Die Revision des Klägers gegen das Urteil
des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 14.03.2019 - 4 K 1005/18 =
SIS SIS 19 07 98 wird als unbegründet zurückgewiesen. Die
Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
1
|
I. Mit Wirkung vom 26.10.2015 wurde
über das Vermögen der Frau S (Insolvenzschuldnerin) das
Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet und
der Kläger und Revisionskläger (Kläger) zum
Insolvenzverwalter bestellt.
|
|
|
2
|
Vor Verfahrenseröffnung war die
Insolvenzschuldnerin Eigentümerin des Grundstücks H in B,
auf dem sich die Gaststätte „K“ befand. Diese war
früher von ihr selbst betrieben worden. Zum Zeitpunkt der
Insolvenzeröffnung war der Betrieb eingestellt; die
Räumlichkeiten standen leer und waren nicht
verpachtet.
|
|
|
3
|
Mit Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts vom
20.01.2017 wurde das Grundstück im Rahmen einer
Zwangsversteigerung auf Betreiben der finanzierenden und durch eine
Grundschuld über 240.000 EUR im 1. Rang gesicherten
Gläubigerin, der V, für ein Bargebot in Höhe von
133.000 EUR veräußert.
|
|
|
4
|
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) ermittelte den Buchwert des Grund und Bodens
sowie des Gebäudes zum 20.01.2017 mit 124.067 EUR, so dass
sich ein Veräußerungsgewinn in Höhe von 8.933 EUR
ergab.
|
5
|
Da das FA die auf den
Veräußerungsgewinn entfallende Einkommensteuer in vollem
Umfang als Masseverbindlichkeit i.S. des § 55 der
Insolvenzordnung (InsO) ansah, setzte es mit dem an den Kläger
als Insolvenzverwalter gerichteten Vorauszahlungsbescheid für
das Streitjahr 2017 Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer in
Höhe von 468 EUR fest.
|
|
|
6
|
Mit seiner nach erfolglosem
Einspruchsverfahren erhobenen Klage hat der Kläger geltend
gemacht, die Versteigerung des Grundvermögens sei allein auf
Betreiben der Gläubigerbank aufgrund ihres bereits im
Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehenden
Grundpfandrechts ohne seine Beteiligung und ohne seine Zustimmung
erfolgt. Das Versteigerungsverfahren habe sich außerhalb der
Verwertungsbefugnisse des Insolvenzverwalters nach § 165 InsO
bewegt. Er sei dem Verfahren nicht beigetreten, so dass mangels
Verwertungshandlung i.S. des § 55 InsO keine
Masseverbindlichkeit habe begründet werden können. Dritte
könnten keinen steuerauslösenden Besteuerungstatbestand
verwirklichen und nicht nach ihrem Ermessen Verbindlichkeiten
zulasten der Masse begründen, zumal der Erlös aus dem
Zwangsversteigerungsverfahren in voller Höhe der betreibenden
Gläubigerin zugeflossen und die Insolvenzmasse daher nicht
vermehrt worden sei. Gerade im Hinblick auf die weiteren
beteiligten Gläubiger sei die Masse vor Kosten zu
schützen, denen keine Vorteile
gegenüberstünden.
|
|
|
7
|
Die Klage wies das Finanzgericht (FG) mit
in EFG 2019, 1114 = SIS 19 07 98 veröffentlichtem Urteil ab:
Das durch Zuschlag veräußerte Grundstück sei bei
Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Betriebsvermögen
der Insolvenzschuldnerin zur Insolvenzmasse gelangt. Dass dieses
Wirtschaftsgut auf Betreiben eines absonderungsberechtigten
Insolvenzgläubigers und nicht vom Kläger selbst
versteigert worden sei, stehe einer Anwendung des § 55 Abs. 1
Nr. 1 InsO nicht entgegen. Der Kläger habe von der anstehenden
Versteigerung gewusst und diese geduldet. Insbesondere habe er von
der Möglichkeit, das Grundstück zur Vermeidung von
Masseverbindlichkeiten aus dem Insolvenzbeschlag freizugeben,
keinen Gebrauch gemacht. Mit seiner Zuordnungsentscheidung, das
Grundstück weiterhin in der Insolvenzmasse zu belassen, habe
er - im Hinblick auf den Massebezug des steuerauslösenden
Vermögensgegenstandes - konkludent eine
Verwaltungsmaßnahme „in anderer Weise“
gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO getroffen.
Die Auffassung, dass bei einer Verwertung von
Vermögensgegenständen mit Absonderungsrechten stets eine
Verwertungshandlung durch den Insolvenzverwalter selbst, verbunden
mit einem zur Masse gelangenden Mehrerlös, erforderlich sei,
widerspreche hinsichtlich der Notwendigkeit eines Massezuflusses
der neuen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) und werde im
Übrigen dem größeren Handlungsspielraum des
Insolvenzverwalters nach der InsO im Vergleich zum Konkursverwalter
unter Geltung der Konkursordnung (KO) nicht gerecht. Das vom Kläger
angeführte BFH-Urteil vom 14.02.1978 - VIII R 28/73
(BFHE 124, 411, BStBl II
1978, 356 = SIS 78 01 99), welches die Entstehung von
Masseansprüchen verneine, sei unter Geltung der KO ergangen
und habe sich auf den Sonderfall bezogen, dass ein
absonderungsberechtigter Gläubiger die bereits vor
Eröffnung des Konkursverfahrens eingeleitete
Zwangsversteigerung eines Grundstücks des Gemeinschuldners
weiter betrieben habe, so dass der Konkursverwalter nicht mehr in
der Lage gewesen sei, die Verwertung durch den
absonderungsberechtigten Gläubiger zu verhindern bzw. durch
eine eigene Verwertungshandlung zu ersetzen. Dieser Sachverhalt sei
hier aber nicht gegeben.
|
|
|
8
|
Mit seiner Revision macht der Kläger
eine Verletzung des § 55 InsO geltend. Die Ansicht des FG,
dass die Zwangsversteigerung einer massezugehörigen Immobilie,
die ausschließlich auf Betreiben der absonderungsberechtigten
Bank erfolge, gleichzeitig auch als eine Verwertungshandlung des
Insolvenzverwalters nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu werten sei,
die ihrerseits Masseverbindlichkeiten auslöse, sei vom
Wortlaut der Vorschrift nicht gedeckt. Denn der Status des
belasteten Grundstücks, das bereits bei Eröffnung des
Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehört habe, habe sich
bis zur Versteigerung nicht verändert. Nach dem BFH-Urteil vom 16.05.2013 - IV R 23/11 (BFHE 241, 233, BStBl II 2013,
759 = SIS 13 20 28) komme es darauf an, wann und durch wen der
steuerauslösende (unselbständige) Besteuerungstatbestand
verwirklicht worden sei. In jenem Verfahren sei eine
freihändige Veräußerung zu beurteilen gewesen, so
dass Anknüpfungspunkt für die Verwirklichung des
Besteuerungstatbestandes eine Handlung des Insolvenzverwalters
gewesen sei. Das bloße Belassen in der Masse sei damit nicht
vergleichbar. Dies könne auch nicht aus der vom FG
angeführten „Duldung“ der Zwangsversteigerung
durch den Kläger als Insolvenzverwalter hergeleitet werden.
Nichts anderes gelte im Hinblick auf die vom FG angesprochene
Freigabe. Es gebe ein schutzwürdiges Interesse an dem Belassen
eines mit Absonderungsrechten belasteten Gegenstandes in der Masse.
Ein Versteigerungstermin führe nicht zwangsläufig zu
einem Zuschlag im Termin. Verbleibe der Gegenstand in der Masse,
stehe dem Insolvenzverwalter wieder die freihändige
Veräußerung oder eine anderweitige
Verwertungsmöglichkeit in Absprache mit den
absonderungsberechtigten Gläubigern als Instrument der
Massemehrung zur Verfügung. Würde die Nicht-Freigabe vor
einem Versteigerungstermin stets als Verwertungshandlung gewertet,
wäre dies in der künftigen Praxis der Insolvenzverwaltung
nur schwer umzusetzen. Im Übrigen gehörten nur solche
Gegenstände zur Insolvenzmasse, die für die Masse
verwertbar seien (Vermögenswert-Erfordernis). Im Streitfall
habe der Insolvenzmasse kein solcher Vermögenswert zur
Verfügung gestanden. Aufgrund bereits vor Eröffnung des
Insolvenzverfahrens eingetragener und noch valutierender
Grundschulden habe das in Rede stehende Grundstück
wertmäßig gerade nicht als Haftungsmasse für alle
Gläubiger zur Verfügung gestanden. Diese Immobilie
könne gleichsam als durch Belastungen wirtschaftlich
verbraucht angesehen werden, gleich einem vollständig
zerstörten oder nicht mehr existenten Gegenstand. Dieses
Ergebnis habe sich in der Zwangsversteigerung
bestätigt.
|
|
|
9
|
Der Kläger beantragt
sinngemäß, das angefochtene Urteil den
Einkommensteuervorauszahlungsbescheid für 2017 vom 24.02.2017
und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 04.12.2017
aufzuheben.
|
|
|
10
|
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
11
|
II. Die Revision ist unbegründet und nach
§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückzuweisen.
|
|
|
12
|
Zu Recht hat das FA die Einkommensteuer,
soweit sie auf den Gewinn der Insolvenzschuldnerin aus der
Veräußerung des Betriebsgrundstücks entfällt,
in dem angefochtenen Einkommensteuervorauszahlungsbescheid für
2017 vom 24.02.2017 als gegenüber dem Kläger als
Insolvenzverwalter festzusetzende Masseverbindlichkeit i.S. des
§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO erfasst.
|
|
|
13
|
1. Entscheidend für die Qualifikation der
Einkommensteuerschulden als Masseverbindlichkeiten ist im
Streitfall - § 55 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 InsO sind offensichtlich
nicht einschlägig -, ob die Voraussetzungen des § 55 Abs.
1 Nr. 1 InsO gegeben sind. Danach sind Masseverbindlichkeiten die
Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters
oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und
Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den
Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Vorliegend sind die
Tatbestandsmerkmale des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO
erfüllt.
|
|
|
14
|
a) Nach den nicht mit Verfahrensrügen
angegriffenen und daher den Senat gemäß § 118 Abs.
2 FGO bindenden Feststellungen des FG handelte es sich bei dem in
Rede stehenden Gaststättengrundstück der
Insolvenzschuldnerin um Betriebsvermögen, das in die
Insolvenzmasse fiel.
|
|
|
15
|
aa) Gemäß § 35 Abs. 1 InsO
erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem
Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
gehört und das er während des Verfahrens erlangt
(Insolvenzmasse). Vorliegend stand das Betriebsgrundstück
bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 26.10.2015 im
Eigentum der Insolvenzschuldnerin und wurde damit Bestandteil der
Insolvenzmasse. Der Umstand, dass es mit einer Grundschuld
zugunsten der V belastet war, ändert an der
Massezugehörigkeit nichts. Denn durch ein Absonderungsrecht
gemäß §§ 49 ff. InsO kann lediglich die
vorrangige Befriedigung aus bestimmten Gegenständen, welche
zur Haftungsmasse des Schuldners gehören, beansprucht werden
(vgl. Fehst/Engels, in
Sonnleitner, Insolvenzsteuerrecht, 2017, Kap. 2 Rz 81).
|
|
|
16
|
bb) Dieser Wertung steht das vom Kläger
angeführte „Vermögenswert-Erfordernis“
nicht entgegen.
|
|
|
17
|
(1) Der Kläger macht geltend, im
Streitfall habe kein Vermögenswert der Insolvenzmasse zur
Verfügung gestanden, da die Immobilie im Hinblick auf die
ihren Wert übersteigenden Belastungen wirtschaftlich
verbraucht gewesen sei, und beruft sich insoweit auf das BFH-Urteil
vom 21.03.2019 - III R 30/18 (BFHE 264, 106 = SIS 19 09 53). In
dieser Entscheidung hat der III. Senat des BFH ausgeführt,
dass die Verwertbarkeit des Gegenstands für die Feststellung
der Massezugehörigkeit keine Rolle spiele und daher auch
wertlose Gegenstände als Vermögensgegenstände zur
Insolvenzmasse gehörten. Sei der Gegenstand hingegen
verbraucht oder veräußert, so sei er dem
Gläubigerzugriff - vorbehaltlich der Gläubigeranfechtung
- entzogen. Dasselbe gelte, wenn die Sache vollständig
zerstört und nicht mehr existent sei, da sie dann keine
Haftungsfunktion mehr erfüllen könne (Rz 14). Vor diesem
Hintergrund hat der III. Senat des BFH in jenem Verfahren die
rechtliche Würdigung der Vorinstanz bestätigt, die
Kraftfahrzeugsteuer für das bei Insolvenzeröffnung
bereits völlig zerstörte und physisch nicht mehr
existente Fahrzeug sei keine Masseverbindlichkeit gemäß
§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO (Rz 15 f.).
|
|
|
18
|
(2) Entgegen der Auffassung des Klägers
sind die vorstehenden Rechtsgrundsätze auf den vorliegenden
Streitfall nicht übertragbar.
|
|
|
19
|
Denn das Gaststättengrundstück der
Insolvenzschuldnerin war nicht wirtschaftlich - durch Aufhebung der
Nutzungsmöglichkeiten - verbraucht, veräußert oder
untergegangen. Vielmehr stellte es einen vorhandenen erheblichen
Vermögenswert dar, wie der erzielte
Veräußerungspreis in Höhe von 133.000 EUR zeigt.
Dem Grundstück kann daher nicht generell seine
Haftungsfunktion abgesprochen werden, auch wenn im konkreten Fall
der Wert des Grundvermögens nicht zur vollständigen
Begleichung der valutierenden Grundschulden ausgereicht hat.
|
|
|
20
|
(3) Nichts anderes gilt unter
Berücksichtigung der weiteren Argumentation des Klägers.
Bereits sein eigenes Verhalten belegt, dass dem Grundstück
eine Funktion als Haftungsmasse zukam. Der Kläger hat sich nie
dahingehend geäußert, dass die Immobilie mangels
Eigenschaft als Vermögenswert nicht zur Insolvenzmasse
gehöre. Er hat die Immobilie angesichts einer möglichen
Veräußerung im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens
und einer möglichen Belastung der Insolvenzmasse mit
Einkommensteuer trotz deren angeblicher Wertlosigkeit auch nicht
freigegeben. Vielmehr hat er Gründe angeführt, die gegen
eine Freigabe derartiger Gegenstände durch den
Insolvenzverwalter sprächen; er geht also selbst von einer
Massezugehörigkeit aus. In diesem Zusammenhang hat er
insbesondere erläutert, eine Freigabe könne nicht
voreilig erfolgen, da ein vom absonderungsberechtigten
Gläubiger veranlasster Versteigerungstermin nicht
zwangsläufig mit einem Zuschlag ende und nachfolgend wieder
Verwertungsmöglichkeiten durch den Insolvenzverwalter
bestünden, beispielsweise die freihändige
Veräußerung in Absprache mit dem
absonderungsberechtigten Gläubiger „als Instrument
der Massemehrung“ zur Verfügung stehe. Die insoweit
vom Kläger angesprochene freihändige Verwertung
lässt Kostenbeiträge für die Masse erwarten (vgl.
MüKoInsO/Peters, 4. Aufl., § 35 Rz 105;
MüKoInsO/Kern, a.a.O, § 165 Rz 174). Auch angesichts
dessen kann dem Betriebsgrundstück der Insolvenzschuldnerin
die Bedeutung als Haftungsmasse nicht abgesprochen werden.
|
|
|
21
|
b) Die auf den Veräußerungsgewinn
des Insolvenzschuldners entfallende Einkommensteuer erfüllte -
was die Zuordnung zu den
insolvenzrechtlichen Forderungskategorien betrifft - die
Voraussetzungen für die Annahme einer
Masseverbindlichkeit.
|
|
|
22
|
aa) Im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung
bereits begründete Steueransprüche sind zur
Insolvenztabelle anzumelden. Nach Insolvenzeröffnung
begründete Steueransprüche, die als
Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 InsO zu qualifizieren
sind, sind gegenüber dem Insolvenzverwalter durch
Steuerbescheid festzusetzen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 16.07.2015 -
III R 32/13, BFHE 251, 102, BStBl II 2016, 251 = SIS 15 28 90, Rz
19). Alle sonstigen Ansprüche sind insolvenzfrei. Die
einheitliche Einkommensteuerschuld ist gegebenenfalls in eine
Insolvenzforderung, eine Masseforderung und eine insolvenzfreie
Forderung aufzuteilen (vgl. Senatsurteil vom 18.05.2010 - X R
60/08, BFHE 229, 62, BStBl II 2011, 429 = SIS 10 22 02, Rz 35). Die
Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und (sonstigen)
Masseverbindlichkeiten richtet sich ausschließlich nach dem
Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Begründung. Entscheidend
ist dabei, ob und wann ein Besteuerungstatbestand nach seiner Art
und Höhe tatbestandlich verwirklicht und damit die
Steuerforderung insolvenzrechtlich begründet worden ist. Dies
richtet sich allein nach steuerrechtlichen Grundsätzen
(ständige Rechtsprechung, so bereits BFH-Urteile vom
16.11.2004 - VII R 75/03, BFHE 208, 296, BStBl II 2006, 193 = SIS 05 17 32, unter II.2.; vom 29.08.2007 - IX R 4/07, BFHE 218, 435,
BStBl II 2010, 145 = SIS 07 36 27, unter III.2.b dd (1), m.w.N.,
sowie in BFHE 241,
233, BStBl II 2013, 759 = SIS 13 20 28, Rz 19). Für die
insolvenzrechtliche Begründung des Einkommensteueranspruchs
kommt es deshalb darauf an, ob der einzelne (unselbständige)
Besteuerungstatbestand - insbesondere die Erzielung von
Einkünften nach § 2 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes
(EStG) - vor oder nach Insolvenzeröffnung verwirklicht wurde.
Entscheidend ist, wann der Tatbestand, an den die Besteuerung
knüpft, vollständig verwirklicht ist (so bereits
BFH-Urteil in BFHE 241, 233, BStBl II 2013, 759 = SIS 13 20 28, Rz
19). Auf die steuerrechtliche Entstehung der Ansprüche aus dem
Steuerschuldverhältnis (z.B. § 38 der Abgabenordnung
i.V.m. § 36 Abs. 1 EStG) und deren Fälligkeit kommt es
dagegen nicht an (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsurteil
vom 09.12.2014 - X R 12/12, BFHE 253, 482, BStBl II 2016, 852 = SIS 16 17 27, Rz 26).
|
|
|
23
|
bb) Nach Maßgabe dieser Grundsätze
hat das FA zu Recht die auf den Veräußerungsgewinn
entfallende Einkommensteuerschuld der Kategorie der
Masseverbindlichkeit zugeordnet und dementsprechend gegenüber
dem Kläger als Insolvenzverwalter durch Vorauszahlungsbescheid
festgesetzt (vgl. FG München, Urteil vom 27.07.2011 - 1 K
2410/08, EFG 2012, 71 = SIS 11 38 51, Rz 27; FG Düsseldorf,
Urteil vom 21.07.2016 - 11 K 613/13 E, EFG 2016, 1906 = SIS 16 24 56, Rz 37). Im Streitfall ist nämlich der in Rede stehende
Besteuerungstatbestand - Einkünfte aus Gewerbebetrieb durch
Veräußerung des zum Betriebsvermögen der
Insolvenzschuldnerin gehörenden Grundstücks (vgl. §
15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG) - nach Insolvenzeröffnung
verwirklicht worden.
|
|
|
24
|
Zwar ist vorliegend der Besteuerungstatbestand
nicht durch eine Veräußerung seitens des
Insolvenzverwalters selbst, sondern durch das Verhalten eines
absonderungsberechtigten Insolvenzgläubigers ausgelöst
worden, der ein - im Laufe des Insolvenzverfahrens beantragtes -
Zwangsversteigerungsverfahren betrieb. Erst mit dem Zuschlag endete
aber die Zugehörigkeit des Grundstücks zum
Betriebsvermögen. Durch diesen Vorgang wurden stille Reserven
aufgedeckt. Auch wenn diese schon vor Eröffnung des
Insolvenzverfahrens entstanden waren (vgl. BFH-Beschluss vom
27.10.2016 - IV B 119/15, BFH/NV 2017, 320 = SIS 17 01 99, Rz 7),
scheidet die Annahme eines bereits vor Insolvenzeröffnung
begründeten Steueranspruchs aus. Vielmehr ist angesichts des
Zeitpunkts der Gewinnrealisierung aufgrund der
Veräußerung des zur Masse gehörenden
Grundvermögens - vorbehaltlich der nachfolgenden Prüfung
- bei der hierauf entfallenden Einkommensteuer von einer
Masseverbindlichkeit auszugehen.
|
|
|
25
|
c) Die Einkommensteuerschulden betreffend die
gewerblichen Einkünfte aus der Veräußerung des
Betriebsgrundstücks sind - als weitere Voraussetzung für
die Begründung von Masseverbindlichkeiten gemäß
§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO - „in anderer Weise
durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der
Insolvenzmasse“ begründet worden; sie gehören
nicht zu den Kosten des Insolvenzverfahrens gemäß §
54 InsO.
|
|
|
26
|
aa) Nach der Rechtsprechung des IV. Senats des
BFH ist die aus der Veräußerung eines zur Insolvenzmasse
gehörenden Betriebsgrundstücks resultierende
Einkommensteuer, die auf der freihändigen Verwertungshandlung
des Insolvenzverwalters beruht, als sonstige Masseverbindlichkeit
i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu qualifizieren (vgl.
BFH-Urteil in BFHE 241,
233, BStBl II 2013, 759 = SIS 13 20 28, Rz 22). Die
Anknüpfung der Besteuerung an die
„Realisationshandlung“ gilt uneingeschränkt
auch dann, wenn sie nicht der Steuerpflichtige selbst, sondern der
Insolvenzverwalter im Rahmen seiner Verwaltungsbefugnis nach §
80 Abs. 1 InsO vorgenommen hat. Diese Grundsätze sind auch
dann anzuwenden, wenn durch die Veräußerung nach
Insolvenzeröffnung stille Reserven aufgedeckt werden, die vor
Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind (Rz 23 f.).
Die Einkommensteuer auf den Veräußerungsgewinn ist auch
dann in voller Höhe Masseverbindlichkeit, wenn das verwertete
Wirtschaftsgut mit Absonderungsrechten belastet gewesen ist und -
nach Vorwegbefriedigung der absonderungsberechtigten Gläubiger
aus dem Verwertungserlös - der (tatsächlich) zur Masse
gelangte Erlös nicht ausreicht, um die aus der
Verwertungshandlung resultierende Einkommensteuerforderung zu
befriedigen (Rz 29; vgl. auch Senatsurteile in BFHE 253, 482, BStBl
II 2016, 852 = SIS 16 17 27, Rz 46, und vom 03.08.2016 - X R 25/14,
BFH/NV 2017, 317 = SIS 17 01 98, Rz 33).
|
|
|
27
|
Nach der Rechtsprechung des erkennenden
Senats, die zur Beteiligung des Insolvenzschuldners an einer
Personengesellschaft ergangen ist, werden Masseverbindlichkeiten
„in anderer Weise durch die Verwaltung der
Insolvenzmasse“ begründet, wenn die Entstehung der
Steuerverbindlichkeit ihre Ursache in der zur Masse gehörenden
Beteiligung des Steuerpflichtigen an der Personengesellschaft und
der daraus entstehenden Teilhabe an deren Ergebnissen hat (vgl.
Urteil in BFHE 229, 62, BStBl II 2011, 429 = SIS 10 22 02, Rz 41
f.). An dieser Rechtsprechung hat er in seinem Urteil vom
10.07.2019 - X R 31/16 (BFHE 265, 300 = SIS 19 18 76) - für den
vergleichbaren Fall einer (treuhänderischen) Beteiligung an
einer Personengesellschaft - festgehalten und betont, dass es
insoweit keiner - über die allgemeine Verwaltung der
Insolvenzmasse (bzw. der ihr zugehörenden
Wirtschaftsgüter) hinausgehenden - besonderen
Verwaltungsmaßnahme bedürfe (Rz 47). Da die
(treuhänderische) Beteiligung an der Personengesellschaft in
der Insolvenzmasse gebunden sei, könne der (anteilige) Gewinn
aus der Personengesellschaft aufgrund der Regelung des § 80
Abs. 1 InsO grundsätzlich nicht dem Insolvenzschuldner (in
dessen insolvenzfreies Vermögen) zufließen. Gleichwohl
würde der Insolvenzschuldner - verneinte man
Masseverbindlichkeiten - mit der hierauf entfallenden
Einkommensteuer belastet. Dieses Ergebnis erscheine nicht
sachgerecht (Rz 53). Regelmäßig sei ein Gleichklang
zwischen der Massezugehörigkeit und der damit einhergehenden
Steuerbelastung herzustellen. Die Entrichtungspflicht des
Insolvenzverwalters für die anteilige Einkommensteuer ordne
die Steuerlast derjenigen Vermögensmasse zu, in deren Bereich
sie entstanden sei (Rz 53). Der Insolvenzverwalter könne daher
die Zuordnung der entstandenen Einkommensteuer nicht in einem
Schwebezustand halten, indem er weder die Freigabe erkläre
noch eine ausdrückliche Verwaltungshandlung nach § 55
Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 InsO vornehme. Vielmehr müsse er die
aus der weiteren Massezugehörigkeit der
(treuhänderischen) Beteiligung an einer Personengesellschaft
erwachsene Einkommensteuer als Verbindlichkeit gegen die Masse
gelten lassen und hinnehmen (Rz 55).
|
|
|
28
|
bb) Diese Rechtsgrundsätze gelten
sinngemäß auch für den hier gegebenen Fall, dass
ein zur Insolvenzmasse gehörendes und mit einem
Absonderungsrecht belastetes Betriebsgrundstück nach
Insolvenzeröffnung auf Betreiben eines
Grundpfandgläubigers ohne Zutun des Insolvenzverwalters
versteigert und hierdurch - infolge Aufdeckung stiller Reserven -
ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn des
Insolvenzschuldners entsteht, ohne dass ein Teil des
Veräußerungserlöses zur Masse gelangt. Demzufolge
ist die auf den Gewinn aus der Versteigerung des
Gaststättengrundstücks der Insolvenzschuldnerin
entfallende Einkommensteuer eine „in anderer
Weise“ durch die Verwaltung bzw. Verwertung der
Insolvenzmasse begründete Masseverbindlichkeit.
|
|
|
29
|
(1) Dem Kläger ist zuzugeben, dass der
IV. Senat des BFH in seinem Urteil in BFHE 241, 233, BStBl II 2013,
759 = SIS 13 20 28 für das insolvenzrechtliche
„Begründetsein“ u.a. darauf abstellt,
„durch wen“ der steuerauslösende
(unselbständige) Besteuerungstatbestand i.S. des § 2 Abs.
1 EStG (vollständig) verwirklicht worden ist (Rz 23).
|
|
|
30
|
Der Kontext dieser Urteilspassage lässt
allerdings erkennen, dass der IV. Senat des BFH mit seiner Aussage
lediglich der nachfolgend (Rz 24) von ihm erörterten
Auffassung im insolvenzrechtlichen Schrifttum entgegentreten
wollte, die aus der Aufdeckung stiller Reserven resultierende
Einkommensteuer sei nur insoweit als sonstige Masseverbindlichkeit
zu qualifizieren, als die stillen Reserven nach
Insolvenzeröffnung entstanden seien, im Übrigen handle es
sich um Insolvenzforderungen. Angesichts dessen macht der IV. Senat
deutlich, dass die vollständige Verwirklichung des
Besteuerungstatbestandes als maßgeblicher Zeitpunkt für
die Abgrenzung (zwischen Insolvenzforderung und
Masseverbindlichkeit) anzusehen sei und die Anknüpfung der
Besteuerung an die „Realisationshandlung“
uneingeschränkt auch dann gelte, wenn sie nicht der
Steuerpflichtige selbst, sondern der Insolvenzverwalter im Rahmen
seiner Verwaltungsbefugnis nach § 80 Abs. 1 InsO vorgenommen
habe (Rz 23). Dies soll erklären, dass die
Realisationshandlung auch durch den Insolvenzverwalter erfolgen
kann.
|
|
|
31
|
Entgegen der Auffassung des Klägers ist
mit der Benennung des Steuerpflichtigen und des Insolvenzverwalters
in dem vorstehend genannten BFH-Urteil in BFHE 241, 233, BStBl II
2013, 759 = SIS 13 20 28 keine abschließende Aufzählung
derjenigen Personen verbunden, durch deren Verhalten der
Besteuerungstatbestand vollständig verwirklicht werden kann.
Dies zeigt der vorliegende Fall. So ist es - wie oben dargelegt -
(vgl. unter II.1.b bb) zur Gewinnrealisation erst durch die
Veräußerung des Betriebsgrundstücks infolge
Zuschlags gekommen. Da dies der maßgebliche Zeitpunkt
für die Abgrenzung ist, scheidet eine Zuordnung der hieraus
resultierenden Einkommensteuer zu der insolvenzrechtlichen
Kategorie der Insolvenzforderung aus (a.A. Gottwald/Frotscher,
Insolvenzrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2015, § 42, Rz 222,
für den Fall, dass der Absonderungsberechtigte zugleich
Insolvenzgläubiger ist). Solches vertritt im Übrigen auch
der Kläger nicht.
|
|
|
32
|
(2) Kann vorliegend die streitige Zuordnung
der Einkommensteuer zu den Masseverbindlichkeiten nicht an der
Person des Handelnden festgemacht werden, da der
absonderungsberechtigte Gläubiger (auch) nicht dem Bereich des
Insolvenzverwalters zuzurechnen ist, sondern die Stellung eines
Dritten einnimmt, so bleibt als Anknüpfungspunkt allein der
Umstand bestehen, dass der Vermögensgegenstand bis zur
Verwertung mit Willen des Insolvenzverwalters Teil der
Insolvenzmasse gewesen ist.
|
|
|
33
|
Dementsprechend hat der Senat in seiner oben
dargestellten Rechtsprechung die - hier gegebene -
Massezugehörigkeit des Vermögensgegenstandes sowie dessen
fehlende Freigabe durch den Insolvenzverwalter als entscheidende
Wertungsmomente angesehen. Das FG hat daher im Streitfall zu Recht
darauf abgestellt, dass der Kläger das
Gaststättengrundstück bis zum Versteigerungstermin nicht
freigegeben hatte.
|
|
|
34
|
(a) Wie bereits unter der KO anerkannt, kann
der Insolvenzverwalter einzelne Gegenstände oder Rechte aus
der Insolvenzmasse freigeben. Auch wenn diese Möglichkeit in
der Insolvenzordnung keinen ausdrücklichen Niederschlag
gefunden hat, wird sie in § 32 Abs. 3 Satz 1 InsO
vorausgesetzt und gilt als zulässig (vgl. Fehst/Engels,
a.a.O., Kap. 2 Rz 74). Bei der echten Freigabe wird der Gegenstand
aus dem Insolvenzbeschlag gelöst und der Schuldner erlangt die
Verfügungsmacht über ihn zurück. Die echte Freigabe
kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Kosten für die
Verwaltung und Verwertung des Gegenstandes den voraussichtlichen
Verwertungserlös übersteigen werden (vgl.
MüKoInsO/Peters, a.a.O., § 35 Rz 99).
|
|
|
35
|
(b) Unter Berücksichtigung dessen werden
bei einer Freigabe die Interessen des Insolvenzverwalters
hinreichend gewahrt. Für diesen ist regelmäßig
frühzeitig absehbar, ob ein Gegenstand für die Masse
belastend und daher freizugeben ist (vgl. Debus/Hackl, EWiR 2019,
535, 536).
|
|
|
36
|
Der Senat braucht vorliegend nicht zu
entscheiden, ob etwas anderes gelten könnte, wenn der dem
Insolvenzverwalter von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
bis zum Zwangsversteigerungstermin zur Verfügung stehende
Zeitraum nicht ausreichend wäre, um sämtliche für
die Entscheidung zur Freigabe relevanten Daten zu ermitteln und zu
bewerten. Im Streitfall lagen zwischen Eröffnung des
Insolvenzverfahrens am 26.10.2015 und dem Zuschlagbeschluss am
20.01.2017 mehr als zwölf Monate, so dass der Kläger
genügend Zeit für eine tatsachenbasierte Entscheidung zur
Freigabe des Gaststättengrundstücks aus der
Insolvenzmasse hatte. Er hat auch nicht vorgebracht, er sei
diesbezüglich - aufgrund zeitlicher Einschränkungen - vor
dem Zwangsversteigerungstermin nicht in der Lage gewesen, sich
über die maßgeblichen Verhältnisse kundig zu machen
oder Versuche einvernehmlicher Verwertungslösungen zu
unternehmen. Entsprechendes gilt für die - im Streitfall nicht
geplante - Einbeziehung des Grundstücks in ein
Insolvenzplanverfahren; insoweit hätte zudem die
Möglichkeit zur einstweiligen Einstellung der
Zwangsversteigerung gemäß § 30d Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die
Zwangsverwaltung (ZVG) bestanden.
|
|
|
37
|
(c) Im Übrigen musste der Kläger in
Erwägung ziehen, dass bei Nicht-Freigabe des
Betriebsgrundstücks möglicherweise Masseverbindlichkeiten
entstehen könnten, auch wenn zum Zeitpunkt seiner
Zuordnungsentscheidung vor dem Zuschlagsbeschluss noch keine
gerichtliche Entscheidung zu dem hier gegebenen Sachverhalt vorlag.
Mit dem BFH-Urteil in BFHE 241, 233, BStBl II 2013, 759 = SIS 13 20 28 hatte sich die höchstrichterliche Rechtsprechung
grundlegend geändert. In dieser Entscheidung hatte der IV.
Senat selbst erwogen, die Änderung der bisherigen
Rechtsprechung könne die praktische Folge nach sich ziehen,
dass der Verwalter künftig von der Möglichkeit der
Freigabe des belasteten Gegenstands Gebrauch machen werde, um die
Masse nicht mit aus Steueransprüchen resultierenden
Masseverbindlichkeiten zu belasten (Rz 36). Dementsprechend gab es
in der Folgezeit Stimmen in der Literatur, die eine Freigabe zur
Vermeidung von Masseverbindlichkeiten nahelegten und auch keine
Verpflichtung des Insolvenzverwalters annahmen, die Verwertung
durch einen Grundpfandgläubiger abzuwarten, wenn der
Grundbesitz - wie vorliegend - über den Verkehrswert hinaus
belastet war (vgl. K. Schmidt InsO/Sinz, 19. Aufl. 2016, InsO,
§ 165, Rz 34).
|
|
|
38
|
(3) Entgegen der Auffassung des Klägers
geht die vom FG - in Übereinstimmung mit den vom BFH
entwickelten Rechtsgrundsätzen - vorgenommene Auslegung nicht
über den Wortlaut des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO hinaus. Im
Unterschied zu den „durch Handlungen des
Insolvenzverwalters“ begründeten
Masseverbindlichkeiten (Halbsatz 1) können solche auch ohne
aktive Maßnahme des Insolvenzverwalters „in anderer
Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der
Insolvenzmasse begründet“ werden (Halbsatz 2).
Vorliegend handelt es sich um die Verwertung von Insolvenzmasse,
die ebenfalls vom eindeutigen Wortlaut des § 55 Abs. 1 Nr. 1
Halbsatz 2 InsO gedeckt wird. Würde man auch für die
zweite Alternative eine aktive Maßnahme des Verwalters
verlangen, käme ihr kein eigenständiger Regelungsgehalt
zu, da stets schon die erste Alternative einschlägig
wäre. Die zweite Alternative soll gerade Forderungen erfassen,
die kausal durch die Insolvenzverwaltung, aber ohne aktive
Mitwirkung des Verwalters ausgelöst werden.
|
|
|
39
|
(a) Die Richtigkeit dieser Auslegung zeigt die
folgende Kontrollüberlegung: Wäre eine vom
Insolvenzverwalter selbst veranlasste Verwertung als zwingende
Voraussetzung für die Anwendung des § 55 Abs. 1 Nr. 1
Halbsatz 2 InsO zu fordern, wäre die durch die
Zwangsversteigerung eines massezugehörigen
Vermögenswertes durch einen Dritten entstehende
Einkommensteuerschuld selbst dann keine Masseverbindlichkeit, wenn
infolge der Zwangsversteigerung - nach Vorwegbefriedigung des
Absonderungsberechtigten - ein (erheblicher) Erlös der Masse
zuflösse und diese bereicherte. Diese nicht gewollte
Konsequenz bestätigt den Senat in seiner im Urteil in BFHE
265, 300 = SIS 19 18 76, geäußerten Ansicht, dass nach
Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete
Einkommensteuern, die im Zusammenhang mit einem
massezugehörigen Vermögensgegenstand stehen, als
Masseverbindlichkeiten zu qualifizieren sind. Dies entspricht dem
regelmäßig herzustellenden Gleichklang zwischen der
Massezugehörigkeit des verwerteten Vermögensgegenstandes
und der damit einhergehenden Steuerbelastung.
|
|
|
40
|
(b) Die vorstehend angenommene Fallgestaltung
macht zugleich deutlich, dass eine andere als die hier vorgenommene
Auslegung mit Gerechtigkeitsvorstellungen nicht vereinbar
wäre. Beträfe die auf den Veräußerungsgewinn
entfallende Einkommensteuer das insolvenzfreie Vermögen der
Insolvenzschuldnerin, wäre diese belastet, obwohl der
über die Befriedigung des Absonderungsberechtigten
hinausgehende Erlös wegen der nicht gelösten
Massezugehörigkeit des Vermögensgegenstandes nicht ihr,
sondern vielmehr der Masse zugutekäme.
|
|
|
41
|
(c) Dem hier gefundenen Ergebnis steht das vom
Kläger bereits im Klageverfahren angeführte BFH-Urteil
in BFHE 124, 411, BStBl II
1978, 356 = SIS 78 01 99, nicht entgegen. Insbesondere ist der
Senat im Hinblick auf dieses Urteil nicht zur Einleitung eines
Verfahrens gemäß § 11 Abs. 3 FGO verpflichtet, da
dies die abweichende Beantwortung derselben Rechtsfrage
voraussetzt. Eine identische Rechtsfrage liegt nicht vor, wenn die
frühere Entscheidung zwar zu derselben Rechtsnorm ergangen
ist, aber einen Sachverhalt betraf, der mit dem des erkennenden
Senats nicht vergleichbar ist (vgl. Gräber/Teller,
Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 11 Rz 4).
|
|
|
42
|
Wie schon das FG zutreffend erkannt hat, ist
das Urteil in BFHE 124, 411, BStBl II 1978, 356 = SIS 78 01 99 noch
unter Geltung der KO ergangen und hat sich auf den Sonderfall
bezogen, dass ein absonderungsberechtigter Gläubiger die
vor Eröffnung des Konkursverfahrens eingeleitete
Zwangsversteigerung eines Grundstücks des Gemeinschuldners
weiter betrieb. Hier hat es der VIII. Senat als entscheidend
angesehen, dass der Konkursverwalter nicht mehr in der Lage gewesen
sei, die Verwertung durch den absonderungsberechtigten
Gläubiger zu verhindern bzw. durch eine eigene
Verwertungshandlung zu ersetzen. Insoweit unterscheidet sich der
vom VIII. Senat entschiedene Fall vom vorliegend zu beurteilenden
Sachverhalt, in dem das Zwangsversteigerungsverfahren erst nach der
Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingeleitet worden ist, so
dass der Kläger als Insolvenzverwalter eigene
Verwertungsmöglichkeiten gehabt hätte.
|
|
|
43
|
Dem Insolvenzverwalter steht - neben der
Zwangsversteigerung eines unbeweglichen Gegenstandes der
Insolvenzmasse auf sein Betreiben gemäß § 165 InsO
i.V.m. §§ 172 ff. ZVG (vgl. Flöther in
Kübler/Prütting/Bork, InsO, 83. Lieferung 02.2020, §
165 InsO, Rz 9; Uhlenbruck/Brinkmann, InsO, § 165, Rz 1 f.) -
die aus der allgemeinen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis
entspringende Befugnis zu freihändiger Verwaltung und
Veräußerung zu. Dies gilt sowohl bei Lastenfreiheit des
Gegenstandes als auch dann, wenn ein Dritter ein auf Befriedigung
zielendes beschränktes Recht an ihm hat und zur Absonderung
berechtigt ist. Im letzteren Falle endet die Befugnis zur eigenen
Verwaltung und zu freihändiger Veräußerung erst,
wenn der Absonderungsberechtigte die Zwangsvollstreckung betreibt
und das Objekt unter Beschlag gerät (vgl.
Nerlich/Römermann/Becker, 41. EL Juni 2018, InsO, § 165,
Rz 18; Flöther, a.a.O., § 165, Rz 7, 7b). Danach
hätte der Kläger bis zur Eröffnung des
Zwangsversteigerungsverfahrens auf Antrag der V von der
Möglichkeit eigener Verwertungshandlungen Gebrauch machen
können.
|
|
|
44
|
Masseverbindlichkeiten scheiden auch nicht
deshalb aus, weil vorliegend der Versteigerungserlös nicht in
die Insolvenzmasse geflossen ist. Im Einklang mit der
Rechtsprechung des IV. Senats (vgl. Urteil in BFHE 241, 233, BStBl
II 2013, 759 = SIS 13 20 28, Rz 29 f.) kommt es hierauf nicht an
(so schon Senatsurteil in BFHE 253, 482, BStBl II 2016, 852 = SIS 16 17 27, Rz 46). Im Übrigen wird zwar der Erlös aus dem
Zwangsversteigerungsverfahren nach dem ZVG außerhalb des
Insolvenzverfahrens erzielt. Ein nach Befriedigung der
Absonderungsberechtigten verbleibender Überschuss fließt
jedoch in die Insolvenzmasse zurück und ist damit Gegenstand
der Verteilung im Insolvenzverfahren (vgl. Nerlich/Römermann/
Becker, a.a.O., § 165, Rz 14). Insoweit genügt der mit
der Massezugehörigkeit verbundene potenzielle
Massezufluss.
|
|
|
45
|
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
|