Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.6.2015 15 K
3256/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu
tragen.
1
|
I. Klägerin und Revisionsklägerin
(Klägerin) ist eine nach britischem Recht errichtete Limited.
Sie erwarb mit Wirkung zum 1.3.2005 alle Aktien an der
A-AG.
|
|
|
2
|
Die A-AG war zu 100 % an einer britischen
Limited beteiligt, die ihrerseits 100 % der Anteile an der
B-Holding hielt. Die B-Holding war zunächst zu 100 % an der
grundbesitzenden D-GmbH und diese wiederum zu 99,99958 % an der
grundbesitzenden E-AG beteiligt; Inhaberin der restlichen Aktien an
der E-AG von 0,00042 % war die A-AG. Die E-AG hielt eine
große Anzahl von Beteiligungen von mindestens 95 % an
Kapital- und Personengesellschaften, zu deren Vermögen
ebenfalls inländische Grundstücke gehörten.
|
|
|
3
|
Mit Vertrag vom 15.12.2004, also vor dem
Aktienerwerb der Klägerin, wurde die C-KG gegründet.
Kommanditistin mit einer Beteiligung von 100 % am
Gesellschaftsvermögen wurde die B-Holding und
Komplementärin mit einer Beteiligung von 0 % die C-GmbH. Die
B-Holding leistete ihre Kommanditeinlage durch Einbringung eines
Geschäftsanteils an der D-GmbH; nach der Einbringung war die
C-KG zu 5,09 % an der D-GmbH beteiligt. Die restlichen Anteile an
der D-GmbH von 94,91 % hielt weiterhin die B-Holding. Diese war
auch zu 94,04 % an der C-GmbH beteiligt; die weiteren Anteile von
5,96 % an der C-GmbH hielt eine andere GmbH, deren Anteilseignerin
eine Bank zu 100 % war.
|
|
|
4
|
Das Finanzamt ... (FA-D), in dessen Bezirk
sich die geschäftlichen Oberleitungen der grundbesitzenden
D-GmbH und E-AG befanden, bat die E-AG, wegen der
grunderwerbsteuerrechtlichen Relevanz des Aktienerwerbs der
Klägerin eine Anzeige zu erstatten. Mit Schreiben vom
11.3.2005 zeigte die E-AG dem FA-D an, durch den Anteilserwerb habe
in den nachgeordneten Personengesellschaften eine
steuerbegründende mittelbare Änderung des
Gesellschafterbestandes nach § 1 Abs. 2a des
Grunderwerbsteuergesetzes in der für 2005 maßgeblichen
Fassung (GrEStG) stattgefunden. Eine Anlage zum Schreiben enthielt
Angaben zu den von der E-AG gehaltenen Anteilen von mindestens 95 %
an Personengesellschaften und die Bezeichnung der diesen
gehörenden Grundstücke. Weitere grunderwerbsteuerbare
Sachverhalte, insbesondere eine Anteilsvereinigung nach § 1
Abs. 3 GrEStG, seien nicht erfüllt worden.
|
|
|
5
|
Nach einer Außenprüfung, die
sich auf die Grunderwerbsteuer erstreckte, vertrat das mit der
Prüfung beauftragte Finanzamt die Auffassung, dass der Erwerb
der Aktien an der A-AG durch die Klägerin zu einer
Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG geführt
habe. Für die Gründung und Zwischenschaltung der C-KG
seien weder wirtschaftliche noch sonst beachtliche
außersteuerliche Gründe erkennbar; insoweit sei von
einem Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten (§
42 der Abgabenordnung - AO - ) auszugehen.
|
|
|
6
|
Mit Bescheid vom 20.12.2010 stellte der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - )
gegenüber der Klägerin die Besteuerungsgrundlagen
für eine am 1.3.2005 verwirklichte Vereinigung von Anteilen an
der A-AG fest. Der Feststellungsbescheid betraf die
inländischen Grundstücke, die der D-GmbH, der E-AG sowie
den von der E-AG gehaltenen Kapitalgesellschaften
gehörten.
|
|
|
7
|
Das Finanzgericht (FG) wies die nach
erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage ab. Das Urteil ist
in EFG 2015, 1623 = SIS 15 19 58 veröffentlicht. Das FG
stützte seine Entscheidung nicht auf das Vorliegen eines
Gestaltungsmissbrauchs i.S. des § 42 AO, sondern auf eine
unmittelbare Anwendung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 2
GrEStG.
|
|
|
8
|
Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin die Verletzung rechtlichen Gehörs, die
fehlerhafte Anwendung von § 169 Abs. 1 Satz 1 AO und § 1
Abs. 3 GrEStG sowie die Nichtgewährung von
Vertrauensschutz.
|
|
|
9
|
Die Klägerin beantragt, die
Vorentscheidung, den Feststellungsbescheid vom 20.12.2010 und die
Einspruchsentscheidung vom 19.9.2012 aufzuheben.
|
|
|
10
|
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
|
|
|
11
|
II. Die Revision ist unbegründet und war
deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zutreffend erkannt,
dass die Klägerin durch den Erwerb der Aktien an der A-AG den
Tatbestand der Anteilsvereinigung gemäß § 1 Abs. 3
Nr. 1 bzw. Nr. 2 GrEStG erfüllt hat und der Bescheid über
die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die
Grunderwerbsteuer vom 20.12.2010 innerhalb der Feststellungsfrist
ergangen ist.
|
|
|
12
|
1. Gehört zum Vermögen einer
Gesellschaft ein inländisches Grundstück, unterliegt nach
§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Steuer - soweit eine Besteuerung
nach Abs. 2a der Vorschrift nicht in Betracht kommt - ein
Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines
oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, wenn durch
die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der
Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers vereinigt werden
würden. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG unterliegt der
Steuer auch die unmittelbare oder mittelbare Vereinigung von
mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft, wenn kein
schuldrechtliches Geschäft i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1
GrEStG vorausgegangen ist.
|
|
|
13
|
a) Die Steuerbarkeit wird nur durch den Erwerb
des letzten Anteils ausgelöst. Dabei ist der Vorgang, der zum
Erwerb dieses Anteils führt, zwar das die Steuer
auslösende Moment. Gegenstand der Steuer ist aber nicht der
Anteilserwerb als solcher, sondern die durch ihn begründete
Zuordnung von mindestens 95 % der Anteile in einer Hand. Mit dem
Anteilserwerb wird grunderwerbsteuerrechtlich derjenige, in dessen
Hand sich die Anteile vereinigen, so behandelt, als habe er die
Grundstücke von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich
in seiner Hand vereinigen (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
11.6.2013 II R 52/12, BFHE 241, 419, BStBl II 2013, 752 = SIS 13 20 25, und vom 12.3.2014 II R 51/12, BFHE 245, 381, BStBl II 2016, 356
= SIS 14 18 24, Rz 11, m.w.N.). Die Anteilsvereinigung kann auch
dadurch erfolgen, dass der Erwerber die Anteile an der
grundbesitzenden Gesellschaft teils unmittelbar und teils mittelbar
erwirbt (BFH-Urteil vom 18.9.2013 II R 21/12, BFHE 243, 393, BStBl
II 2014, 326 = SIS 14 01 43, Rz 9, m.w.N.).
|
|
|
14
|
b) Der Erwerber erwirbt einen Anteil an der
grundbesitzenden Gesellschaft dann unmittelbar, wenn er
zivilrechtlich Gesellschafter dieser Gesellschaft wird (BFH-Urteile
in BFHE 243, 393, BStBl II 2014, 326 = SIS 14 01 43, Rz 10, und in
BFHE 245, 381, BStBl II 2016, 356 = SIS 14 18 24, Rz 12).
|
|
|
15
|
c) Beim mittelbaren Anteilserwerb, also einem
Anteilserwerb, bei dem der Erwerber selbst nicht Gesellschafter der
grundbesitzenden Gesellschaft wird, scheidet eine Anknüpfung
an das Zivilrecht aus, da es keine Regelungen für einen
mittelbaren Anteilserwerb vorsieht (BFH-Urteil in BFHE 243, 393,
BStBl II 2014, 326 = SIS 14 01 43, Rz 11; ebenso zu § 1 Abs.
2a GrEStG BFH-Urteil vom 24.4.2013 II R 17/10, BFHE 241, 53, BStBl
II 2013, 833 = SIS 13 17 45, Rz 13 ff.). Unter welchen
Voraussetzungen ein mittelbarer Anteilserwerb vorliegt, ist unter
Berücksichtigung von Wortlaut sowie Sinn und Zweck des §
1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG zu beurteilen. Entscheidend kommt es auf die
rechtlich begründeten Einflussmöglichkeiten auf die
grundbesitzende Gesellschaft an (BFH-Urteile in BFHE 243, 393,
BStBl II 2014, 326 = SIS 14 01 43, Rz 12, und in BFHE 245, 381,
BStBl II 2016, 356 = SIS 14 18 24, Rz 13).
|
|
|
16
|
d) Ist die grundbesitzende Gesellschaft eine
Kapitalgesellschaft, setzt ein mittelbarer Anteilserwerb, der zu
einer Anteilsvereinigung beitragen oder führen kann, voraus,
dass der Anteilserwerber sowohl bei der zwischengeschalteten
Gesellschaft (Zwischengesellschaft) oder bei den
Zwischengesellschaften als auch bei der grundbesitzenden
Gesellschaft selbst in grunderwerbsteuerrechtlich erheblicher Weise
die rechtliche Möglichkeit hat, seinen Willen durchzusetzen.
Dies ist beispielsweise bei Vorhandensein einer einzigen
Zwischengesellschaft der Fall, wenn der Anteilserwerber mindestens
95 % der Anteile an der Zwischengesellschaft hält und diese
ihrerseits zu mindestens 95 % an der grundbesitzenden Gesellschaft
beteiligt ist. Ist eine weitere Zwischengesellschaft vorhanden,
genügt es, wenn der Anteilserwerber mindestens 95 % der
Anteile an der ersten Zwischengesellschaft hält, diese zu
mindestens 95 % an der zweiten Zwischengesellschaft und diese
wiederum zu mindestens 95 % an der grundbesitzenden Gesellschaft
beteiligt ist. Entsprechendes gilt auch bei weiteren
Zwischengesellschaften (BFH-Urteile in BFHE 243, 393, BStBl II
2014, 326 = SIS 14 01 43, Rz 13, und in BFHE 245, 381, BStBl II
2016, 356 = SIS 14 18 24, Rz 14).
|
|
|
17
|
e) Sind diese Voraussetzungen erfüllt,
wird die Beteiligung der Gesellschaft, die Gesellschafterin der
grundbesitzenden Gesellschaft ist, für Zwecke des § 1
Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG dem Anteilserwerber als mittelbare
Beteiligung an der grundbesitzenden Gesellschaft zugerechnet
(BFH-Urteil in BFHE 243, 393, BStBl II 2014, 326 = SIS 14 01 43, Rz
14). Insoweit gelten für § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2
GrEStG dieselben Grundsätze wie für § 1 Abs. 3 Nr. 3
und Nr. 4 GrEStG (BFH-Urteil in BFHE 243, 393, BStBl II 2014, 326 =
SIS 14 01 43, Rz 15). Der Gesetzgeber geht mit der Absenkung der
Mindestbeteiligungsquote auf 95 % durch Art. 15 Nr. 1 Buchst. b des
Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24.3.1999 (BGBl I
1999, 402) für Zwecke der Grunderwerbsteuer typisierend davon
aus, dass der Anteilserwerber mit dem Erreichen dieser Quote in
grunderwerbsteuerrechtlich erheblicher Weise die rechtliche
Möglichkeit hat, seinen Willen - wenn auch über so viele
Stufen, wie zumindest 95 %ige Beteiligungen an
Zwischengesellschaften vorhanden sind - bei der grundbesitzenden
Gesellschaft durchzusetzen (BFH-Urteile in BFHE 243, 393, BStBl II
2014, 326 = SIS 14 01 43, Rz 16, und in BFHE 245, 381, BStBl II
2016, 356 = SIS 14 18 24, Rz 15).
|
|
|
18
|
f) Anteile der Gesellschaft i.S. von § 1
Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG sind bei Kapitalgesellschaften die
Beteiligungen am Gesellschaftskapital, also bei einer GmbH die
Geschäftsanteile (vgl. § 5 und §§ 14 ff. des
Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter
Haftung) und bei einer AG die Aktien (vgl. §§ 8 ff. des
Aktiengesetzes). Entsprechendes gilt für vergleichbare
ausländische Kapitalgesellschaften. Die Höhe der
Beteiligung am Gesellschaftskapital einer Kapitalgesellschaft ist
ausschlaggebend dafür, ob ein Anteilserwerb zu einer
unmittelbaren oder mittelbaren Vereinigung von Anteilen an einer
grundbesitzenden Gesellschaft beitragen oder führen kann.
|
|
|
19
|
g) Bei einer zwischengeschalteten
Personengesellschaft, die unmittelbar oder mittelbar an einer
grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt ist, ist als Anteil i.S.
von § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG - wie bei einer
zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft - die Beteiligung am
Gesellschaftskapital und nicht die sachenrechtliche Beteiligung am
Gesamthandsvermögen maßgebend.
|
|
|
20
|
aa) Die Beteiligung am Gesellschaftskapital
der Personengesellschaft vermittelt, soweit sie mindestens 95 %
beträgt, die rechtliche Möglichkeit für den
beteiligten Gesellschafter, den Willen in der Personengesellschaft
in grunderwerbsteuerrechtlich erheblicher Weise durchzusetzen.
Diese Möglichkeit hat der Gesellschafter auch in Bezug auf
nachgeordnete Gesellschaften, an denen die Personengesellschaft
wiederum zu mindestens 95 % beteiligt ist. Die Beteiligung an
diesen Gesellschaften ist unmittelbar der Personengesellschaft und
mittelbar deren Gesellschafter zuzurechnen. Für die Zurechnung
zum qualifiziert beteiligten Gesellschafter ist unerheblich, dass
an der zwischengeschalteten Personengesellschaft weitere
Gesellschafter mit einem Kapitalanteil von weniger als 5 % oder
kapitalmäßig überhaupt nicht beteiligt sind.
|
|
|
21
|
Soweit der BFH im Urteil vom 8.8.2001 II R
66/98 (BFHE 195, 427, BStBl II 2002, 156 = SIS 01 12 94) zu einer
Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG in der für 1989
geltenden Fassung entschieden hat, dass bei einer
Personengesellschaft, die an einer anderen Gesellschaft beteiligt
ist, die gesamthänderische Mitberechtigung am
Gesellschaftsvermögen der Personengesellschaft für eine
Zurechnung der Anteile an der anderen Gesellschaft maßgeblich
sein soll, wird an dieser Rechtsauffassung nicht mehr
festgehalten.
|
|
|
22
|
bb) Ein Anteilserwerb, der zu einer
mittelbaren Anteilsvereinigung i.S. von § 1 Abs. 3 Nr. 1 und
Nr. 2 GrEStG beitragen oder führen kann, setzt bei einer
zwischengeschalteten Personengesellschaft, die unmittelbar oder
mittelbar an einer grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt ist,
voraus, dass dem Erwerber nach dem Anteilserwerb mindestens 95 %
der Beteiligung am Gesellschaftskapital der Personengesellschaft
zuzurechnen sind. Ist diese Voraussetzung erfüllt, sind auch
die unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen der
Personengesellschaft an den grundbesitzenden Gesellschaften dem
Anteilserwerber mittelbar zuzurechnen.
|
|
|
23
|
cc) Die durch Art. 26 des Gesetzes vom
26.6.2013 (BGBl I 2013, 1809) erfolgte Einführung des § 1
Abs. 3a GrEStG, der auf Erwerbsvorgänge nach dem 6.6.2013
anzuwenden ist (§ 23 Abs. 11 GrEStG n.F.), rechtfertigt keine
andere Beurteilung der Zurechnung von Anteilen an
zwischengeschalteten Personengesellschaften für die Zeit
davor.
|
|
|
24
|
Mit der Einführung der wirtschaftlichen
Beteiligung als Anknüpfungspunkt für die
Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3a GrEStG n.F. sollen
insbesondere Erwerbsvorgänge mit sog. Real Estate Transfer
Tax-Blocker-Strukturen (RETT-Blocker) der Besteuerung unterworfen
werden (BTDrucks 17/13033, S. 110). Die neue Regelung stellt
deshalb auf die unmittelbare oder/und mittelbare Beteiligung am
Kapital oder am Vermögen einer Gesellschaft ab. Damit gilt
nicht die sachenrechtliche Beteiligung. Vielmehr sollen alle
Beteiligungen am Kapital oder am Vermögen einer Gesellschaft
rechtsformneutral anteilig zu berücksichtigen sein (BTDrucks
17/13033, S. 110).
|
|
|
25
|
Die mit der Einführung des § 1 Abs.
3a GrEStG n.F. verbundene Intention des Gesetzgebers schließt
es nicht aus, bereits für frühere Anteilserwerbe auch bei
einer zwischengeschalteten Personengesellschaft - wie bei einer
zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft - auf die Beteiligung am
Gesellschaftskapital abzustellen. Insoweit werden mittelbare
Beteiligungen an grundbesitzenden Gesellschaften im Rahmen des
§ 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG rechtsformneutral
behandelt.
|
|
|
26
|
dd) Für eine unterschiedliche Behandlung
von zwischengeschalteten Personen- und Kapitalgesellschaften im
Rahmen der Prüfung einer Anteilsvereinigung nach § 1 Abs.
3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG gibt es auch unter Berücksichtigung
des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes
- GG - ) keine Grundlage (BFH-Urteil in BFHE 245, 381, BStBl II
2016, 356 = SIS 14 18 24, Rz 20). Der Sinn und Zweck der
Vorschriften würde vielmehr verfehlt, wenn man insoweit
zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften unterscheiden
würde.
|
|
|
27
|
2. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat
die Klägerin durch den Erwerb der Aktien an der A-AG am
1.3.2005 den Tatbestand der Anteilsvereinigung erfüllt.
Aufgrund des Aktienerwerbs wurden mittelbar die Anteile an der
D-GmbH, der E-AG und den grundbesitzenden Kapitalgesellschaften, an
denen die E-AG beteiligt war, in der Hand der Klägerin
vereinigt.
|
|
|
28
|
a) Der Klägerin waren nach dem
Aktienerwerb mittelbar (über eine englische Limited) 100 % der
Anteile an der B-Holding zuzurechnen. Die B-Holding hielt wiederum
teils unmittelbar, teils mittelbar 100 % der Geschäftsanteile
an der grundbesitzenden D-GmbH. Unmittelbar waren der B-Holding
94,91 % zuzurechnen. Die verbleibenden 5,09 % waren ihr mittelbar
über die C-KG zuzurechnen. Die Geschäftsanteile von 5,09
% gehörten zum Zeitpunkt des Aktienerwerbs zum
Gesamthandsvermögen der C-KG. Da die B-Holding als
Kommanditistin zu 100 % am Gesellschaftskapital der C-KG beteiligt
war, war ihr die Beteiligung der C-KG an der D-GmbH von 5,09 % voll
zuzurechnen. Damit war auf jeder Beteiligungsstufe eine der
Klägerin zuzurechnende Beteiligung von 100 % gegeben.
|
|
|
29
|
Die weiteren Beteiligungen der D-GmbH an der
grundbesitzenden E-AG von 99,99958 %, der A-AG an der E-AG von
0,00042 % sowie der E-AG an deren grundbesitzenden
Tochtergesellschaften von mindestens 95 % waren ebenfalls mittelbar
der B-Holding und damit mittelbar der Klägerin
zuzurechnen.
|
|
|
30
|
b) Eine Besteuerung nach dem für
Personengesellschaften geltenden § 1 Abs. 2a GrEStG kommt
für den im Feststellungsbescheid vom 20.12.2010 erfassten
Sachverhalt nicht in Betracht. Denn der angefochtene
Feststellungsbescheid bezieht sich ausschließlich auf
Grundstücke, die zum Vermögen von Kapitalgesellschaften
gehörten.
|
|
|
31
|
3. Die Klägerin kann sich nicht mit
Erfolg auf Vertrauensschutz berufen.
|
|
|
32
|
a) Ein dem Schutz vor einer
verschärfenden Gesetzesänderung entsprechender oder
jedenfalls angenäherter Vertrauensschutz ist geboten, wenn die
Entscheidung des BFH von einer Jahrzehnte währenden
höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht, die
langjährige Rechtsprechung Eingang in die Richtlinien der
Finanzverwaltung (Art. 108 Abs. 7 GG) gefunden hat und der BFH bei
einem derartigen Rechtsfindungsprozess ähnlich einem Normgeber
tätig geworden ist (Beschluss des Großen Senats des BFH
vom 17.12.2007 GrS 2/04, BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608 = SIS 08 13 73, unter D.IV.2.b). In diesen Fällen darf der Bürger
auf die durch die höchstrichterliche Rechtsprechung
konkretisierte Rechtslage und deren Bestand vertrauen (Beschluss
des Großen Senats des BFH in BFHE 220, 129, BStBl II 2008,
608 = SIS 08 13 73, unter D.IV.2.b). Bei Vorliegen der
entsprechenden Voraussetzungen kann es aus Gründen des
Vertrauensschutzes auch geboten sein, neue
Rechtsprechungsgrundsätze des BFH nur mit Wirkung für die
Zukunft anzuwenden (vgl. BFH-Urteil vom 11.7.2017 IX R 36/15, BFHE
258, 427 = SIS 17 16 44, Rz 41 f.).
|
|
|
33
|
b) Im Streitfall liegen diese Voraussetzungen
nicht vor. Zum einen ist das BFH-Urteil in BFHE 195, 427, BStBl II
2002, 156 = SIS 01 12 94 zu einer anderen Rechtslage ergangen. Nach
dem für das Streitjahr 1989 geltenden § 1 Abs. 3 Nr. 1
GrEStG a.F. sollte der Steuer u.a. ein Rechtsgeschäft
unterliegen, das den Anspruch auf Übertragung mehrerer Anteile
der Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung
alle Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers vereinigt
werden würden. Die Vorschrift stellte auf eine erforderliche
Inhaberschaft von 100 % der Anteile der Gesellschaft ab; zudem
fehlte das Tatbestandsmerkmal der mittelbaren
Anteilsvereinigung.
|
|
|
34
|
Zum anderen gibt es keine Jahrzehnte
währende höchstrichterliche Rechtsprechung des BFH mit
dem Inhalt, dass bei einer Personengesellschaft auch auf der
Beteiligungsebene die gesamthänderische Mitberechtigung
maßgeblich sein soll. Es gibt nur die zur alten Rechtslage
ergangene Entscheidung zur mittelbaren Anteilsvereinigung bei einer
zwischengeschalteten Personengesellschaft und zur Zurechnung von
Anteilen an dieser Personengesellschaft (vgl. BFH-Urteil in BFHE
195, 427, BStBl II 2002, 156 = SIS 01 12 94). Insoweit kann nicht
von einer Tätigkeit des Gerichts als
„Ersatznormgeber“ gesprochen werden. Unerheblich
ist deshalb, dass die Finanzverwaltung die vorgenannte
Rechtsprechung des BFH auch bei der Prüfung, ob eine
Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG
vorliegt, angewandt hat (gleich lautende Erlasse der obersten
Finanzbehörden der Länder vom 9.10.2013 – Beispiel
5 – BStBl I 2013, 1364 = SIS 13 30 88). Diese Erlasse
können im Streitfall auch deshalb keinen Vertrauensschutz
begründen, weil sie erst nach der am 1.3.2005 erfolgten
Anteilsvereinigung ergangen sind und die Klägerin sie daher
bei der Entscheidung für den Erwerb der Aktien der A-AG nicht
berücksichtigen konnte. Ein Vertrauenstatbestand muss
ursächlich für Maßnahmen, Handlungen oder
Dispositionen des Steuerpflichtigen gewesen sein (BFH-Urteile vom
30.10.2014 IV R 61/11, BFHE 247, 332, BStBl II 2015, 478 = SIS 14 33 08, Rz 34, und vom 7.9.2016 I R 23/15, BFHE 255, 190, BStBl II
2017, 472 = SIS 16 25 06, Rz 19).
|
|
|
35
|
4. Der Erlass des Feststellungsbescheids am
20.12.2010 erfolgte innerhalb der Feststellungsfrist.
|
|
|
36
|
a) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung
oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die
Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO).
Gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO beginnt die
vierjährige Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr.
2 AO u.a. dann, wenn eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des
Kalenderjahres, in dem die Anzeige eingereicht wird,
spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das
auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist. Diese
Bestimmungen gelten gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 AO
sinngemäß auch für die gesonderte Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen. Die bei Verletzung der Anzeigepflicht
eintretende Anlaufhemmung verhindert, dass der Steuerpflichtige
durch - ggf. gezielt - verspätete Abgabe der Anzeige den
Handlungszeitraum des Finanzamts verkürzt (BFH-Beschluss vom
17.8.2009 II B 172/08, BFH/NV 2009, 1970 = SIS 09 36 17,
m.w.N.).
|
|
|
37
|
b) § 19 GrEStG begründet eine
gesetzliche Anzeigepflicht i.S. des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
AO (BFH-Urteil vom 23.5.2012 II R 56/10, BFH/NV 2012, 1579 = SIS 12 24 23, Rz 11). Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrEStG
müssen Steuerschuldner Anzeige erstatten über
schuldrechtliche Geschäfte, die auf die Vereinigung von
mindestens 95 % der Anteile einer Gesellschaft gerichtet sind, wenn
zum Vermögen der Gesellschaft ein Grundstück gehört.
Anzeigepflichtig ist auch die Vereinigung von mindestens 95 % der
Anteile einer Gesellschaft, wenn zum Vermögen der Gesellschaft
ein Grundstück gehört (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5
GrEStG).
|
|
|
38
|
Die Anzeige ist gemäß § 19
Abs. 4 Satz 1 GrEStG an das für die Besteuerung
zuständige Finanzamt zu richten. Gemäß § 19
Abs. 5 Satz 1 GrEStG ist die Anzeige eine Steuererklärung i.S.
der AO. Sie ist nach § 19 Abs. 5 Satz 2 GrEStG schriftlich
abzugeben. Die nach § 19 GrEStG zu erstattende Anzeige muss
den in § 20 GrEStG vorgeschriebenen Inhalt haben und
insbesondere das Grundstück nach Grundbuch, Kataster,
Straße und Hausnummer bezeichnen (§ 20 Abs. 1 Nr. 2
GrEStG).
|
|
|
39
|
c) Die grunderwerbsteuerrechtliche
Anzeigepflicht nach § 19 GrEStG besteht unabhängig davon,
ob und inwieweit die Beteiligten erkannt haben, dass der
Rechtsvorgang der Grunderwerbsteuer unterliegt, bzw. wussten, dass
insoweit eine Anzeigepflicht besteht (BFH-Urteil vom 29.7.2009 II R
58/07, BFH/NV 2010, 63 = SIS 09 37 33, unter II.2.b bb, m.w.N.).
Die Anlaufhemmung einer Festsetzungs- oder Feststellungsfrist tritt
deshalb unabhängig von subjektiven Merkmalen schon bei
objektiver Anzeigepflichtverletzung ein (vgl. BFH-Urteil vom
12.6.1996 II R 3/93, BFHE 180, 474, BStBl II 1996, 485 = SIS 96 21 13, unter II.3.b, m.w.N.).
|
|
|
40
|
d) Im Streitfall war der Anlauf der
Feststellungsfrist nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO gehemmt.
Die Frist begann erst mit Ablauf des Jahres 2008 und endete mit
Ablauf des Jahres 2012. Denn die Klägerin hat keine
ordnungsgemäße Anzeige eingereicht.
|
|
|
41
|
Die Klägerin ist mit dem Schreiben der
E-AG vom 11.3.2005 ihrer Anzeigepflicht nur insoweit nachgekommen,
als sie einen Wechsel im Gesellschafterbestand bei den der E-AG
nachgeordneten Personengesellschaften mitgeteilt hat (§ 1 Abs.
2a, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a GrEStG). Nicht angezeigt hat sie
die Erwerbsvorgänge bezogen auf die Beteiligungen an der
D-GmbH und der E-AG sowie auf die von der E-AG gehaltenen
Beteiligungen an weiteren Kapitalgesellschaften, obwohl zum
Vermögen der D-GmbH, der E-AG und der nachgeordneten
Kapitalgesellschaften jeweils inländische Grundstücke
gehörten (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bzw. Nr. 5 i.V.m.
§ 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 2 GrEStG). Vielmehr hat sie
ausgeführt, dass weitere in der Bundesrepublik Deutschland
grunderwerbsteuerbare Tatbestände, insbesondere eine
Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG ihres Erachtens
nicht erfüllt seien. Auch eine Anzeige nach § 19 Abs. 1
Satz 2 GrEStG für übrige Erwerbsvorgänge ist nicht
erfolgt.
|
|
|
42
|
Einer Anzeige hätte es ohne
Rücksicht darauf bedurft, ob die Klägerin selbst
subjektive Kenntnis von der Erfüllung des
Besteuerungstatbestands der Anteilsvereinigung hatte.
|
|
|
43
|
5. Eine Verletzung des Anspruchs der
Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG,
§ 96 Abs. 2 FGO) liegt nicht vor.
|
|
|
44
|
Aus der Revisionsbegründung der
Klägerin im Schriftsatz vom 7.9.2015 ergibt sich, dass das FG
bereits in der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten
erörtert hat, dass die Rechtsprechung des BFH zur mittelbaren
Anteilsübertragung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 245, 381, BStBl II
2016, 356 = SIS 14 18 24) im vorliegenden Fall anwendbar sei und
deshalb eine Anteilsvereinigung i.S. des § 1 Abs. 3 GrEStG
vorliege. Die Klägerin musste allein schon aus diesem Grund
damit rechnen, dass das FG die Rechtsprechung des BFH bei der
Urteilsfindung berücksichtigen würde. Auch hatte die
rechtskundig vertretene Klägerin in der mündlichen
Verhandlung hinreichend Gelegenheit, sich hierzu zu
äußern. Eine Überraschungsentscheidung ist insoweit
nicht gegeben (vgl. BFH-Beschlüsse vom 31.7.2014 III B 13/14,
BFH/NV 2014, 1901 = SIS 14 30 08, und vom 20.10.2016 VI R 27/15,
BFHE 255, 529 = SIS 16 26 05).
|
|
|
45
|
Die fehlende Erörterung zur Anwendung des
§ 42 AO hat schon deshalb keine Bedeutung, weil das FG seine
Entscheidung nicht auf § 42 AO gestützt hat.
|
|
|
46
|
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 2 FGO.
|