 38, Rz 45).
|
|
|
33
|
cc) Die gesetzliche Neuregelung zur
einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Zuwendungen des
Arbeitgebers an seinen Arbeitnehmer anlässlich von
Veranstaltungen auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem
Charakter (Betriebsveranstaltungen) durch § 19 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1a EStG modifiziert die bisherige Rechtsprechung in doppelter
Hinsicht. Zum einen hat der Gesetzgeber in Satz 3 („soweit
solche Zuwendungen den Betrag von 110 Euro je Betriebsveranstaltung
und teilnehmenden Arbeitnehmer nicht
übersteigen“) anstelle der bisherigen
Freigrenze einen Freibetrag eingeführt, zum anderen ist in
Satz 2 geregelt, dass bei der Ermittlung des Freibetrags auch die
Aufwendungen für den „äußeren Rahmen der
Betriebsveranstaltung“ zu
berücksichtigen sind.
|
|
|
34
|
dd) Diese einkommensteuerrechtlichen
Änderungen können - trotz einer vergleichbaren
Interessenlage bei der Behandlung von Betriebsveranstaltungen -
für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung von
„Aufmerksamkeiten“ nicht
übernommen werden.
|
|
|
35
|
(1) Der Senat hält im Hinblick auf den
Gesichtspunkt der einheitlichen Rechtsanwendung zwar an dem bisher
maßgebenden Betrag für die Bemessung von
Annehmlichkeiten (110 EUR) fest, allerdings als Freigrenze: Wie das
FG zu Recht entschieden hat, legt bereits der Wortlaut des § 3
Abs. 9a Nr. 2 UStG eine Freigrenze nahe. Denn die Ausnahme für
Aufmerksamkeiten wird mit
„sofern“ eingeleitet und nicht
mit der Subjunktion „soweit“.
„Sofern“ bedeutet nach seinem
Wortsinn „vorausgesetzt“ im Sinne
einer Bedingung, die entweder erfüllt sein kann oder nicht
(vgl. auch zu „wenn“ BFH-Urteile
vom 20.05.2015 - I R 68/14, BFHE 250, 96, BStBl II 2016, 90 = SIS 15 18 62; I R 69/14, BFH/NV 2015, 1395 = SIS 15 20 83; vom
21.01.2016 - I R 49/14, BFHE 253, 115, BStBl II 2017, 107 = SIS 16 11 13). Eine Freigrenze in dieser Höhe entspricht auch dem
Sinn und Zweck der Entnahmeregelung, wonach lediglich
geringfügige Zuwendungen von der Besteuerung ausgenommen
werden sollten. Ein Freibetrag hätte hingegen zur Folge, dass
sämtliche Zuwendungen anlässlich von
Betriebsveranstaltungen und damit auch Zuwendungen deutlich
über 110 EUR dadurch begünstigt würden, dass der
darüber hinausgehende Betrag vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen
wäre. Denn Freibeträge sollen typischerweise zu einer
Verbesserung für alle Steuerpflichtigen führen,
während Freigrenzen häufig zur konkreten Förderung
ausgewählter Gruppen dienen (Luck, „Alles oder
Nichts“ - Die Freigrenze im Steuerrecht,
2014, S. 104). Die Beibehaltung als Freigrenze steht auch mit dem
Unionsrecht im Einklang, wonach nur „Geschenke von
geringem Wert“ von der Entnahmebesteuerung
ausgeschlossen sind, nicht aber sämtliche Geschenke
abzüglich des Wertes für „kleine
Geschenke“. Schließlich entspricht
es der Qualifikation als Freigrenze, dass das Umsatzsteuergesetz
zahlreiche Freigrenzen kennt (vgl. z.B. die Freigrenzen in §
1a Abs. 3 Nr. 2, § 2b Abs. 2 Nr. 1, § 18 Abs. 2 und Abs.
2a, § 18a Abs. 1, § 19 Abs. 1, § 20 Satz 1 Nr. 1
sowie § 23a Abs. 2 UStG und § 24 Abs. 1 UStG i.d.F. des
Jahressteuergesetzes 2020 vom 21.12.2020), während ihm
Freibeträge wesensfremd sind.
|
|
|
36
|
(2) Soweit der Kläger unter Hinweis auf
die frühere Rechtsprechung des BFH geltend macht, die Kosten
des äußeren Rahmens müssten bei der Berechnung der
110 EUR-Grenze außer Betracht bleiben, ist das FG in
revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen,
dass die umsatzsteuerrechtlich vorrangige Bewertung der
Betriebsveranstaltung als eine einheitliche Leistung der Abspaltung
von Kosten des äußeren Rahmens entgegensteht.
Einheitliche („komplexe“)
Leistungen liegen unter anderem dann vor, wenn mehrere
Einzelleistungen oder Handlungen des Steuerpflichtigen für den
Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine
einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren
Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (BFH-Beschluss vom
26.05.2021 - V R 22/20, BFHE 273, 351 = SIS 21 13 49, Rz 41). Dies
hat das FG in nachvollziehbarer Weise deswegen bejaht, weil das
„Kochevent“ ein marktfähiges
Gesamtpaket darstellte, das vom Zusammenspiel der besonderen
Örtlichkeit in gehobenem Ambiente und dem gemeinsamen
Zubereiten und Verzehren von Speisen und Getränken
geprägt wurde. Das Herauslösen einzelner Bestandteile
(wie der Raumkosten) aus dieser einheitlichen (auch einheitlich
abgerechneten) Leistung führt daher zu einer künstlichen
Aufspaltung.
|
|
|
37
|
4. Die Revision ist auch nicht insoweit
begründet, als der Kläger (hilfsweise) jedenfalls den
Vorsteuerabzug für die Aufwendungen des sogenannten
No-Show-Anteils in Höhe von 23,27 EUR begehrt. Insoweit geht
er davon aus, dass bei Gesamtkosten von 3.919,90 EUR und 32
angemeldeten Arbeitnehmern auf den nicht teilnehmenden Arbeitnehmer
Kosten in Höhe von 122,50 EUR entfallen würden.
|
|
|
38
|
Dabei berücksichtigt der Kläger
allerdings nicht, dass nach dem BFH-Urteil vom 29.04.2021 - VI R
31/18 (BFHE 273, 183, BStBl II 2021, 606 = SIS 21 11 09), dem sich
der erkennende Senat im Hinblick auf den Verbrauchsteuercharakter
der Umsatzsteuer insoweit anschließt, die Gesamtkosten des
Arbeitgebers zu gleichen Teilen auf die bei der
Betriebsveranstaltung anwesenden Teilnehmer und nicht auf die
angemeldeten Teilnehmer aufzuteilen sind (BFH-Urteil in BFHE 273,
183, BStBl II 2021, 606 = SIS 21 11 09, Leitsatz 2 sowie Rz 25).
Auf den im Streitfall nicht teilnehmenden Arbeitnehmer entfallen
danach keinerlei Aufwendungen, für die ein Vorsteuerabzug in
Betracht kommen könnte.
|
|
|
39
|
5. Der Senat entscheidet im
Einverständnis der Beteiligten nach § 121 Satz 1 i.V.m.
§ 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung.
|
|
|
40
|
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
|
|
|
|
|
|