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I. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom
30.9.2004 erwarben der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger), ein e.V., 7,4 % und die F-GmbH 67,4 % am
Stammkapital der grundbesitzenden S-GmbH von den bisherigen
Gesellschaftern. Die restlichen Anteile von 25,2 % hielt die S-GmbH
selbst. Gesellschafter der F-GmbH waren der Kläger zu 90 % und
die K-GmbH zu 10 %. Alleingesellschafterin der K-GmbH war die
F-GmbH.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) war der Ansicht, aufgrund des Vertrags vom
30.9.2004 liege ein Erwerbsvorgang i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1
des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) vor, und setzte
demgemäß gegen den Kläger auf der Grundlage der
gesondert festgestellten Grundbesitzwerte Grunderwerbsteuer fest.
Der Einspruch blieb erfolglos. Mit dem während des
Klageverfahrens ergangenen Änderungsbescheid vom 6.10.2011
erklärte das FA die Steuerfestsetzung gemäß §
165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Abgabenordnung für vorläufig
hinsichtlich der Frage, ob die Heranziehung der Grundbesitzwerte
i.S. des § 138 des Bewertungsgesetzes als Bemessungsgrundlage
für die Grunderwerbsteuer verfassungsgemäß
ist.
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage durch
das in EFG 2012, 1582 = SIS 12 20 74 veröffentlichte Urteil
mit der Begründung statt, die nach § 1 Abs. 3 GrEStG
erforderliche Beteiligungsquote von 95 % an der S-GmbH habe der
Kläger nicht erreicht. Die von der S-GmbH gehaltenen eigenen
Anteile spielten dabei zwar keine Rolle. Der Kläger sei aber
an der zwischengeschalteten F-GmbH nur zu 90 % beteiligt gewesen.
Keine Bedeutung komme in diesem Zusammenhang dem Umstand zu, dass
die F-GmbH Alleingesellschafterin der K-GmbH gewesen sei. Die
K-GmbH verfüge nämlich über eigene Organe und eine
eigene Willensbildung und verfolge eigene Zwecke.
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Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung von § 1 Abs. 3 GrEStG. Der Kläger habe
aufgrund des im Vertrag vom 30.9.2004 vereinbarten Anteilserwerbs
die Sachherrschaft über die der S-GmbH gehörenden
Grundstücke erlangt. Dem stünden weder die von der S-GmbH
selbst gehaltenen eigenen Anteile noch der Umstand entgegen, dass
der Kläger an der F-GmbH nur zu 90 % beteiligt gewesen sei. Es
müsse dabei berücksichtigt werden, dass die an der F-GmbH
zu 10 % beteiligte K-GmbH eine 100 %ige Tochtergesellschaft der
F-GmbH sei.
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der
Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ). Das FG hat zu Unrecht angenommen, der Tatbestand des
§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG sei nicht erfüllt.
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1. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG
unterliegt der Grunderwerbsteuer u.a. ein Rechtsgeschäft, das
den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile einer
grundbesitzenden Gesellschaft begründet, wenn durch die
Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der
Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers allein vereinigt
werden würden.
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a) Die Steuerbarkeit wird nur durch den Erwerb
des letzten Anteils ausgelöst. Dabei ist der Vorgang, der zum
Erwerb dieses Anteils führt, zwar das die Steuer
auslösende Moment. Gegenstand der Steuer ist aber nicht der
Anteilserwerb als solcher, sondern die durch ihn begründete
Zuordnung von mindestens 95 % der Anteile in einer Hand. Mit dem
Anteilserwerb wird grunderwerbsteuerrechtlich derjenige, in dessen
Hand sich die Anteile vereinigen, so behandelt, als habe er die
Grundstücke von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich
in seiner Hand vereinigen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
11.6.2013 II R 52/12, BFH/NV 2013, 1498 = SIS 13 20 25, m.w.N.).
Die Anteilsvereinigung kann auch dadurch erfolgen, dass der
Erwerber die Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft teils
unmittelbar und teils mittelbar erwirbt (vgl. BFH-Urteil vom
8.8.2001 II R 66/98, BFHE 195, 427, BStBl II 2002, 156 = SIS 01 12 94). Der Erwerb von bereits in einer Hand vereinigten Anteilen an
einer grundbesitzenden Gesellschaft wird in § 1 Abs. 3 Nrn. 3
und 4 GrEStG geregelt.
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b) Der Erwerber erwirbt einen Anteil an der
grundbesitzenden Gesellschaft dann unmittelbar, wenn er
zivilrechtlich Gesellschafter dieser Gesellschaft wird.
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c) Beim mittelbaren Anteilserwerb, also einem
Anteilserwerb, bei dem der Erwerber selbst nicht Gesellschafter der
grundbesitzenden Gesellschaft wird, scheidet eine Anknüpfung
an das Zivilrecht aus, da es keine Regelungen für einen
mittelbaren Anteilserwerb vorsieht (vgl. zu § 1 Abs. 2a GrEStG
BFH-Urteil vom 24.4.2013 II R 17/10, BFHE 241, 53, BStBl II 2013,
1327 = SIS 13 17 45).
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Unter welchen Voraussetzungen ein mittelbarer
Anteilserwerb vorliegt, ist unter Berücksichtigung von
Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG zu
beurteilen. Entscheidend kommt es auf die rechtlich
begründeten Einflussmöglichkeiten auf die grundbesitzende
Gesellschaft an. Im Einzelnen gilt Folgendes:
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aa) Ein mittelbarer Anteilserwerb, der zu
einer Anteilsvereinigung beitragen oder führen kann, setzt bei
Zwischenschaltung einer oder mehrerer Gesellschaften voraus, dass
der Anteilserwerber sowohl bei der zwischengeschalteten
Gesellschaft (Zwischengesellschaft) oder bei den
Zwischengesellschaften als auch bei der grundbesitzenden
Gesellschaft selbst in grunderwerbsteuerrechtlich erheblicher Weise
die rechtliche Möglichkeit hat, seinen Willen durchzusetzen.
Dies ist beispielsweise bei Vorhandensein einer einzigen
Zwischengesellschaft der Fall, wenn der Anteilserwerber mindestens
95 % der Anteile an der Zwischengesellschaft hält und diese
ihrerseits zu mindestens 95 % an der grundbesitzenden Gesellschaft
beteiligt ist. Ist eine weitere Zwischengesellschaft vorhanden,
genügt es, wenn der Anteilserwerber mindestens 95 % der
Anteile an der ersten Zwischengesellschaft hält, diese zu
mindestens 95 % an der zweiten Zwischengesellschaft und diese
wiederum zu mindestens 95 % an der grundbesitzenden Gesellschaft
beteiligt ist. Entsprechendes gilt auch bei weiteren
Zwischengesellschaften.
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Sind diese Voraussetzungen erfüllt, wird
die Beteiligung der Gesellschaft, die Gesellschafterin der
grundbesitzenden Gesellschaft ist, für Zwecke des § 1
Abs. 3 Nr. 1 (und Nr. 2) GrEStG dem Anteilserwerber als mittelbare
Beteiligung an der grundbesitzenden Gesellschaft zugerechnet.
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Insoweit gelten für § 1 Abs. 3 Nr. 1
(und Nr. 2) GrEStG dieselben Grundsätze wie für § 1
Abs. 3 Nr. 3 (und Nr. 4) GrEStG. Eine steuerbare
Anteilsübertragung i.S. von § 1 Abs. 3 Nr. 3 (und Nr. 4)
GrEStG liegt nicht nur dann vor, wenn der Anteilserwerber die
Anteile der Gesellschaft mit Grundbesitz selbst als Gesellschafter,
also unmittelbar erwirbt, sondern auch dann, wenn es sich bei der
Beteiligung des Anteilserwerbers um eine nur mittelbare, d.h.
über eine andere Gesellschaft vermittelte handelt. Es ist
dabei erforderlich, aber auch ausreichend, wenn die
Beteiligungsquote von 95 % auf jeder Stufe erreicht wird
(BFH-Urteil vom 25.8.2010 II R 65/08, BFHE 231, 239, BStBl II 2011,
225 = SIS 10 42 34).
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Wie der BFH in dem Urteil in BFHE 231, 239,
BStBl II 2011, 225 = SIS 10 42 34 ausgeführt hat, geht der
Gesetzgeber mit der Absenkung der Mindestbeteiligungsquote auf 95 %
durch Art. 15 Nr. 1 Buchst. b des Steuerentlastungsgesetzes
1999/2000/2002 vom 24.3.1999 (BGBl I 1999, 402) für Zwecke der
Grunderwerbsteuer typisierend davon aus, dass der Anteilserwerber
mit dem Erreichen dieser Quote in grunderwerbsteuerrechtlich
erheblicher Weise die rechtliche Möglichkeit hat, seinen
Willen - wenn auch über so viele Stufen, wie zumindest 95 %ige
Beteiligungen an Zwischengesellschaften vorhanden sind - bei der
grundbesitzenden Gesellschaft durchzusetzen.
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bb) Die Beteiligungsquote von 95 % bei der
grundbesitzenden Gesellschaft kann auch durch eine teils
unmittelbare und teils mittelbare Beteiligung des Anteilserwerbers
erreicht werden, so beispielsweise, wenn vereinbart wird, dass die
Gesellschafter einer grundbesitzenden Gesellschaft die Hälfte
ihrer Beteiligungen auf einen Dritten und die andere Hälfte
auf eine Gesellschaft übertragen, an der der Dritte zu
mindestens 95 % beteiligt ist. Der Dritte hat in einem solchen Fall
die rechtliche Möglichkeit, seinen Willen bei der
grundbesitzenden Gesellschaft in grunderwerbsteuerrechtlich
erheblicher Weise durchzusetzen.
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cc) Entsprechendes gilt auch für die
Zwischengesellschaften. Es genügt dabei z.B., wenn der
Anteilserwerber sich an der Zwischengesellschaft unmittelbar zu 45
% beteiligt und eine Gesellschaft, an der er zu mindestens 95 %
beteiligt ist, weitere 50 % der Anteile an der Zwischengesellschaft
erwirbt. Der Anteilserwerber hat in einem solchen Fall die
rechtliche Möglichkeit, seinen Willen bei der
Zwischengesellschaft in grunderwerbsteuerrechtlich erheblicher
Weise durchzusetzen.
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dd) Bei der Prüfung, ob die Quote von 95
% durch eine unmittelbare oder mittelbare Anteilsvereinigung
erreicht ist, bleiben eigene Gesellschaftsanteile, die eine
Kapitalgesellschaft als Zwischengesellschaft oder grundbesitzende
Gesellschaft selbst hält, außer Betracht. Zivilrechtlich
kann eine Kapitalgesellschaft zwar eigene Anteile halten (vgl.
§ 33 Abs. 2 und 3 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften
mit beschränkter Haftung, § 71 des Aktiengesetzes); dies
ändert aber nichts daran, dass die Gesellschaft begrifflich
keine von ihr selbst verschiedene Person sein kann. Der Erwerber,
der mindestens 95 % der nicht von der Kapitalgesellschaft selbst
gehaltenen Anteile an dieser erwirbt, beherrscht das Vermögen
der Gesellschaft in gleicher Weise, wie wenn der Gesellschaft
selbst keine Anteile zustünden (BFH-Urteil vom 16.1.2002 II R
52/00, BFH/NV 2002, 1053 = SIS 03 13 35, m.w.N.).
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ee) Gleiches muss entgegen der Ansicht des FG
auch für Anteile gelten, die eine 100 %ige Tochtergesellschaft
der Zwischengesellschaft an dieser hält. Der Sinn und Zweck
des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG würde verfehlt, wenn man die
Beteiligung der Tochtergesellschaft an der Zwischengesellschaft bei
der Prüfung, ob die Quote von 95 % auf jeder Beteiligungsebene
erreicht ist, wie den Anteil eines von der Zwischengesellschaft
unabhängigen Gesellschafters behandeln würde. Wie bereits
ausgeführt, ist bei einer Beteiligung von mindestens 95 %
davon auszugehen, dass der in dieser Höhe unmittelbar und/oder
mittelbar beteiligte Gesellschafter die rechtliche Möglichkeit
hat, seinen Willen bei der Beteiligungsgesellschaft durchzusetzen.
Für diese am Normzweck des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG
orientierte Auslegung ist es unerheblich, dass eine
Beteiligungsgesellschaft in der Rechtsform einer
Kapitalgesellschaft unabhängig von den
Beteiligungsverhältnissen eine juristische Person mit eigenen
Organen ist.
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Bei Bestehen einer wechselseitigen Beteiligung
zwischen einer Zwischengesellschaft und ihrer 100 %igen
Tochtergesellschaft ist diese Beurteilung ebenfalls
maßgeblich. Entscheidend ist, dass die Zwischengesellschaft
aufgrund ihrer Stellung als Alleingesellschafterin die rechtliche
Möglichkeit hat, ihren Willen bei der Tochtergesellschaft in
grunderwerbsteuerrechtlich erheblicher Weise durchzusetzen. In
solchen Fällen ist davon auszugehen, dass die
Tochtergesellschaft gegenüber der Zwischengesellschaft keinen
eigenen Willen entfalten kann. Dies rechtfertigt es, bei der
Prüfung, ob die Quote von 95 % auf jeder Beteiligungsebene
erreicht ist, die Anteile der 100 %igen Tochtergesellschaft an der
Zwischengesellschaft unberücksichtigt zu lassen
(Clemens/Lieber, DStR 2005, 1761; Behrens, Die
Unternehmensbesteuerung 2008, 316, 319
f.; a.A. Wischott/Schönweiß/Fröhlich, DStR 2007,
833; Fischer in Boruttau,
Grunderwerbsteuergesetz, 17. Aufl., § 1 Rz 947; Hofmann,
Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl., § 1 Rz 145;
Rothenöder, Der Anteil im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG,
2009, S. 145).
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2. Da das FG von einer anderen Auffassung
ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist
spruchreif. Der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG wurde
durch den Abschluss des Vertrags vom 30.9.2004 verwirklicht. Die in
dem Vertrag vereinbarten, gegen die bisherigen Gesellschafter
gerichteten Ansprüche auf Anteilsübertragungen gaben dem
Kläger nach ihrer Erfüllung die rechtliche
Möglichkeit, in grunderwerbsteuerrechtlich erheblicher Weise
seinen Willen bei der S-GmbH, der grundbesitzenden Gesellschaft,
durchzusetzen. Der Kläger war nach Erfüllung des Vertrags
teils unmittelbar, teils mittelbar über die F-GmbH zu 100 % an
der S-GmbH beteiligt. Dem stehen weder die von der S-GmbH selbst
gehaltenen eigenen Anteile noch der Umstand entgegen, dass der
Kläger an der F-GmbH nur zu 90 % beteiligt war; denn die
restliche Beteiligung an der F-GmbH wurde von der K-GmbH, einer 100
%igen Tochtergesellschaft der F-GmbH, gehalten und bleibt somit bei
der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 1
GrEStG erfüllt sind, unberücksichtigt.
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