Die Revision des Klägers gegen das Urteil
des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 03.03.2020 - 5 K 1193/17 =
SIS 19 22 17 wird als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der
Kläger zu tragen.
1
|
I. Am 01.11.2012 wurde das
Insolvenzverfahren über das Vermögen des
Insolvenzschuldners (I), der als Einzelunternehmer einen
metallverarbeitenden Gewerbebetrieb unterhielt, eröffnet und
der Kläger und Revisionskläger (Kläger) zum
Insolvenzverwalter bestellt.
|
|
|
2
|
Mit Schreiben vom 29.11.2012
überließ der Kläger der Kreissparkasse die
Verwertung der ihr sicherungsübereigneten beweglichen
Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens des I und bat
darum, den Verwertungserlös ihm gegenüber abzurechnen und
den Umsatzsteueranteil sowie den Feststellungskostenbeitrag
auszukehren.
|
|
|
3
|
Im Rahmen der Schätzung der
Besteuerungsgrundlagen des Streitjahres 2013 ermittelte der
Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt - FA - ) aus dem Verkauf
des beweglichen Betriebsvermögens einen Gewinn und
kündigte an, ihn der Masse zuzurechnen. Dem Hinweis des
Klägers auf die Fremdverwertung und den geringen Massezufluss
folgte das FA unter Berufung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs
(BFH) vom 16.05.2013 - IV R 23/11 (BFHE 241, 233, BStBl II 2013,
759 = SIS 13 20 28) nicht. Es erließ unter dem 08.07.2015
zwei Bescheide, mit welchen es unter Berücksichtigung von
Einkünften des I aus Gewerbebetrieb zum einen die (anteilige)
Einkommensteuer betreffend die Masse gegenüber dem Kläger
und zum anderen die (anteilige) Einkommensteuer betreffend das
insolvenzfreie Vermögen gegenüber I sowie seiner Ehefrau
(E) - durch Bekanntgabe gegenüber I - festsetzte. Dabei teilte
das FA den Gesamtbetrag der Einkommensteuer im Verhältnis der
Masseeinkünfte zu den Einkünften im insolvenzfreien
Vermögen auf.
|
|
|
4
|
Nach Abgabe der Steuererklärung
änderte das FA unter dem 31.08.2015 die
Einkommensteuerbescheide für 2013 aufgrund weiterer,
nachträglich bekanntgewordener Verkäufe des
sicherungsübereigneten Betriebsvermögens dahingehend ab,
dass es nunmehr Einkünfte des I aus Gewerbebetrieb in
Höhe von 63.657 EUR zugrunde legte, wodurch sich eine
entsprechende Neuaufteilung der Gesamtsteuerschuld und eine
geänderte Festsetzung der anteiligen Einkommensteuer in den an
den Kläger (als Insolvenzverwalter) sowie an I und E
gerichteten Einkommensteuerbescheiden ergab.
|
|
|
5
|
Die nach erfolglosen Einspruchsverfahren
erhobenen Klagen des Klägers (Aktenzeichen 5 K 1097/17) sowie
des I (Aktenzeichen 5 K 1193/17) wurden mit Beschluss des
Finanzgerichts (FG) vom 12.09.2019 gemäß § 73 Abs.
2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) unter dem Aktenzeichen 5 K
1193/17 zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung
verbunden.
|
|
|
6
|
Das FG wies die Klage des Klägers -
ebenso wie die des I - ab (EFG 2020, 679 = SIS 19 22 17) und führte zur
Begründung aus, die vom Kläger erklärte
Überlassung des Sicherungsguts zur Verwertung durch die
absonderungsberechtigte Kreissparkasse nach § 170 Abs. 2 der
Insolvenzordnung (InsO) stelle eine Maßnahme des
Insolvenzverwalters i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO dar. Darin
liege keine echte Freigabe im Sinne einer Entlassung der
Gegenstände aus dem Insolvenzbeschlag, da es hierfür
einer entsprechenden Erklärung des Klägers gegenüber
I bedurft hätte. Es handele sich um Masseverbindlichkeiten, da
der Besteuerungstatbestand erst nach Eröffnung des
Insolvenzverfahrens durch den Verkauf des beweglichen
Anlagevermögens verwirklicht worden sei. Ob die
Veräußerung durch den Insolvenzverwalter selbst oder
durch einen zur Verwertung befugten absonderungsberechtigten
Gläubiger vorgenommen werde, sei nicht entscheidend.
|
|
|
7
|
Mit seiner Revision macht der Kläger
im Kern geltend, im Hinblick auf seine Haftungsrisiken (§ 60
InsO) müsse für den Insolvenzverwalter stets eine - die
Masse schützende - Handlungsalternative bestehen. Vorliegend
habe außer der Eigenverwertung oder der Überlassung der
Verwertung an den Sicherungsgläubiger gemäß §
170 Abs. 2 InsO für ihn keine andere Möglichkeit
bestanden, die in Rede stehenden Wirtschaftsgüter
„loszuwerden“. Eine Freigabe der
Wirtschaftsgüter aus dem Insolvenzbeschlag sei nicht
möglich gewesen. Bezüglich der
sicherungsübereigneten Gegenstände habe die
Kreissparkasse die „Aussonderung“
verlangen können und dies auch getan. Mangels Eigentums habe I
keinen Herausgabeanspruch gehabt.
|
|
|
8
|
Überdies gefährde die Annahme
einer Freigabemöglichkeit, bei welcher die Realisation der
stillen Reserven allein den Insolvenzschuldner treffe, das
insolvenzrechtliche Ziel der Erlangung der Restschuldbefreiung des
Schuldners. Diesem Ziel könne durch Änderung der
BFH-Rechtsprechung Rechnung getragen werden. Dafür müsse
in dem Insolvenzantrag jedenfalls in solchen Fällen eine
Betriebsaufgabe des Steuerpflichtigen gesehen werden, in denen der
Insolvenzschuldner keine
Betriebsfortführung beabsichtige (innere Tatsache) und in
der Folge eine solche auch weder veranlasse noch an ihr mitwirke.
So liege der Fall hier: Es handele sich um einen üblichen
Zerschlagungs-/Aufgabefall. Wäre danach regelmäßig
auf den Zeitpunkt der Antragstellung eine Aufgabebilanz zu
erstellen, führe dies - da der realisierte Erlös aus der
Veräußerung von Wirtschaftsgütern deren gemeinen
Wert innerhalb der Aufgabebilanz entspreche - regelmäßig
zu keiner Steuerschuld, sodass weder die Masse noch das
insolvenzfreie Vermögen belastet würden.
|
|
|
9
|
Das Senatsurteil vom 07.07.2020 - X R 13/19
(BFHE 270, 24, BStBl II 2021, 174 = SIS 20 17 24) sei zu einem mit
einem Grundpfandrecht belasteten Grundstück ergangen, das aus
der Masse habe freigegeben werden können. Demgegenüber
sei im Falle sicherungsübereigneter beweglicher
Gegenstände nicht der Insolvenzschuldner Eigentümer,
vielmehr sei seit der Sicherungsübereignung der
absonderungsberechtigte Gläubiger Eigentümer und
verfügungsbefugt. Das gesetzliche Verwertungsrecht des
Insolvenzverwalters ändere daran nichts. Eine Freigabe als
Rückgabe der Verfügungsbefugnis an den Insolvenzschuldner
sei rechtstechnisch nicht möglich, weil der Insolvenzverwalter
keine Verfügungsbefugnis habe, die er an den Schuldner
zurückreichen könne.
|
|
|
10
|
Der Kläger beantragt
sinngemäß,
|
|
das angefochtene Urteil, soweit es ihm
gegenüber ergangen ist, sowie den Einkommensteuerbescheid
für 2013 betreffend die Masse vom 31.08.2015 und die hierzu
ergangene Einspruchsentscheidung vom 13.01.2017 aufzuheben.
|
|
|
11
|
Das FA beantragt,
|
|
die Revision zurückzuweisen.
|
|
|
12
|
Es hält die vom FG gegebene
Begründung für zutreffend und weist ergänzend
insbesondere darauf hin, dass die vom Kläger angesprochene
„Haftungsfalle“ für den
Insolvenzverwalter nicht bestehe. Die Entstehung der Steuer
aufgrund der Realisierung der den sicherungsübereigneten
Wirtschaftsgütern innewohnenden stillen Reserven hänge
nicht von der die Verwertung durchführenden Person ab. Daher
könne der Insolvenzverwalter durch die gesetzlich vorgesehene
Überlassung zur Verwertung auch keine Pflichtverletzung
begangen haben.
|
|
|
13
|
II. Der Insolvenzschuldner I ist trotz der
Verbindung seines Klageverfahrens mit dem Klageverfahren des
Klägers zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung
gemäß § 73 Abs. 2 FGO kein Beteiligter des
vorliegenden Revisionsverfahrens des Klägers.
|
|
|
14
|
Der Verbindungsbeschluss des FG
gemäß § 73 Abs. 2 FGO ist rechtsfehlerhaft (unter
1.); ihm kommt - was die Beteiligtenstellung des I anbelangt -
keine Bindungswirkung für das vorliegende Revisionsverfahren
zu (unter 2.), sodass I nicht am Revisionsverfahren beteiligt ist
(unter 3.).
|
|
|
15
|
1. Der Verbindungsbeschluss des FG ist
rechtsfehlerhaft ergangen.
|
|
|
16
|
a) Nach § 73 Abs. 2 FGO wird, wenn die
Klage von jemandem erhoben ist, der wegen dieses Klagegegenstandes
nach § 60 Abs. 3 FGO zu einem anderen Verfahren beizuladen
wäre, die notwendige Beiladung des Klägers dadurch
ersetzt, dass die beiden Verfahren zu gemeinsamer Verhandlung und
einheitlicher Entscheidung verbunden werden. Liegen bei den Klagen
verschiedener Kläger die Voraussetzungen einer gegenseitigen
notwendigen Beiladung gemäß § 60 Abs. 3 FGO vor,
ersetzt die Verbindung nach § 73 Abs. 2 FGO die jeweiligen
Beiladungen (vgl. Ossinger in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO,
§ 73 FGO Rz 32; Thürmer in Hübschmann/Hepp/Spitaler
- HHSp -, § 73 FGO Rz 4).
|
|
|
17
|
b) Im Streitfall lagen die Voraussetzungen
für eine Verbindung gemäß § 73 Abs. 2 FGO nicht vor, da kein Fall
der notwendigen Beiladung (§ 60 Abs. 3 FGO) gegeben ist.
|
|
|
18
|
Nach der BFH-Rechtsprechung scheidet eine
notwendige Beiladung des Insolvenzschuldners bei einem Streit
darüber aus, ob eine Steuerverbindlichkeit eine
Masseverbindlichkeit i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO
darstellt. Zur Begründung hierfür wird angeführt,
dass die Interessen von Insolvenzverwalter und -schuldner nicht
„nach den Steuergesetzen“, sondern durch
die Auslegung des Insolvenzrechts berührt seien (vgl.
BFH-Urteil vom 08.09.2011 - V R 38/10, BFHE 235, 488, BStBl II
2012, 270 = SIS 11 41 22, Rz 23; Senatsurteil vom 10.07.2019 - X R
31/16, BFHE 265, 300,
BStBl II 2022, 488 = SIS 19 18 76, Rz 71; Brandis in
Tipke/Kruse, § 60 FGO Rz 64a; Hartman in Gosch, FGO § 60
Rz 94). Im Übrigen hat der BFH offen gelassen, ob der
Insolvenzschuldner in einem vom Insolvenzverwalter geführten
Klageverfahren überhaupt Dritter i.S. von § 60 Abs. 3
Satz 1 FGO sein kann (vgl. BFH-Urteil vom 06.06.2019 - V R 51/17,
BFHE 265, 294, BStBl II 2021, 52 = SIS 19 17 27, Rz 25).
|
|
|
19
|
Hinzu kommt, dass § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO
voraussetzt, dass die Entscheidung notwendigerweise und unmittelbar
Rechte Dritter gestaltet, bestätigt, verändert oder zum
Erlöschen bringt, insbesondere also in Fällen, in denen
das, was einen Prozessbeteiligten begünstigt oder
benachteiligt, notwendigerweise umgekehrt den Dritten
benachteiligen oder begünstigen muss, wobei ein sachlogischer
oder rechnerischer Zusammenhang nicht genügt (vgl.
Senatsbeschluss vom 11.01.2018 - X R 21/17, BFH/NV 2018, 529 = SIS 18 01 98, Rz 6). Im Fall der Festsetzung von Einkommensteuer
während des laufenden Insolvenzverfahrens können indes
mehrere insolvenzrechtliche Forderungskategorien bzw.
Vermögensbereiche betroffen sein. Neben der Unterscheidung
zwischen Insolvenz-, Masse- und insolvenzfreier Forderung kommt
eine weitere, den Zwangsverwalter betreffende Forderungskategorie
in Betracht (bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung
vgl. BFH-Urteil vom 10.02.2015 - IX R 23/14, BFHE 249, 202, BStBl
II 2017, 367 = SIS 15 11 59, Rz 35). Angesichts dieser
unterschiedlichen Möglichkeiten fehlt es, soweit es um eine
von der Einordnung als Masseverbindlichkeiten abweichende
Qualifizierung geht, an einem notwendigerweise in einem bestimmten
Vermögensbereich eintretenden Nachteil. Der Insolvenzschuldner
wird nicht zwangsläufig im insolvenzfreien
Vermögensbereich nachteilig berührt.
|
|
|
20
|
2. Dem Verbindungsbeschluss kommt - was die
Beteiligtenstellung des I anbelangt - keine Bindungswirkung
für das vorliegende Revisionsverfahren zu.
|
|
|
21
|
a) Nach der höchstrichterlichen
Rechtsprechung ist, auch wenn die Beiladung eines Beteiligten im
Gesetz keine Grundlage findet, der Beiladungsbeschluss im
Revisionsverfahren nicht aufzuheben; ein vom FG zu Unrecht
Beigeladener bleibt am Revisionsverfahren beteiligt. Dies beruht
darauf, dass der Beiladungsbeschluss nach § 128 Abs. 1 FGO mit
der Beschwerde angefochten werden kann. Da diese Möglichkeit
besteht, besteht kein Bedarf, einen von dem Beschwerdeberechtigten
nicht innerhalb der Frist des § 129 Abs. 1 FGO angefochtenen
Beiladungsbeschluss von Amts wegen im Revisionsverfahren aufzuheben
(vgl. BFH-Urteil vom 27.05.1981 - I R 112/79, BFHE 133, 526, BStBl
II 1982, 192 = SIS 82 25 40, unter I.2.; BFH-Beschluss vom
17.04.2013 - VI R 15/12, BFH/NV 2013, 1242 = SIS 13 19 83, Rz
20).
|
|
|
22
|
Demgegenüber ist der Beschluss über
die Verbindung und Trennung eine prozessleitende Verfügung
i.S. von § 128 Abs. 2 FGO und demgemäß - im
Gegensatz zum Beiladungsbeschluss - nicht anfechtbar (vgl. Brandis
in Tipke/Kruse, § 73 FGO Rz 3; Ossinger in Schwarz/Pahlke/Keß, a.a.O.,
§ 73 FGO Rz 32; Thürmer in HHSp, § 73 FGO Rz 36)
und kann daher keine dem Beiladungsbeschluss entsprechende
Bindungswirkung entfalten.
|
|
|
23
|
b) Da die Beteiligtenstellung des I vorliegend
nur auf einem Verbindungsbeschluss gemäß § 73 Abs.
2 FGO beruht, ist diese für das vorliegende Revisionsverfahren
nicht bindend. Ohnehin könnte dem auf das Ausgangsverfahren
bezogenen Verbindungsbeschluss des FG keine Aussage über die
Stellung des Insolvenzschuldners als notwendig Beigeladener in
einem Revisionsverfahren des Insolvenzverwalters entnommen
werden.
|
|
|
24
|
3. I ist an diesem Revisionsverfahren nicht
beteiligt.
|
|
|
25
|
a) Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das
angefochtene FG-Urteil nur insoweit, als darin über die Klage
des Klägers entschieden wurde. Die Streitgegenstände
dieser Klage (Anteil der Einkommensteuer als Masseverbindlichkeit)
und der Klage des I (Anteil der Einkommensteuer als insolvenzfreie
Forderung) berühren sich - wie oben dargelegt - nicht. Soweit
über die Klage des I entschieden wurde, ist das Urteil des FG
rechtskräftig geworden.
|
|
|
26
|
b) Dass das FG die Klage des Klägers mit
derjenigen des I verbunden hat, macht diesen nicht zum Beteiligten
am Verfahren über die Revision des Klägers. Zwar ist
gemäß § 122 Abs. 1 FGO Beteiligter am Verfahren
über die Revision, wer am Verfahren über die Klage
beteiligt war. Daraus folgt indes bei verbundenen Klageverfahren
nicht zwingend, dass sämtliche Kläger auch Beteiligte
eines nachfolgenden Revisionsverfahrens werden. Ungeachtet der
verfahrensrechtlichen Verbindung (im erstinstanzlichen Verfahren)
infolge des Verbindungsbeschlusses entsteht kein einheitlicher
Streitgegenstand; die Klagen bleiben materiell-rechtlich
selbständige Verfahren. Die Verbindung hat - abgesehen von der
kostenmäßigen Auswirkung - nur verfahrenstechnische
Wirkungen (vgl. Ossinger in Schwarz/Pahlke/Keß, a.a.O.,
§ 73 FGO Rz 35). „Die Klage“ i.S.
von § 122 Abs. 1 FGO ist die von jedem einzelnen Kläger
erhobene Klage, die durch die Verbindung mit den anderen Klagen
dann nicht ihre Eigenständigkeit verliert, wenn ihr
Streitgegenstand sich - wie hier - mit dem der anderen Klagen nicht
überschneidet. In diesen Fällen ersetzt die Verbindung
nach § 73 Abs. 2 FGO nicht eine notwendige Beiladung i.S. von
§ 60 Abs. 3 Satz 1 FGO. Die verschiedenen Kläger werden
nicht notwendige Streitgenossen. Die Entscheidungen über die
verschiedenen Klagen können voneinander unabhängig
ergehen und in Rechtskraft erwachsen (vgl. BFH-Urteil vom
22.11.1988 - VIII R 90/84, BFHE 155, 250, BStBl II 1989, 326 = SIS 89 15 57, unter 4.).
|
|
|
27
|
III. Die Revision ist unbegründet und
gemäß § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen. Das
Urteil der Vorinstanz verstößt - soweit vom Kläger
mit der Revision angefochten - nicht gegen Bundesrecht (§ 118
Abs. 1 Satz 1 FGO). Das FA hat zu Recht die Einkommensteuer, soweit
sie auf den Gewinn des I aus der Veräußerung
betrieblicher Wirtschaftsgüter entfällt, in dem
angefochtenen Einkommensteuerbescheid für 2013 als
gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter
festzusetzende Masseverbindlichkeit i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1
InsO erfasst.
|
|
|
28
|
Entscheidend für die Qualifikation der
Einkommensteuer als Masseverbindlichkeiten ist im Streitfall -
§ 55 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 InsO sind offensichtlich nicht
einschlägig -, ob die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr.
1 InsO gegeben sind. Danach sind Masseverbindlichkeiten die
Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters
oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und
Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den
Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Vorliegend sind die
Tatbestandsmerkmale des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO
erfüllt.
|
|
|
29
|
1. Nach den nicht mit Verfahrensrügen
angegriffenen und daher den Senat gemäß § 118 Abs.
2 FGO bindenden Feststellungen des FG handelte es sich bei den
veräußerten Gegenständen um bewegliche
Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens des I, die zur
Insolvenzmasse gehörten.
|
|
|
30
|
a) Gemäß § 35 Abs. 1 InsO
erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem
Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
gehört und das er während des Verfahrens erlangt
(Insolvenzmasse). In die Insolvenzmasse fallen auch
Gegenstände, die der Schuldner einem Dritten zur Sicherheit
übereignet hat, wenn sie sich - zum Zeitpunkt der
Eröffnung des Insolvenzverfahrens - noch im Besitz des
Schuldners befinden (vgl. K. Schmidt/Büteröwe, InsO, 20.
Aufl., § 35 Rz 6; Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH -
vom 25.09.2014 - IX ZR 156/12, Deutsche Zeitschrift für
Wirtschafts- und Insolvenzrecht - DZWIR - 2015, 82, Rz 6).
Sicherungseigentum an beweglichen Sachen begründet im
Insolvenzverfahren ein Absonderungsrecht (§ 51 Nr. 1, § 50 Abs. 1
InsO).
|
|
|
31
|
b) Nach Maßgabe dessen gehörten die
durch die absonderungsberechtigte Kreissparkasse
veräußerten beweglichen Wirtschaftsgüter des
Anlagevermögens zur Insolvenzmasse, auch wenn sie bereits vor
Eröffnung des Insolvenzverfahrens von I an die Kreissparkasse
zur Sicherheit übereignet worden sein sollten.
|
|
|
32
|
Nach den Feststellungen des FG hat der
Kläger der Kreissparkasse die Verwertung des ihr
sicherungsübereigneten beweglichen Anlagevermögens des I
überlassen und sie darum gebeten, den Verwertungserlös
ihm gegenüber abzurechnen sowie den Umsatzsteueranteil und den
Feststellungskostenbeitrag auszukehren. Diese Verfahrensweise
stützt sich auf die Vorschrift des § 170 Abs. 2 InsO, die
voraussetzt, dass der Insolvenzverwalter nach § 166 InsO zur
Verwertung berechtigt ist. Nach § 166 Abs. 1 InsO darf der
Insolvenzverwalter eine bewegliche Sache, an der ein
Absonderungsrecht besteht, freihändig verwerten, wenn er die
Sache „in seinem Besitz“ hat. Damit ist
vom FG mittelbar festgestellt, dass sich die Gegenstände im
Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Besitz des
Schuldners befanden. Erst nachfolgend hat der Kläger sie durch
Übernahme der Insolvenzmasse nach § 148 InsO selbst in
Besitz genommen (vgl. K. Schmidt/Sinz, a.a.O., § 166 Rz
10).
|
|
|
33
|
c) Die Auffassung des Klägers, die
„absonderungsberechtigte“ Kreissparkasse
habe einen „Aussonderungsanspruch“ an
den ihr sicherungsübereigneten Gegenständen gehabt, ist
inhaltlich widersprüchlich und rechtlich unzutreffend.
Aufgrund des Sicherungseigentums kann der Inhaber nämlich
nicht geltend machen, dass ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse
gehört (vgl. § 47 InsO); vielmehr besteht nur ein Recht
zur abgesonderten Befriedigung (vgl. § 51 Nr. 1, § 50
Abs. 1 InsO). Das Vorliegen von Sicherungseigentum ändert an
der Massezugehörigkeit nichts. Denn durch ein
Absonderungsrecht gemäß §§ 49 ff. InsO kann
lediglich die vorrangige Befriedigung aus bestimmten
Gegenständen, welche zur Haftungsmasse des Schuldners
gehören, beansprucht werden (vgl. Fehst/Engels in Sonnleitner,
Insolvenzsteuerrecht, 2017, Kap. 2 Rz 81).
|
|
|
34
|
2. Die auf den Gewinn aus der
Veräußerung der beweglichen Wirtschaftsgüter
entfallende Einkommensteuer erfüllte - was die Zuordnung zu
den insolvenzrechtlichen Forderungskategorien betrifft - die
Voraussetzungen einer Masseverbindlichkeit.
|
|
|
35
|
a) Im Zeitpunkt der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens bereits begründete Steueransprüche
sind zur Insolvenztabelle anzumelden. Später begründete
Steueransprüche, die als Masseverbindlichkeiten nach § 55
Abs. 1 InsO zu qualifizieren sind, sind gegenüber dem
Insolvenzverwalter durch Steuerbescheid festzusetzen (vgl. z.B.
BFH-Urteil vom 16.07.2015 - III R 32/13, BFHE 251, 102, BStBl II
2016, 251 = SIS 15 28 90, Rz 19). Alle sonstigen Ansprüche
sind insolvenzfrei. Die einheitliche Einkommensteuerschuld ist
gegebenenfalls in eine Insolvenzforderung, eine Masseforderung und
eine insolvenzfreie Forderung aufzuteilen (vgl. Senatsurteil vom
18.05.2010 - X R 60/08, BFHE 229, 62, BStBl II 2011, 429 = SIS 10 22 02, Rz 35).
|
|
|
36
|
Die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen
und (sonstigen) Masseverbindlichkeiten richtet sich
ausschließlich nach dem Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen
Begründung. Entscheidend ist dabei, ob und wann ein
Besteuerungstatbestand nach seiner Art und Höhe tatbestandlich
verwirklicht und damit die Steuerforderung insolvenzrechtlich
begründet worden ist. Dies richtet sich allein nach
steuerrechtlichen Grundsätzen (ständige Rechtsprechung,
so bereits BFH-Urteile vom 16.11.2004 - VII R 75/03, BFHE 208, 296,
BStBl II 2006, 193 = SIS 05 17 32, unter II.2.; vom 29.08.2007 - IX
R 4/07, BFHE 218, 435, BStBl II 2010, 145 = SIS 07 36 27, unter
III.2.b dd (1), m.w.N., sowie in BFHE 241, 233, BStBl II 2013, 759
= SIS 13 20 28, Rz 19). Für die insolvenzrechtliche
Begründung des Einkommensteueranspruchs kommt es deshalb
darauf an, ob der einzelne (unselbständige)
Besteuerungstatbestand - insbesondere die Erzielung von
Einkünften nach § 2 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes
(EStG) - vor oder nach Insolvenzeröffnung verwirklicht wurde.
Entscheidend ist, wann der Tatbestand, an den die Besteuerung
knüpft, vollständig verwirklicht ist (so bereits
BFH-Urteil in BFHE 241, 233, BStBl II 2013, 759 = SIS 13 20 28, Rz
19).
|
|
|
37
|
b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze
hat das FA zu Recht die auf den Veräußerungsgewinn
entfallende Einkommensteuer der Kategorie der Masseverbindlichkeit
zugeordnet und dementsprechend gegenüber dem Kläger als
Insolvenzverwalter durch einen (gegenständlich
beschränkten) Steuerbescheid festgesetzt (vgl. BFH-Urteil vom
27.10.2020 - VIII R 19/18, BFHE 271, 15, BStBl II 2021, 819 = SIS 21 02 85, Rz 37). Im Streitfall ist nämlich der in Rede
stehende Besteuerungstatbestand - Einkünfte aus Gewerbebetrieb
durch Veräußerung der zum Betriebsvermögen des I
gehörenden beweglichen Wirtschaftsgüter des
Anlagevermögens (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2
EStG) - nach Insolvenzeröffnung verwirklicht worden.
|
|
|
38
|
Zwar ist vorliegend der Besteuerungstatbestand
nicht durch eine Veräußerung seitens des
Insolvenzverwalters selbst, sondern durch das Verhalten eines
absonderungsberechtigten Insolvenzgläubigers (Kreissparkasse)
ausgelöst worden, der die ihm zur Verwertung überlassenen
beweglichen Gegenstände verkaufte. Erst mit den einzelnen
Verkäufen der Wirtschaftsgüter endete aber deren
Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen. Auch wenn die durch
diesen Vorgang aufgedeckten stillen Reserven schon vor
Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden waren (vgl.
BFH-Beschluss vom 27.10.2016 - IV B 119/15, BFH/NV 2017, 320 = SIS 17 01 99, Rz 7), scheidet die Annahme eines bereits vor
Insolvenzeröffnung begründeten Steueranspruchs aus.
Vielmehr ist angesichts des Zeitpunkts der Gewinnrealisierung
aufgrund der Veräußerung der zur Masse gehörenden
beweglichen Gegenstände - vorbehaltlich der nachfolgenden
Prüfung - die hierauf entfallende Einkommensteuer eine
Masseverbindlichkeit.
|
|
|
39
|
3. Die auf die gewerblichen Einkünfte aus
der Veräußerung der betrieblichen Gegenstände
entfallende Einkommensteuer ist nicht gemäß § 55
Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 InsO durch Handlungen des Klägers,
sondern - als weitere Möglichkeit für die Entstehung von
Masseverbindlichkeiten -
gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO
„in anderer Weise“ durch die Verwaltung,
Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet worden;
sie gehört nicht zu den Kosten des Insolvenzverfahrens
gemäß § 54 InsO.
|
|
|
40
|
a) § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 InsO
(„durch Handlungen des
Insolvenzverwalters“) umfasst alle
Forderungen, die durch Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters
innerhalb seines amtlichen Wirkungskreises einschließlich
deliktischer Handlungen und pflichtwidriger Unterlassungen
begründet werden (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts -
BVerwG - vom 16.12.2009 - 8 C 9/09, NJW 2010, 2152, Rz 14;
MüKoInsO/Hefermehl, 4. Aufl., InsO, § 55 Rz 11). Der
zweiten Tatbestandsalternative (vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 1
Halbsatz 2 InsO), den „in anderer Weise“ durch
Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse begründeten
Verbindlichkeiten, sind Abgabenforderungen zuzuordnen, soweit sie
die Insolvenzmasse betreffen. Dafür ist eine aktive
Maßnahme des Verwalters nicht erforderlich (vgl. Senatsurteil
in BFHE 270, 24, BStBl II 2021, 174 = SIS 20 17 24, Rz 38). Es
kommt nicht darauf an, ob der Abgabentatbestand durch ein Verhalten
des Insolvenzverwalters oder durch andere Tatsachen erfüllt
ist. Vielmehr genügt es, dass die Abgabenforderung durch die
Insolvenzverwaltung ausgelöst wird oder jedenfalls einen Bezug
zur Masse aufweist und erst nach Eröffnung des
Insolvenzverfahrens begründet wurde (vgl. BGH-Urteil vom
12.01.2017 - IX ZR 87/16, DZWIR 2017, 427, Rz 19; BVerwG-Urteil in
NJW 2010, 2152, Rz 14; Senatsurteil vom 03.08.2016 - X R 25/14,
BFH/NV 2017, 317 = SIS 17 01 98, Rz 29; Lohmann in Kayser/Thole, Insolvenzordnung, 11.
Aufl., § 55 Rz 8).
|
|
|
41
|
b) Für den Fall der Beteiligung des
Insolvenzschuldners an einer Personengesellschaft hat der Senat
bereits entschieden, dass Masseverbindlichkeiten „in anderer
Weise“ durch die Verwaltung der Insolvenzmasse
begründet werden, wenn die Entstehung der
Steuerverbindlichkeit ihre Ursache in der zur Masse gehörenden
Beteiligung des Insolvenzschuldners an der Personengesellschaft und
der daraus entstehenden Teilhabe an deren Ergebnissen hat (vgl.
Urteil in BFHE 229, 62, BStBl II 2011, 429 = SIS 10 22 02, Rz 41
f.). Regelmäßig ist ein Gleichklang zwischen der
Massezugehörigkeit der Beteiligung an der Personengesellschaft
und der damit einhergehenden Steuerbelastung herzustellen. Die
Steuerlast ist derjenigen Vermögensmasse zuzuordnen, in deren
Bereich sie entstanden ist. Erklärt der Insolvenzverwalter
nicht die Freigabe, muss er die aus der weiteren
Massezugehörigkeit der (treuhänderischen) Beteiligung
erwachsene Einkommensteuer als Verbindlichkeit gegen die Masse
gelten lassen und hinnehmen (vgl. Senatsurteil in BFHE 265, 300,
BStBl II 2022, 488 = SIS 19 18 76, Rz 53 ff.).
|
|
|
42
|
c) Diese Rechtsgrundsätze hat der Senat
ebenfalls sinngemäß angewendet, als ein zur
Insolvenzmasse gehörendes und mit einem Absonderungsrecht
belastetes Betriebsgrundstück nach Insolvenzeröffnung auf
Betreiben eines Grundpfandgläubigers ohne Zutun des
Insolvenzverwalters versteigert wurde und hierdurch - infolge
Aufdeckung stiller Reserven - ein steuerpflichtiger
Veräußerungsgewinn des Insolvenzschuldners entstand
(vgl. Senatsurteil in BFHE 270, 24, BStBl II 2021, 174 = SIS 20 17 24, Rz 28 ff.).
|
|
|
43
|
Die auf den Gewinn aus der Versteigerung eines
Gaststättengrundstücks des Insolvenzschuldners
entfallende Einkommensteuer war eine „in anderer
Weise“ durch die Verwaltung bzw. Verwertung
der Insolvenzmasse begründete Masseverbindlichkeit. Kann die
Zuordnung der Einkommensteuer zu den Masseverbindlichkeiten nicht
an der Person des Handelnden festgemacht werden, da der
absonderungsberechtigte Gläubiger (auch) nicht dem Bereich des
Insolvenzverwalters zuzurechnen ist, sondern die Stellung eines
Dritten einnimmt, so
bleibt als Anknüpfungspunkt allein der Umstand bestehen, dass
der Vermögensgegenstand bis zur Verwertung mit Willen des
Insolvenzverwalters Teil der Insolvenzmasse gewesen ist. Insoweit
sind die Massezugehörigkeit des
Vermögensgegenstandes sowie dessen fehlende Freigabe durch den
Insolvenzverwalter als entscheidende Wertungsmomente
anzusehen.
|
|
|
44
|
d) Nach Maßgabe dessen hat das FG im
Streitfall zu Recht die Einkommensteuer, soweit sie auf die - durch
die absonderungsberechtigte Kreissparkasse vorgenommene -
Veräußerung der betrieblichen Wirtschaftsgüter
entfällt, als Masseverbindlichkeit qualifiziert und dabei
entscheidend darauf abgestellt, dass der Kläger die in Rede
stehenden Gegenstände bis zur Veräußerung nicht aus
der Masse freigegeben hatte. Es hat die Voraussetzungen des §
55 Abs. 1 Nr. 1 InsO - ohne Entscheidung darüber, welche der
beiden Tatbestandsalternativen gegeben sei - als erfüllt
angesehen, da jedenfalls die
„Realisationshandlung“ zur
Verwirklichung des Steuertatbestandes nach Eröffnung des
Insolvenzverfahrens liege und es unerheblich sei, ob der
Insolvenzverwalter die Verwertung aufgrund seiner Befugnis nach
§ 166 Abs. 1 InsO selbst vornehme oder - wie im Falle des
§ 170 Abs. 2 InsO - einem absonderungsberechtigten
Gläubiger übertrage (vgl. FG-Urteil in EFG 2020, 679 =
SIS 19 22 17, Rz 61). Diese
Wertungen des FG sind frei von Rechtsfehlern.
|
|
|
45
|
aa) Im Streitfall wurde die
Einkommensteuerschuld nicht durch eine (Rechts-)Handlung des
Klägers begründet (vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1
InsO). Dies würde voraussetzen, dass bereits durch die im
Schreiben des Klägers an die Kreissparkasse vom 29.11.2012
erklärte Überlassung des sicherungsübereigneten
beweglichen Betriebsvermögens zur Verwertung selbst eine
Masseverbindlichkeit begründet worden wäre bzw. der
Kläger durch sein Handeln (unmittelbar) die Grundlage
hierfür geschaffen hätte (vgl. Urteil des
Bundesarbeitsgerichts vom 27.04.2006 - 6 AZR 364/05, DB 2006, 2296,
unter II.2.a; FG Düsseldorf, Urteil vom 21.07.2016 - 11 K
613/13 E, EFG 2016, 1906 = SIS 16 24 56, Rz 53).
|
|
|
46
|
Dies war allerdings nicht der Fall. Eine
solche Bedeutung kann der Verwertungsüberlassung schon deshalb
nicht beigemessen werden, weil der Insolvenzverwalter über
§ 170 Abs. 2 InsO dem gesicherten Gläubiger nicht
bestimmte Gegenstände zur Verwertung aufzwingen kann; der
Gläubiger kann die Übernahme der Verwertung also auch
ablehnen (vgl. Uhlenbruck/Brinkmann, Insolvenzordnung, 15. Aufl.,
§ 170 Rz 21; K. Schmidt/Sinz, a.a.O., § 170 Rz 12).
Vorliegend sind die in Rede stehenden Steuerverbindlichkeiten
vielmehr erst im Streitjahr durch
Veräußerungsvorgänge seitens der Kreissparkasse und
die dadurch verursachte Gewinnrealisierung ausgelöst worden.
Mithin hat der Kläger als Insolvenzverwalter nur
„mittelbar“ durch Wahrnehmung der Option
nach § 170 Abs. 2 InsO gehandelt, während die
unmittelbare Verwertungshandlung von der Kreissparkasse als
Sicherungsnehmerin ausging. Daher ist kein Fall des § 55 Abs.
1 Nr. 1 Halbsatz 1 InsO gegeben (vgl. auch Cranshaw, juris PraxisReport
Insolvenzrecht 11/2020 Anm. 3, unter C.).
|
|
|
47
|
bb) Bei der hier gegebenen
Verwertungsüberlassung gemäß § 170 Abs. 2 InsO
kann der Absonderungsberechtigte - hier die Kreissparkasse - auch
nicht dem Bereich des Insolvenzverwalters zugerechnet werden. Diese
nimmt vielmehr - im Verhältnis zum Kläger - die Stellung
eines Dritten ein. Denn nach Überlassung zur Verwertung
gemäß § 170 Abs. 2 InsO veräußert der
Gläubiger im eigenen Namen und auf eigene Rechnung (vgl. BeckOK InsR/Lütcke,
29. Ed. [15.10.2022], InsO § 170 Rz 20). Eine andere
Wertung ist auch im Hinblick auf die in dieser Vorschrift
enthaltene Regelung, dass aus dem erzielten Verwertungserlös
ein Beitrag in Höhe der Kosten der Feststellung sowie des
Umsatzsteuerbetrages vorweg an die Masse abzuführen ist, nicht
gerechtfertigt. Die Norm legt das Kostenverursachungsprinzip
zugrunde, wonach die Kosten für die Feststellung und
Verwertung der Absonderungsberechtigte als
„Verursacher“ zu tragen hat; die Masse
und damit die übrigen - ungesicherten - Gläubiger sollen
damit nicht belastet werden (vgl. K. Schmidt/Sinz, a.a.O., §
170 Rz 1; Hölzle in Kayser/Thole, a.a.O., § 170 Rz
6).
|
|
|
48
|
Dieser Fall ist zu unterscheiden von der -
hier nicht gegebenen - Konstellation des § 168 Abs. 3 Satz 1
InsO, wonach die „andere
Verwertungsmöglichkeit“ auch darin
bestehen kann, dass der Gläubiger den Gegenstand selbst
übernimmt, nachdem der Verwalter die Veräußerung
vorbereitet und die Veräußerungsabsicht dem
Gläubiger mitgeteilt hatte. Hier würde eine Verwertung
durch den Insolvenzverwalter vorliegen (vgl. Uhlenbruck/Brinkmann,
a.a.O., § 170 Rz 19).
|
|
|
49
|
cc) Es liegt aber eine „in anderer
Weise“ durch Verwertung der Masse
begründete Verbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1
Halbsatz 2 InsO vor.
|
|
|
50
|
Nach den oben dargestellten
Rechtsgrundsätzen ist die Massezugehörigkeit des
Vermögensgegenstandes sowie dessen fehlende Freigabe durch den
Insolvenzverwalter als entscheidende Wertungsmomente anzusehen.
Daher ist das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender
Weise zu der Einschätzung gelangt, dass der Gewinn aus der
Veräußerung der zum Betriebsvermögen und zugleich
zur Insolvenzmasse gehörenden Wirtschaftsgüter
entfallende Teil der Einkommensteuer eine Masseverbindlichkeit
darstellt.
|
|
|
51
|
(1) Zum einen blieben nach zutreffender
Rechtsansicht des FG die betrieblichen
Vermögensgegenstände bis zu ihrer Veräußerung
durch die Kreissparkasse massezugehörig, da durch die
Überlassung (nur) zur Verwertung keine echte Freigabe und
damit auch keine Entlassung des Gegenstandes aus dem
Insolvenzbeschlag erfolgte (vgl. auch Uhlenbruck/Brinkmann, a.a.O.,
§ 170 Rz 20; K. Schmidt/Sinz, a.a.O., § 170 Rz 13; BeckOK
InsR/Lütcke, 29. Ed. [15.10.2022], InsO § 170 Rz 21;
Hölzle in Kayser/Thole, a.a.O., § 170 Rz 18; Flöther
in Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 170 Rz 12).
Außerdem war das Schreiben des Klägers vom 29.11.2012
nur an die Kreissparkasse gerichtet. Die Auslegung der
Erklärung zur Verwertungsüberlassung zugleich als
Freigabeerklärung scheidet von vornherein aus, da es an der
bei einer Freigabe erforderlichen Willenserklärung
gegenüber dem Insolvenzschuldner fehlt (vgl. Windel in Jaeger,
Insolvenzordnung, § 80 Rz 35).
|
|
|
52
|
(2) Zum anderen hat der Kläger die
streitbetroffenen betrieblichen Gegenstände - auch sonst -
nicht aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben, da er keine
entsprechende Erklärung gegenüber I abgegeben hat.
|
|
|
53
|
Ob diese Möglichkeit einer Freigabe stets
bestehen muss, um die Entstehung von Masseverbindlichkeiten
begründen zu können, bedarf im Streitfall keiner
Entscheidung. Die Behauptung des Klägers, eine derartige
Handlungsalternative habe für ihn nicht bestanden, vermag
nicht zu überzeugen. Vielmehr ist anerkannt, dass auch
sicherungsübereignete Gegenstände aus dem
Insolvenzbeschlag freigegeben werden können (vgl. Hölzle in Kayser/Thole,
a.a.O., § 170 Rz 20; Becker in Nerlich/Römermann,
InsO, § 170 Rz 4; Windel in Jaeger, a.a.O., § 80 Rz 31;
Cranshaw, juris PraxisReport Insolvenzrecht 11/2020 Anm. 3, unter
C.; Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 12.04.2017 - 19 U
165/15, juris, Rz 26, 141).
|
|
|
54
|
(3) Diese Auslegung des § 55 Abs. 1 Nr. 1
Halbsatz 2 InsO ist auch deshalb zutreffend, weil - worauf bereits
die Berichterstatterin des FG zutreffend hingewiesen hatte - ohne
Freigabe der wirtschaftliche Wert des Sicherungsguts der
Insolvenzmasse erhalten bleibt. Der Verwertungserlös kommt der
Insolvenzmasse zugute, indem sich die Insolvenzforderung der
Kreissparkasse entsprechend mindert (vgl. BFH-Urteil vom 12.05.1993
- XI R 49/90, BFH/NV 1994, 274). Darüber hinaus wäre
ansonsten die durch die Verwertung massezugehöriger
Vermögenswerte durch einen Dritten entstehende
Einkommensteuerschuld selbst dann keine Masseverbindlichkeit, wenn
infolge der Verwertung ein (erheblicher) Erlös der Masse
zuflösse und diese bereicherte. Verbleibt nämlich ein
Übererlös, fällt dieser in die Insolvenzmasse und
steht zur gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger zur
Verfügung (vgl. BGH-Urteil in DZWIR 2015, 82, Rz 9;
Hölzle in Kayser/Thole, a.a.O., § 170 Rz 14).
|
|
|
55
|
(4) Masseverbindlichkeiten scheiden auch nicht
deshalb aus, weil vorliegend - außer dem Kostenbetrag i.S.
des § 170 Abs. 2 InsO - der Erlös nicht in die
Insolvenzmasse geflossen ist. Im Einklang mit der Rechtsprechung
des IV. Senats (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 233, BStBl II 2013,
759 = SIS 13 20 28, Rz 29 f.) kommt es hierauf nicht an (so schon
Senatsurteil vom 09.12.2014 - X R 12/12, BFHE 253, 482, BStBl II
2016, 852 = SIS 16 17 27, Rz 46).
|
|
|
56
|
(5) Die Erwägung des Klägers, aus
der in § 170 Abs. 2 InsO für die Umsatzsteuer getroffenen
Regelung (Erstattung an die Masse) folge im Umkehrschluss, dass der
Gesetzgeber für den Bereich der Ertragsteuern - mangels
Verpflichtung zur Kompensation auch dieser die Masse belastenden
Steuern - nicht von der Entstehung von Masseverbindlichkeiten
ausgegangen sei, vermag nicht zu überzeugen.
|
|
|
57
|
Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor,
dass mit dieser Norm mittelbar eine Regelung auch für den
Bereich der Ertragsteuern getroffen werden sollte. Vielmehr sind
die tatbestandlichen Voraussetzungen, die zur Annahme von
Masseverbindlichkeiten führen, u.a. in § 55 InsO
geregelt. Danach können allerdings - wie dargelegt - derartige
Verbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz
2 InsO auch ohne Handlung des Insolvenzverwalters „in anderer
Weise“ durch eine Fremdverwertung von zur
Masse gehörenden Gegenständen begründet werden.
|
|
|
58
|
(6) Ein anderes Auslegungsergebnis ergibt sich
auch nicht im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers, in der
Insolvenzantragstellung sei jedenfalls in solchen Fällen eine
Betriebsaufgabe des Steuerpflichtigen zu sehen, in denen der
Insolvenzschuldner mit der Antragstellung keine Fortführung
beabsichtige (innere Tatsache) und in der Folge eine solche auch
weder veranlasse noch an ihr mitwirke.
|
|
|
59
|
(a) Mit diesem Vorbringen rügt der
Kläger keinen Verfahrensfehler dergestalt, dass das FG keine
ausreichenden Feststellungen hinsichtlich des Zeitpunkts der
Betriebsaufgabe getroffen bzw. die Umstände in unvertretbarer
Weise dahingehend gewürdigt habe, dass der Zeitpunkt der
Insolvenzantragstellung nicht der Betriebsaufgabezeitpunkt gewesen
sei. Er wendet sich vielmehr gegen die Rechtsgrundsätze der
bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung.
|
|
|
60
|
(b) Nach der Rechtsprechung des Senats ist der
Eigenantrag des Schuldners auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens auch dann, wenn er vom Insolvenzgericht dem FA
mitgeteilt wird, in der Regel nicht als
Betriebsaufgabeerklärung anzusehen. Dies kann im Wesentlichen
damit begründet werden, dass eine
Betriebsaufgabeerklärung
„eindeutig“ sein muss. Ein
Insolvenzverfahren muss nach der Konzeption der InsO nicht etwa
stets zur Zerschlagung eines Betriebs führen, sondern kann
ebenso dessen Erhaltung zum Ergebnis haben. Selbst für den
Geltungsbereich der früheren Konkursordnung - die wesentlich
stärker als die heutige InsO auf die Zerschlagung der
betroffenen Unternehmen gerichtet gewesen sei - hat der BFH
entschieden, dass eine Betriebsaufgabe nicht bereits mit
Eröffnung des Konkursverfahrens, sondern erst durch die
Veräußerung der wesentlichen Betriebsgrundlagen
während des laufenden Verfahrens bewirkt wird (vgl.
Senatsbeschluss vom 01.10.2015 - X B 71/15, BFH/NV 2016, 34 = SIS 15 28 38, Rz 20 ff.).
|
|
|
61
|
(c) Der Kläger trägt - außer
dem Wunsch nach einer ergebnisorientierten Auslegung in seinem
Sinne - in der Sache keine beachtlichen Gründe vor, die
Zweifel an der Richtigkeit der vorstehenden Rechtsgrundsätze
begründen könnten. Im Gegenteil bestätigt - ohne
dass dies entscheidungsrelevant wäre - der Inhalt der
vorliegenden Verwaltungsakten die vom Senat in seinem Beschluss in
BFH/NV 2016, 34 = SIS 15 28 38 vertretene Sichtweise. So hat I in
dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom
24.09.2012 ausgeführt, dass neben ihm im Unternehmen noch drei
weitere Mitarbeiter beschäftigt seien. Die
Arbeitsverhältnisse seien noch nicht gekündigt. Der
Geschäftsbetrieb laufe bislang nach wie vor ohne
Einschränkung. Vorhandene Aufträge würden
abgearbeitet. Die Auftragslage sei gut. Da der
Geschäftsbetrieb nach wie vor laufe und umgehend
Entscheidungen im Hinblick auf eine Betriebsfortführung
getroffen werden müssten, werde um kurzfristige Bestellung
eines vorläufigen Insolvenzverwalters gebeten. Angesichts
dieser Aussagen, die auf eine mögliche
Betriebsfortführung abzielen, kann in der
Insolvenzantragstellung keine Betriebsaufgabeerklärung durch I
gesehen werden. Unabhängig davon, dass es an einer
ausdrücklichen Erklärung fehlt, kommt in der
Begründung zum Insolvenzantrag klar zum Ausdruck, dass I eine
Betriebsfortführung im Rahmen des Insolvenzverfahrens
erhoffte. Die Behauptung des Klägers, ein Schuldner
beabsichtige regelmäßig keine Fortführung, trifft
daher - insbesondere im Streitfall - nicht zu.
|
|
|
62
|
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
|