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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), inzwischen eine
Gesellschaft mit beschränkter Haftung, firmierte in den
Streitjahren (2003 bis 2006) als A-AG. Die Firmen X, Y und Z sind
Tochtergesellschaften der Klägerin.
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Im Jahr 2005 feierte die Klägerin das
125-jährige Firmenjubiläum der gesamten Firmengruppe. Zur
Feier des Firmenjubiläums fanden am 2. und am 4.9.2005
(Sonntag) Veranstaltungen im Fußballstadion in B statt. Zum
Termin am 2.9.2005 waren 684 (lt. Einladungsliste) Gäste aus
Wirtschaft und Politik geladen. Es handelte sich um ein sogenanntes
„VIP-Event“.
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Für den 4.9.2005 wurde hingegen die
gesamte Belegschaft der Firmengruppe, insgesamt 20.604 Personen,
zur Teilnahme aufgefordert. Bis zum 17.6.2005 ließen sich
18.589 Mitarbeiter als Teilnehmer registrieren.
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Mit der Gesamtorganisation wurde ein
Eventveranstalter, die C-GmbH, beauftragt. Von einer
ursprünglich angedachten zusätzlichen Einladung aller
Pensionäre der Firmengruppe war wegen des organisatorischen
und logistischen Aufwandes Abstand genommen worden. Die
Versammlungsgenehmigung wurde, noch ausgehend von einer Einladung
der Pensionäre, für 26.809 Personen beantragt. Es standen
Anreisekapazitäten für 23.129 Personen bereit (153 Busse,
9 Sonderzüge und 4.000 Parkplätze). Der
Stadionmietvertrag wurde am 7.7.2005 für den Zeitraum vom 29.
August bis zum 8.9.2005 abgeschlossen. Darin war für den
Termin am 4.9.2005 von voraussichtlich ca. 15.000 teilnehmenden
Personen die Rede.
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Nach Auffassung der Klägerin beliefen
sich die Kosten für die Veranstaltung am 4.9.2005 auf
1.812.822,51 EUR. Dabei handelte es sich im Wesentlichen um Kosten
für Künstler, Eventveranstalter, Stadionmiete und
Catering. Der Lohnsteueraußenprüfer des Finanzamts D
ermittelte dagegen Kosten für die Veranstaltung am 4.9.2005 in
Höhe von 2.095.235,04 EUR. Die Differenzen erklären sich
vor allem durch die unterschiedliche Zuordnung und Aufteilung von
Kosten zu den Veranstaltungen am 2. bzw. 4.9.2005.
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Nach Auffassung des
Lohnsteueraußenprüfers hat, ausgehend von einer
(geschätzten) Teilnehmerzahl von 15.000 Personen, der Aufwand
der Klägerin mehr als 110 EUR pro Person betragen. Damit sei
die in R 72 Abs. 4 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 2005 genannte
Grenze, bis zu der von einer Annehmlichkeit und nicht von einem
geldwerten Vorteil auszugehen sei, überschritten und eine
Lohnversteuerung durchzuführen. Die Klägerin habe deshalb
zusätzlich Lohn in Höhe von 1.990.052 EUR zu versteuern.
Dies entspräche einem Anteil von 94,98 % der insgesamt durch
die Veranstaltung am 4.9.2005 den Arbeitnehmern vermittelten
Vorteile.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) schloss sich der Meinung des Prüfers an und
forderte im Bescheid vom 11.12.2007 gemäß § 40 Abs.
2 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Lohnsteuer in
Höhe von 497.513 EUR nebst Solidaritätszuschlag und
Kirchensteuern nach.
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Die dagegen gerichtete Klage blieb ohne
Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) sind die
Voraussetzungen des § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG zu bejahen.
Bei der Jubiläumsfeier am 4.9.2005 habe es sich um eine
übliche Betriebsveranstaltung gehandelt. Die danach zu
beachtende Freigrenze habe auch im Jahr 2005.110 EUR betragen. Die
bei der Ermittlung der Freigrenze zugrunde zu legenden Gesamtkosten
der Firmengruppe hätten sich auf 1.795.868 EUR belaufen. Die
Teilnehmerzahl werde auf 15.000 bis 16.000 Personen geschätzt.
Der Aufwand pro Teilnehmer habe daher 112,24 EUR betragen. Im
Übrigen müsse der geldwerte Vorteil noch um die von der
Klägerin verauslagten Reiseaufwendungen der Arbeitnehmer in
Höhe von insgesamt 581.820 EUR erhöht werden. Das Gericht
sehe sich jedoch verfahrensrechtlich an einer Verböserung
gehindert.
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Mit der Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
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Sie beantragt, das angefochtene Urteil und
den angefochtenen Nachforderungsbescheid aufzuheben, soweit die
Kosten des Firmenjubiläums im Streit sind.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Das Bundesministerium der Finanzen hat den
Beitritt zum Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) erklärt. Es hat keinen Antrag
gestellt.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
FGO).
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1. Die Nachforderung von Lohnsteuer beim
Arbeitgeber durch Steuerbescheid kommt in Betracht, wenn die
Lohnsteuer vorschriftswidrig nicht angemeldet worden ist und es
sich um eine eigene Steuerschuld des Arbeitgebers handelt. Eine
eigene Steuerschuld des Arbeitgebers liegt auch vor, wenn die
Voraussetzungen für eine Pauschalierung der Lohnsteuer nach
§ 40 EStG gegeben sind (Senatsurteil vom 30.4.2009 VI R 55/07,
BFHE 225, 58, BStBl II 2009, 726 = SIS 09 20 85).
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Nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG kann
der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 25 %
erheben, wenn er Arbeitslohn aus Anlass von Betriebsveranstaltungen
zahlt. Maßgeblich ist insoweit § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
EStG.
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2. Zu den Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 EStG gehören u.a. Gehälter, Löhne,
Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die
für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten
Dienst gewährt werden. Arbeitslohn sind nach § 2 Abs. 1
der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung alle Einnahmen, die dem
Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen; dabei
ist unerheblich, unter welcher Bezeichnung und in welcher Form die
Einnahmen gewährt werden.
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a) Arbeitslohn liegt nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) u.a. dann nicht vor, wenn
die Arbeitnehmer durch Sachzuwendungen des Arbeitgebers zwar
bereichert werden, der Arbeitgeber jedoch mit seinen Leistungen
ganz überwiegend ein eigenbetriebliches Interesse verfolgt
(Senatsurteile vom 22.10.1976 VI R 26/74, BFHE 120, 379, BStBl II
1977, 99 = SIS 77 00 64; vom 17.9.1982 VI R 75/79, BFHE 137, 13,
BStBl II 1983, 39 = SIS 83 01 26; vom 21.1.2010 VI R 2/08, BFHE
228, 80, BStBl II 2010, 639 = SIS 10 05 60; VI R 51/08, BFHE 228,
85, BStBl II 2010, 700 = SIS 10 05 61, jeweils m.w.N.; s. auch
Drenseck in Festschrift für Lang, Köln 2010, 477, 482;
Schmidt/Krüger, EStG, 32. Aufl., § 19 Rz 55 ff.;
Eisgruber in Kirchhof, EStG, 12. Aufl., § 19 Rz 64 ff.;
Pflüger in Herrmann/Heuer/Raupach, § 19 EStG Rz 225
ff.).
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b) Nach ständiger Rechtsprechung
können auch Zuwendungen des Arbeitgebers aus Anlass von
Betriebsveranstaltungen im ganz überwiegend eigenbetrieblichen
Interesse des Arbeitgebers liegen. Betriebsveranstaltungen sind
Veranstaltungen auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem
Charakter, bei denen die Teilnahme grundsätzlich allen
Betriebsangehörigen offensteht. Das eigenbetriebliche
Interesse des Arbeitgebers an der Durchführung solcher
Veranstaltungen ist in der Förderung des Kontakts der
Arbeitnehmer untereinander und in der Verbesserung des
Betriebsklimas zu sehen. Insbesondere zur Wahrung einer
einheitlichen Rechtsanwendung hat der BFH jedoch typisierend
festgelegt, ab wann den teilnehmenden Arbeitnehmern geldwerte
Vorteile von solchem Eigengewicht zugewendet werden, dass von einem
ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers
nicht mehr ausgegangen werden kann. Danach sind bei
Überschreiten einer Freigrenze von 110 EUR die Zuwendungen des
Arbeitgebers in vollem Umfang als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu
qualifizieren (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom
12.12.2012 VI R 79/10, BFHE 240, 44 = SIS 13 04 82, m.w.N.).
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c) Die Bewertung der Leistungen bestimmt sich
nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG. Bei diesem Wert, der im
Schätzungsweg ermittelt werden kann, handelt es sich um den
Betrag, den ein Fremder unter gewöhnlichen Verhältnissen
für Güter gleicher Art im freien Verkehr aufwenden muss.
Rechtsprechung und Verwaltung (R 72 Abs. 4 LStR für die
Streitjahre) beanstanden es jedoch grundsätzlich nicht, den
Wert der dem Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber anlässlich
einer Betriebsveranstaltung zugewandten Leistungen anhand der
Kosten zu schätzen, die dem Arbeitgeber dafür seinerseits
erwachsen sind. Denn es kann im Regelfall davon ausgegangen werden,
dass auch ein Fremder diesen Betrag für die Veranstaltung
hätte aufwenden müssen. Sofern sich ein Beteiligter
für die Bewertung auf eine abweichende Bestimmung beruft, muss
er grundsätzlich konkret darlegen, dass eine Schätzung
des üblichen Endpreises am Abgabeort anhand der vom
Arbeitgeber aufgewandten Kosten dem objektiven Wert der
Veranstaltung nicht entspricht (Senatsurteil in BFHE 240, 44 = SIS 13 04 82, m.w.N.).
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In die Schätzungsgrundlage zur Bemessung
des dem Arbeitnehmer zugewandten Vorteils sind jedoch nur solche
Kosten des Arbeitgebers einzubeziehen, die geeignet sind, beim
Arbeitnehmer einen geldwerten Vorteil auszulösen. Dem
entsprechend hat der Senat Leistungen, die nicht in unmittelbarem
Zusammenhang mit der Betriebsveranstaltung stehen und durch die der
Arbeitnehmer deshalb nicht bereichert ist, nicht als Lohn beurteilt
und folglich auch nicht bei der Prüfung, ob die Freigrenze
überschritten ist, einbezogen; so hat er etwa Kosten der
Buchhaltung oder für die Beschäftigung eines
Eventmanagers ausgenommen (Senatsurteil in BFHE 240, 44 = SIS 13 04 82, m.w.N.). Dies gründet darin, dass Arbeitgeber,
insbesondere, wenn sie mit mehreren Hundert Besuchern rechnen,
häufig nicht in der Lage sind, selbst eine
Betriebsveranstaltung auszurichten; sie müssen sich daher der
Hilfe eines Eventmanagers bedienen, der diese gestaltet. Die
Organisation einer Betriebsfeier durch ein fremdes Unternehmen
erhöht zwar die Kosten des Arbeitgebers hierfür, nicht
aber den Vorteil, der dem Arbeitnehmer zufließt und der allein
Gegenstand der Einkommensbesteuerung ist.
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Gleiches gilt im Grundsatz für
Mietkosten. Ein Unternehmen, das eine übliche Betriebsfeier
veranstaltet oder sein Firmenjubiläum mit den eigenen
Arbeitnehmern und - wie die Klägerin im Streitfall - den
Arbeitnehmern von Tochterunternehmen begeht, wird
regelmäßig auf eigenem Firmengelände nicht über
ausreichende Raumkapazitäten verfügen, sodass es eine
Örtlichkeit mieten muss, in der sämtliche Arbeitnehmer
Platz finden. Allein das Abhalten einer Betriebsveranstaltung in
gemieteten statt in eigenen Räumen des Arbeitgebers
begründet jedoch für sich betrachtet regelmäßig
noch keinen geldwerten Vorteil des Arbeitnehmers. Nur wenn hierbei
Leistungen an die Arbeitnehmer erbracht werden, die einen
marktgängigen Wert haben, kann bei den Arbeitnehmern eine
objektive Bereicherung und damit Arbeitslohn angenommen werden. Zu
einer objektiven Bereicherung führen typischerweise nur solche
Leistungen, die die teilnehmenden Arbeitnehmer unmittelbar
konsumieren können, also vor allem Speisen, Getränke und
Musikdarbietungen. Aufwendungen des Arbeitgebers, die die
Ausgestaltung der Betriebsveranstaltung selbst betreffen, etwa
Mietkosten und Kosten für die organisatorischen
Tätigkeiten eines Eventveranstalters, bewirken bei den
Teilnehmern dagegen keinen unmittelbaren Wertzugang; sie bleiben
daher bei der angesprochenen Gesamtkostenermittlung
grundsätzlich außer Betracht.
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Zwar hat der Senat in seiner Entscheidung vom
25.5.1992 VI R 85/90 (BFHE 167, 542, BStBl II 1992, 655 = SIS 92 15 29) die Auffassung vertreten, dass auch Ausgaben für den
„äußeren Rahmen“ von
Betriebsveranstaltungen zu berücksichtigen seien (s. aber
dagegen Senatsurteile vom 7.7.1961 VI 176/60 S, BFHE 73, 485, BStBl
III 1961, 443 = SIS 61 02 91; vom 26.8.1966 VI 248/65, BFHE 86,
783, BStBl III 1966, 659 = SIS 66 04 31). Soweit dies jedoch so
verstanden werden konnte, dass sämtliche Aufwendungen eines
Arbeitgebers für eine Betriebsveranstaltung im Rahmen der
Gesamtkostenermittlung zu berücksichtigen und auf die
teilnehmenden Arbeitnehmer umzulegen seien, hält der Senat
daran nicht mehr fest. Denn Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 EStG liegt nur vor, wenn der Arbeitnehmer durch die
Leistung des Arbeitgebers einen unmittelbaren geldwerten Vorteil
erlangt.
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3. Die Entscheidung des FG entspricht diesen
Grundsätzen nicht. Zwar hat die Vorinstanz die Freigrenze zu
Recht mit 110 EUR bemessen (s. dazu Senatsentscheidung in BFHE 240,
44 = SIS 13 04 82). Sie hat jedoch bei der Ermittlung der
Gesamtkosten der Veranstaltung am 4.9.2005 zu Unrecht auch die
Kosten des äußeren Rahmens (u.a. Eventveranstalter,
Mietkosten) berücksichtigt.
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Die Sache ist entscheidungsreif. Denn auf der
Grundlage der Feststellungen des FG führt bereits die
Nichtberücksichtigung der Stadionmiete in Höhe von
121.299,93 EUR zu einem Unterschreiten der Freigrenze:
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Gesamtaufwand lt. FG
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1.795.868,00 EUR
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./. Stadionmiete
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121.299,93 EUR
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Verbleibender Gesamtaufwand
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1.674.568,07 EUR
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Dividiert durch die Teilnehmerzahl
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16.000
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Aufwand je Teilnehmer
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104,66
EUR
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Entgegen der Auffassung des FG hat das FA die
Reisekosten zu Recht nicht in die Berechnung einbezogen. Die
Arbeitnehmer waren durch die von der Klägerin verauslagten
Reiseaufwendungen nicht bereichert. Da die Teilnahme an der
Veranstaltung beruflich veranlasst war, handelte es sich bei den
Reisekosten um steuerfreien Werbungskostenersatz gemäß
§ 3 Nr. 16 EStG.
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